Protokoll der Sitzung vom 12.12.2023

Ich habe versucht, das in meinem Redebeitrag deutlich darzulegen.

(Zurufe)

Aber die Frage ist, wie ich die Dinge tatsächlich finanziert bekomme, die in die Zukunft weisen und die ich nicht aus einer Jahresscheibe bekomme. Dafür habt ihr keine Antwort und sagt dann bei Intel, das ist eine Notlage. Das ist nicht sauber. Das könnt ihr nicht ernsthaft behaupten.

Und dann zu der „unseriösen Finanzpolitik“ in der Pressemitteilung des Kollegen Ulrich Thomas. 26 Tage später taucht ihr hier mit einem Nachtragshaushalt auf, in dem steht: Ja, das müssen wir jetzt machen. Unser Haushalt 2023 ist ärgerlicherweise nicht verfassungskonform. - Man sollte vielleicht einfach viel mehr Ruhe bewahren und hier nicht die großen Erklä-

rungen abgeben. Damit habt ihr ganz massive Probleme. - So, ich glaube, das war es im Wesentlichen. - Danke.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir sind am Ende der Debatte angelangt und damit auch am Ende des Tagesordnungspunktes 7.

Bevor wir jetzt zur letzten Aktuellen Debatte des Tages schreiten, möchte ich bekannt geben, dass die Parlamentarischen Geschäftsführer mir mitgeteilt haben, dass der Tagesordnungspunkt 38 zurückgezogen wird. Dieser wird heute nicht mehr behandelt, sondern erst im Januar.

(Marco Tullner, CDU: Welcher ist das?)

- Tagesordnungspunkt 38 ist der zum interkollegialen Ärzteaustausch. Das soll erst im Januar beraten werden, sodass wir heute noch die Aktuelle Debatte und den Tagesordnungspunkt 37 - Längerfristig an Hochschulen arbeiten - haben.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 8

Aktuelle Debatte

Atomenergie wird zur Schlüsseltechnologie bei der Reduzierung weltweiter Treibhaus

gasemissionen

Antrag Fraktion FDP - Drs. 8/3447

Herr Silbersack steht bereits am Rednerpult. - Herr Silbersack, bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stehen an einem entscheidenden Wendepunkt der Klimapolitik. Auf der 28. UN-Weltklimakonferenz in Dubai haben 22 Länder von vier Kontinenten eine Erklärung veröffentlicht, dass das Ziel einer globalen Netto-Null-Emission bis 2050 und das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels nur mit der Verdreifachung der Kernenergie zu erreichen ist.

Die Anerkennung der zentralen Rolle der Kernenergie ist nicht nur für die internationale Gemeinschaft von Bedeutung, sondern hat direkte Auswirkungen auf Deutschland und insbesondere auch auf Sachsen-Anhalt.

Zu den Unterzeichnern zählen nahezu alle großen westlichen Industriestaaten. Die wichtigsten darunter sind die USA, Kanada, Großbritannien und Frankreich, aber auch Länder wie Finnland, die Niederlande, Polen und Schweden. Und selbst Japan ist trotz des Unfalls im Atomkraftwerk Fukushima im Jahr 2011 mit dabei.

Das ist keine bloße Initiative, sondern ein strategischer Schritt, um Energiesicherheit zu gewährleisten, Wettbewerbsfähigkeit herzustellen und den Klimawandel einzudämmen. Während also fast alle westlichen Industriestaaten ihre Energiestrategie den äußeren Umständen anpassen, ihre Abhängigkeiten durch Diversifizierung reduzieren und zum Erreichen der Klimaziele die Atomkraft wieder in den Fokus rücken, geht Deutschland bisher einen irrationalen Sonderweg.

Stattdessen wird die Alternative in Deutschland darin gesehen, weniger Strom zu verbrauchen, wie es z. B. vom Bundesumweltamt vorgeschlagen wird. Einsparungen durch hohe Strompreise zu erzwingen, ist ein großer Fehler in

unserer Politik. Die Bürger in Deutschland haben hohe Energiekosten und erleben die Inflation bei Grundgütern des täglichen Bedarfs.

Künstliche Energieknappheit ist ein Treiber dieser Inflation. Bezahlbarer Strom ist die Grund- voraussetzung für eine starke Wirtschaftsleistung und Wohlstand. Eine starke Wirtschaftsleistung und Wohlstand brauchen wir, um die Transformation zur Klimaneutralität erfolgreich hinzubekommen. Nur so können wir die Transformation auch leisten.

Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dürfen wir die Bürger dabei nicht überfordern. Ich habe übrigens meinen Stromzähler abgelesen, wie Sie wahrscheinlich auch. Auf die Abrechnung bin ich jetzt gespannt. Eines ist klar: Die Abschläge für Strom werden steigen. Zum Jahreswechsel läuft die Strompreisbremse aus. Wenn wir dann auf unsere Rechnung schauen, kann ich sagen, dass etwa 8 % bis 12 % des Preises die Kosten für den Atomausstieg sind, die wir jetzt tragen dürfen.

Bedanken können wir uns dabei insbesondere bei den GRÜNEN und Robert Habeck, der eine Neubewertung der Atomkraft und die Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten abgelehnt hat. Die Zeitenwende nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit der Energiekrise und die daraus resultierenden Veränderungen am Energiemarkt wurden beim Atomausstieg ignoriert. Ideologie und Parteigründermythos stehen bei den GRÜNEN über dem Sachverstand.

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Fakt ist: Deutschland ist aus der Atomenergie ausgestiegen. Im Frühjahr wurden die letzten drei Atomkraftwerke vom Netz genommen. Im vergangenen Jahr hat deren Anteil an der Stromerzeugung noch bei 6 % gelegen. Zurzeit wird in Deutschland kein Atomstrom erzeugt.

Die Verknappung des Angebots und die hohen Preise haben in den Vorstandsetagen der Industrie die roten Lampen angehen lassen. Jedem von uns sollte die Forderung der Industrie nach einem Industriestrompreis aus diesem Jahr noch im Gedächtnis sein; eine Forderung nach staatlicher Subvention und einem Preis- deckel für Strom bei der Großindustrie. Ein Preisdeckel hätte die falschen Anreize gesetzt. Der Ruf nach einem wettbewerbsfähigem Strompreis bleibt.

Nach Daten der Internationalen Energieagentur zahlt die Industrie in Deutschland fast dreimal so viel pro Megawattstunde wie in den USA oder in Kanada. Bei den privaten Verbrauchern zeigt sich das gleiche Bild. Hier ist Strom in Deutschland durchschnittlich 174 % teurer als im Rest der Welt. 31,8 Eurocent pro Kilowattstunde müssen Verbraucher hierzulande aufbringen. Im internationalen Durchschnitt sind es 11,62 Eurocent. In Frankreich sind es 18,5 Eurocent, in den USA 12,68 Eurocent.

Wir brauchen eine Energieversorgung, die private Haushalte und Unternehmen sicher versorgt und Deutschland als Standort für Industrie mit hoher Wertschöpfung und gut bezahlten Arbeitsplätzen durch niedrige Preise erhält, meine Damen und Herren. Das muss mit den Klimaschutzzielen, auf die sich Deutschland verpflichtet hat, in Einklang gebracht werden.

Eines ist klar: Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis die grünen Energiesysteme mit Energiespeichern grundlastfähig und voll funktionenfähig sind. Atomkraft und Wasserkraft bilden aber schon jetzt weltweit das Rückgrat der kohlenstoffarmen Stromerzeugung. Zusammen stellen sie drei Viertel der globalen kohlenstoffarmen Energieerzeugung bereit.

In den letzten 50 Jahren hat der Einsatz von Atomkraft die CO2-Emissionen mehr als 60 Giga-

tonnen reduziert. Das entspricht fast zwei Jahren globaler energiebedingter Emissionen. Diese Zahlen verdeutlichen die entscheidende Rolle, die die Atomkraft bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen spielt, und ihre Bedeutung für den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung.

Wir müssen daher den Rückbau der letzten Kernkraftwerke stoppen. Eine Wiederinbetriebnahme der in den vergangenen beiden Jahren abgeschalteten Kernkraftwerke ist möglich. Die am 15. April 2023 abgeschalteten Kernkraftwerke Isar II, Emsland und Neckar-Westheim befinden sich in der Vorbereitung der Primärkreislaufvoll-Dekontamination und werden bis zum Frühjahr 2024 abgeschlossen. Zitat eines renommierten deutschen Kernkraftwerks-

experten, Manfred Haferburg: Ein Kernkraftwerk, das diese Dekontamination durchgemacht hat, ist durchaus wieder anfahrfähig. Man hat einen erhöhten Aufwand an Inspektionen und Genehmigungen, aber das ist kein Todesurteil. Die Darstellung in den Medien und vonseiten der Politik ist daher irreführend. Es gibt einen Weg zurück zur Atomkraft. Eine Wiederinbetriebnahme würde etwa zwei Jahre dauern.

Deutschland muss langfristige Perspektiven bei der Atomkraft schaffen und den Wiedereinstieg angehen, meine Damen und Herren. Der Bedarf an Elektrizität wird aufgrund der Dekarbonisierung und der damit verbundenen Elektrifizierung in den verschiedensten Sektoren zukünftig weiter steigen. Diese strukturellen Trends bedeuten, dass wir mehr Elektrizität als je zuvor nutzen werden. So ist bspw. zu erwarten, dass die Verkäufe von Elektrofahrzeugen und elektrischen Wärmepumpen für Gebäude und Haushalte im Jahr 2023 jeweils um mehr als 30 % steigen, während die Nachfrage nach Elektrizität in der Eisen- und Stahlproduktion um 17 % zunehmen wird. Auch die Rechenleistung für KI

oder Blockchain wird für zusätzlichen Energiebedarf sorgen. Die Dekarbonisierung wird den Strombedarf in Europa noch weiter stimulieren, wie z. B. für die Herstellung von grünem Wasserstoff.

Was hat Deutschland bisher gemacht, um Engpässe zu vermeiden? In Deutschland wurde die Kohleproduktion erhöht, die eigentlich drastisch hätte reduziert werden sollen.

Und es wurde weitere Infrastruktur für den Energieträger Erdgas aufgebaut. Gas und Kohle sind aber fossile Brennstoffe. Die Schaffung neuer fossiler Kapazitäten steht im Widerspruch zu den Klimazielen der EU und stellt ein Glaubwürdigkeitsproblem im Kampf gegen den Klimawandel dar.

Trotz des jüngsten Anstiegs in der Kohleverstromung und in dem Ausbau neuer Infrastrukturen für Erdgas bleiben Europa und Deutschland aber ihren klimabasierten Dekarbonisierungszielen treu. Das Erreichen der Ziele wird durch den erhöhten zukünftigen Bedarf und die notwendige grundlastfähige Stromversorgung

ohne Atomstrom immer unrealistischer, meine Damen und Herren. Deutschland muss einen Kurswechsel in der Energiepolitik vollziehen und die Atomenergie wieder in Betracht ziehen.

Schauen wir über die Grenzen hinaus, erkennen wir die Entwicklungen in anderen Ländern. Länder wie Polen, Tschechien, Dänemark, Rumänien und Estland wollen Small Modular Reactors einsetzen. Kleine Modulare Reaktoren sind fortschrittliche Kernreaktoren mit einer Leistungskapazität von bis zu 300 MW pro Einheit, was etwa einem Drittel der Erzeugungskapazität herkömmlicher Kernkraftwerke entspricht. Ich frage mich: Warum planen wir nicht auch einen solchen Kleinen Modularen Reaktor z. B. in Leuna? Das wäre denkbar.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Weil es sich nicht finanzieren lässt! - Zurufe von der CDU und von der AfD)

Blicken wir auf das Beispiel Polens, das rund 100 dieser Reaktoren angekündigt hat. Eine Zusammenarbeit mit Polen wäre durchaus denkbar. Überall in Europa werden diese Dinge vorangebracht, aber in Deutschland sind wir verblendet. Wir sehen keine Möglichkeit, in dieses Thema wieder einzusteigen. Warum eigentlich nicht? Warum erdreisten wir uns, uns im Grunde genommen über die Welt zu stellen, den Rest der Welt zu ignorieren, so zu tun, als ob wir die Heilsbringer seien, die wir niemals waren und niemals sein werden?

(Beifall bei der FDP)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist jede ultimative Ablehnung des Themas Kernenergie ein Vergehen an der Zukunft Deutschlands.

(Zustimmung von Jan Scharfenort, AfD - Se- bastian Striegel, GRÜNE: Das Thema ist durch!)

Vielen Dank, Herr Silbersack.

Wie bitte?

Bitte? Sie sind fertig oder nicht?