Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann war am Schluss Ihr Kernvorwurf an Kollege Siegmund, dass er im Raum geblieben ist, als Sellner da war, dass er also nicht, was weiß ich, sich einen Müllsack über den Kopf gezogen hat oder verschwunden ist. - Weshalb darf man nicht mit Sellner im Raum sitzen? Ich meine, selbst wenn er so untaugliches und abwegiges Zeug behaupten würde, was ich nicht denke. Ich denke, es sind interessante Ideen dabei, über die man nachdenken kann.
Aber selbst wenn es so untauglich und abwegig wäre, wie Sie sagen: Haben Sie so wenig Vertrauen in sich, so wenig Vertrauen in andere,
so wenig Vertrauen in Ihre Ideen, dass Sie schon die Anwesenheit von Martin Sellner fürchten? Fürchten Sie, dass sein Denken wie ein Virus auf Sie übergeht, sodass Sie so- zusagen die Ferne suchen müssen? Wissen Sie, dieses Verhalten ist nicht besser als das der LINKEN, die einem AfD-Abgeordneten den Handschlag verweigern. Es ist irrational, es ist lächerlich, und es kündet nicht von Stärke.
Herr Tillschneider, natürlich hätte ich keine Angst. Wobei die Geschichte gelehrt hat, dass man sich mit Rechtsextremisten aus Österreich vielleicht nicht so sehr abgeben sollte.
Aber davon abgesehen, es geht um einen wichtigen Punkt. Ich glaube, das geht allen so, die sich politisch engagieren, ob bei Diskussionen und woanders: Sie sind manchmal auf einer Veranstaltung, wo etwas gesagt wird, was Ihnen politisch nicht passt. - Erstens.
Dann ist es das Gebot der Stunde, dass man entweder widerspricht - das würde ich machen - oder die Veranstaltung verlässt, wenn man sich das nicht traut. Man bleibt nicht weiter im Raum und tut so, als wäre nichts passiert oder versucht sich herauszureden, indem man sagt: Ich mache mir das nicht zu eigen. Wer an solchen Veranstaltungen teilnimmt, wo solche Pläne beraten werden bzw. von Leuten - -
- Herr Lizureck, im Nachgang gibt es Videos von Herrn Sellner, in denen er genau dasselbe sagt. Darin bezieht er sich auch darauf, dass er das in Potsdam gesagt hat. Nicht alles, was in dem Bericht von „Correctiv“ steht, können Sie ins Märchenland schicken. Sie müssen sich mit der neuen Rechten auch einmal auseinandersetzen. Einige Ihrer Fraktionskollegen machen das sehr intensiv.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, erwarte ich von jemandem, der Verantwortung trägt - nicht in der AfD; da können Sie machen, was Sie wollen, aber der Verantwortung in einem Gremium des Landtages trägt -, dass er dazu seine Stimme erhebt oder geht. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Bevor jetzt Herr Striegel als nächster Debattenredner zum Rednerpult kommt, möchte ich im Namen des Präsidenten mitteilen, dass er zu einer Ältestenratssitzung nach Beendigung dieses Tagesordnungspunktes 3 bittet.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin - Sie ist jetzt gerade außerhalb des Raumes - hat es schon gesagt: „Remigration“ wurde zum Unwort des Jahres im letzten Jahr, im Jahr 2023, gewählt. Davor waren es übrigens die Wörter „Klimaterroristen“, „Pushback“, „Coronadiktatur“, „Klimahysterie“, „Anti-Abschiebe-Industrie“, „alternative Fakten“, „Volksverräter“, „Lügenpresse“ und im Jahr 2013 „Sozialtourismus“ - Wörter, die Menschen diffamieren. Sie können sich einmal im Raum umtun, wer diese Wörter in sehr häufigem Gebrauch hatte. Ich will Ihnen einen Tipp geben: Es ist die Fraktion hier ganz rechts außen.
Nichts von dem, was die beiden Fraktionsvorsitzenden Oliver Kirchner und Ulrich Siegmund hier heute im Plenum des Landtags vorgetragen haben, war überraschend in diesen Debatten. Faschistische Politik sieht sich im Endkampf gegen die vermeintliche Auslöschung eines ethnisch definierten Volkes. Sie zielt
auf die Erhaltung bzw. Wiederherstellung - ich zitiere - „ethno-kultureller Identität.“ Das ist, um mit dem Rechtsextremen Martin Sellner, von dem das Zitat stammt, selbst zu sprechen, „das weltanschauliche Minimum“ aller rechten bis rechtsextremen Kräfte.
Die Vertreibung von Millionen von Staatsbürgern, die aus der Sicht der Rechtsextremen wegen ihrer Herkunft, der Herkunft ihrer Mütter, ihrer Väter, ihrer Großeltern, ihrer Religion oder ihrer Kultur nicht in einen ethno-kulturell definierten deutschen Staat passen, ist logische Konsequenz der ethno-pluralistischen und rassistischen Ideologie, die NPD, AfD, das sogenannte Institut für Staatspolitik, die Identitäre Bewegung und andere rechtsextreme Akteure miteinander verbindet, und ja, die sie zusammenschweißt.
Herr Kirchner, Herr Siegmund, das Deportationstreffen von Potsdam als Geheimtreffen zu bezeichnen, geht schon allein deshalb fehl, weil keiner der dort gehaltenen Redebeiträge ein Geheimnis barg. Die Positionen Sellners, die Positionen von Ihnen, Herr Siegmund, der AfD und anderer Akteure sind seit langem bekannt. Mich hat diese Zusammenkunft deshalb auch nicht überraschen können. Alles, was wir aufgrund der „Correctiv“-Recherche nun lesen können, stand bereits vorher in Szenepublikationen,
war Gegenstand von rechtsextremen Reden in Schnellroda, bildete das Fundament von Reden der AfD in Landtagen, im Bundestag oder bei verharmlosend auch Bürgerdialog genannten rechtsextremen Werbeveranstaltungen.
Gehen wir doch mal in den Herbst 2017, also fast sieben Jahre zurück, nach Schkopau auf eine Veranstaltung, organisiert durch einen heute für die AfD im Kreistag des Saalekreises sitzenden und mehrfach wegen Gewaltdelikten verurteilten Unternehmers, mit dem mehrfach unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilten Akif Pirinçci. Auf die Frage aus dem Publikum, wie Pirinçci denn die Veränderung in der deutschen Bevölkerung stoppen würde, macht dieser Mann glasklar: Es gibt für ihn Deutsche, offenbar biologisch abgrenzbar so- wie sicher kulturell verschieden, und im Gegensatz dazu andere Menschen. Dann wortwörtlich, ich zitiere:
„Die Deutschen haben zu wenig Kinder, die anderen machen immer mehr Kinder. Da kann man jetzt nicht sagen, ja, wir wollen aber unser altes Deutschland haben. Das haben die Indianer auch gesagt, damals in Amerika. Da kamen Leute hin, die eine ganz, ganz andere Kultur haben. Diese Menschen müssen alle gehen. Diese Menschen müssen alle gehen. Es müssen etwa 8 Millionen Deutschland verlassen. Man kann ihnen sagen, in sechs Monaten werdet ihr kein Geld mehr bekommen, auch kein Essen. Ihr müsst aus euren Wohnungen. 8 Millionen Menschen, auch die hier geborenen.“
Gesprochen wurde das, wie gesagt, auf einer öffentlichen Veranstaltung im Saalekreis, organisiert durch einen Unternehmer, der heute für die AfD im Kreistag des Saalekreises sitzt. Unwidersprochen ins Netz übertragen, hörbar für alle, die sich dafür interessieren.
Das ist nichts anderes als das, was Herr Siegmund will, was Herr Höcke umsetzen will, der im Jahr 2018 in seinem Buch schrieb, eine - Zitat - „Wendezeit“ stehe bevor. Eine neue politische Führung müsse in dieser neuen Zeit - ich zitiere wieder - „Maßnahmen ergreifen, die ihrem eigentlichen moralischen Empfinden zuwiderlaufen“. Man werde dann nämlich „ein paar Volksteile verlieren, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen“. Das ist eine „wohltemperierte Grausamkeit“, so nennt es Björn Höcke. Ich glaube, es ist wichtig, das an dieser Stelle zu nennen. Denn das war und ist kein Geheimnis. Das ist Politik, die die AfD seit Jahren in diesem Land macht.
An der Ideologie ihrer Partei, ihrer rechtsextremen Bewegung hat sich nichts geändert. Die AfD ist ein völkisch-rassistisches Projekt.
Verdienst der Journalistinnen und Journalisten von „Correctiv“ ist es, diese Deportationsfantasien einem breiten Publikum bekannt gemacht zu haben
und Rechtsextreme bei der Vernetzung und konkreten Vorbereitung ihrer Pläne ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt zu haben.
Auch Ihre Verteidigungslinie, Herr Siegmund, war doch erwartbar. Sie hätten von nichts gewusst. - Gut, das ist deutsche Tradition seit 1945. - Sie seien privat vor Ort gewesen. - Also wissen Sie, Ihr vermeintlich nur privater Rassismus ist deshalb interessant, weil Ihre Thesen im
Plenum hier, egal ob es zu Gesundheitspolitik, zu Bildungspolitik oder zu etwas anderem ist, ja auch immer rassistisch daherkommen.
Ich weiß nicht, was diese Unterscheidung soll. Im Übrigen haben wir Sie auch heute wieder im Plenarsaal beim Training für die erfolgreichste Nazisportart der Geschichte gesehen, beim Üben der Opferrolle auf dem Parkett des Plenarsaals.
Sparen Sie sich diese Verrenkungen. Sie und Ihre Parteikameraden sind erkannt. Ihre rassistische Ideologie liegt offen zutage. Ihre politischen Vorstellungen der Vertreibung von Millionen von Menschen aus diesem Land sind mit unserer Verfassung, sind mit dem Grundgesetz nicht kompatibel. Sie sind Verfassungsfeinde.