Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

und das bei der Möglichkeit, als Alleinregierung besser Politik nach eigenen Intentionen gestalten zu können. Als klare Mehrheit haben Sie es tituliert, für klare Verhältnisse. Aber der Nachteil, dass man die Dinge, die fehl gelaufen sind, dem Koalitionspartner eben nicht mehr anhängen kann, der trifft Sie jetzt voll. Falsch gelaufen ist im zurückliegenden Jahr vieles. Die Fassade bröckelt, zerfressen von einem Pilzgeflecht. Der Baufachmann würde sagen: "Bei Schwammbefall," - und das ist nichts anderes als Pilz - "da hilft nur noch Abriss.".

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht ist das der Grund, warum Sie, Herr Ministerpräsident, auf Ihre übliche Bilanz nach einem Jahr Regierungszeit verzichtet haben. Es wäre nämlich zu einem Offenbarungseid gekommen. Das letzte Regierungsjahr hat Thüringen Schaden zugefügt.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Ich stelle nur stichpunktartig fest, auch noch mal für Sie, Herr Ministerpräsident: Personalchaos bei der Polizei, die zugelassene Demontage des Verfassungsschutzes, die Änderung der Geschäftsordnung des Landtags, die Beschädigung des noch nicht einmal eingeführten Bürgerbeauftragten, das Chaos im SAM-Bereich, die Behinderung der Justiz im Pilz-Prozess. Meinen Sie allen Ernstes, das wirft alles ein gutes Licht auf Thüringen? Sicher, wichtige wirtschaftliche Kennzahlen stimmen optimistisch, doch sind diese Kennzahlen nur im Unwesentlichen das Verdienst dieser Landesregierung. Thüringen profitiert viel mehr überdurchschnittlich von der guten Lage und der guten Konjunktur in Gesamtdeutschland. Dies ist im Wesentlichen das Resultat der Arbeit der jetzigen Bundesregierung.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Es ist ja gut, dass Sie das wenigstens glauben.)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Die hatten sicher eine Sonnenbrille auf.)

Als Sie, meine Damen und Herren der CDU, früher in Richtung Bonn gesehen haben, hatten Sie immer die rosarote Brille auf. Heute haben Sie sie nur auf, wenn es darum geht, Ihre eigene Leistung zu bewerten.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Die sind alle begeistert. Wahnsinn!)

Ich will dem nicht nacheifern, denn es gibt genügend äußere, nicht von der Bundesregierung beeinflussbare Faktoren, die zur Belebung der Konjunktur beigetragen haben. Die Regierung Schröder hat es allerdings verstanden, diese positiven Indikatoren durch die Auflösung des Reformstaus noch zu verstärken.

(Beifall bei der SPD)

Die überwiegend zustimmende Reaktion aus der Bevölkerung, der Wirtschaft, Wissenschaft und vereinzelt auch aus den Reihen der CDU beweisen das. Das Bündnis für Arbeit funktioniert, die größte Steuerreform der Geschichte der Bundesrepublik ist in Sack und Tüten. Der Fairness halber gehört es sich, hier auch zu sagen; wir hätten es nicht alleine geschafft. Vielen Dank auch an die aufgeklärten CDU-Landesverbände.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Trautvetter, Sie haben für sich in Anspruch genommen, jetzt zu sparen, um später den dreioder vierfachen Gewinn zu erzielen. Genau dieses gilt für diese Steuerreform. Was auf Thüringer Ebene von Ihnen als richtig bezeichnet wird, das können Sie auf Bundesebene nicht verteufeln.

(Beifall bei der SPD)

Und was den Blockadevorwurf betrifft, meine Damen und Herren, um das ein für alle Mal zu lösen, ich nehme den Vorwurf an. Sie müssen aber auf der anderen Seite eingestehen, Sie können ja nicht mal mehr blockieren; in diesem Zustand befindet sich Ihre Partei. Sie wollten es doch, aber Sie können ja nicht mal mehr blockieren auf der Bundesebene. Der Konsenskanzler, wie er manchmal genannt wird, hat es eben verstanden, gesellschaftliche Strömungen zu bündeln und auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. So etwas wird Ihnen, Herr Vogel, bei dem derzeit praktizierten Politikstil und mit Ihrer Mannschaft im Rücken bis zum Ende der Legislaturperiode wohl nicht mehr gelingen.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Von dem Kanzler, der mit Mehrheit gewählt worden ist, Herr Vogel.)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Abwarten, abwarten!)

Zurzeit sagen sowieso viele, es ist besser, wenn Sie mit Ihrer Mannschaft auf dem Rennsteig wandern und die Leute hier, einschließlich der Justiz, in Ruhe arbeiten lassen.

(Beifall bei der SPD)

Die Thüringer Landesregierung ist im vergangen Jahr mit einer Reihe von Versprechen ins Rennen gegangen. Der vorgelegte Haushalt 2001/2002 ist eine Beerdigung erster Klasse für viele dieser Versprechen. Ich werde im Verlauf meiner Ausführungen im Einzelnen darauf eingehen, denn wie kurz Ihr Gedächtnis ist, beweist nicht zuletzt die derzeitige Kampagne zur Steuerreform. Die finanzpolitischen Rahmenbedingungen, unter denen dieser Haushalt steht, sind stabil. Die Konjunktur steht trotz der Belastung durch den schweren Euro und durch die hohen Rohölpreise auf sicheren Füßen.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Der Euro ist schwach, nicht stark.)

Entschuldigung, da habe ich mich versprochen, Herr Ministerpräsident. Was ich allerdings nicht verstehen kann, ist Ihre Aufgeregtheit. Was ist denn nur los? War der gestrige Tag zu hart oder die Nacht zu kurz? Ich weiß es auch nicht. Also, ich wiederhole es noch mal. Die Konjunktur steht trotz der Belastung durch den schwachen Eurokurs und durch den hohen Rohölpreis auf sicheren Füßen. Von solch einer Planungsbasis haben wir in den letzten Jahren nur geträumt. Ein konjunkturbedingter Steuereinbruch jagte den nächsten, denn die damalige Bundesregierung saß die Probleme halt aus. Auch jetzt haben wir Steuermindereinnahmen, aber diese sind vorkalkuliert und gewollt, weil Bürger und Wirtschaft entlastet werden wollten und entlastet wurden. Leider hat sich diese Thüringer Landesregierung gegen diese Entlastung gewehrt. Herr Trautvetter, haben Sie einmal ausgerechnet, welche Auswirkungen der von Ihnen mitgetragene Gesetzentwurf auf die Steuerkraft der Länder gehabt hätte?

(Zuruf Trautvetter, Finanzminister: Ja.)

Die Länder mit vielen Spitzensteuerzahlern hätten ihre Position zu Lasten der Länder mit wenig Spitzensteuerzahlern verbessert. Und dass wir das sind, das ist doch klar. Über den Länderfinanzausgleich hätten wir die Entlastung in Bayern noch mitfinanziert, das tun wir bisher übrigens ohnehin schon so. Jetzt bleibt die Frage: Wer benachteiligt mit seiner Politik hier eigentlich die neuen Länder? Meine Damen und Herren, für das Jahr 2001 ist im Entwurf der Landesregierung nur eine relativ geringe Rückführung der Verschuldung vorgesehen, weil der eben genannte Steuerrückgang finanziert werden muss. Wäre die CDU-Steuerreform gekommen, meine Damen und Herren, hätte die Verschuldung vermutlich überhaupt nicht zurückgeführt werden können oder es hätte noch härtere Ein

schnitte gegeben als jetzt schon geplant. Aber in einem solchen Fall hätten Sie es sich wieder einfach gemacht und hätten es auf die Bundesregierung geschoben. Zum Sparen gibt es auch aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion keine Alternative. Die von der Landesregierung vorgeschlagene Rückführung der Nettoneuverschuldung wird auch von der SPD-Fraktion als notwendig erachtet, auch wenn wir wissen, wie sehr wir dadurch unsere Änderungsspielräume einengen. Es bleibt aber zu betonen, wichtige finanzpolitische Weichenstellungen grundsätzlicher Natur, wie zum Beispiel die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, stehen noch unmittelbar bevor. Dazu, Herr Minister Trautvetter, zwei Bemerkungen zu Ihren Ausführungen:

Erstens, und das gehört an erste Stelle: Wir hatten einen guten Länderfinanzausgleich, von dem Thüringen hervorragend partizipierte. Dass dieser zur Disposition steht, dieser gute, ist das Ergebnis Ihrer Politik und der Südländer in Deutschland.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Dr. Vogel, Minsterpräsident: Hessen sind auch Südländer. Herr Eichel hat mitgeklagt.)

Herr Eichel hat mitgeklagt, das ist richtig. Was jetzt kommt, und Herr Finanzminister, das ist das Problem bei der Sache, das wissen wir alle nicht. Es ist nämlich abzusehen, dass sich nicht parteipolitische Allianzen, sondern Länderallianzen bilden, und wie die aussehen, wissen wir nicht und es stört uns, dass da die Gefahr besteht, dass Thüringen hinten ansteht. Das stört. Herr Minister, Sie sind auf dieses Land vereidigt, nicht auf irgendwelche anderen Sachen. Und wenn Sie das nicht stört, dass Thüringen eventuell hinten dran gestellt wird, dann haben Sie wahrscheinlich ein Problem, eventuell sitzen Sie auf dem falschen Stuhl.

(Beifall bei der SPD)

Also auch das, was da auf uns zukommt, muss im Landeshaushalt berücksichtigt werden. Trotzdem kommen wir zu dem Schluss, dass die CDU-Alleinregierung an vielen Stellen versagt hat bei der Umstrukturierung des Thüringer Landeshaushalts. Es gibt zwar vereinzelt Schwerpunktsetzungen, doch diese sind nicht weit reichend und konsequent genug. Eine Verwaltungsoptimierung auf Basis einer Aufgabenanalyse und einer Aufgabenkritik - Fehlanzeige. Ganz zu schweigen von einem schlüssigen Personalentwicklungskonzept, stattdessen hier ein bisschen gestrichen, dort ein bisschen gestrichen und im Bereich von Schule und Bildung, wo es unsere Kinder trifft, wird voll zugelangt,

(Beifall bei der SPD)

dies, ohne mit den Betroffenen zu reden, geschweige denn, sie zu beteiligen. Lieber streitet man sich dann mit Personalräten vor Gericht herum. Mir klingt noch in den Ohren, als der Finanzminister bei der Haushaltsberatung die nur

geringen Veränderungen am Haushalt 2000 zu 1999 mit der Bemerkung verteidigte, man wolle keine Schnellschüsse. Nun, Sie hatten jetzt ein Jahr Zeit Konzepte zu erstellen. In manchen Bereichen trägt die CDU seit zehn Jahren ununterbrochen Verantwortung und hatte mithin zehn Jahre Zeit Konzepte zu entwickeln. Doch ich frage ernsthaft in diese Runde: Wo sind diese geblieben? Oder ist es etwa Ihr Konzept, dass alles das, was einigermaßen gut funktioniert, demontiert wird?

(Beifall bei der SPD)

Ein weiteres Problem ist der demographische Wandel in der Bevölkerung. Die Auswirkungen dieses Wandels werden erst nach und nach langsam deutlich. So gibt es bereits Branchen, die klagen heute zunehmend über Fachkräftemangel. Viele junge Leute, und die meisten sind eben qualifiziert, haben in den letzten zehn Jahren Thüringen den Rücken gekehrt. Mit jedem Facharbeiter, der gen Westen abwandert, geht auch ein Stückchen Thüringer Zukunft. Nur die wenigsten kommen zurück, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt erst einmal woanders aufgebaut haben. Tut diese Landesregierung wirklich alles, um diesem Trend entgegenzuwirken? Auch hier bin ich der Auffassung, nein. Wer in so vielen Bereichen so drastisch spart wie Sie, gleichzeitig aber die Unverfrorenheit besitzt, sich einen neuen Glaspalast namens Landtag bauen zu wollen, macht sich hinsichtlich seiner ehrlichen Sparbemühungen unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, weil Sie nachgefragt haben, es bleibt bei unserer Prioritätensetzung, ein deutliches Ja zum Klinikum Jena, denn das hat was mit Zukunft zu tun und ein deutliches Nein zum neuen Thüringer Landtag, denn das hat was mit Protz zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Einzelhaushalten: Wir begrüßen im Bereich Wirtschaft, das sei vorausgeschickt, die Tatsache, dass alle durch die Bundesregierung und die EU zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel durch das Land in Anspruch genommen und komplementiert werden. Damit ist der große Rahmen der Investitionsförderung im Land zunächst sichergestellt. Bedenklich erscheint uns die Entwicklung des Mittelstandsförderprogramms außerhalb der Gemeinschaftsaufgabe. Dass die Darlehensvarianten des Landesinvestitionsprogramms verstärkt durch Kreditprogramme der Deutschen Aufbaubank ersetzt werden können, ist verständlich. Da Sie es nicht sagen, sage ich es jetzt auch noch dazu: Das war eine der ersten Maßnahmen dieser Bundesregierung, dieses Kreditvolumen deutlich zu erhöhen und nur deshalb können wir dieses machen.

(Beifall bei der SPD)

Aber, Herr Minister, den Bereich "Zuschüsse für Investitionen", also den investiven Teil des Landesinvestitionspro

gramms, haben Sie zurückgefahren. Das halten wir für ein schlechtes Signal in Richtung Mittelstand. Im Bereich Verkehr ist zunächst zu bemerken, dass die Regionalisierungsmittel des Bundes um weitere 5 Prozent gestiegen sind. Sie steigen im Übrigen seit 1999 kontinuierlich. Dieses Geld ist unter anderem zur Sicherstellung von ÖPNV, SPNV und Bereitstellung bei der Deutschen Bahn AG und Investitionsvorhaben bestimmt. Der Anstieg der Bundesmittel wird nicht in jedem Fall weitergereicht. Dazu zwei Beispiele: Die Zuschüsse für den ÖPNV sind, gemessen an 2000, deutlich zurückgesetzt, die Bestellungen bei der Deutschen Bahn sind, gemessen an den Einnahmen, nicht mitgewachsen - eine fatale Entwicklung.

(Beifall bei der SPD)

Wie wollen Sie den SPNV in der Fläche sicherstellen, wenn die erforderlichen Leistungen bei der Deutschen Bahn AG nicht in Auftrag gegeben werden? Die Ausgabenentwicklung im Bereich "einzelbetriebliche Technologieförderung" entspricht nicht einem Land, das dem Anspruch eines Hochtechnologiestandorts gerecht werden will. Die Summe aller Ausgaben in der Titelgruppe befindet sich im Übrigen seit 1999 auf Talfahrt. Die Ausgaben heute oder wie geplant, betragen gegenüber 1999 nur noch 81 Prozent.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: EU....)

Herr Minister, in aller Ruhe, hier hat doch heute jeder seine Chance. Ich werde Sie dann in Ruhe ausreden lassen, wenn Sie reden, wenn ich Fragen habe, gehe ich ans Mikrofon und frage Sie. Machen wir es umgekehrt genauso, dann sind wir auf einem guten Weg.

In Kapitel 07 14 sind Fördermaßnahmen für Vorhaben der einzelbetrieblichen Technologieförderung, der Innovationsberatung und der wirtschaftsnahen Forschung veranschlagt. Hier wird nicht nur in zweistelligen Prozentsätzen gekürzt, es wird auch Innovation und Forschung zumindest im wirtschaftsnahen Bereich aufs Spiel gesetzt. Hier ist ein rigider Sparkurs praktiziert und das ist mehr als falsch.