Protokoll der Sitzung vom 07.09.2023

Interessant ist, dass der Bundesgesundheitsminister Lauterbach, obwohl er vom Modell für Europa schwärmt, wenn man das dem „Spiegel“ glauben darf, persönlich Gegner dieses Gesetzentwurfs aus dem eigenen Hause war. Aber der Koalitionsvertrag muss eben umgesetzt werden.

Als Arzt weiß er, dass verbreiteter Cannabiskonsum einen gesundheits- und rechtspolitischen Sprengstoff darstellt und enorme Folgewirkungen hat. Nach einer Studie des RobertKoch-Instituts aus dem Jahr 2010 hat etwa 1 % der Bevölkerung eine Disposition für Schizophrenie. Bei drogenfreier Lebensführung haben diese Menschen gute Chancen, dass sich diese Disposition nicht zum Krankheitsbild ausformt.

Der Konsum von Cannabis führt bei dieser Personengruppe zu Psychosen mit paranoiden Wahnvorstellungen, die bei Abhängigkeit sehr leicht in chronischer Schizophrenie münden können. Bei einem schizophrenen Schub sind

schwerste Straftaten bis hin zum Amoklauf möglich. Bei diagnostizierter Schizophrenie sind die Täter im strafrechtlichen Sinne schuldunfähig. Das und auch der zu erwartende Anstieg bei Straßenverkehrsdelikten unter dem Einfluss von Cannabis machen die Aufweichung des Betäubungsmittelrechts so brandgefährlich für die Allgemeinheit und werden - das sage ich an dieser Stelle voraus - Menschenleben kosten.

Bitte erinnern Sie sich zwei Jahre zurück, als wir uns alle in diesem Hohen Hause gegenübersaßen und Sie große Teile der Bevölkerung zu Hause eingesperrt haben, um sie angeblich vor dem Coronavirus zu schützen. Jeder, der ihre Maßnahmen infrage gestellt hat, wurde von Ihnen dafür verantwortlich gemacht, wenn Menschen an oder, wie es meistens war, mit dem Virus verstarben. Bis heute wird diese Zeit nicht angemessen aufgearbeitet, aber Ihre wilden und wüsten Anschuldigungen haben Sie ohne fundierte Nachweise in den Raum geworfen.

Ich fordere Sie alle in diesem Hohen Hause auf, jetzt diese Energie auch in den Kampf gegen die Cannabislegalisierung zu stecken.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Denn in diesem Fall spielt die Bundesregierung tatsächlich mit den Leben von Menschen. In seiner aktuellen Fassung ist der Cannabis- Gesetzentwurf kein zustimmungspflichtiges Gesetz. Trotzdem kann Sachsen-Anhalt im Interesse unser aller Sicherheit und der Gesundheit vieler im Bundesrat tätig werden. Die Hand- habe dazu bietet Artikel 77 des Grundgesetzes. Die Landesregierung kann die Chance nutzen, im Wege des Einspruchs nach Artikel 77 Abs. 3 des Grundgesetzes das Gesetz in den Bundes-

tag zurück zu überweisen, und stünde damit nicht allein.

Denn auch Niedersachsen sieht das geplante Cannabis-Gesetz kritisch. Die dort zuständige Innenministerin Behrens äußerte gegenüber dem NDR die Hoffnung auf eine Änderung. Das, meine Damen und Herren, ist ein Anknüpfungspunkt, um in Abstimmung mit anderen Landesregierungen mindestens bei den Überwachungs- und Kontrollvorschriften nachzuschärfen. Das könnte ein Weg sein, das Schlimmste zu verhindern.

Zum Schluss möchte ich noch betonen, dass wir weiterhin die rezeptpflichtige Abgabe von Cannabisprodukten nach medizinischer Indikation an Schmerzpatienten für den richtigen Weg halten und dies nicht infrage stellen wollen.

(Guido Kosmehl, FDP: Aha!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Zietmann. - Bevor wir in die Dreiminutendebatte einsteigen, spricht zunächst die Vertreterin der Landesregierung, Frau Ministerin Grimm-Benne. - Frau GrimmBenne, bitte schön.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zum

kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weitere Vorschriften bekannter- maßen beschlossen.

Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention wie auch den Kinder- und Jugendschutz zu stärken sowie den illegalen Markt für Cannabis, insbesondere durch eine kontrollierte Abgabe, einzudämmen. Zum Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten soll vor allem die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden.

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Gesetzentwurf wurde dem Bundesrat für den sogenannten ersten Durchgang zugeleitet. Am 13. September 2023 befassten sich erstmals verschiedene Ausschüsse des Bundesrates, wie der Ausschuss für Gesundheit sowie der Ausschuss für Frauen und Jugend, mit dem Gesetzentwurf. Die dort erarbeiteten Stellungnahmen werden aller Voraussicht nach Gegenstand der Plenarsitzung des Bundesrates am 29. September 2023 sein.

Ich gehe davon aus, dass von der Möglichkeit einer Länderstellungnahme im Rahmen des Bundesratsverfahrens hinreichend Gebrauch werden wird, weil einige Punkte des Gesetzentwurfes durchaus kritisch hinterfragt werden müssen.

So werden etwa laut Gesetzentwurf zahl- reiche Aufgaben auf Länder und Kommunen zukommen, für die es bislang keinerlei erkennbar ausreichenden finanziellen Ausgleich durch den Bund geben soll. Damit meine ich neben der Suchtprävention bspw. finanzielle Mittel für intensive Kontroll- und Vollzugstätigkeiten. Auch ist noch nicht klar, wer die an

verschiedenen Stellen erwähnte sogenannte zuständige Behörde sein soll. Möglicherweise muss diese zumindest benannt und ebenfalls finanziert werden. Der deutsche Landkreistag und diverse andere haben bereits darauf hingewiesen.

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Aus suchtfachlicher Sicht - das sehen alle Länder ähnlich - bedarf es nach wie vor eines umfassenden Konzeptes zur Prävention. Dieses sollte weitere konkrete Maßnahmen zum Jugend- und Gesundheitsschutz sowie gezielte Präventions-, Beratungs- und Hilfsangebote abbilden und ebenso neue Angebote beinhalten.

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung wird sich mit dem Gesetzentwurf im Rahmen des Bundesratsverfahren genau auseinandersetzen, sowohl mit den Vorteilen, die eine geregelte Abgabe von kontrollierten Cannabis bietet, als auch mit den Risiken.

Meine Damen und Herren! Sie wissen, es gilt das Strucksche Gesetz, wonach kein Gesetz sowohl den Landtag als auch den Bundestag so verlässt, wie es hereingekommen ist. Ich bin selbstverständlich gerne bereit, zum geeigneten Zeitpunkt darüber im Sozialausschuss zu berichten. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von Angela Gorr, CDU)

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. Ich sehe keine Intervention, keine Fragen. - Dann können wir in die Debatte einsteigen. Der erste Redner ist Herr Krull für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Die Positionierung der CDU zum Thema der Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken ist eindeutig: Wir sprechen uns klar dagegen aus.

(Zustimmung bei der CDU - Sebastian Strie- gel, GRÜNE: Das ist sehr schade und an den Fakten vorbei!)

Wir sehen Cannabis nicht als harmlose Droge an, die die Nutzerinnen und Nutzer konsumieren, um einfach zu entspannen. Mehrere wissenschaftliche Studien beweisen, dass es insbesondere bei jüngeren Konsumentinnen und Konsumenten zu erheblichen neurologischen Veränderungen kommen kann, welche dann einschneidende, negative Folgen für die Betroffenen selbst, deren Familie und deren Umfeld haben.

Die Ampelkoalition im Bund ist sich in ganz vielen Dingen offensichtlich nicht einig, aber zumindest beim Thema Cannabisfreigabe war sie es. Der vorliegende Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium stößt aber selbst innerhalb der Koalition auf Bundesebene auf Kritik.

Die geplanten Regelungen sind aus der Sicht unserer Landtagsfraktion der Versuch, eine falsche Maßnahme, nämlich die Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken, zu reglementieren.

(Guido Kosmehl, FDP: Begrenzen! Begrenzte Freigabe!)

Was hiermit aber geschaffen wird, ist ein Bürokratiemonster. So kommt z. B. aus den Reihen

der Polizei die klare Ansage, dass die Vorgabe der Anzahl von drei Pflanzen pro Person faktisch nicht zu kontrollieren ist. Bezüglich der Frage, ob legal oder illegal - der Besitz kann bis zu 25 g Cannabis pro Person betragen -, ist eine Prüfung ebenfalls faktisch nicht möglich. Man sollte auch nicht der Illusion erliegen, dass der illegale Markt sich durch die Cannabisfreigabe tatsächlich auf null reduzieren lässt.

Was ist eigentlich mit den Gefahren, die durch Cannabiskonsum im öffentlichen Verkehrsraum entstehen? - Auch an dieser Stelle gibt es aus unserer Sicht viele ungeklärte Punkte.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Alkohol ist ein bisschen problematischer! - Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)

Auch der geplante Abstand von Cannabis Social Clubs zu Schulen und anderen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche erscheint in Großstädten eher unrealistisch.

(Zuruf)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist grundsätzlich ein guter Ansatz, wenn Menschen über die Folgen und Gefahren des Cannabiskonsums im Rahmen einer geplanten Kampagne aufgeklärt werden sollen. So zumindest hat es der Bundesgesundheitsminister verkündet.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Wenn aber gleichzeitig die Mittel für Drogenprävention im Haushaltsplanentwurf des Bundes massiv gekürzt werden, muss man sich doch die Frage stellen, ob einmal wieder der Bundesgesundheitsminister hierzu eine Ankündigung macht, die in und an der Realität scheitert.

(Zuruf von der AfD: Das muss man sich fra- gen!)

Die Verwendung von Cannabisprodukten zu medizinischen Zwecken ist dagegen vollkommen legitim.

(Guido Kosmehl, FDP: Aha!)

Hierzu haben unionsgeführte Bundesregierungen die notwendigen gesetzlichen Regelungen geschaffen, um Erkrankten durch entsprechende Medikamente eine Verbesserung der Lebenssituation zu ermöglichen.

(Zustimmung bei der CDU)

Dass ist zu der Thematik der Cannabisfreigabe in der Deutschland-Koalition unterschiedliche Auffassungen gibt, ist ja bekannt. Deshalb werden wir den vorliegenden Antrag in den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung überweisen und dort gemeinsam mit anderen Anträgen zu dieser Gesamtthematik behandeln.

Vielen Dank, Herr Krull. Es gibt eine Frage von Herrn Kosmehl. Einverstanden? - Herr Kosmehl.

Vielen Dank, Herr Kollege Krull. Dass die CDULandtagsfraktion, insbesondere in Sachsen-Anhalt, für gesellschaftspolitische Fortschritte nicht immer gleich an erste Stelle dabei ist, ist bekannt.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE - Oh! bei der CDU)