Protokoll der Sitzung vom 07.09.2023

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Das kann man nach dem erlebten verregneten Sommerurlaub verlachen und abtun wie Sie, aber das wäre dumm; denn genau da liegt der Unterschied zwischen Wetter und Klima. Bereits jetzt ist absehbar, auch hierzulande werden die Thermometer in den kommenden Sommern tagelang auf über 40 Grad klettern.

(Zurufe von der AfD: Oh mein Gott! - Oh! - Ich bitte darum! - Weitere Zurufe von der AfD)

Diese Herausforderungen veranlassen zum Glück nicht nur uns GRÜNE zu Handlungen. Auf Bundesebene ist bereits einiges in Gang gesetzt worden, und auch hier im Land widmet sich bspw. die kommende Landesgesundheitskonferenz genau diesem Zusammenhang von Hitze und Gesundheit, und den entsprechenden Musterleitfaden für stationäre Pflegeeinrichtungen des Landes muss man hier lobend erwähnen.

Aber diese Ansätze müssen ausgebaut und insbesondere finanziell untersetzt werden. Hauptpunkt unseres Antrags ist daher ein Förderprogramm für soziale Einrichtungen zur Anpassung an Extremhitzeereignisse. Klar, zuvorderst denkt man dabei an alte Menschen und Pflegeheime. Das ist auch nicht falsch, aber Jugendeinrichtungen, Kitas, Einrichtungen der Eingliederungshilfe und insbesondere Krankenhäuser sind ebenso von Hitze betroffen. Meine Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken können ein Lied davon singen und müssen für die Sommer umrüsten.

(Zurufe von der AfD)

Gerade für Kitas ist das Thema von Belang; denn Kinder sind von Hitze besonders betroffen, weil die körpereigene Temperaturregelung noch nicht so gut funktioniert wie bei Erwachsenen. Der Mensch schwitzt erst richtig

(Unruhe)

ab der Pubertät, also erst ab zwölf bis 13 Jahren können wir Menschen uns durch die Verdunstungskälte unseres Schweißes selbst etwas Kühlung verschaffen. Deshalb müssen Kitas besonders auf Hitzeschutz achten und entsprechend sensibilisiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Hierfür soll das Land Mittel bereitstellen, damit Einrichtungen dabei unterstützt werden, etwa Sonnensegel anzuschaffen, mobile Klimaanlagen aufzustellen, Hitzeschutzräume einzurichten

(Unruhe)

Verschattungen zu schaffen usw. Als die Mindestbauverordnung - -

Warten Sie einmal, Frau Sziborra-Seidlitz. - Ich kann vielleicht noch nachvollziehen, dass es bei dem Thema hier bei einigen zu Hitzewallungen kommt. Aber ich will mich doch noch ein- mal darauf beziehen, dass wir diesen Landtag häufig als das „Hohe Haus“ bezeichnen. Zurzeit benehmen sich sehr viele nicht danach.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)

Ich möchte jetzt bitte wenigstens die Chance eröffnen, dass die Dinge, die vorgetragen werden, in einer Art und Weise vorgetragen wer- den können, die es ermöglicht, dass man sie verfolgt, und ich möchte bitte ausdrücklich versuchen, für so viel Verständnis und Akzeptanz zu sorgen, dass es hier eine Debatte geben kann und das nicht nur in einer gegenseitigen Beschimpfung oder Ablehnung endet. Ich versuche das. Das hängt ein Stück weit von Ihnen ab. Ich möchte bitte eine solche Kultur bei uns, wenn es irgend geht, erhalten. - Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Als die Mindestbauverordnung für stationäre Einrichtungen

nach dem Wohn- und Teilhabegesetz hier im Landtag behandelt wurde, haben wir bereits darauf hingewiesen, dass der zehnjährige Übergangszeitraum für die Träger zur Schaffung eines Temperaturmanagements viel zu lang ist. Hierbei besteht akuter Handlungsbedarf. Neben der finanziellen Förderung soll das Land daher dringend mit den Trägern dazu ins Gespräch kommen und darauf hinwirken, dass diese per Verordnung eingeräumte Erfüllungsfrist die absolute Ausnahme bleibt und wir bald- möglichst landesweit die Einrichtungen fit machen, um Gesundheit und Wohlbefinden auch bei Extremtemperaturen zu gewährleisten.

Letztlich fordert der Handlungsleitfaden des Landes die Einrichtungen dazu auf, nötige Investitionen zu identifizieren. Wenn der Investitionsbedarf kalkuliert ist, kann der von uns geforderte Fördertopf des Landes dazu beitragen, diese Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ja, es gibt für soziale Einrichtungen und für den Hitzeschutz dort auch einen Fördertopf des Bundes. Unsere grüne Umweltministerin Steffi Lemke hat die Dringlichkeit dieses Problems erkannt und bereits gehandelt. Auch in Sachsen-Anhalt haben schon einige Einrichtungen Mittel aus diesem Topf für Hitzeschutz bekommen.

Aber die Herausforderung der Klimakrise ist zu groß, als dass sie einer politischen Ebene überlassen bleiben darf. Da braucht es eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern. Auch geht es mit dem Landesprogramm weniger um millionenschwere Investitionsförderung, sondern um kleine, aber ebenso wirksame Hitzeschutzmaßnahmen - Sonnensegel etc. -, die wir fördern wollen. Investitionsbedarf besteht sicherlich auch in den Krankenhäusern. Hierzu sind erste Gespräche mit der Krankenhausgesellschaft zu führen, um letztendlich

den Investitionsbedarf in dem Bereich abschätzen und haushalterische Vorsorge treffen zu können.

Natürlich findet man viele Informationen für präventives Verhalten, also das, was jeder und jede Einzelne bei hohen Temperaturen machen kann, auch im Internet und überall sonst. Nicht zuletzt bieten das Bundesgesundheitsministerium und auch unser eigenes Gesundheitsministerium dazu gut aufbereitete Informationen. Wir aber wollen eine konzertierte Kampagne im Vorfeld des nächsten Sommers. Das Land soll zusammen mit den Hausärztinnen und -ärzten und den Apotheken eine landesweite und insbesondere im öffentlichen Raum wahrnehmbare Informations- und Sensibilisierungskampagne starten. Nicht nur gut bekannte Tipps wie genug trinken - das wissen wir wahrscheinlich alle -, sondern auch die deutliche Warnung davor, etwa Babys und Kleinkinder an Hitzetagen auch nur für einen Augenblick in geparkten Autos zu lassen. Hier kommt es immer wieder zu tragischen, mitunter tödlichen Einzelfällen, und je präsenter das Thema in der Öffentlichkeit ist, desto seltener kommt so etwas hoffentlich vor.

Auch neue Angewohnheiten könnten beworben werden, wie etwa gerade für Menschen, die körperlich arbeiten, sich z. B. morgens und abends zu wiegen; denn der womöglich dann festzustellende Gewichtsverlust zum Abend hin steht für den Flüssigkeitsverlust im Laufe des Tages, und den hat man nicht durch genügend Trinken ausgeglichen. Da kann man dann noch nachsteuern. Gerade über mehrere Tage hinweg kann das gefährlich werden. Wenn durch die Dehydrierung kognitive Einschränkungen verursacht werden, die wiederum zu Unfällen und Fehlern führen, reden wir nicht mehr nur über Dehydrierung als Problem bei unseren Seniorinnen und Senioren.

All das sind Kompetenzen, die wir alle erst noch erlernen müssen; denn in unseren bis- her gemäßigten Breiten war es unnötig, über solche Hitzekompetenzen zu verfügen. Wer kennt hierzulande schon die Feuchtkugeltemperatur oder die Kühlgrenztemperatur? Das war mir auch neu. Das bedeutet, dass neben der Temperatur selbst Werte zu Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Strahlung zu einem Wert kondensiert werden. 22 Grad Kühlgrenztemperatur sind quasi ideal für uns Menschen.

(Zurufe von der AfD)

Ab 28 Grad Kühlgrenztemperatur gelangen wir in einen problematischen Bereich.

(Zurufe von der AfD)

- Das ist Wissenschaft. Lachen Sie ruhig drüber!

(Unruhe)

Wahrscheinlich wird es absehbar Standard sein, dass wir in den kommenden Sommern auch um diese Werte wissen. Dieser gibt weit besser Auskunft über die Gesundheitsrisiken des täglichen Wetters.

Andere Länder sind in Sachen Hitzekompetenz schon weiter. Daher haben europäische Länder, die mit noch höheren Temperaturen zurechtkommen müssen, nicht unbedingt mehr Todesopfer zu beklagen als wir in Deutschland, sondern sogar weniger. Sie wissen eben, wie man damit umgehen kann. Da wissen mehr Leute um die richtigen Verhaltensweisen. Entsprechend gilt es, hierzulande politisch zu handeln. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

Ja, verehrte LINKE, auch Trinkbrunnen im öffentlichen Raum können zu einer nötigen Klimafolgenanpassung gehören. Dementsprechend hat sich die EU im Rahmen ihrer Trinkwasserrichtlinie für Trinkbrunnen in den Kommunen ausgesprochen. Folgend hat der Bund das Wasserhaushaltsgesetz zum 12. Januar dieses Jahres novelliert. Die Bereitstellung von Leitungswasser durch Trinkwasserbrunnen an öffentlichen Orten gehört nun zu den Aufgaben der Daseinsvorsorge. Sofern technisch mach- bar und wenn es dem lokalen Bedarf entspricht, sollen Kommunen Trinkwasserbrunnen aufstellen, bspw. in Parks, Fußgängerzonen und Einkaufspassagen. Dabei kann ein Landesprogramm unterstützend wirken. Daher stimmen wir Ihrem Antrag zu. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt eine Intervention von Herrn Tillschneider. Herr Tillschneider, Sie haben das Wort. Herr Tillschneider steht dort vorn. Wir wissen, dass wir in einer Dreiminutendebatte die Regel haben, eine Intervention oder eine Frage pro Fraktion. Ich gehe davon aus, dass Herr Tillschneider am Mikro steht, deshalb ist Herr Tillschneider dran. Der wiederum denkt daran, dass wir hier die Begrenzung auf eine Minute haben. - Sie haben das Wort.

Zuerst haben Sie diejenigen, die ohnehin sterben, als Coronatote gedeutet, jetzt deuten Sie diejenigen, die ohnehin sterben, als Hitzetote. Sie machen Politik mit dem Tod. Das ist morbide. Ich stelle fest: Der Tod ist ein

Meister aus Deutschland und hat ein grünes Parteibuch.

(Lachen bei und Zurufe von der AfD)

Falls Sie wollen, können Sie reagieren.

Herr Tillschneider, mit Ihrer Wissenschaftsfeindlichkeit - -

(Lachen bei der AfD)

Ich habe nicht über die Toten, die ohnehin sterben - hören Sie auf zu lachen; auch das ist im Übrigen ein äußerst zynischer Ausdruck -, gesprochen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

sondern über die Übersterblichkeit in den entsprechenden Phasen, und die Übersterblichkeit ist ein Nachweis für Zusammenhänge. Ihre Wissenschaftsfeindlichkeit diskreditiert nur Sie selbst.

(Zurufe von der AfD)

In diesem Moment war sie nicht nur lächerlich, sondern sogar widerlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir kommen zur nächsten Einbringung. Dafür spricht Frau Eisenreich. Es geht um die Drs. 8/3054, Sonderförderprogramm kommunale

Trinkbrunnen. - Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat schon auf vieles hingewiesen, was uns in den letzten Sommern tagtäglich begegnet ist. Auf einige Dinge werde ich in meiner Rede noch einmal eingehen. Seit Jahren erleben wir in Sachsen-Anhalt, dass durch den Klimawandel die Hitzetage von mehr als 30 °C mehr werden und Hitzeperioden länger anhalten. Im Übrigen können uns auch außerhalb der eigentlichen Sommermonate länger anhaltende Wärmeperioden doch heftig ins Schwitzen bringen, besonders in dicht bebauten Gebieten von Städten und Gemeinden. Die heizen sich bekanntlich durch ihre versiegelten Flächen enorm auf, und das wird dann tatsächlich unerträglich.

Ich kann das aus eigener Erfahrung, die ich vor mehreren Jahrzehnten im Süden Europas gemacht habe, als Beispiel nennen. Ich habe erlebt, dass um 24 Uhr inmitten der Stadt 48 Grad herrschten.

(Markus Kurze, CDU: Was?!)