Es ist richtig, was der Ministerpräsident dazu gesagt hat: Wir sind dagegen, notwendige Investitionen für Thüringen gegen die Bildung auszuspielen. Wir sind froh, dass der Erwerb von Altbauten dem Neubau gleichgestellt worden ist. Das ist ein Beitrag zur Innenstadtsanierung, auf den wir
nicht sofort wieder verzichten möchten. Dass in Thüringen immer weniger Menschen wohnen, dass immer weniger Wohnungen belegt sind, steht dazu nicht im Widerspruch. Ich halte es für begrüßenswert, wenn Menschen Hausund Grundstückseigentum erwerben, weil sie individueller wohnen möchten. Gleichwohl wird die zurückgehende Nutzungsnachfrage in vielen Gemeinden zunehmend auch bei den infrastrukturellen Einrichtungen wie Schulen, Handel, Gesundheitswesen, bei den technischen Versorgungsmedien, ÖPNV und so weiter spürbar. Es gehört zu unseren vordringlichen Aufgaben, diese Entwicklung in das Bewusstsein der Beteiligten und Verantwortlichen zu bringen und wirksame Gegenstrategien zu entwickeln. Diesem Thema in seiner ganzen Breite hat sich Thüringen, im Unterschied zum Bund, nicht erst 2001 zugewandt. Die Landesregierung hat alte Initiativen, die heute unter dem Begriff Stadtumbau zusammengefasst werden, bereits zu einem frühen Zeitpunkt konzeptionell und haushaltstechnisch vorbereitet. Seit 1993 sind Aufwertungsmaßnahmen in den großen Neubaugebieten gefördert worden, um diese Siedlungen, die stadtfeindlich als sozialistische Werkssiedlungen geplant waren, zu guten Adressen zu machen. Es ging und es geht darum, ihnen eine Aufgabe als normaler und integrierter Bestandteil unserer Städte zuzuweisen.
Wir haben insofern einen erkennbaren Vorlauf gegenüber anderen Ländern und Stadtumbau in Thüringen ist bereits seit 1993 Realität - mit Städtebauförderprogrammen für die großen Neubaugebiete in Bezug auf Stabilisierung und Dichtereduzierung. Wohnumfeldgestaltung - begleitend zur Wohnungsmodernisierung - war, ist und bleibt für uns ein wesentlicher Bestandteil der Städtebauförderung. Gerade für Familien ist der wohnungsnahe Freiraum ein wesentliches Qualitätsmerkmal für die Wohnsituation. Ich sage auch als Innenminister, die Attraktivität des Wohnumfelds hat einen erheblichen Einfluss auf das subjektive Sicherheitsempfinden unserer Bevölkerung.
Ihr Engagement für intaktes Wohnquartier ist in sanierten Gebieten wesentlich höher, was wiederum zur objektiven Verbesserung der Sicherheit beiträgt. Städtebauliche und wohnungswirtschaftliche Maßnahmen haben wir bereits in den vergangenen Jahren weit gehend verknüpft. Deshalb ist der Leerstand in modernisierten Beständen heute in Thüringen kein vorrangiges Thema mehr.
Der Wohnungsleerstand gefährdet viele Wohnungsunternehmen und Kommunen. Um dieser Gefahr zu begegnen, haben wir die Vergabe der Fördermittel von der Erarbeitung von Stadtentwicklungs- und Unternehmenskonzepten abhängig gemacht. Wohnungs- und Städtebauförderung gibt es nur noch für die Bestände und Gebiete, die
auch in 20 Jahren noch sicher nachgefragt werden. Die Tatsache, dass es in Thüringen noch keine durch Leerstand bedingte Insolvenz eines Wohnungsunternehmens gegeben hat, zeigt, dass wir hier auf gutem Weg sind. Aber Wohnungsleerstände beeinträchtigen die soziale Stabilität und die Funktionsfähigkeit unserer Städte. Deshalb haben wir in Thüringen bereits 2001 ein Wohnungsmarktstabilisierungsprogramm aufgelegt. Es diente und dient dem Ziel, strukturell bedingt dauerhaft leer stehende, nicht modernisierte Wohnungen nach städtebaulichen und wohnungswirtschaftlichen Konzepten zurückzubauen. Auf diese Weise soll wieder ein quantitatives und qualitatives Gleichgewicht zwischen Wohnungsnachfrage und Wohnungsangebot gewonnen werden. Den Schwerpunkt legen wir nach wie vor auf die Aufwertung der historisch gewachsenen Innenstädte und auf den Konsens mit Bewohnern und Verbänden. Für die dauerhaft leer stehenden Wohnungen werden sich wegen des Bevölkerungsrückgangs auch in absehbarer Zeit keine Mieter finden. Zur Stabilisierung des Wohnungsmarkts wie auch der Unternehmen bleibt der Abriss von mindestens 60.000 Wohnungen bis 2010 unumgänglich.
Auf Druck der neuen Länder, insbesondere Thüringens und Sachsens, ist der Bund endlich aufgewacht und hat 2002 das Bund-Länder-Programm "Stadtumbau Ost" aufgelegt. Neben dem Rückbau oder Abriss sind für uns die Programmteile für die Durchführung von städtebaulichen Aufwertungsmaßnahmen besonders wichtig. Um die Probleme nachhaltig lösen zu können, ist die finanzielle Ausstattung des Programms aber bei weitem nicht ausreichend. Um den Leerstand im Jahre 2010 auf die Fluktuationsreserve von 5 Prozent zurückzuführen, müssten die Rückbaumittel praktisch verdoppelt werden. Immerhin hat der Bund durch die langfristige Finanzierungsperspektive des Programms eine Basis für integrierte Stadtumbauprozesse geschaffen. Damit können wir in Thüringen zusammen mit den komplementären Mitteln des Freistaats bis zum Jahre 2009 mit einem Fördervolumen von rund 425 Mio.
Ein erster Zwischenbericht zur Umsetzung des Stadtumbauprogramms im März letzten Jahres hier in diesem Hause hat gezeigt, dass kein grundsätzliches Umsteuern im Stadtumbau notwendig ist, dass wir aber mit der Programmumsetzung Modifizierungen prüfen müssen. Wir sind mit der Programmabwicklung 2003 ein gutes Stück vorangekommen. Die mit dem Gemeinde- und Städtebund und dem Verband Thüringer Wohnungswirtschaft einvernehmlich abgestimmten Verfahrensregeln auf der Grundlage der Städtebauförderungsrichtlinien haben sich bewährt. Für diese sehr enge und fruchtbare Zusammenarbeit will ich an dieser Stelle meinen besonderen Dank aussprechen.
Sicherlich gilt es, im Detail flexibel zu reagieren und nachzusteuern. Thüringen hat den Stadtumbau mit landes
eigenen Programmen vorbereitet. Wir werden auch zu einer sinnvollen Weiterentwicklung beitragen und dabei unsere Verantwortung wahrnehmen.
Doch zunächst die Ergebnisse bei der Umsetzung des Programms im Überblick: Seit Beginn des Programms im Haushaltsjahr 2002 haben wir Aufwertungsmaßnahmen in Ergänzung unserer bestehenden Stadtsanierungsprogramme in 44 Fördergebieten in 36 Programmgemeinden mit einem Verpflichtungsrahmen von rund 52,9 Mio. Der Landesanteil betrug dabei 28,87 Mio. ! Aufwertungsmaßnahmen konzentrieren sich auf die Verstärkung der laufenden Städtebauförderung in unseren innerstädtischen Sanierungs- und Erhaltungsgebieten. Dort werden die Maßnahmen der Innenstadtinitiative weitergeführt. In den großen Neubaugebieten können wir auf Erfolge von Stabilisierungsmaßnahmen im landeseigenen Städtebauförderprogramm "Wohnumfeldmaßnahmen in Gebieten der Blockund Plattenbauweise" aufbauen.
Als Basis für die genannten Maßnahmen des Stadtumbaus liegen in 38 Thüringer Städten und Gemeinden Stadtumbaukonzepte vor, die regelmäßig wohnungswirtschaftliche Konzepte beinhalten. Wir setzen auch hier nicht auf statische, fertige Konzepte, sondern auf eine Strategie für den Stadtumbau in der jeweiligen Stadt unter Beachtung der regionalen Entwicklung, insbesondere des Wohnungsmarkts.
Auf die Mitwirkung des Landes bezogen heißt das, alle Ressorts müssen zum Gelingen beitragen. Stadtumbau ist für Thüringen nicht ein Abbruchprogramm, sondern es steht für das Motto "Mehr Wohn- und Lebensqualität für Thüringen" und damit für ein Mehr an Qualität statt Quantität. Unser langfristiges Ziel lautet allerdings: "Mehr statt weniger Bürger". Eine strategisch ausgerichtete kinderund familienfreundliche Stadtplanung kann unserer Ansicht nach wirksame Beiträge zu diesem wichtigen gesellschaftspolitischen Ziel leisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nun auf den Rückbauteil des Programms Stadtumbau zu sprechen kommen. Die Thüringer haben hier ihre Hausaufgaben gemacht. Bis zum 31.12.2003 wurden insgesamt 10.700 dauerhaft leer stehende Wohnungen rückgebaut, davon rund 4.100 Wohnungen in landeseigenen Programmen. Weitere 7.000 Wohnungen sind bereits bewilligt. Damit haben wir erreicht, dass 2002 und 2003 in Thüringen der Leerstand im Bereich der gewerblichen Wohnungswirtschaft erstmals stagnierte und nicht weiter zunahm.
Diese Rückbauzahlen verteilen sich dabei auf rund 1 Prozent der Wohnungen in den Innenstädten, 7 Prozent der Wohnungen in Gründerzeitgebieten und rund 92 Prozent der Wohnungen in Plattenbaugebieten. Wir sind damit das
erste neue Land, in dem kein Anstieg des Wohnungsleerstands mehr zu verzeichnen war. Auch dies ist ein Beleg für unser vorausschauendes politisches Vorgehen.
Der Rückbau von dauerhaft leer stehenden Wohnungen zielt nicht auf die künstliche Verknappung des Wirtschaftsguts Wohnung, um Mietpreissteigerungen durchzusetzen. Der Rückbau ist vielmehr notwendig, weil ein funktionierender Wohnungsmarkt die Voraussetzung für die notwendigen Veränderungen innerhalb des Stadtumbaus darstellt. Da die städtischen Wohnungsgesellschaften und die Genossenschaften die Hauptakteure sind, müssen sie wirtschaftlich stabilisiert werden. Grundlage dieser Stabilisierung ist die Beseitigung der Belastungen durch dauerhaft leer stehende Wohnungen.
Allein auf der Basis angemessener Erträge kann ein hochwertiges Angebot von verbleibenden und modernisierten Wohnungen vorgehalten werden. Nur damit ist dem Mieter gedient und der notwendige Bauunterhalt gewährleistet. Deswegen ist auch die Forderung, die Altschuldenentlastung nach § 6 a Altschuldenhilfegesetz zu erweitern bis hin zur Entlastung aller abzubrechenden Wohnungen, nach wie vor berechtigt.
Allein die Thüringer Wohnungsunternehmen, die einen Antrag gemäß § 6 a Altschuldenhilfegesetz gestellt haben, planen bis 2010 den Abriss von rund 42.000 Wohneinheiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mittlerweile folgt dem Stadtumbau Ost bereits der Stadtumbau West. Nicht ohne Grund besuchen uns Parlamentarier aus den alten Ländern - beispielsweise kürzlich aus Nordrhein-Westfalen -, um sich über die erfolgreichen Thüringer Strategien in diesem Bereich zu informieren. Wir sind der Überzeugung, dass der anstehende Prozess des Stadtumbaus einer intensiven Beobachtung und Unterstützung bedarf. Förderprogramme und Fördermittel müssen nach einem schlüssigen strategischen Konzept eingesetzt werden.
Aus diesem Grund hat Thüringen eine programmbegleitende Forschung ins Leben gerufen, die den Fortschritt des Stadtumbaus in Thüringen kontinuierlich auswertet und die Ergebnisse in einen intensiven Erfahrungsaustausch mit dem Programmstädten und dem Innenministerium einbringt. Wir wollen auf der Grundlage eines Monitorings sowohl Programmevaluation betreiben, als auch das Programm "Stadtumbau Ost" weiterentwickeln.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zwar hat Thüringen, wie gesagt, den Anstieg des Leerstands gestoppt; um eine entscheidende Trendwende herbeizuführen, sind jedoch weitere Anstrengungen notwendig. Die Erkenntnis, dass die Wohnungsunternehmen den Abriss ohne entsprechende Altschuldenentlastung finanziell nicht schultern können, ist unstreitig. Anders gesagt: Ohne Altschuldenentlastung gibt es keinen Rückbau, ohne Rückbau gibt es keinen Stadtumbau im Sinne von Aufwertung und Stabilisierung.
Auf Druck der Länder hat der Bund seinen Entlastungsbetrag im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes von ursprünglich 658 Mio. 315 Mio. "# $%merk unterliegen. Selbst im Fall einer Entsperrung verbleibt immer noch eine Lücke von ca. 150 Mio. #träge nach § 6 a AHG finanziell untersetzen zu können, die die Wohnungsunternehmen bis zum Ende der Antragsfrist am 31.12. gestellt haben.
Wir fordern vom Bund, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt und seine finanzielle Verantwortung nicht auf die Bundesländer abwälzt. Finanzielle Klarheit ist in dieser Frage für den Fortgang des Stadtumbauprozesses ausschlaggebend. Zum Stand der Altschuldenentlastung lässt sich für Thüringen feststellen, dass insgesamt 63 Wohnungsunternehmen bei der KfW einen Antrag auf Entlastung nach § 6 a AHG gestellt haben. Von ihnen haben bisher 26 Unternehmen in einer Höhe von knapp 115 Mio. & ' % halten. 37 Wohnungsunternehmen haben noch keine Anerkennung erhalten. Tatsächlich wurden bisher entlastet 24 Unternehmen in einer Höhe von 26,6 Mio. ! ( lastungsbetrag entspricht 6.436 abgerissenen Wohnungen.
Ich fordere die Bundesregierung nochmals auf, dafür zu sorgen, dass die noch ausstehenden Anträge durch die KfW umgehend geprüft und die Mittel zur Altschuldenentlastung im notwendigen Umfang bereitgestellt werden. Thüringen wird die Wohnungsunternehmen seinerseits mit entsprechenden Fördermitteln bei weiteren notwendigen Investitionen unterstützen und so seiner Verpflichtung aus dem Altschuldenhilfegesetz nachkommen.
Denn, meine Damen und Herren, bei der Diskussion zur Altschuldenhilfe verschweigt der Bund zunehmend, dass die Länder bereits heute einen Beitrag zur Altschuldenentlastung durch eine Finanzierung in gleicher Höhe wie der Bund zu leisten haben.
Das geschieht durch die Gewährung investiver Mittel an die Wohnungsunternehmen. Wir tun dies, wenden uns aber
entschieden gegen die Versuche des Bundes, einen Teil der Altschuldenentlastung auf die Länder abzuwälzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu einigen Fragen der Investitionen im Wohnungsbau kommen. Ich habe bereits gesagt, nach Auffassung der Thüringer Landesregierung sind ungeachtet der Leerstandssituation weitere Investitionen im Wohnungsbau notwendig. Das gilt sowohl für die Bestandspflege als auch für den Neubau. Entscheidend sind dabei die genaue örtliche und regional abgestimmte Bedarfsanalyse wie auch die städtebauliche Begründung des Standorts. Teil unserer Stadtumbaustrategie ist deshalb die Fortführung der Modernisierungsförderung für Mietwohnungen.
Die Wohnungsunternehmen müssen ein bestimmtes Kontingent an sanierten Wohnungen vorhalten können, um ihren Mietern den Auszug aus den zum Abriss vorgesehenen Gebäuden nahe legen zu können.
Ich weise darauf hin, in Thüringen ist der Modernisierungsbedarf immer noch weit höher als der Abrissbedarf.
Der Freistaat setzt sich deshalb für die Verlängerung des Investitionszulagengesetzes auch bei wohnungswirtschaftlichen Investitionen ein. Nach Auffassung der Bundesregierung soll über die Verlängerung entschieden werden, wenn die Ergebnisse eines Forschungsvorhabens vorliegen - voraussichtlich Ende dieses Monats.
Ich fordere den Bund auf, diese Wirkungsanalyse so früh wie möglich mit den Ländern zu besprechen und noch vor dem Sommer entsprechende gesetzgeberische Aktivitäten einzuleiten. Für die unverzichtbaren Modernisierungsinvestitionen, insbesondere in den innerstädtischen Gebieten, ist die Investitionszulage gerade für die großen Wohnungsunternehmen ein wesentliches Instrument zur Eigenkapitaldarstellung und sie ist für uns deshalb auch ein Element des Stadtumbaus.