„Die überwiegende Mehrheit der bisherigen politischen Entscheidungen der Bundesregierung hat […] die Wirtschaft und Landwirtschaft in arge Bedrängnis gebracht.“
Tatsache ist, seit diese Bundesregierung im Amt ist, haben vor allem der Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Stopp der russischen
Gaslieferungen und eine von Spekulationen getriebene Inflation Wirtschaft und Landwirtschaft in Bedrängnis gebracht.
Tatsache ist genauso, die Bundesregierung hatte diese Belastungen durch umfassende Unterstützungspakete in weiten Teilen auf- gefangen,
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Entlassen wir doch gemeinsam Herrn Putin nicht so billig aus seiner Verantwortung.
Zum nächsten Punkt. Es heißt bei Ihnen weiter: „Die kürzlich angedrohten Kürzungen im Agrarbereich […] brachten für die Landwirte das Fass zum Überlaufen.“ Damit haben Sie allerdings recht. Werfen wir also einen Blick in das Fass,
Zunächst sind es die objektiven äußeren Faktoren über die eben schon genannte akute Krisensituation hinaus. Es sind der Klimawandel und das Artensterben, deren Auswirkungen landwirtschaftliche Betriebe auf ihren Feldern als Erste spüren und bemerken.
Es ist ein verändertes Verbraucherbewusst- sein von Tierwohl und gesunder Ernährung, das von vielen Landwirtinnen und Landwirten geteilt wird.
Es ist der seit Langem andauernde Konzentrationsprozess in der Lebensmittelbranche, der zur Ballung von Marktmacht bei wenigen Konzernen geführt, die Verhandlungsposition der Erzeugerinnen und Erzeuger immer weiter geschwächt und ihre Einkommen geschmälert hat.
Hinzu kommen zahlreiche strukturelle Probleme. Der Deutsche Bundestag hat in der vergangenen Woche einen Beschluss zur Zukunft der Landwirtschaft gefasst, in dem es heißt:
„Die seit 40 Jahren abnehmende Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe hat ihre Ursache in einer jahrzehntelangen verfehlten Agrarpolitik.“
Das werden wohl die meisten Bäuerinnen und Bauern unterschreiben. Ich möchte deshalb nur auf Folgendes hinweisen. Die Verantwortung für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft haben seit der Gründung der Bundesrepublik getragen: die SPD zwei Jahre, die GRÜNEN sechseinhalb Jahre, die FDP knapp 14 Jahre - aber das ist schon ganz lange her - und die CDU/CSU beinahe 52 Jahre, und zwar bis zum Jahr 2021.
Wer in bald 75 Jahren bundesdeutscher Politik eine Art Flatrateabo auf das Landwirtschaftsministerium gehabt hat
und nach Jahrzehnten des Reformstaus jetzt alle Probleme auf zwei Jahre Ampel zurück- führen will, der macht es sich selbst etwas zu einfach.
Er verpasst die Chance, an dem anstehenden Reformprozess konstruktiv teilzunehmen; denn die Aufgaben, die der Bundestag der Bundesregierung mit einem Beschluss aufgegeben hat, haben es in sich - das muss man schon sagen -: Bürokratieabbau, Stärkung der Wettbewerbsposition der Bäuerinnen und Bauern, Finanzierung einer tierwohlgerechten Tierhaltung, Förderung alternativer Antriebe in der Landwirtschaft, um nur einen Teil der Punkte zu nennen. Mit diesem ehrgeizigen Katalog ist zugleich die Agenda umrissen, die in den Gesprächen der Regierungsfraktionen auf den Tisch gekommen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kommen wir zurück zum Antragstext: „Es ist eine vollständige Neujustierung der Bundespolitik notwendig […]“ Das ist Ihre Botschaft, seit die CDU das Kanzleramt räumen musste.
Ich verstehe, dass Sie nach Argumenten suchen. Ich möchte dem bei all den vermeid- baren Problemen der Zusammenarbeit der Berliner Koalitionspartner und bei allen Schwächen der politischen Performance entgegen- halten, die Mission der Bundesregierung in
dieser Legislaturperiode ist noch nicht erfüllt. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als darum, unsere Industriegesellschaft so umzugestalten, dass wir klimagerecht produzieren, dass wir dabei wettbewerbsfähig bleiben und dass - das ist insbesondere uns als SPD wichtig - dieser Umbau von allen getragen werden kann, dass niemand überfordert wird und dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt wird. Dafür hat diese Bundesregierung nicht nur einen politischen Auftrag, dafür hat sie auch eine klare parlamentarische Mehrheit. Wer in dieser Konstellation nach Neuwahlen ruft, der hat nicht verstanden, worauf die Stabilität unserer parlamentarischen Demokratie fußt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat die Proteste aus der Landwirtschaft ernst genommen, und das frühzeitig. Sie hat die ursprünglich vorgesehene Streichung steuerrechtlicher Subventionen substanziell reduziert und damit nicht nur finanziellen, sondern auch bürokratischen Lasten der Landwirtinnen und Landwirte Rechnung getragen. Der Bundestag wird diese Regelungen in den nächsten Tagen für den Bundeshaushalt 2024 verankern.
Zu vielen weiteren Problemen wurden eben- falls deutlich bessere Beschlüsse getroffen. Ich nenne hier nur das Beispiel der Forschung an E-Fuels in Leuna. Auch das ist mit den Debatten im Haushaltsausschuss verändert worden. So funktioniert Kompromiss in der Demokratie, im Bund nicht anders als hier im Land. Protest ist legitim, notwendig, aber niemand kann erwarten, dass seine Forderung zu 100 % erfüllt wird, nur weil er laut genug hupt.
zu den Einsparvorschlägen gekommen ist. Not- wendig wurden sie, weil das Bundesverfassungsgericht entschieden
Eine solche Klage ist natürlich das gute Recht der Opposition. Aber dann kann doch niemand so tun, als würde dieser Beschluss folgenlos bleiben.
Die Koalitionsparteien haben daher in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses einen beschlussreifen, ausgeglichenen und von allen Regierungsfraktionen getragenen Haushalt auf den Weg gebracht. Das ist die gute Nachricht und beweist die Handlungsfähigkeit der Berliner Koalition.
Auf Dauer ist es aber nicht vertretbar, wenn der Bundeshaushalt zwar die Schuldenbremse einhält, aber die Zukunftsausgaben, die Zukunftsinvestitionen liegen lässt,
die ich vorhin skizziert habe. An der Reform der Schuldenbremse führt deshalb kein Weg vorbei, damit Kreditaufnahmen für Zukunftsinvestitionen nicht mehr blockiert werden.
umso weniger Kredite werden benötigt. Es mag angesichts der Haltung der Spitze der CDU, insbesondere in Berlin, heute unrealistisch sein, die dafür notwendige Mehrheit zusammenzubekommen. Wenn man aber bedenkt, dass sich die Probleme für die Landeshaushalte genauso und noch stärker stellen werden, dann wird klar: Hier lohnt sich ein parteiübergreifender Zusammenschluss.
Abschließend bitte ich um eine Überweisung des Antrags der LINKEN in den Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.