Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktion, wie definieren Sie Familie? Das Denken konservativer katholischer Kreise über Familie ist hier in Reinkultur erhalten. Zwei Menschen heiraten, um Kinder zu bekommen, und die Familie bleibt ein Leben lang zusammen - ein idyllisches Familienbild. Doch das ist ein Bild aus längst vergangener Zeit. Ich frage Sie von der CDU: Welche Ängste haben Sie denn überhaupt? Was würde nach Ihrer Auffassung
- ach, Herr Jaschke, seien Sie doch ruhig - kaputtgehen? Meine Damen und Herren, es werden trotz dieses Gesetzes nicht weniger und nicht mehr Menschen heiraten in Thüringen, und es wird auch nicht mehr oder nicht weniger Scheidungen geben. Erfahrungen aus Holland be
sagen, dass ca. 10 Prozent aller homosexuellen Paare dieses Gesetz in Anspruch nehmen. Diese Zahl wird voraussichtlich auch für Deutschland zutreffen.
Meine Damen und Herren, wir sollten vielmehr überlegen, warum die Scheidungsrate auch in Thüringen so hoch ist, warum die Zahl der Singles ständig steigt. Warum sind so wenig zu festen Bindungen fähig? Wir müssen die Tatsache hinnehmen, dass ein Großteil der jungen Leute nicht heiratet, aber dennoch zusammenleben will. Meine Damen und Herren, eine Ehe einzugehen, eine Familie...
Einen kleinen Moment bitte, Frau Abgeordnete Bechthum. Ich möchte Sie bitten, gerade hier in der Mitte, sich ein Stückchen weit in der Lautstärke zurückzunehmen. Man kann hier vorn fast nichts mehr verstehen außer dem allgemeinen Gemurmel von Ihren Bänken. Das ist ja wohl nicht Sinn der Sache. Bitte lassen Sie Frau Bechthum mit Respekt ausreden.
Ich muss das wirklich als eine Ungezogenheit ansehen. Sie bringen das Thema ein und Sie sind nicht bereit, einmal andere Meinungen hier zu akzeptieren.
Eine Ehe einzugehen, später eine Familie zu gründen setzt auch Pflichten dem anderen gegenüber zu übernehmen voraus und auch die Gesellschaft zu entlasten. Herr Minister Pietzsch, aus Ihrem Haus haben wir Zahlenmaterial für Thüringen, das die Realität nüchtern wiedergibt. Ich habe diese Zahlen am Dienstag der Presse auf Nachfrage weitergegeben, auch der Ostthüringer Zeitung, weil die heute Daten daraus zitiert hat; die sind von uns. Der Anzahl der lebend geborenen Kinder, deren Eltern nicht miteinander verheiratet waren, lag 1999 - hören Sie gut zu bei 47 Prozent. Damit stieg dieser Anteil von 1990 von einem Drittel, so war es einmal, auf heute fast die Hälfte. Ich frage Sie von der CDU: Wie bewerten Sie dann eine weitere Realität? Im Jahre 1999 gab es in Thüringen rund 983.000 Familien, davon 317.000 Ehepaare mit Kindern, 250.000 Ehepaare ohne Kinder, 279.000 Alleinstehende ohne Kinder und 112.000 allein Erziehende mit
Nein, Frau Abgeordnete Bechthum, Sie können sich darauf verlassen, ich habe Ihnen die Zeit zugegeben und Sie sollten trotzdem zum Schluss kommen.
Ich habe das wirklich auch von mir aus... Worum wir uns ganz besonders kümmern sollten und was Sie auch veranlassen sollte zum Nachdenken, Aussagen von Frauen in Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, und zwar die Trennung des Kindesvaters von der schwangeren Frau aus Angst, sich der Verantwortung zu stellen und mit der schwangeren Frau umzugehen.
Das ist eigentlich schlimm. Mein letzter Satz: Vielleicht beruhigen Sie die Erfahrungen über die homosexuelle Szene der neuen Länder zehn Jahre nach der Wende. Ich möchte hier Philip Schumann...
Lassen Sie mich aussprechen, sie hat mit Fairneß nur insofern zu tun, als sie für alle gilt, auch für Frau Abgeordnete Bechthum.
Sie können sich damit trösten, dass die Mehrheit in die großen Städte geht und nach Berlin. Da sind Sie nämlich hier in Thüringen die Verantwortung los. Darüber können Sie sich freuen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Antrag der CDU-Fraktion gibt uns die Möglichkeit, unsere Position zum Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes darzustellen. Allerdings ist der Titel der Aktuellen Stunde wohl ganz fehl am Platz, denn ich kann in diesem Gesetz selbst keine Auswirkungen auf die Familienpolitik in Thüringen erkennen. Eine Familie, meine Damen und Herren, schließt für mich in jedem Fall Kinder ein; eine Partnerschaft, auch eine Ehe, jedoch nicht zwingend. Und Fragen der Familie, also einer Gemeinschaft von Erwachsenen mit Kindern, werden in diesem Gesetz nicht geklärt und nicht einmal angesprochen.
Ja, aber Ihre Aktuelle Stunde heißt doch "Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Familienpolitik". Sie sagen selbst, Herr Kretschmer, also mit Ihrem Zwischenruf, es gibt keine Auswirkungen.
Meine Damen und Herren, das Zusammenleben von lesbischen und schwulen Paaren unterscheidet sich in keiner Weise von dem heterosexueller. Darauf hatte ich im Sep
tember schon hingewiesen. Hier wie da wird geliebt, wird Verantwortung wahrgenommen, werden auch, meine Damen und Herren, Kinder erzogen. Es gibt also keinen Grund, Homosexuellen das Recht auf Eheschließung vorzuenthalten. Wenn Menschen nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von Rechten in der Gesellschaft ausgeschlossen bleiben, ist das Diskriminierung und nichts anderes. Es ist also eine längst überfällige Selbstverständlichkeit, die Ehe auch für Lesben und Schwule zu öffnen, so wie es die Niederlande kürzlich getan hat. Die Bundesregierung hat mit ihrem Gesetz jedoch nie die Ehe versprochen, sondern nur die eingetragene Partnerschaft und das bringt eben keine gleichen Rechte gegenüber der Ehe.
Es beinhaltet z.B. Einschränkungen wie: dass es Ehegattensplitting genauso wenig gegeben wird wie die Hinterbliebenenrente oder diverse Vergünstigungen des Beamtenrechts. Lesbische und schwule Paare erhalten weder die Möglichkeit zu Stiefeltern noch zur gemeinsamen Adoption von Kindern und das gemeinsame Sorgerecht ist ebenfalls dezidiert ausgeschlossen. Lesben und Schwule werden trotz dieses Gesetzes zu Paaren zweiter Klasse; man gesteht ihnen lediglich reduzierte Rechte zu.
Meine Damen und Herren, die Ehe ist schon lange nicht mehr die lebenslange unkündbare Verbindung zwischen Mann und Frau. In den Großstädten ist sie seit geraumer Zeit nicht einmal mehr das dominierende Lebensmodell. Stattdessen ist eine Vielzahl neuer Lebensformen entstanden. Es wird heute hetero-, homo- oder bisexuell gelebt, als Paar oder zu mehreren oder allein, entweder mit Kindern oder ohne. Vom Kanzler bis hinein in dieses hohe Haus ist doch sichtbar, dass man in der Regel nicht nur eine Beziehung im Leben hat, sondern dass mehrere aufeinander folgen.
Aber, meine Damen und Herren, weil Sie jetzt hier so gelacht haben, Sie werden doch damit nicht gleich sagen, dass die Auflösung der Familie generell bevorsteht. Das bringt auch diese eingetragene Lebenspartnerschaft nicht. Aber wenn es diese vielfältigen Lebensformen gibt, dann sollten ausschießlich an die Ehe gebundene Rechtsvorschriften, soweit sie auch in heutiger Zeit sinnvoll sind, eben allen Menschen zugänglich gemacht werden. Damit gebe es natürlich kein rechtlich und finanziell hervorgehobenes Modell des Zusammenlebens für die Ehe mehr, sondern jeder und jede kann sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für das eigene Beziehungsnetzwerk selbst ge
Und ein erster Schritt, Frau Arenhövel, dahin wäre ein Rechtsinstitut ähnlich dem PACS in Frankreich. Dort hat jede Zweiergemeinschaft, jede, egal ob homo- oder heterosexuell, gleiche Möglichkeiten der rechtlichen Ausgestaltung. Und natürlich - und darauf sind Sie, Frau Arenhövel, überhaupt nicht eingegangen - wird die Umsetzung dieses Gesetzentwurfs auch für das Land Mehrkosten bringen, jedoch auch Einsparungen, die aus der Sicht derjenigen, die den Gesetzentwurf entwickelt haben, höher ausfallen werden, und das sehe ich eigentlich auch als eben diese Mehrkosten. Denn mit dem Gesetzentwurf sind Menschen in eingetragenen Lebenspartnerschaften gegenseitig unterhaltspflichtig und in vielen Fällen würde das Land Hilfe zum Lebensunterhalt in Größenordnungen übrigens sparen. Im Übrigen, auch zum Schluss, das Ehegattensplitting ist schon seit langem in der Kritik. Familienverbände, Frau Arenhövel, aller Coleur fordern, dass der Staat nicht länger die Ehe subventioniert, sondern das Geld den Familien mit Kindern geben soll. Für uns als PDS spielt dabei die Lebensform der Erwachsenen keine Rolle. Danke schön.