Protokoll der Sitzung vom 25.01.2024

Gustav Seibt schrieb vor Kurzem in der „Süddeutschen Zeitung“:

„Der Sinn des Wochenendes war es, eine Grenze zu ziehen. Jenseits dieser Grenze drohen Wahnsinn, Reinheitsfantasien, am Ende Gewalt.“

Recht hat er.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Überall im Land gehen Menschen auf die Straße. Die größten Proteste seit 1989 richten sich gegen die AfD. Dass Menschen aufstehen, dass das Volk gegen nationalsozialistische Gedankenspiele aufsteht, ist gut so.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diese Proteste sind die so wichtige Brandmauer in unserem Land, die Zivilgesellschaft, die sich vor unsere Demokratie und vor die Grund- und Freiheitsrechte stellt. Gemeinsam verteidigen wir dieses Land gegen die Umsturzpläne

der AfD, gegen ihren rassistischen und politischen Größenwahn. - Ich danke Ihnen allen aus tiefstem Herzen.

Meine Damen und Herren! Wir haben so viel zu verlieren: unsere Demokratie und unsere Grund- und Freiheitsrechte.

(Zuruf von der AfD)

Seit 1945 werkelt die extreme Rechte am Comeback. Sie profitiert jetzt, und zwar nicht nur hier, sondern weltweit, von einer massiven Verunsicherung, einer neuen Unsicherheit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung.

Liebe Kolleginnen aus den demokratischen Fraktionen! Lassen Sie uns gemeinsam wieder für einen sozialen Zusammenhalt kämpfen. Machen wir es ihnen gemeinsam schwerer, mit ihrer Hetze durchzukommen. - Nie wieder ist jetzt!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sehe zwei Interventionen. Als Erster spricht Herr Mertens. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Werte Frau von Angern, es war jetzt viel dabei. Für Sie, aber auch für alle Fraktionen, weil der Name Martin Sellner immer wieder in der gesamten Diskussion auftaucht, möchte ich sagen: Ich wette, niemand von Ihnen hat irgendetwas Substanzielles von Herrn Sellner gelesen.

(Zuruf von der SPD)

Deshalb möchte ich Ihnen eine Einschätzung von Herrn Bernhard Heinzlmaier aus Wien, der nun wahrlich nicht in dem Ruf stehen sollte, uns nahezustehen, vorlesen. Er ist ein Sozialwissenschaftler, der in Hamburg tätig ist. Ich möchte aus seinem gestrigen Blog zitieren:

„Reformistisch, ja fast humanitär sind die Vorstellungen von Sellner zur Praxis der Remigration. Von Deportation, wie die linken Spitzel zu insinuieren versuchen, ist bei Sellner nie die Rede, im Gegenteil, an erster Stelle stehen ‚Rückwanderungsanreize‘, gefolgt von Strategien der Deislamisierung und erst danach werden Assimilations- und Remigrationsdruck ins Spiel gebracht. Nicht einmal einen Anklang an die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gegenüber Minderheiten wie Juden, Roma, Sinti und Homosexuelle, wie es das Wort ‚Deportation‘ signalisiert, findet man.“

Wer an seinen Wissenslücken etwas ändern möchte: Ich habe ein Buch von ihm dabei. Sie könnten hineinschauen. Ich gebe es Ihnen gern. Ein weiteres Buch mit dem Titel „Remigration“ wird bald erscheinen. Darin können Sie nach- lesen. Aber ich nehme an, das wird dann so laufen wie bei Frau Merkel damals, als es um das Buch von Thilo Sarrazin ging. Ungelesen einfach in die Öffentlichkeit posaunt: Dieses Buch sei nicht hilfreich. Genauso läuft das an dieser Stelle auch ab. - Danke.

(Beifall bei der AfD)

Herr Scharfenort, Sie haben das Wort.

Ich will kurz auf den Begriff der Zivilgesellschaft eingehen. Wer ist denn die Zivilgesellschaft?

(Zuruf von der SPD: Sie nicht!)

Die Zivilgesellschaft sind fast immer die gleichen. Es sind immer, wie bei der Klimabewegung auch, die Antisemiten, die Antifa und vor allen Dingen Angehörige der unproduktiven Klasse, Angehörige von NGO usw.

(Dr. Katja Pähle, SPD: 16 000 Menschen in Halle!)

Das ist die alte Leier. Warum wurden Demonstrationen zum Teil abgebrochen? - Weil zu viele Antisemiten teilgenommen haben, und zwar vor allen Dingen in München. Lesen Sie in der Presse nach, was dort los war.

(Zuruf von der SPD)

Zu den Anreizen und der Frage, was wir mit Anreizen meinen. - Natürlich wollen wir die Anreize möglichst niedrig halten, damit keine illegale Einwanderung stattfindet. Ein Beispiel dafür, dass es geht, liefert die CDU-Landrätin, und zwar mit einer einfachen Maßnahme wie der Bezahlkarte.

So etwas wollen wir neben anderen Faktoren auch. Wir wollen die Pull-Faktoren abschaffen. Natürlich wollen wir Anreize abschaffen, was denn sonst, und zwar so, wie es in anderen Ländern, also in fast ganz Europa, jetzt gemacht wird. Wir sind die Letzten, die Blinden, die Autofahrer auf der falschen Seite. So ist es doch.

(Beifall bei der AfD)

Ich will darauf hinweisen, dass das Instrument der Intervention dazu gedacht ist, zu etwas zu intervenieren, das in der Rede des Redners vorgekommen ist. Insofern würde ich darum bitten, dass die Debattenbeiträge, die praktisch Co-Beiträge sind, nicht als Intervention getarnt werden. Eine Intervention muss sich auf den Redner beziehen.

(Jan Scharfenort, AfD: Zivilgesellschaft!)

Jetzt machen wir weiter. - Wir kommen zu dem Debattenbeitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Herr Meister, bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vertreter der AfD haben sich mit anderen Rechtsextremisten getroffen, um über die Vertreibung und Deportation von Menschen aus Deutschland zu beraten.

(Oliver Kirchner, AfD: Junge, Junge, Junge! - Frank Otto Lizureck, AfD: Was ist mit der CDU?)

- Das ist bisher unstrittig, meine ich.

Das Treffen wurde in den Medien zum Teil als Wannseekonferenz 2.0 bezeichnet - ein makaberer und angesichts des Ausmaßes und der Intensität der in der Wannseekonferenz des Jahres 1942 geplanten Verbrechen unangemessener Vergleich.

(Zustimmung bei der AfD)

Trotzdem - das gebe ich zu - ging es mir beim Lesen des Berichts genauso. Auch mir kam so-

fort dieser Vergleich in den Sinn: Rechtsextremisten planen Deportation, Villa am See, auch in räumlicher Nähe; denn die Villa ist nur 8 km von der Gedenkstätte der Wannseekonferenz entfernt. Man kann sich der Parallelität tatsächlich nur schwer entziehen. Es hat natürlich in der Lächerlichkeit der Möchtegernpotentaten auch etwas von einer Farce. Ich meine, man muss es trotzdem ernst nehmen.

So gruselig es ist, keine einzige der kolportierten Äußerungen hat mich wirklich überrascht. Vertreter der AfD haben sich vielfach eindeutig erklärt. Eine Partei, die die anderen Parteien von der LINKEN bis zur CDU als Systemparteien bezeichnet - Herr Kirchner hat heute in seiner Rede von der „Systempresse“ gesprochen; das ist ganz typisch -, die Widerstand an der Wahlurne plakatiert, ist genau das, was sie selbst sagt: eine Antisystempartei.

(Oliver Kirchner, AfD: Eine Bürgerpartei! Sa- gen Sie es, wie es ist!)

Was ist denn aber das System, gegen das sie kämpft? Was eint die anderen doch sehr unterschiedlichen Parteien? - Es ist unser gemeinsames Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung,

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)

für den Rechtsstaat, für die Demokratie. Das ist das verhasste System und dagegen wird Widerstand eingefordert.

Die Gegenfrage drängt sich auf: Für welches andere System steht denn eigentlich die AfD ein? - Ich hatte hier schon einmal auf die Bewerbungsrede Dr. Tillschneiders auf dem AfD-Listenparteitag 2020 hingewiesen, in der

er Volksverräter und Volksfeinde benannte, darunter auch namentlich unseren Ministerpräsidenten.

In der Geschichte - diesbezüglich muss ich nicht nur die deutsche Geschichte bemühen - endet es zuverlässig immer in unsäglichem Leid, wenn sich eine politische Bewegung durchsetzte, die Volksfeinde und Verräter benannte. Denn was passiert mit solchen Fein- den und Verrätern, wenn man die Macht hätte, es zu entscheiden? Dürfen ihre Volksfeinde dann eigentlich noch frei herumlaufen und, wie es in der Demokratie üblich und ihr Recht wäre, versuchen, wieder die Mehrheit und die Macht zu erlangen?

Hört den Rechtsextremisten zu! Sie sagen immer wieder, wohin ihrer Meinung nach die Reise gehen sollte. Nehmen Sie das ernst und nehmen Sie es beim Wort und tun Sie es nicht als Übertreibung ab. In deren Welt ist kein Platz für Demokraten gleich welcher Farbe.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)

Insofern war es sehr interessant, in den Berichten zu sehen, dass auch die Delegetimation von Wahlen ein eigener Tagesordnungspunkt war.