Protokoll der Sitzung vom 07.09.2023

Grundsätzlich - ich will es kurz machen - ist es legitim, an geltenden Gesetzen Kritik zu üben. Gleichwohl bleibt festzustellen und festzuhalten, dass der Bundesgesetzgeber mit der Verabschiedung des Gesetzespaketes zur Reform der Grundsteuer innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht Ende 2019 gesetzten Frist eine geeignete Grundlage geschaffen hat, um die Grundsteuer als bedeutende Einnahmequelle für die Gemeinden über das Jahr 2019 hinaus zu erhalten.

Es ist allen bekannt, wie hoch die Grundsteuer ist, die unsere Kommunen einnehmen, nämlich 270 Millionen €. Die Einnahmen im Bereich der Grundsteuer B betragen 245 Millionen € und die Einnahmen im Bereich der Grundsteuer A betragen 24 bis 25 Millionen €.

Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang die vereinzelt in der Fachliteratur geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken von der Judikative - ich schaue zur AfD - geteilt werden und ob sich daraus in der Zukunft ein bundesgesetzlicher und ggf. auch ein landesgesetzlicher Anpassungsbedarf ergibt.

Letztendlich wird zu gegebener Zeit das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob die bundesgesetzlichen Regelungen zur Grundsteuerreform verfassungskonform sind. Das fällt nicht - das will ich ganz deutlich sagen - in den Zuständigkeitsbereich eines beauftragen Gutachters, dessen Gutachten im Übrigen in der Fachliteratur auch wiederum auf Kritik stößt.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen - das soll nicht unerwähnt bleiben -, dass gegen das Flächenmodell aus Bayern, das in abgewandelter Form auch in Hessen, Niedersachsen und Hamburg zur Anwendung kommt, zurzeit zwei Popularklagen beim Bayerischen Verfassungsgericht anhängig sind, in denen die Verfassungsmäßigkeit angegriffen wird. Sich hier hinzustellen und zu sagen, das Bundesmodell sei nicht verfassungskonform, die anderen Modelle seien verfassungskonform, das geht wirklich sehr weit. Wir müssen abwarten, was die Gerichte letztlich wirklich sagen.

(Oliver Kirchner, AfD: Und wer vorher mit wem Essen geht! Darauf warten wir auch noch!)

- Ach.

(Oliver Kirchner, AfD: Na ja!)

Meine Damen und Herren! Derzeit kommt ein Modellwechsel aus den genannten faktischen Gründen nicht in Betracht. Von einem Zug, der Fahrt aufgenommen hat, springt man nie in eine unbestimmte Richtung ab.

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Erst nach der Bewertung aller Grundstücke zum Hauptfeststellungszeitpunkt am 1. Januar 2022, die für alle Modelle bis Mitte 2024 dauert, wird

nach dem Vorliegen rechtssicherer höchst- richterlicher Entscheidungen zu den unterschiedlichen Modellen letztlich noch einmal die Überprüfung stattfinden, ob wir Änderungen vornehmen werden. Solange wir das nicht haben, wäre jede Änderung aus meiner Sicht nicht zu verantworten. Erst recht ist es nicht zu verantworten auf der Grundlage von Gut- achten des einen oder anderen rechtlich Versierten oder weniger rechtlich Versierten. Wir warten einmal ab, was die Judikatur sagt. Ansonsten werden wir jetzt diese Reform so umsetzen, damit auch die Kommunen im Jahr 2025 entsprechende Grundsteuereinnahmen haben. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP - Marco Tullner, CDU: Sehr vernünftig!)

Vielen Dank, Herr Richter. - Sagen wir es einmal so: Bei der Feststellung der Rededauer der nächsten Redner werde ich eine gewisse Großzügigkeit an den Tag legen angesichts der Rededauer des Ministers. - Bitte schön, Herr Dr. Schmidt. Sie eröffnen die Debatte für die SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kohl hat hier gefühlt 50 Minuten lang Sachen gesagt und, ich glaube, zwei Sätze haben den Tatsachen entsprochen. Der Rest war alles Quatsch.

(Lachen bei der SPD - Unruhe bei der AfD - Oliver Kirchner, AfD: Das entscheiden nicht Sie, Herr Schmidt!)

Der Gesetzgeber hat keineswegs die Menschen in irgendein Chaos gestürzt.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Nein!)

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Ungerechtigkeit angemahnt, von der der Gesetzgeber seit Jahrzehnten weiß

(Guido Kosmehl, FDP: Richtig!)

und die niemand freiwillig angefasst hat. Der Gesetzgeber hat jahrelang verhindert, dass wir in dieses Chaos gestürzt werden, nicht, weil der Gesetzgeber diese Ungerechtigkeit nicht bemerkt hätte - das konnte jeder Idiot -,

(Lachen bei der SPD)

sondern weil die Jahrhundertoperation, der wir uns seitdem unterziehen,

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

so groß, so schwierig, so aufwendig und auch für die Menschen so belastend ist, dass alle gesagt haben, wir lassen die Ungerechtigkeit, die im Einheitswert steckt und die größer ist als alles, was jemals danach kommen kann, so, bis das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, wir gucken es uns nicht länger an, ihr müsst jetzt etwas ändern. Denn die Kollegen in Karlsruhe haben erkannt, dass die Entwicklung auseinandergegangen ist, dass Omas kleines Häuschen in München-Schwabing vielleicht in den 50er-Jahren so viel wert war wie das Haus in Wanne-Eickel hinter dem Bahnhof. Sie haben erkannt, dass die Entwicklung auseinander- gegangen ist und dass jetzt etwas geschehen muss.

(Marco Tullner, CDU: Kommen Sie einmal zu Sachsen-Anhalt! Wanne-Eickel ist nicht in Sachsen-Anhalt!)

Dazu sind wir gezwungen worden. - Kollege Tullner, ich komme dahin, wohin ich will. Wenn Sie der Meinung sind, Sie müssen einem Redner gute Ratschläge geben, dann machen Sie das mit dem aus Ihrer Fraktion. Das können Sie machen. Ich nehme Ratschläge aus meiner Fraktion entgegen.

(Lachen bei der SPD - Marco Tullner, CDU: Keine anderen? Das ist aber schade! - Un- ruhe)

Das Flächenmodell verlängert diese Ungerechtigkeit, weil es nämlich so tut, als wären die grüne Wiese und das Mehrfamilienhaus als Wirtschaftsgut so ziemlich das Gleiche, wenn sie ungefähr gleich groß sind.

(Guido Kosmehl, FDP: Aber die grüne Wiese wäre C, nicht B!)

Das ist ein Problem, das vermutlich dieses Modell eher in die Verfassungswidrigkeit führen wird als das wertebezogene Modell; denn das Verfassungsgericht hat gesagt - ich zitiere -, es wird ein System gefordert - sie haben nicht genau gesagt, was geschehen soll -, das in der „Relation der Wirtschaftsgüter“ ein realitätsgerechtes Bewertungssystem ergibt. Vermutlich wird sich das Wertemodell, das wir alle „Bundesmodell“ nennen,

(Guido Kosmehl, FDP: Volksmodell!)

noch Rechtsprechung zu stellen haben. Das ist bei solchen großen grundsätzlichen Operationen so. Das Bundesverfassungsgericht war im ersten Anlauf auch so freundlich, nicht zu sagen, wie es sich das vorstellt. Dass das gelöst werden kann, halte ich für möglich. Dann wird der Aufwand weitergehen.

Ich sage es noch einmal. Wir wollten uns dem ja alle nicht stellen. Wir müssen uns dem

stellen. Wir können auch die Ungerechtigkeit nicht wegbeten. Ich sage es noch einmal für Herrn Tullner.

(Marco Tullner, CDU: Ja!)

Das große Haus mit Freitreppe am Gardasee - ich nenne bewusst kein Beispiel aus SachsenAnhalt, weil ich keine Gegend vorziehen oder benachteiligen will;

(Unruhe - Guido Heuer, CDU: Hat aber schon gereicht! - Zuruf von Marco Tullner, CDU)

ich habe jetzt nicht Elbe, Goitzsche oder irgendwas gesagt, was schöne Gegenden im Land sind -,

(Zuruf von Marco Tullner, CDU)

auch wenn es nicht im Geltungsbereich des deutschen Grundsteuerrechts liegt, ist einfach tatsächlich wirklich viel mehr wert

(Andreas Silbersack, FDP: Verstehe ich! - Da- niel Rausch, AfD: Viel mehr wert! - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, lacht - Marco Tullner, CDU: Aber diese Toskana-Fraktion war doch bei der SPD, Herr Abgeordneter! - Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

als das Mehrfamilienhaus hinterm Bahnstrang in Livorno. Das ist einfach so.

So, Dr. Schmidt, aber jetzt ist bitte Ende.

Das gilt auch für alle Gegenden in Sachsen- Anhalt. Diesem Umstand werden wir uns auch

in den kommenden Jahren stellen müssen. Ich bin der Meinung, Sachsen-Anhalt ist an der Stelle den richtigen und guten Weg gegangen. Dabei werden wir bleiben.

(Zustimmung bei der SPD)

Es gibt keine Intervention und keine Frage. Die Zwischenrufe sind erfolgt. Es folgt als nächster Redner Herr Andreas Henke für die Fraktion DIE LINKE.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Ausgangspunkt und Genesis des Reformpakets 2019 zur Grundsteuer sind Ihnen hinlänglich bekannt. Kollege Dr. Schmidt hat jetzt noch einmal ausführlich dazu gesprochen. Das erspare ich mir an der Stelle. Das Bundesmodell ist nun geltende Rechtslage und ab dem 1. Januar 2025 umzusetzen.

In der Tat gibt es juristische Bewertungen, die erneut eine Verfassungskonformität in Zweifel ziehen, aber genauso gibt es bereits Klagen gegen die Ländergesetze. Aus Bayern sind mir Klagen bekannt, aus Baden-Württemberg sind mir Klagen bekannt.