Protokoll der Sitzung vom 12.12.2023

Die kulturellen Unterschiede zu China sind enorm, und vieles, das dort üblich ist, lässt sich nicht übertragen und soll auch nicht auf Deutschland übertragen werden. Aber ich finde, in puncto Leistungsbereitschaft, können wir uns eine kleine Scheibe von China abschneiden.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD)

Eine Mentalität kann man freilich nicht von heute auf morgen ändern. Aber die Politik könnte und müsste ihre Macht nutzen und Wertsetzungen vorgeben.

(Zuruf: Richtig!)

Dazu sind Sie aber anscheinend nur dann in der Lage, wenn es um den Kampf gegen rechts geht. Mit der gleichen Leidenschaft, mit der Sie auf der richtigen Gesinnung bestehen, sollten Sie zur Abwechslung einmal mehr Leistungsbereitschaft einfordern.

Das ist der Kern des Problems. Wenn in der Schule Druck gemacht wird, dann nur, weil jemand die falsche Gesinnung gezeigt hat. Man

sollte aber auch Druck machen, und zwar richtig Druck, weil die Ergebnisse einer Klasse bei einem Diktat miserabel ausgefallen sind.

Wir müssen von diesem Pult aus ein Signal aussenden: Strengt euch an! Wir brauchen Schüler, die Spitzenleistungen erbringen, keine auf ihre Faulheit und ihr Halbwissen stolzen, aufgeblasenen Schwätzer und Taugenichtse.

(Beifall bei der AfD)

Wir werden Leistung stärker belohnen und über Leistungsausfälle nicht mehr so leicht hinweg- sehen. Strengt euch also bitte an, wenn ihr etwas werden wollt.

Jeder AfD-Antrag, den wir hier in den Jahren seit 2016 eingebracht haben, hat mehr oder weniger implizit, mehr oder weniger zwischen den Zeilen, immer auch dieses Signal ausgesendet. Doch Sie haben jeden einzelnen dieser Anträge abgelehnt. Anstatt jetzt vollmundig Ihre sattsam bekannten Fehldeutungen der PISA-Ergebnisse bis zum Erbrechen wiederzukäuen, sollten Sie bereuen, dass Sie, obwohl wir Ihnen hundertmal das Angebot gemacht haben, unsere Vorschläge ignoriert haben und weiter in Richtung Untergang getrottet sind.

Alles - wirklich alles! -, was nach der Veröffent- lichung der neuesten PISA-Studie vom Altparteienestablishment zu hören war, war dermaßen untauglich und falsch, dass ich sage: Wir brauchen einen kompletten Neuansatz. Die Bildungspolitik muss um 180 Grad umsteuern. Wir müssen einen Mentalitätswandel herbeiführen. Wir müssen der technokratischen, der ungebildeten, der bildungsfeindlichen Bildungspolitik, wie sie zurzeit in diesem Land herrscht, eine gebildete Bildungspolitik entgegensetzen, wie sie von allen politisch relevanten Kräften einzig und allein die AfD im Angebot hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Dr. Tillschneider. - Ich sehe keine Frage. Deswegen rufe ich als nächste Rednerin Frau Dr. Pähle für die SPD-Fraktion auf.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor 23 Jahren wurden die Ergebnisse der ersten OECD-Bildungsstudie mit einem Vergleich der Kompetenzen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern in den wirtschaftlich am stärksten entwickelten Staaten der Welt veröffentlicht. In Deutschland lösten diese Ergebnisse den sogenannten PISASchock aus. Denn anders als immer angenommen, lag das Kompetenzniveau der 15-Jährigen in Deutschland in Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften deutlich unter dem OECD-Schnitt. Besonders auffällig war der große Abstand von Kindern aus wirtschaftlich schwächeren Familien und/oder mit Migrationshintergrund gegenüber ihren Altersgenossinnen und -genossen.

Damals lösten die Ergebnisse eine Debatte über einen bildungspolitischen Kurswechsel aus. Der Fokus richtete sich auf Kitas als Ort der frühkindlichen Bildung. Ganz ehrlich: In dem Moment haben auch in den westdeutschen Bundes- ländern Politiker darüber nachgedacht, Kindergärten zu errichten, um Kindern und Eltern die Möglichkeit zu geben, ihre Kinder dort tatsächlich an frühkindlicher Bildung teilhaben zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Auch damals begann eine Diskussion über die bessere individuelle Förderung in Ganztagsschulen, das längere gemeinsame Lernen und

verbindliche gemeinsame Bildungsstandards. All das hat schon damals begonnen.

An der Umsetzung hapert es freilich zumeist. Deshalb kommt das jetzige Ergebnis heute, 23 Jahre später, auch alles andere als überraschend. Deutsche Schülerinnen und Schüler schneiden in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften so schlecht ab wie noch nie. Fast jeder und jede Dritte hat Probleme in Mathe; beim Lesen ist es ein Viertel. Der Lernrückstand beträgt fast ein Schuljahr und zieht sich durch alle Schulformen. Besonders besorgniserregend ist: Ein Drittel der Schülerinnen und Schüler gilt als leistungsschwach. Nein, ursächlich dafür sind nicht allein die Auswirkungen der Coronapandemie oder die gestiegenen Zahlen von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte. Die Werte gingen in allen untersuchten Staaten nach unten, in Deutschland aber besonders stark, und das schon vor dem Jahr 2015.

Es gibt vielmehr seit Jahrzehnten einen verfestigten Zusammenhang zwischen den Leistungen und dem sozioökonomischen Status der Kinder. Dieser wiederum ist oft untrennbar mit einer Zuwanderungsgeschichte verbunden. Wenn wir es nicht schaffen, diesen Zusammenhang von sozialer Lage und schulischen Leistungen in der Bildungspraxis zu überwinden, dann verlieren Gesellschaft und Wirtschaft das riesengroße Potenzial von Kindern, deren Eltern weniger verdienen, geringere Bildungsabschlüsse haben und zugewandert sind.

Sicherlich gibt es Eltern, die sich nicht um die Bildung ihrer Kinder kümmern. Aber es gibt auch viele Eltern, die für einen intensiven Einsatz für die Bildung ihrer Kinder gar nicht die Möglichkeit haben, weil sie einen Vollzeitjob und einen Minijob haben, weil sie alleinerziehend sind, weil die finanziellen Mittel nicht ausreichen, um neben der Schule eigenständig Bildung und

vielleicht auch Förderung durch Nachhilfe zu ermöglichen.

Um diese Kinder, deren Eltern wir nicht verändern können und deren sozioökonomischen Status der Eltern wir anscheinend nicht verändern können, muss es uns gehen, wenn wir Förderungen und Angebote machen.

Denn diesen Kindern müssen wir den Zugang zu ihren Bildungschancen eröffnen.

(Beifall bei der SDP - Zuruf von Andreas Schu- mann, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Befund können wir uns nicht abfinden. Denn in diesen Kindern schlummern Talente und Fähigkeiten wie in allen anderen. Des- wegen vertreten ja die Freien Liberalen das Konzept der Talentschulen,

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

die Schulen aufzubauen, zu unterstützen, die in schwierigen räumlich sozioökonomischen Gebieten unterwegs sind, dort zu helfen und zu stützen.

Wir brauchen diese Jugendlichen dringend. Wer wird denn in zehn oder 15 Jahren das Auto reparieren oder die Wärmepumpe?

(Jörg Bernstein, FDP: Also!)

Wer wird denn neuer Lehrer, neue Lehrerin oder wer wird dann bei der Polizei arbeiten? - Wir haben ein strukturelles Problem mit unserem Bildungssystem, und zwar über Ländergrenzen hinweg.

Was können wir konkret tun? - Einige besonders wichtige Stellschrauben möchte ich an dieser Stelle nennen.

Erstens. Basiskompetenzen stärken. Wer nicht richtig lesen und schreiben kann, der kann auch nicht gut lernen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass Kinder neben dem Schulunterricht durch die Familie ihre Kompetenzen in Lesen, Schreiben und Rechnen festigen.

Daher brauchen wir im Schulalltag Bedingungen, die eine individuelle Förderung möglich machen. Wir müssen in der Grundschule und darüber hinaus vor allem die Bildungsbasiskompetenzen stärken. Kinder mit Lernrückständen brauchen eine zusätzliche Förderung von mindestens zwei Stunden in der Woche.

Wie erfolgreich es sein kann, hat Hamburg gezeigt, das sich mit diesem Ansatz im deutschlandweiten IQB-Vergleich von Platz 11 auf Platz 4 massiv verbessern konnte. Hierbei kann uns der Blick über den Tellerrand hinaus helfen.

Zweitens. Frühe Sprachförderung. Kinder, die bereits im Kindergarten Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung aufweisen, müssen früh gefördert werden, am besten schon in der Kita. Die Sprachkitas im Land und unsere pädagogischen Fachkräfte machen hier eine gute Arbeit.

(Zustimmung von Katrin Gensecke, SPD)

Aber auch insgesamt nehmen die Kitas eine wichtige Rolle im Bildungssystem ein. Ihre Bedeutung als Ort frühkindlicher Bildung, über die Kinderbetreuung hinaus, wird weiter wachsen. Das Programm „Bildung: elementar“ als verbindliche Grundlage für diese Arbeit in den Kitas wird derzeit überarbeitet. Dort wird die Sprachförderung einen wichtigen Part einnehmen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir fangen nicht bei null an. Auch wenn die Zuständigkeit nicht im Bildungsressort liegt, findet dort Bildung statt. Vielleicht wäre es gut, die beiden Ausschüsse gemeinsam auf das Prinzip von

frühkindlicher Bildung schauen zu lassen, damit man nicht den Eindruck bekommt, man müsse das Rad immer neu erfinden.

(Zustimmung bei der SPD - Guido Kosmehl, FDP: Dann müsste man das auch einmal überarbeiten!)

Drittens. Längeres, gemeinsames Lernen. Der Blick über den Tellerrand empfiehlt sich auch im internationalen Maßstab; gerade die Studie der OECD sollte dafür Anlass sein. Dieser Blick zeigt uns, Deutschland geht mit der frühen Trennung der Kinder einen Sonderweg in Europa.

Aber er macht uns nicht erfolgreicher, wie PISA gerade wieder erneut gezeigt hat.

(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Estland z. B. konnte bei PISA sehr gute Ergebnisse erzielen, erreichte Platz 7. Alle Schülerinnen und Schüler lernen dort, wie in vielen anderen europäischen Ländern, bis zur 9. Klasse gemeinsam und werden nicht nach Leistungs- niveaus frühzeitig getrennt.

Auch die Reise des Bildungsausschusses nach Irland hat uns wieder einmal gezeigt, wie selbstverständlich in anderen Ländern das längere gemeinsame Lernen etabliert ist.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Daniel Rausch, AfD)

Ich erinnere auch an das Gespräch, dass wir gemeinsam in der konfessionellen Schule geführt haben. Auf die Frage an den Schulleiter, wie es denn mit den Unterschieden zwischen den leistungsfähigen und den etwas schwächeren Schülern aussieht und wann die Trennung erfolgt, war seine Antwort: Nobody is left behind. Jeder in Irland wird zu einem Schulabschluss geführt,

(Zuruf von Matthias Redlich, CDU)

und zwar mit Unterstützung der Schule. Jeder bekommt einen Schulabschluss, Herr Redlich, Nobody is left behind. Das ist ein wichtiger Ansatzpunkt.