Protokoll der Sitzung vom 07.09.2023

Herr Henke, ich teile größtenteils Ihre Analyse, aber das Dilemma, dass sowohl der Landeshaushalt als auch die kommunalen Haushalte letztendlich klamm sind, können wir auch damit nicht lösen. Sie haben die Probleme, z. B. die Transformation, angesprochen - das ist noch nicht einmal abgebildet -, welche enorm viel Geld kosten werden. Ein weiteres Problem ist die Migration. Dieses Dilemma werden wir weder hier im Landeshaushalt noch bei den Kommunen auflösen können. An dieser Stelle müssen wir die Probleme strukturell angehen und diese endlich lösen, sonst werden wir weiter ins Minus laufen, und zwar sowohl im Landeshaushalt als auch bei den Kommunen. Daran führt kein Weg vorbei.

Nun sind wir beim Thema Binnenverteilung. Das ist eigentlich ein Thema der vertikalen Verteilung. Dort sehe ich aber eine Tendenz, die eigentlich nicht so gewollt war - das sagte schon Ihr Vorredner -, nämlich dass wieder eher die Mittelzentren begünstigt oder als Sieger hervorgehen werden. Sehen Sie das tendenziell

auch so? Ich meine, das so auszumachen, wenn ich mir die Unterlagen angucke. Auch ich sehe das durchaus als Kritikpunkt.

Herr Henke, wollen Sie reagieren?

Ich will gleich mit dem Letzteren beginnen. Wir reden viel über gleichwertige Lebensverhältnisse.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Deshalb bin ich kein Freund davon, auf der einen Seite die Mittelzentren besserzustellen und auf der anderen Seite die kleinen Städte, Grundzentren und Gemeinden zu vernachlässigen.

Zu dem anderen angesprochenen Punkt. Die drei großen kommunalen Spitzenverbände auf der Bundesebene, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Landkreistag, haben in einer jüngsten Prognose im Sommer dieses Jahres geäußert, dass voraussichtlich in diesem Jahr alle Städte, Gemeinden und Landkreise auf ein Defizit im Finanzierungssaldo von mehr als 6 Milliarden € zusteuern. Sie haben für das kommende Jahr fast 10 Milliarden € prognostiziert. Das zeigt, dass die Binnenverteilung, also von der obersten staatlichen Ebene bis nach unten, überhaupt nicht funktioniert. Wir als Linkspartei haben an dieser Stelle schon mehrfach entsprechende Vorschläge dafür gemacht, wo Geld generiert werden kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner folgt für die FDP-Fraktion Herr Bernstein. - Herr Bernstein, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als vierter Redner habe ich tatsächlich nicht mehr allzu viel Neues beizutragen. Es wurde auf das Gutachten hingewiesen, welches die Grundlage für das vorliegende Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes darstellt.

Auch ich habe mir - man soll immer mit dem Positiven beginnen - vorgemerkt, auf die Erhöhung um knapp 250 Millionen € hinzuweisen, von denen nahezu 80 % auf die Schlüsselzuweisungen entfallen. Angesichts der Gesamtzahlen, die vom Finanzminister und im Finanzausschuss genannt worden sind - da waren, glaube ich, 40 Millionen € als Gesamtumfang der Umverteilung angeführt worden -, könnte man sich fragen, ob sich der ganze Aufwand gelohnt hat. Das wäre eine Frage.

(Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD)

Die Frage beantworte ich in die folgende Richtung: Das Vorgehen der Landesregierung halte ich grundsätzlich für konsequent. Wir als Koalitionsfraktionen haben vereinbart, ein solches Gutachten zur Beurteilung des horizontalen Finanzausgleiches in Auftrag zu geben. Wir haben uns die Ergebnisse präsentieren lassen. So sind sie nun einmal. Wenn die Landesregierung diesem Gutachten, zumindest erst ein- mal im Gesetzentwurf, nicht gefolgt wäre, dann hätten wir uns, denke ich, diesen ganzen Kram sparen können, um es einmal salopp zu sagen.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, und von Stefan Ruland, CDU - Zurufe von Stefan Ruland, CDU, und von Guido Heuer, CDU)

- Dort steht auch nirgendwo, dass man es erst einmal nicht umsetzen muss. Es ist vielleicht dann die Aufgabe von uns als Parlamentariern, die entsprechenden Stellschrauben zu stellen und auf die möglichen Verbesserungen hinzuarbeiten.

Ich blicke einmal in die Runde. Bei vielen von uns dürften zwei Herzen in der Brust schlagen.

(Andreas Silbersack, FDP, lacht)

Zum einen sind wir Parlamentarier des Landtages von Sachsen-Anhalt; zum anderen sind wir natürlich - lieber Kollege Kosmehl, das magst du mir gern einmal verzeihen - auch in kommunalen Parlamenten tätig. Wir sind unseren Heimatkommunen in irgendeiner Weise verbunden; das ist einfach so.

(Guido Kosmehl, FDP: Aber Verantwortung trägst du hier!)

- Selbstverständlich tragen wir Verantwortung für das Land. Ich habe einfach nur darauf hin- gewiesen.

Aus diesem Grunde darf man auf die Effekte, die dieses Gutachten mit sich bringt, sicherlich neutral schauen und kann sich fragen: Ist das, was jetzt passiert, gerecht? Ich meine, auch von Vorrednern wurden gewisse Beispiele gebracht, die aus meiner Sicht eine gewisse räumliche Nähe zu den jeweiligen Wohnorten haben.

Ich habe an die Kriterien gedacht, die aufgeführt worden sind und die zu solchen Verwerfungen, z. B. bei den kreisfreien Städten, geführt haben. Das sind Kriterien wie die Einwohnerzahl, die Altersstruktur und die Soziallasten, die dazu

führten, dass eine kreisfreie Stadt im Land deutliche Zuwächse und zwei andere - eine davon überdurchschnittliche - Minderungen zu verzeichnen hatten. Das ist erst einmal nur ein Fakt. Das sind diese zwei Herzen, die vorhanden sind.

Bis jetzt habe ich an der ganzen Sache immer noch die positive Seite gesehen, sodass ich sage: Okay, bei der Ausweitung der Gesamtmasse und der Anwendung dieser neuen Verteilungsregeln wird es zum Schluss wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass vermutlich nur sehr wenige schlechtergestellt werden. Das werden wir abwarten, bis wir die Zahlen für das aktuelle Jahr haben und bis wir dann tatsächlich sagen können, wie die zur Verfügung stehende Finanzausgleichsmasse mit ihren Schlüsselzuweisungen tatsächlich ausfallen wird.

Mir ist tatsächlich noch wichtig, auf Dinge hinzuweisen, die in diesem Gesetz nicht vorgesehen sind. Das sind Fragen der, sagen wir ein- mal, leistungsorientierten Kriterien; quasi der Bonus für die Kommunen, die besonders effizient arbeiten. Wir haben schon oftmals über Kennziffern, über Benchmarking gesprochen. Effiziente Verwaltung, Bemühungen um einen Schuldenabbau - all diese Dinge, denke ich, sind durchaus überdenkenswert. Dafür, wie man sie tatsächlich umsetzen kann, habe ich auch noch keine konkrete Lösung, aber zumindest würde ich an dieser Stelle gern darauf hinweisen.

Auch haben wir noch nicht über die bedarfs- gerechte Ausgestaltung der gesamten Finanzausgleichmasse gesprochen, also über diesen sogenannten vertikalen Austausch. Wenn man allerdings in den heute präsentierten Haushaltsplanentwurf schaut, dann findet man dort eine Position für die Ausschreibung eines solchen Gutachtens. Dieses Gutachten sollte für uns die Grundlage dafür sein, um hier konsequent

an einer Fortentwicklung dieses Finanzausgleichgesetzes zu arbeiten. Man darf an dieser Stelle sicherlich auch noch einmal an die Pflichten der Kommunen in Bezug auf ihre Gestaltung einer ordnungsgemäßen Buchführung erinnern.

Ich habe meinen Schülern immer erzählt: GoB heißt, die Geschäftsbuchhaltung eines Unternehmens, an dieser Stelle einer Kommune, soll den sachverständigen Dritten einen Überblick über die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage der Kommune ermöglichen. Über diese Finanz-, Vermögens- und Ertragslage muss ich natürlich auch Bescheid wissen, um am Ende sagen zu können, wie groß diese Ausgleichsmasse aus- gestaltet sein muss, damit sie letztendlich bedarfsgerecht erfolgt.

Die Bitte oder die Aufforderung aus meiner Fraktion heißt: Lassen Sie uns im Finanzausschuss und im Innenausschuss intensiv über den Gesetzentwurf diskutieren. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Bernstein. - Es gibt eine Frage von Herrn Scharfenort, wenn Sie diese zulassen.

Die FDP ist immer für Leistungsanreize. Insofern habe ich mich darüber gefreut, in Ihrer Rede das Wort „Bonus-Malus-System“ zu hören. Das hört man ja immer einmal wieder an der einen oder an der anderen Stelle. Nun haben Sie

ausgeführt, dass Sie keine konkreten Vorstellungen haben. Können Sie sich vorstellen, dass es in Ihrer Fraktion zu einer Entwicklung kommt im Hinblick auf diesen Gesetzentwurf oder wenigstens spätestens dann, wenn wir den vertikalen Verlustausgleich vorliegen haben, wobei ich keine Hoffnung habe, dass das in dieser Legislaturperiode noch passieren wird? Wären Sie als FDP-Fraktion grundsätzlich dazu bereit, an so etwas zu arbeiten?

Also, wie gesagt, wir haben dazu tatsächlich keine konkreten Vorstellungen, aber Leistungsorientierung ist immer eine gute Sache, denke ich.

Vielen Dank, Herr Bernstein. - Es schließt sich Herr Meister von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Entscheidungen auf kommunaler Ebene gestalten ganz unmittelbar das Leben der Menschen. Es geht um Fragen wie: Ist die Schule saniert, ist die Bushaltestelle in Ordnung, ist die örtliche Verwaltung auf Zack oder eben nicht? Unsere Kommunen brauchen eine angemessene finanzielle Ausstattung, um ihre Auf- gaben im Sinne der Bürgerinnen und Bürger bewältigen zu können.

Die Erhöhung der Finanzausgleichsmasse hat angesichts der Inflation und der aktuellen

Herausforderungen der Kommunen Priorität. Mittel in Höhe von 249,6 Millionen € - der Minister hat es ausgeführt - stehen im Gesetz.

Wenn man die kommunalen Haushaltsberatungen erlebt - mir geht es ähnlich wie meinem Vorredner -, dann hat man natürlich die Frage, ob das tatsächlich auskömmlich sein wird. Diese Frage muss man stellen, und man muss schauen, ob sich das nicht in eine andere Richtung noch entwickeln muss.

Das von uns geforderte Gutachten zum vertikalen Finanzausgleich, also zu der extern zu beantwortenden Frage, welche Summe unsere Kommunen zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen, wäre nötig gewesen. Leider haben wir uns damit nicht durchgesetzt. Die Koalition hat damals im Ausschuss nicht zugestimmt. Wir hatten nur das Gutachten zum horizontalen Ausgleich. Jetzt hat die Koalition sich in diese Richtung bewegt. Das wurde eben auch ausgeführt. Das ist spät. Es wäre gut gewesen, das jetzt schon zu haben.

Nun liegt leider nur das Gutachten zur horizontalen Verteilung, also zum Verteilungsschlüssel der Mittel auf die Kommunen und Landkreise und zu den Ausgleichen untereinander, vor. Auch die insoweit vorgeschlagenen Änderungen der Verteilung innerhalb der Kommunen bedürfen noch einer intensiven Debatte und kritischen Abwägung. Ich meine auch, dass es eine unbearbeitete Umsetzung des Gutachtens in ein Gesetz nicht geben sollte.

Kollege Erben ist schon auf die Frage der Veredlung der Mittelzentren eingegangen. Darüber kann man längere Debatten führen.

Hinzu kommt, dass mit der Aufstockung im Zuge der FAG-Evaluierung zwar die Gesamtsumme

der Gruppen, Landkreise, kreisfreien Städte und Kommunen klar ist, die wirklich entscheidenden und interessanten Einzelsummen aber jeweils noch nicht vorliegen. Die Einschätzung zur konkreten Auswirkung dieses FAG ist so nur schwer möglich, da man eben nicht die Summe neben den Haushalt der Kommune legen kann und sagen kann, wie sich das auswirkt und wie danach die Situation sein wird. Wir gehen davon aus, dass diese Berechnung baldmöglichst zur Ausschussbefassung vorgelegt wird.

Sehr erfreut sind wir, dass sich die Umsetzung eines von den GRÜNEN schon lange diskutierten Ansatzes einer kommunalen Grundsicherung im Gesetzentwurf wiederfindet, um eine Untergrenze der kommunalen Finanzausstattung sicherzustellen. Die Werte von 85 % der durchschnittlichen Finanzkraft aller Gemeinden und die Deckung von 90 % der Lücke müssen noch geprüft werden.

Im Rahmen der Beratungen werden wir uns dafür einsetzen, den gewählten Ortschaftsräten mit einem eigenen Budget Gestaltungsmöglichkeiten zu verschaffen. Wir haben das neulich schon einmal angedeutet. Ich halte das für eine sinnvolle Maßnahme. Die Ortschaftsräte haben keine eigenen Mittel, um örtliche Aktivitäten in Eigenregie zu organisieren oder kleinere Anschaffungen für den Ort, von Parkbänken bis hin zu Bäumen, zu tätigen. Mit einem Budget von jeweils 5 000 € wollen wir den Ortschaftsräten eigenes Geld dafür an die Hand geben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir sind gespannt auf die Ausschussbefassung und stellen uns der Beratung. Meine Redezeit ist vorbei.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Meister, Sie hätten noch ein bisschen länger reden können, weil die Einbringungsrede sehr lang war. Aber der Redezeitcomputer zeigt rot. Jetzt spricht Herr Heuer, wenn Sie ihm eine Frage gestatten wollen. - Herr Heuer, bitte.