Protokoll der Sitzung vom 12.12.2023

(Oh! bei der CDU)

und des Mantras einer Schuldenbremse ihr wichtigstes Kapital verspielt.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zurufe von Guido Kosmehl, FDP)

Die Bildungsdefizite, die wir heute feststellen, fallen nicht vom Himmel. Sie sind in den letzten 15 Jahren entstanden und herangewachsen.

(Guido Kosmehl, FDP: Schön, so lange schon wissen Sie das schon!)

Es gibt für diesen Niedergang ganz klare Gründe und Verantwortliche. Und wenn es CDU und SPD weiterhin so laufen lassen wie bisher, dann werden weitere Schockergebnisse folgen.

Unser Schulsystem ist nicht in der Lage, allen Kindern gleiche und ausreichende Bildungschancen zu bieten. Das Bildungsniveau vieler Kinder und Jugendlicher ist zu gering. Und der Bildungserfolg hängt weiterhin viel zu stark vom sozialen Status der Eltern ab.

Wir sind schulpolitisch auf keinem guten Weg;

(Zustimmung bei der LINKEN)

denn dieser Weg wird bestimmt von den strukturellen Problemen des gegliederten Schulsystems und von strukturellen Problemen bei der Sicherung einer angemessenen Personalausstattung für unsere Schulen. Inzwischen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es bei uns nur noch eine Schulform, in der zumindest der überwiegende Teil der Schulen den Anforderungen noch genügen kann. Und das sind die Gymnasien.

Alle anderen Schulen sind hoch defizitär. Speziell die Schulformen der Sekundarstufe I - das sind also die Sekundar- und die Gemeinschaftsschulen sowie die Förderschulen - betrifft Folgendes: Dort gibt es auch keine erkennbare Perspektiven für eine Besserung. An diesen Schulen erwerben aber zwei Drittel der Schülerschaft ihre Schulabschlüsse. Sie sollen das Rückgrat der Wirtschaft und des Handwerks sein.

Aber die Koalition sieht dabei zu, wie diese Schulen personell immer weiter ausbluten. Die aktuellen Zahlen über die Immatrikulationen an der MLU in Halle zeigen, dass sich die Ausbildung im Lehramt an Sekundarschulen nicht verbessert, sondern immer weiter verschlechtert und fächerweise fast zum Erliegen kommt.

Man kann, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht länger an Schulformen festhalten, an denen kaum noch jemand arbeiten will. In absehbarer Zeit wird es an immer mehr Sekundar- und Gemeinschaftsschulen so gut wie keine ausgebildeten Fachkräfte mehr geben. Für die Fächer Kunst und Musik, aber auch für die Fächer Wirtschaft und Technik, verschwinden die Fachlehrkräfte landesweit fast völlig. Und bei den Fächern Mathematik und Physik sind die Aussichten kaum besser. Wie soll unter solchen

Voraussetzungen die Bildungsqualität gesichert werden?

Wir brauchen deshalb eine offene und ehrliche Analyse und Debatte in Bezug auf eine grundlegende Reform der Schulen der Sekundarstufe I

(Zustimmung bei der LINKEN)

und auch in Bezug auf die Lehramtsausbildung für diese Schulen. Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, längst überfällig. Wir fordern die Koalition dazu auf und laden zu einem solchen Dialog ein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Stellen Sie sich der Realität; nicht in einer einmaligen Basta-Veranstaltung und ohne Kulturkampf-Rhetorik, sondern mit dem nüchternen Blick auf die Fakten. Darüber hinaus ist und bleibt die Gewinnung von pädagogischem Personal natürlich die herausragende Aufgabe; denn ohne diese Menschen findet Schule schlicht nicht statt. Die Fragen nach notwendigen Maßnahmen haben wir fast schon gebetsmühlenartig immer wieder beantwortet.

Die Bildungsministerin und die Koalition müssten aufhören, auf sinkende Schülerzahlen und einen geringeren Bedarf zu setzen. Sie müssten anerkennen, dass uns für ein ordentliches Unterrichtsangebot eben nicht nur 800 Lehrkräfte fehlen, sondern heute schon mehr als 2 000.

(Ministerin Eva Feußner: Was?)

Der Finanzminister und die CDU müssten auf- hören, die jährlich 200 Millionen € für diese fehlenden Lehrkräfte zu blockieren, damit daraus weiteres Personal für den Einsatz in den Schulen bezahlt werden kann, unter anderem für Sprachkurse, für mehr Schulsozialarbeit, für Unterrichtsangebote von Bildungsträgern und für mehr Ganztagsangebote.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Wissenschaftsminister und die SPD müssten aufhören, den weiteren Ausbau der Lehramtsausbildung vor allem an der Otto-von-GuerickeUniversität und die stärkere Ausrichtung der Ausbildung am tatsächlichen Fächerbedarf zu blockieren.

Und der Finanzminister und die Bildungsministerin müssten mehr in die Bindung angehender Lehrkräfte an das Land bereits im Vorbereitungsdienst investieren

(Ministerin Eva Feußner: Das machen wir doch alles!)

und für eine gleichwertige Qualifizierung und Bezahlung für alle Lehrkräfte im Seiteneinstieg sorgen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit sind zum wiederholten Male nur einige der Handlungs- felder, die eigentlich längst bekannt sind, klar umrissen worden. Sie müssen nur bestellt werden. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Lippmann. - Es gibt keine Fragen.

Herr Bernstein geht für die FDP-Fraktion zum Rednerpult. Aber ihre Plätze eingenommen haben schon Damen und Herren des Finanzamtes aus Halle oben auf der Tribüne. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause - Jörg Bernstein, FDP: Oh! - Minister Sven Schulze: Herr Tullner sitzt da oben! - Unruhe im ganzen Hause)

- Es ist selten, dass eine Gruppe für so viele Kommentare sorgt. Nehmen Sie das als Aufmerksamkeit und Lob. - Herr Bernstein.

(Unruhe bei der CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag auf Durchführung der Aktuellen Debatte las, war ich erst einmal über den Antragseinbringer ein wenig überrascht:

(Olaf Meister, GRÜNE: Das waren wir auch!)

die CDU. Ich habe gedacht,

(Zuruf von der CDU: Ja!)

bei euch ist ein gewisser Hang zum Schmerz vorhanden.

(Lachen bei der FDP, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Das ist eine Vermutung. Ich meine, es war jetzt quasi eine Einladung an die Oppositionsparteien, die gefüllten Krüge mit Spott und Häme über der Koalition auszuschütten, was bis jetzt glücklicherweise noch nicht passiert ist. Es war bisher eine sehr sachliche Debatte.

Andererseits habe ich mir gedacht: Da das Thema von einer der Oppositionsparteien und ganz gewiss vom Kollegen Lippmann ohnehin zu uns gekommen wäre, war es natürlich clever, sich mit diesem Antrag quasi vor die Welle zu bringen und hier selbst das Thema zu setzen.

(Ah! bei der FDP)

Dafür erst einmal Glückwunsch!

(Guido Kosmehl, FDP: Das ist der clevere Schmerz!)

- Das ist der clevere Schmerz, Kollege Kosmehl. Damit hast du wohl recht. - Gut.

(Daniel Roi, AfD: Sie sind ein Meister im Nebelkerzenwerfen!)

Ich selbst möchte jetzt eigentlich hier auch nicht die Art und Weise der Ursachenanalyse zu den PISA-Ergebnissen weiter fortsetzen, sondern möchte einfach meinen Debattenbeitrag nutzen, um ein paar Gedanken aus meiner ganz persönlichen Sicht hier zum Vortrag zu bringen.

Provozierend könnte man fragen: Worüber regen wir uns eigentlich auf? Wir regen uns auf über mangelnde Mathematik-Kenntnisse, über mangelnde Deutsch-Kenntnisse und über mangelnde Kenntnisse in den Naturwissenschaften. Warum sind uns diese Kompetenzen wichtig? Wie gesagt, die Fragen sind provozierend.

Vor einiger Zeit haben wir hier im Plenum über die Frage debattiert, wie es um die Bewertung des Sportunterrichtes und um die Ausgestaltung der Bundesjugendspiele bestellt ist. Jetzt könnte ich wieder provozierend fragen: Warum verfahren wir bei der Mathematik nicht nach ähnlichem Muster? Wenn es im Sport jetzt nicht so wichtig ist, irgendwelche Ergebnisse zu erreichen, warum kann man dann z. B. nicht sagen, zwei plus zwei ist fünf und der Schüler wird gelobt und dafür war es ganz dicht am Zielbereich? Also da ist was drin. Da kannst du was draus machen.

(Zuruf von Dr. Anja Schneider, CDU)