Protokoll der Sitzung vom 16.03.2000

Deshalb möchte ich an diesen Tag erinnern und möchte den Damen und Herren Abgeordneten des ersten frei gewählten Volkskammerparlaments, auch denen, die hier im Hause sitzen, herzlich dafür danken.

(Beifall bei der CDU)

Nun zum Thema: Ich hatte es in meiner Regierungserklärung angekündigt, die Landesregierung wird in dieser Legislaturperiode regelmäßig zentrale Themen ihrer Arbeit in Regierungserklärungen in diesem hohen Haus thematisieren. Herr Lippmann hat einen Durchschnitt von zwei Monaten ausgerechnet. Herr Lippmann, wir werden bei dem Durchschnitt bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Erstens ist es jetzt ein bisschen leichter, Regierungserklärungen zu formulieren als früher, wo man jeden Halbsatz abstimmen musste, und zweitens legt die Regierung Wert auf breite Diskussion. Der Koalitionsausschuss war schon nützlich, aber jetzt gilt, der Koalitionsausschuss ist tot, es

lebe die Landtagsdebatte.

(Beifall bei der CDU)

Aus diesem Grund wählen wir diesen Weg. Ich habe mich auch gemeldet, um dem Wirtschaftsminister für seine Regierungserklärung zu danken und für seine Arbeit zu danken. Der Wirtschaftsminister hatte den Satz: Geduld und Weitblick. Herr Kollege Lippmann war so freundlich, Geduld zu akzeptieren. Es war oppositionelles Verhalten, den Weitblick in Frage zu stellen. Ich füge hinzu, wir wären nicht so weit mit der Wirtschaft Thüringens, wenn wir keinen Weitblick hätten und wenn wir keinen Wirtschaftsminister mit Weitblick hätten.

(Beifall bei der CDU)

Dass sich etwas geändert hat, merkt man nicht nur am Inhalt der Reden, die heute hier gehalten worden sind, sondern man merkt es auch an einem gewachsenen Selbstbewusstsein. Sogar der Sprecher der PDS hat nicht mehr alles für gescheitert und hoffnungslos erklärt. Er hat sich zwar so viel selbst auf die Schulter geklopft, dass kein Platz mehr ist, da etwas hinzuzufügen, aber anerkannt, dass wir etwas weiter sind, hat er.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Um noch einmal Herrn Lippmann zu zitieren: "Wir sind nicht unzufrieden", aber - ich mache nicht mal eine Interpunktion dazwischen - es ist noch viel zu tun. Und weil wir nicht unzufrieden sind, fühlen wir uns kräftig, auch noch wirklich viel zu tun. Wir haben in der Wirtschaft, das ist mehrfach gesagt worden, in der Wirtschaftspolitik den eingeschlagenen Kurs nicht zu korrigieren. Einen erfolgreichen Kurs korrigiert man nicht. "The never Chance a winning team."

(Beifall bei der CDU)

Das war ganz offensichtlich ja auch die - in Russisch kann ich es leider nicht sagen, sonst täte ich es ja gern, aber das ist mir versagt geblieben und das werde ich auch nicht mehr einholen.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ich hatte zwar hier Schule, aber Russisch ist mir auch versagt geblieben.)

Aber ich traue es Ihnen zu, im Gegensatz zu mir. Ich meine das doch ganz freundlich. Das ist auch von den Wählern uns ja bestätigt worden. Wir sprechen aber über die Wirtschaftspolitik, weil sich die Situation verändert, und auch ein erfolgreicher Kurs muss auf veränderte Situationen reagieren; beispielsweise sind die Neuinvestitionen eher rückläufig. Wir haben das ja schon einmal erlebt vor einigen Jahren und unsere Reaktion darauf heißt, dann müssen wir die Fördersätze für die Erweiterungsinvestitionen nicht für alle Zukunft, aber für eine gewisse Zeit erhö

hen, damit wir mehr Arbeitsplätze bekommen und dafür entsprechend die Mittel umschichten. Und es hat sich die Situation verändert, weil die Schere zwischen Ost und West, was die Arbeitslosigkeit betrifft, sich eben nicht langsam schließt, sondern weil jeder Monatsanfang uns die Meldung bringt, dass eine Aufschwungtendenz, dass eine leichte Rückgangtendenz der Arbeitslosigkeit im Westen, aber eben keine vergleichbare Aufschwungtendenz und eher eine Zunahme der Arbeitslosigkeit im Osten zu verzeichnen ist. Das können wir nicht einfach hinnehmen, sondern darauf müssen wir reagieren, übrigens nicht nur wir, sondern natürlich auch der Bund, der ja sagt, Aufschwung Ost habe Vorrang. Wenn man es zur Chefsache macht, dann muss der Chef was tun, damit etwas gemacht wird, weil sonst niemand etwas machen kann.

(Beifall bei der CDU)

Es ist von mehreren, vor allem von Herrn Lippmann, die Steuerreform angesprochen worden. Herr Lippmann, morgen im Bundesrat werden zwei Steuerreformgesetzentwürfe beraten werden, der der Bundesregierung und der einiger Länder, die nicht so furchtbar weit auseinander sind in allen Punkten, das will ich ausdrücklich sagen, die sich nicht in allen Punkten unterscheiden. Also, ob das nun die größte Steuerreform der Geschichte wird, das wollen wir bitte mal hinterher feststellen. Ich habe immer etwas dagegen, wenn man vorher sagt, dass jetzt das Entscheidendste des Jahrhunderts geschehe. Hinterher ist noch Zeit dazu, dann können wir das feststellen. Nur eines ist völlig richtig, meine Damen und Herren, und es ist auch so gesagt worden von Herrn Lippmann, die Wettbewerbsfähigkeit muss verbessert werden. Das wollen beide Entwürfe. Aber ich frage in Bezug auf den Entwurf von Herrn Eichel, warum eigentlich erst 2005, nachdem wir schon drei Jahre verloren haben, bis wir jetzt wieder darüber reden, warum eigentlich nicht schon 2003?

(Beifall bei der CDU)

Und ich frage zweitens: Warum soll eigentlich die Wettbewerbsfähigkeit bei den Kapitalgesellschaften mehr verbessert werden als bei den Personengesellschaften? Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Herr Struck, hat das ja schon gespürt, dass da eine Frage offen steht und dass da etwas korrigiert werden muss. Ich sage ausdrücklich, eine Blockade der Steuerreform mit den Stimmen Thüringens wird es nicht geben, aber eine Schlechterbehandlung des Mittelstands wird es eben auch nicht geben, wenn wir an die Beratungen gehen.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Zusammenhang, übrigens auch bei Herrn Ramelow, fiel das Stichwort "Sparkassen" und ich nutze die Gelegenheit, um hier in der Öffentlichkeit, in diesem Haus noch einmal zu sagen, ich habe keinen Einfluss darauf, ob Privatbanken fusionieren oder nicht. Das muss ich akzeptieren, ich kann mich zwar dazu äußern, aber Ein

fluss darauf habe ich nicht. Nur wenn sie es tun, dann ist das mit absoluter Sicherheit mit einem weiteren Rückzug großer privater Banken aus der Fläche verbunden und dann heißt das für mich, dass mehr als bisher gerade jetzt die Sparkassen gefordert sind und die Landesbanken, dies auszugleichen, damit sich die Möglichkeit des Kredit- und des Privatkundengeschäfts nicht aus der Fläche zurückzieht.

(Beifall bei der CDU)

Der Handwerksmeister in Pößneck wird schwerlich noch bei der fusionierten Deutschen und Dresdner Bank seinen Kleinkredit bekommen. Er ist angewiesen darauf, dass er ihn bei der Volksbank, bei der Raiffeisenbank oder bei der Sparkasse braucht. Und warum sage ich das? Weil ich gleichzeitig sage, dass wir die Verpflichtung haben, die Landesbanken als die Gewährsträger der Sparkassen so zu stärken, dass sie diese Aufgabe erfüllen können, und wir sind dabei, das auch für die Landesbank Hessen-Thüringen in der Kooperation mit Nachbarn zu tun und wir tun es in allererster Linie zur Stärkung der Kreditmöglichkeiten für das Handwerk und für den Mittelstand in den regionalen Räumen unseres Landes. Es fiel das Stichwort "630 DM", meine Damen und Herren. Vorsicht, Herr Lippmann und Herr Ramelow, rechnen Sie sich mit den Statistiken von 1999 nicht vorschnell gesund. Erstens umfasst das Jahr 1999 nur zum kleineren Teil das InKraft-Treten der, wie ich finde, unguten Novelle. Zweitens würde ich nicht gerade das Weimar-Jahr mit Millionen zusätzlicher Gäste hier im einschlägigen Gewerbe zugrunde legen. Ich bleibe dabei, das 630-DM-Gesetz ist schädlich und muss novelliert werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich hatte an sich nicht vor, das Thema "Ökossteuer" anzusprechen, weil ich Sie nicht unnötig ärgern wollte. Aber, meine Damen und Herren, eines fällt mir schon auf: Immer wenn jemand, der diese Steuer verteidigen muss, das Wort nimmt, dann sagt er als Erstes: Ihr habt in Unionszeiten um 50 Pfennige erhöht. Da kann ich nur sagen, entweder finden Sie das gut, dann loben Sie es bitte, oder Sie finden es schlecht, dann machen Sie es nicht nach, denn Sie rechtfertigen damit dauernd Ihre Erhöhung um 36 Pfennige.

(Beifall bei der CDU)

Und eines ist halt bei allen Ölscheichen und bei allen Dollarkursen festzuhalten: Von jeder Mark, die Sie an der Tankstelle zahlen, bekommt der, der das Produkt liefert, nur ein Drittel und zwei Drittel bekommt der Fiskus. Wir sind der Meinung, dass die Ökossteuer für die deutsche Automobilindustrie und für die Arbeitsplätze, die dort anfallen, für die Pendler, für die Bauern und für die Lastwagenbetreiber schädlich ist, und deswegen sind wir gegen sie.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Heym, es hat mir gefallen, dass Sie sagen: Thüringen erwandern. Und wenn ich das recht gehört habe, Thüringen sprudelt, ich möchte gerne Thüringen auch erfahrbar machen,

(Beifall bei der CDU)

und das am liebsten mit dem Zug und das am liebsten mit dem Auto. Herr Lippmann, damit es keine Legenden gibt, in der Mitte-Deutschland wäre in den letzten Jahren von uns nichts getan worden; darf ich daran erinnern, dass der erste Schritt in dieser Sache ein gemeinsamer Brief von mir und drei meiner Kollegen war. Leider sind zwei nicht mehr im Amt. Das war der Brief von Herrn Rau, von Herrn Eichel, von Herrn Biedenkopf und mir in Sachen Mitte-Deutschland; damit hat die Diskussion darüber begonnen. Ich schicke die Abschriften dieser Briefe jetzt gern an den Bundesfinanzminister, weil er jetzt in der Lage ist, das, was er damals gefordert hat, auch tatsächlich umzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Weil Sie von Vorfinanzierung sprachen: Wir haben uns doch bereit erklärt, die uns zustehenden EFRE-Mittel, die nicht ohne unsere Zustimmung verwendet werden können, dort einzusetzen. Wir haben Landesmittel, wenn ich es recht weiß 35 Mio. DM, zur Verfügung gestellt. Wir haben am letzten Montag Herrn Mehdorn angeboten, wenn er Schwierigkeiten hat - und er steckt bis obenhin in Schwierigkeiten -, dann fangen wir mit den Landesmitteln an, wenn nur wirklich gebaut wird. Aus diesem Grund, Sie brauchen in der Tat nicht befürchten, dass hier von unserer Seite nichts geschehe. Nur die Rechnung "kürze am ICE und du baust Mitte-Deutschland", die hat sich als Milchmädchenrechnung erwiesen

(Beifall bei der CDU)

und wird auch eine Milchmädchenrechnung bleiben. Keine Maut, das lehnen wir ab! Glauben Sie, wir sind dafür? Wir lehnen es genauso ab, wir müssen nur zur Kenntnis nehmen, dass der Bundesverkehrsminister das vorschlägt. Lassen Sie uns doch Arm in Arm, Herr Lippmann, dem Bundesverkehrsminister sagen, er soll es zwar bezahlen, denn damit das klar ist, den Tunnel brauchen wir. Wir lehnen die Maut ab, aber nicht den Tunnel, damit keine falsche Vorstellung entsteht.

(Beifall bei der CDU)

Da lassen Sie uns doch Arm in Arm hingehen und lassen Sie uns versuchen, wie wir den Tunnel bekommen und die Maut gemeinsam ablehnen.

Vorhin kam, und das war schon bemerkenswert, in Jena, das sei ja ein Leuchtturm und da gäbe es einen ehemaligen Ministerpräsidenten, der hätte das bewirkt, aber in Artern hätte die Landesregierung versagt. Also, man braucht

eigentlich gar nichts mehr dazu zu sagen. Ich bin ja bereit, wenn er zur Verfügung steht, Herrn Clement zu bitten, nach Artern zu kommen im Mai, aber, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der CDU)

allein, und daraus merken Sie bitte, dass die Bemerkung nicht so ganz ernst gemeint ist, mit einem ehemaligen Ministerpräsidenten macht man aus Artern kein Jena, sondern der erste Schritt, um aus Artern ein Jena zu machen, ist der Bau der A 38 und der A 71.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir das Kreuz dieser beiden Autobahnen in der Nähe von Artern bei Sangerhausen haben, dann haben wir die erste Grundvoraussetzung, dass aus Artern Jena wird. Da mache ich jeden darauf aufmerksam, dass Jena in der glücklichen Lage war, die Autobahn schon zu haben, ehe es losging, sogar schon, ehe es losging mit der DDR. Sogar die DDR hat schon davon profitiert. Wir müssen jetzt erst einmal die Autobahn nach Artern bringen und dann können wir über Weiteres reden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich glaube, es war nützlich, heute bei allen Unterschieden deutlich zu machen, und ich lege sogar Wert auf Unterschiede, denn sonst würden wir ja etwas falsch machen, wenn Herr Ramelow nicht in Teilen widersprochen hätte, bei allen Unterschieden, es gibt eine Gemeinsamkeit hier in diesem Haus in Sachen Wirtschaft, nämlich Arbeitsplätze schaffen. Und diese Gemeinsamkeit ist mehr wert als alle Unterschiedlichkeiten, aller Kampf gegeneinander. Die nächste Regierungserklärung steht bevor. Danke.

(Beifall bei der CDU)

In der Aussprache zur Regierungserklärung liegen keine weiteren Redemeldungen vor. Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 1 und komme zum Aufruf des neuen Tagesordnungspunkts 1 a