Ich stelle aus meiner Sicht eine gewisse Form von Gleichmacherei fest. Das ist meine persönliche Sicht. Darüber kann man sicherlich diskutieren. Es ist eine Gleichmacherei, die ich so in
früheren Jahren und speziell auch während meiner eigenen Schulzeit nicht erlebt habe. Ich war weiß Gott bestimmt keine Sportskanone. Es war für mich nicht immer sehr motivierend, beim Fußballspiel als Letzter gewählt zu werden nach dem Motto: Jörgi, stell dich mal ins Tor, da kannst du nicht viel falsch machen.
Dafür gab es aber andere Sachen, bei denen man gut war. Also ich war z. B. im Fach Mathematik, glaube ich, ein ganz ordentlicher Schüler. Ich habe diverse Schulolympiaden besucht bis hin zur Kreisolympiade in der Stadt Dessau. Man konnte in Lernpatenschaften seinen Mitschülern etwas mit auf den Weg geben und hat sich darüber sein Selbstbewusstsein geholt.
Eines muss ich auch sagen. Auch damals gab es Unterrichtsinhalte, die sich nicht auf den ersten Blick und auch nicht auf den zweiten Blick der praktischen Relevanz zugeführt haben. Aber trotzdem haben wir sie gelernt. Und das sind auch Probleme, über die heute immer so diskutiert wird: Wofür brauche ich das für das Leben? Manche Dinge erschließen sich erst im Laufe des Lebens. Dann zeigt sich, dass man die durchaus auch verwenden kann.
Und unabhängig davon, ob es nun um sportliche oder auch um andere Leistungen geht: Neben dem Talent zählen auch immer Disziplin und Fleiß dazu, um sich am Ende über Erfolge freuen zu können. Und eines lernt man dabei auch, nämlich den Umgang mit Ungleichheit, das Ertragen von Misserfolg und
Ein Thema, das hier schon mehrfach zur Sprache gekommen ist, ist das sozioökonomische Umfeld. Ein günstiges sozioökonomisches Umfeld mag sicherlich unterstützend wirken. Aber der alleinige Erfolgsgarant ist es auch nicht. Ich denke, es ist auch kein Entschuldigungskriterium, wenn dieses Umfeld fehlt, weil ich denke, in dem Fall gilt noch immer der alte Spruch: Jeder ist seines Glückes Schmied.
Wenn ich an meine eigene Kindheit zurückdenke, dann geht es auch um Vorbilder, die im Leben wichtig sind. Meine Eltern waren für mich auch immer Vorbilder. Beide kamen in den 50er-Jahren aus den sogenannten einfachen Verhältnissen. Beide haben die 8. Klasse abgeschlossen und haben später den Schulabschluss der 10. Klasse nachgeholt. Mein Vater hat ein Meisterstudium gemacht, meine Mutter hat auch ein Fachschulstudium absolviert und war am Ende Hauptbuchhalterin in einem großen Kaufhaus in der Stadt Dessau-Roßlau. Ich denke, genau darauf kommt es an, nämlich dass Eltern Vorbilder für ihre Kinder sind.
Die Frau Ministerin hat heute in ihrer Rede auf das, was wir heutzutage aber leider oftmals sehen, hingewiesen. Es sind Erwachsene, also Eltern, die selbst verschuldet oder unverschuldet mit den vielfältigsten Fragen in der Welt nicht so recht klarkommen und ihren Kindern damit nicht den nötigen Halt und die nötige Orientierung geben können. Das zum einen im Feld der Familie. Ich denke, wir müssen die Kinder auch wieder Kinder sein lassen.
denkenswert ist. Die Frage, ob Sie das auch für richtig halten, müssen wir dann einmal aus- diskutieren.
In der Familie heißt das für mich, ohne dass meine Ausführungen jetzt Anspruch auf Vollständigkeit erheben: Kinder brauchen klare Regeln und Vorgaben. Viele Entscheidungen, die man schon in kleine Kinder hineinträgt, überfordern sie aus meiner Sicht. Das sind z. B. ganz simple Sachen, die mich nerven. Wenn man im Supermarkt erlebt, wie Eltern ihre Kinder fragen, möchtest du dies und möchtest du das, dann sind das alles so Sachen. Man möchte immer alles möglichst konsensorientiert aushandeln.
Und es ist auch ein Drang in unserer heutigen Zeit: Wir müssen doch nicht alle einer Meinung sein. Man muss auch einmal mit Widerspruch umgehen können, sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen. Und einmal ganz salopp ausgedrückt: Wir müssen uns nicht unbedingt alle immer lieb haben. Aber wir müssen respektvoll miteinander umgehen.
Damit sind wir beim Thema Hierarchien. Ich denke auch, dass Kinder klare Hierarchien brauchen. Der respektvolle Umgang darf nicht mit Kumpelei verwechselt werden. Zu einem respektvollen Umgang gehören Lob und Tadel, aber auch Kritik für nicht erbrachte Leistungen. Ich denke, ganz besonders wichtig ist es in unserer heutigen Zeit auch, dass die Kinder nicht regelmäßig die Welt retten müssen. Dafür sind wir Erwachsene da.
Um einmal an den Bundesvorsitzenden meiner Partei zu erinnern: Wir dürfen uns beim Lösen von Problemen auch Profis bedienen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern die Ein-
schätzung eigener Leistungsbereitschaft ist, denke ich, auch ein Zeichen für erfolgreiches Handeln. Damit stellen wir uns auch einer fortschreitenden Infantilisierung unserer Gesellschaft entgegen, die ich persönlich feststelle - nach dem Motto: Achtung, draußen fällt Schnee, seid bitte vorsichtig und verlasst am besten nicht das Haus. Ich meine, vor 30 Jahren hätte keiner solche Ratschläge gegeben.
Ein kleiner Punkt noch: In Magdeburg gibt es eine ganz nette Burger-Kette, die in ihrem Namen den „Peter Pan“ hat. Ich denke, als Lebensmotto taugt ein solches Vorbild nicht unbedingt. Wir können nicht diese Welt aufbauen, in der wir alle immer dieses Kindliche in uns bewahren. Das wäre zwar schön, aber wird sicherlich mit den Realitäten kollidieren.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was wir auch brauchen: Für alle möglichen Gruppen unserer Gesellschaft gibt es die modern so bezeichneten Safe Spaces. Auch unsere Kinder brauchen sichere, geschützte Räume, in denen sie von den tatsächlichen und den vermeintlichen Krisen unserer Welt Abstand bekommen, in denen ihnen z. B. keine Angst gemacht wird, wie in der Coronakrise. Ich habe es für ein großes Vergehen gehalten, dass gesagt wurde, dass sie durch ihr Verhalten den Tod von nahen Angehörigen verursachen könnten. Das alles sind Dinge, die auf kleine Kinderseelen einprasseln und wir gar nicht wissen, was dabei in diesen Köpfen im Einzelnen abgeht.
Eine solche geborgene Umgebung ist aus meiner Sicht - wir kommen wieder zu den sozioökonomischen Verhältnissen - nicht primär an materielle Werte gekoppelt. Dazu hören dann selbstverständlich auch Klassiker wie das Vorlesen, das gemeinsame Spiel, der kommunikative Austausch in der Familie, Basteln und all diese Dinge, die wir z. B. als Defizite in den Kinder- tageseinrichtungen sehen.
Ich habe gerade letztlich erst wieder gelesen, was zum Vorlesen ganz bestimmt nicht dazugehört, und das sind Horrorgeschichten wie „Die besten Weltuntergänge - Was wird aus uns? Zwölf aufregende Zukunftsbilder“. Ich finde es bedrückend, dass man heutzutage solche Werke auf den Markt bringt.
Kurz und gut, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe es auch schon bei einer anderen Gelegenheit hier gesagt - auch Frau Ministerin hat es vorhin noch einmal betont -: Es ist nicht die Schule, die quasi als Reparaturbetrieb für alle Probleme unserer Gesellschaft auftreten kann
und auch für Probleme, die sich außerhalb ihrer Tore aufbauen. Sie ist dafür nicht der geeignete Ort. Diese Erkenntnis sind wir auch unseren Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, die, wie es Kollege Borchert sagte, in der Mehrheit eine hervorragende Arbeit machen, einfach nur schuldig.
Wir müssen diese Probleme wesentlich weiträumiger angehen und in dieser Diskussion bleiben. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Bernstein. Es gibt eine Frage von Frau Dr. Pähle, wenn Sie diese zulassen, und eine Intervention von Herrn Dr. Tillschneider. - Frau Dr. Pähle, bitte.
Bildungsbiografie, die am Ende durch Erfolg gekrönt war. Sind Sie mit mir der Meinung, dass deshalb auch die Lebensgeschichten und die Erfahrungen der Abgeordneten hier nicht unbedingt repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung sind? In diesem Zusammenhang folgende Frage: Was machen wir denn mit Kindern, die bei schulischen Problemen ihre Eltern nach Lösungen fragen und diese antworten, dass sie das ihren Kindern nicht erklären könnten, da sie es nicht wüssten? Wo finden diese Kinder Ansprechpartner und Unterstützung, wenn sie z. B. im Bildungsbereich weiter gehen wollen als ihre Eltern und auch das Zeug dazu haben?
Mit der Aussage „Jeder ist seines Glückes Schmied“ drücke ich ja nicht aus, dass es Unterstützungsangebote - Sie haben vorhin zu Recht auf das Modell der Talentschulen hingewiesen - nicht geben muss. Aber als Voraussetzung, um alle Angebote erst einmal zu nutzen, ist eine gewisse innerliche Grundkonstitution erforderlich, z. B. die Erkenntnis zu reflektieren, dass ich - ich sage es jetzt einmal platt - in den ärmlichen Verhältnissen, so wie meine Eltern jetzt, nicht leben möchte, dass ich mich da herausentwickeln möchte. Wenn diese Bereitschaft vorhanden ist, dann bin ich doch der Letzte, der solchen Schülerinnen und Schülern quasi die Hand für die Unterstützung, wenn man z. B. etwas nicht weiß, verweigern würde. Es kamen die Lernpatenschaften. Das war eine super coole Sache. Ich weiß nicht, ob es das heute überhaupt noch gibt.
ist ein talentierter Lehrer, wie bei mir offensichtlich einer daraus geworden ist. Ich denke, man macht es sich oftmals zu einfach, wenn man immer nur darauf abstellt, man komme aus prekären Verhältnissen und habe sowieso keine Chance. Das ist eine Opferrolle, die, glaube ich, nicht sehr zielführend ist.
Vielen Dank für diese Rede. Da war vieles dabei, worüber es sich lohnt nachzudenken. Ich will das jetzt, weil es doch etwas abstrakt war, an einem Fall konkretisieren. Sie haben den schönen Satz gesagt: Man muss auch die Kinder Kinder sein lassen können. Darin stimme ich Ihnen zu 100 % zu. Aber was heißt denn das? Ich nenne z. B. die Ganztagsschule. Es gibt einen sehr interessanten Aufsatz des Bildungsphilosophen Heino Bosselmann, den ich hier schon einmal zitiert habe: „Ganztags Schule?“ Eines seiner Hauptargumente ist, dass es ein Fehler der Ganztagsschule ist, dass sie den Schultag der Kinder dem Arbeitstag der Eltern angleicht und damit die Kinder einem institutionellen Stress aussetzt. Damit können die Kinder nicht mehr Kind sein, weil sie nachmittags diese Freiräume nicht haben, bei denen man durchs Dorf stromert, vielleicht auch manchmal Blödsinn macht und sich ohne institutionelle Betreuung frei entfalten kann. Denken Sie auch so? Hat das Konsequenzen für Ihren Standpunkt zur Frage der Ganztagsschule?
ist aus meiner Sicht kein Angebot, das letztendlich, wie Sie sagten, ganztags Schule darstellt. Wenn sie gut gemacht ist, sollte sie natürlich vielfältige Freizeitaktivitäten und Hobbys anbieten, quasi in einem rhythmisierten Ablauf der Schule als Eigenangebot. Sie werden sicherlich auch wissen, dass wir Freie Demokraten uns dem Modell einer verbindlichen Ganztagsschule auch nicht zuwenden,
sondern es sollte immer ein freiwilliges Angebot sein. Wie gesagt: Wer von diesem Angebot gern partizipieren möchte, der kann es annehmen. Allen anderen bleibt am Nachmittag das Herumstromern im Wald, Fahrradfahren und Haschen spielen und alles, was man früher so gemacht hat.
Das war Herr Bernstein. Es folgt Frau SziborraSeidlitz für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Frau Sziborra-Seidlitz, bitte schön.
Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bildungsministerin Feußner wirft der Opposition und mir ab und zu, ich würde mit meiner Kritik an unseren Schulen alles schlechtreden. Deswegen möchte ich mit etwas Positivem beginnen. Es ist großartig, dass wir so engagierte Lehrkräfte, Schulleitungen, Schulpsychologinnen, Schulsozialarbeiterinnen und so viele mehr an unseren Schulen haben, die mit großem Engagement und viel persönlichem Einsatz wirklich alles geben, damit das System Schule trotz aller Schwierigkeiten auch in Sachsen-Anhalt funktioniert.