Protokoll der Sitzung vom 29.06.2023

gerade wenn zu sehen ist, wie die Strafverfolgung hierbei auch mit einem Signalanspruch versehen wurde. Der Staat duldet keine Selbstjustiz und Gewalttaten gegen Bürger*innen mit anderer politischer Überzeugung. Das ist sein Anspruch und der muss eingelöst werden.

Wird der Strafanspruch eingelöst? - Häufig ja, aber nicht über alle Gewaltdelikte hinweg gleichmäßig. Wo linksextreme Gewalt völlig zu Recht gesellschaftlich geächtet ist und durch Polizei und Sicherheitsbehörden konsequent verfolgt wird, sehen wir bei rechter Gewalt, wenn wir über die Jahrzehnte zurückschauen, darüber hinweg.

Erstens gibt es zu wenig Ächtung durch die Gesellschaft, auch weil rechte Gewalt häufig an den Rand gedrängte Personen betrifft. Zweitens erfolgt viel zu oft nicht oder noch nicht aus- reichend genug eine konsequente Ahndung.

Der Antrag der AfD ist ein so plumper wie offenkundiger Versuch, von der gesichert rechts- extremen Position ihrer Jugendorganisation und ihrer selbst als extremistischer Verdachtsfall abzulenken.

(Tobias Rausch, AfD: das stimmt doch gar nicht mehr! - Weitere Zurufe: Herr Striegel, das stimmt nicht! - Nicht lügen! - Das wurde zurückgenommen, Herr Striegel! - Falschaus- sage! - Fake News!)

- Sie bleiben weiterhin gesichert rechtsextrem. Das Bundesamt für Verfassungsschutz behauptet es bloß nicht weiter öffentlich. Das ist ein feiner Unterschied. Machen Sie hier keine Propaganda!

Ihr Versuch, weite Teile der zivilgesellschaft- lichen antifaschistischen Bürgerinnen und Bürger in diesem Land in eine extreme gewalttätige Ecke zu stellen und zu kriminalisieren, erinnert - das ist ja heute schon angesprochen worden - an den Versuch zur Einrichtung eines Unter- suchungsausschusses in der letzten Legislaturperiode.

Ihre Bemühungen werden nicht fruchten. Wir sind alle Antifaschisten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir leben, was in Artikel 37a unserer Verfassung geschrieben steht - ich zitiere -:

„Die Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, die Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems sowie rassistische und antisemitische Aktivitäten nicht zuzulassen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Verantwortung jedes Einzelnen.“

Ich wiederhole: ist Verpflichtung aller staat- lichen Gewalt.

(Daniel Rausch, AfD: Ja, das ist richtig!)

Diesem Anspruch muss der Staat auch mit Blick auf rechte Gewalttaten gerecht werden. Wir lehnen den Antrag der AfD ab. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Striegel, es gibt eine Frage von Herrn Borgwardt.

Sehr gern.

Herr Borgwardt, bitte.

Herr Kollege Striegel, als Nichtjurist - das bin ich auch - geben Sie mir doch sicherlich recht, dass das Verwenden von „mutmaßlich“, nachdem ein Urteil gesprochen wurde, grundsätzlich falsch ist.

Nein, das ist nicht grundsätzlich falsch, Herr Kollege Borgwardt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ich hatte berichtet, dass Revision zum BGH eingelegt worden ist. Insofern ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt „mutmaßlich“. Auch deswegen ist ja Lina E. aus der Untersuchungshaft freigekommen, weil tatsächlich noch kein rechtskräftiges Urteil an dieser Stelle vorliegt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das ist ein Rechtsgrundsatz.

(Matthias Redlich, CDU: Weil sie einen Groß- teil schon abgesessen hat!)

Ich glaube, darüber brauchen wir uns hier nicht zu streiten, sondern das ist so festgelegt

worden. Sobald der BGH entschieden hat, fällt das „mutmaßlich“ weg und dann haben wir abschließende Klarheit. Aber noch hat der BGH nicht entschieden.

Herr Kollege Striegel, nur noch einmal, bitte: Das kann man juristisch so sehen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das ist so!)

Das ist kein Problem. Das wird auch so sein. Aber die Verurteilung - das möchte ich jetzt richtigstellen - ist nicht erfolgt, weil sie „rechtsextrem“ oder „vermeintlich“ sind, sondern wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Das ist das Urteil. Ich würde Sie einmal bitten, das nachzulesen.

Nein, Herr Borgwardt, ich muss Sie an dieser Stelle wirklich korrigieren, da liegen Sie falsch. Sie müssten bitte noch einmal selbst recherchieren. Es handelt sich hierbei um ein erstinstanz- liches Urteil wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, nicht in einer terroristischen Vereinigung. Das ist ein deutlicher Unterschied.

Das Urteil ist, wie gesagt, noch nicht rechtskräftig. Ich glaube, gerade an dieser Stelle sollten wir alle miteinander korrekt unterwegs sein.

Was die Verwerflichkeit der Taten im Übrigen anbelangt, haben wir, glaube ich, keinen Dissens. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es folgt Herr Schulenburg.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Es ist ja nicht die erste Debatte, die wir heute zum Thema linke Gewalt in diesem Landtag führen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Was war denn die erste?)

Was wir definitiv nicht brauchen, das ist ein Antrag von Ihnen, mit dem Sie die Landesregierung auffordern, die linke und gewaltbereite Szene in Sachsen-Anhalt in den Blick der Sicherheits- und Strafverfolgungsorgane zu nehmen.

(Oliver Kirchner, AfD, lacht)

Meine Erfahrung der letzten Jahre in SachsenAnhalt ist, dass die Polizei, der Verfassungsschutz, aber auch die kommunalen Ordnungsbehörden, die Versammlungsbehörden, alles Erdenkliche tun und alle gesetzlichen Möglichkeiten nutzen, um jegliche Form von Extremismus zu bekämpfen.

Die Verurteilungen in Dresden, die Sie in Ihrem Antrag ansprechen, machen doch deutlich, dass die Strafverfolgungsbehörden alles Notwendige getan haben, damit Linksextreme gerichtlich verurteilt werden konnten. Der Rechtsstaat hat funktioniert.

In einem Gerichtsverfahren sind alle be- und entlastenden Momente, alle Beweise zu gewichten, und am Ende entscheidet ein unabhängiger Richter. Bei einigen Gerichtsverfahren würde ich mir auch härtere Strafen wünschen,

aber die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut in unserer Verfassung.

Aussteigerprogramme, wie Sie sie in Ihrem Antrag anregen, gibt es sowohl von staatlichen als auch von privaten Organisationen. Sollte es einen Linken geben, der endlich zu der Einsicht gekommen ist, dass sein politisches Handeln nicht mehr zu seiner inneren Überzeugung passt, dann gibt es Aussteigerprogramme des Bundes oder eben auch von privaten Organisationen, die er nutzen könnte.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Wir lehnen Ihren Antrag ab. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schulenburg. - Der letzte Redner ist Herr Kirchner. Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Zu dieser Debatte bleibt eigentlich nicht viel zu sagen, außer zu den Äußerungen von Herrn Grube, dass Nazis in Wehrmachts-T-Shirts in Sonneberg AfD-Ballons verteilt hätten.

(Dr. Falko Grube, SPD: Ja! - Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)

Also, Herr Grube, ich weiß, sinnerfassendes Verstehen ist nicht so einfach. Aber kein Mitglied unserer Partei würde so herumrennen wie derjenige, der das dort gemacht hat.

(Unruhe - Lachen)

Kein Wahlkampfhelfer unserer Partei würde das machen. Wer sich einmal mit V-Männern aus- einandergesetzt hat und den Verfassungsschutz kennt,