Protokoll der Sitzung vom 07.09.2023

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Richter-Airijoki. Ich sehe keine Interventionen oder Fragen. - Deswegen rufe ich als letzte Debattenrednerin Frau Anger noch einmal ans Rednerpult.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleg*innen,

(Lachen bei und Zurufe von der AfD)

vielen Dank für die weitestgehend konstruktive Debatte, die von allen bis auf eine Fraktion, die wieder einmal den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, gut geführt wurde.

(Zuruf von der AfD)

Mir ist Ihr Alternativantrag, ehrlich gesagt, ein bisschen zu dünn.

(Guido Kosmehl, FDP: Zu dünn?)

Ich bin froh, dass die Ministerin die Situation eingeschätzt hat und auch deutlich gemacht hat, dass sie sich unseren Forderungen anschließen kann. Ich würde mich jedoch freuen, wenn Sie zumindest die Empfehlung oder unsere Bitte aufgreifen würden, einen Runden Tisch mit allen Betroffenen, Mediziner*innen,

(Zuruf von der AfD: Und außen!)

Pharmazie-, Pflegefachkräften, Therapeut*innen, Sozialversicherungsträgern, der Rentenversicherung einzurichten, damit man sich gegenseitig sensibilisiert und miteinander ins Gespräch kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre ein wichtiges Engagement und für die Betroffenen ein dringend wichtiges Signal.

Frau Schneider, ich muss Ihnen an einer Stelle widersprechen, und zwar: ME/CFS ist nicht allein eine Nebendiagnose, es ist auch eine Hauptdiagnose. Das geht aus den Unterlagen,

aus den Anfragen deutlich hervor. Das sollten wir auch so benennen und die Kenntnisse entsprechend verbreiten und das nicht kleinreden.

Wir müssen vor Ort die Erfahrungen besser bündeln, aber wir können vor Ort nur besser bündeln, wenn wir z. B. Ambulanzen haben. Ich habe gerade erst auf die Seite des Bundesministeriums für Gesundheit geguckt, und zwar auf die Webseite zu Long-Covid. Dort kann man nach Bundesländern googeln. Dort findet sich für Sachsen-Anhalt nicht eine Adresse. Das ist zutiefst enttäuschend. Was will man denn dann miteinander vernetzen, was will man zusammenführen, wenn es nichts gibt? Darauf zielt unser Antrag ab: Wir müssen etwas einrichten. Rheinland-Pfalz z. B. richtet gerade fünf Ambulanzen ein. Ganz ehrlich: Eine für Sachsen- Anhalt würde mir schon reichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich würde mich freuen, wenn der Kollege Pott die Anträge aus Thüringen hier in die Regierungskoalition einbringt und entsprechend umsetzt.

(Zuruf von Konstantin Pott, FDP)

Meine Damen und Herren! Es gibt eine Vielzahl von Betroffenen, und denen sollten wir heute eine wichtige Botschaft senden, und zwar dass wir sie sehen, dass wir nicht wegschauen und dass wir alles in unserer Macht Stehende dafür tun, dass sie die entsprechende Hilfe hier im Land bekommen. Ich würde es begrüßen, wenn Sie unseren Antrag nicht ablehnen, sondern ihn übernehmen, ihn annehmen würden. Denn er wird nicht viele Kosten verursachen. Er wird vor allen Dingen Engagement kosten. Ich denke, das sind wir den Betroffenen schuldig. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Anger. - Wir sind am Ende der Debatte angelangt und kommen damit zum Abstimmungsverfahren.

Abstimmung

Es gibt einen Antrag der AfD auf Überweisung des Alternativantrags. Das ist aber nur möglich, wenn der Ursprungsantrag überwiesen wird. Soll ich das also als Antrag auf Überweisung des Ursprungsantrags verstehen?

(Oliver Kirchner, AfD, und Tobias Rausch, AfD: Ja!)

- Okay. - Dann stimmen wir darüber ab. Wer dafür ist, den Antrag der Fraktion DIE LINKE und damit gleichzeitig den Alternativantrag in den Sozialausschuss zu überweisen, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die AfD- Fraktion. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Dafür bleibt kein Raum mehr. Damit ist eine Überweisung abgelehnt worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ursprungsantrag in der Drs. 8/3051. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die AfD-Fraktion. Für Enthaltungen gibt es keinen Raum mehr. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Wer diesem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der

Stimme? - Die AfD-Fraktion, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 32 ist beendet.

In der vereinbarten Reihenfolge ist jetzt der Tagesordnungspunkt 30 an der Reihe, den ich hiermit aufrufe:

Tagesordnungspunkt 30

Erste Beratung

Kampf allen Drogen - Kontrollverlust stoppen - Legalisierung von Cannabis verhindern

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/3048

Einbringen wird den Antrag Herr Zietmann. - Herr Zietmann, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Der Cannabis-Gesetzentwurf aus dem Hause Karl Lauterbachs ist vom Bundeskabinett unverändert gebilligt worden und wird nun zur Beschlussfassung in den Bundestag eingebracht. Das Gesetz soll nach Karl Lauterbachs Plan Anfang 2024 in Kraft treten. Die heftige Kritik aus medizinischen, juristischen, polizeilichen und suchtpräventiven Kreisen wurde vom Tisch gewischt, weil der Koalitionsfriede der Ampel über allem stand. Ich komme darauf zurück.

Im Kern sieht der Gesetzesentwurf für Erwachsene einen straffreien Besitz von bis zu 25 g Cannabis und den Anbau von bis zu drei Cannabispflanzen im privaten Bereich vor. Bisher galt

für die meisten Bundesländer lediglich, dass beim Auffinden einer geringen Menge von weniger als 6 g Cannabis das Verfahren eingestellt wurde.

Daneben sollen künftig Anbau und Abgabe privatrechtlich organisiert werden. Sogenannte Anbauvereinigungen mit bis zu 500 Mitgliedern sollen bis zu 25 g täglich an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Die maximale monatliche Abgabemenge soll 50 g pro Person betragen. Für Heranwachsende im Alter von 18 bis 21 Jahren beträgt die Monatsration 30 g Cannabis.

Diese Abgaberegeln in der Praxis zu überprüfen ist unmöglich. Wird bei einer Kontrolle Cannabis entdeckt, kann dessen Herkunft nicht nachvollzogen werden. Es bleibt unklar, ob das Cannabis der Marke „Eigenanbau“ ist, ob es aus dem individuellen Monatskontingent des Anbauvereins stammt oder eben doch vom Schwarzmarkt. Auch ob der Konsument innerhalb der jetzt zugestandenen Mengengrenzen bleibt, ist nicht nachprüfbar. Ebenso wird es bei Wohnungsdurchsuchungen künftig erhebliche Beweisschwierigkeiten geben, wenn es darum geht, aufgefundene Cannabispflanzen bei mehreren und wechselnden Bewohnern überhaupt zuzuordnen.

Der Deutsche Richterbund, der auch Staatsanwälte repräsentiert, befürchtet in seiner Stellungnahme vom Juli zum Cannabis-Gesetzentwurf die Ausweitung des illegalen Marktes und ungewollte drogenpolitische Folgen für das angrenzende Ausland. Die Tatsache nämlich, dass Dealer polizeiliche Ermittlungen leicht austricksen können, schafft einen Anreiz da- für, im Schwarzhandel noch aktiver zu werden, weil quasi eine polizeiliche Verfolgung nicht möglich ist. Das zieht Dealer aus Nachbarländern ebenso an wie Konsumenten. Dann

sprechen wir nicht mehr von Einzeltätern, sondern dann haben wir es mit organisierter Rauschgiftkriminalität zu tun.

(Guido Kosmehl, FDP: Die ist schon da!)

Diese Kriminalität wird sich dann viel einfacher in Europa ausdehnen. Das betrifft dann auch Länder, die selbst nicht daran denken, den deutschen Weg der Aufweichung in der Drogengesetzgebung mitzugehen.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach pries in der „Süddeutschen Zeitung“ seinen Gesetzentwurf als ein Modell für Europa an. Ob er dabei an die vom Deutschen Richterbund beschriebenen Folgewirkungen gedacht hat, lasse ich einmal offen.

Anreize zur Ausweitung des Cannabiskonsums sollen nicht geschaffen werden, heißt es im Gesetzentwurf auf der Seite 70. Das halte ich für naiv und ignorant. Natürlich steigern die Freimenge von 25 g pro Person und der begrenzte legale Eigenanbau die Verfügbarkeit von Cannabis erheblich.

Zwangsläufig wird dadurch der Cannabiszugang für Jugendliche erleichtert. Wenn Eltern und Verwandte im Anbauverein ihre Monatsration nicht ordnungsgemäß verwahren und die Kippe des Joints nicht rückstandslos entsorgen, wenn die Cannabispflanze nicht in einem unzugänglichen, verschlossenen Gewächshaus steht, dann ist der Zugang für Kinder und Jugendliche in der Praxis quasi frei. Ein echtes Kontrollregime gewährleistet der Gesetzentwurf nicht; so werden Anbau- und Verwahrungsverstöße Zufallsfunde sein.

Ist die Konsumschwelle abgesenkt, dann sinkt bei Jugendlichen auch das Einstiegsalter. Wenn

Kiffen auch noch cool ist, weil die Erwachsenen das auch so machen und dabei gute Laune bekommen, dann haben Sie die akzeptable Freizeitdroge als Massenphänomen. Das fangen Sie an den Schulen auch mit den besten Präventionskampagnen nicht mehr ein. Niemand wird mehr Herr der Lage sein.

Die Freimenge von einem Eigenverbrauch von 25 g Cannabis pro Person und pro Monat übersteigt bei weitem den gelegentlichen Konsum, von dem im Gesetzentwurf die Rede ist; vielmehr wäre dies bei einem Verbrauch der gesamten Menge, auch bei niedrigeren THC-Werten, ein klares Suchtverhalten. Man muss sich vor Augen halten, dass nur eine ausgewachsene Cannabispflanze eine Ernte von mehr als 25 g einbringt.

Interessant ist, dass der Bundesgesundheitsminister Lauterbach, obwohl er vom Modell für Europa schwärmt, wenn man das dem „Spiegel“ glauben darf, persönlich Gegner dieses Gesetzentwurfs aus dem eigenen Hause war. Aber der Koalitionsvertrag muss eben umgesetzt werden.