Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Mehrheitsfraktion dieses Hauses hat es wieder einmal geschafft, uns ein faules Ei zu servieren.
Und wie das mit solchen faulen Eiern ist, es ist ungenießbar. Herr Wunderlich, Sie haben heute früh ein treffendes Zitat für Ihre Fraktion hier in einem anderen Zusammenhang dargestellt, aber wenn ich mir Ihren Änderungsantrag zur Geschäftsordnung anschaue, dann kann ich Sie eigentlich nur noch einmal auffordern, hier den Franzosen La Rochefoucauld zu zitieren, der nämlich sagt: "Wir trauen fast niemandem gesunden Menschenverstand zu als dem, der unserer Meinung ist." Ich denke, das trifft auf Ihre Fraktion durchaus zu.
Schon das Verfahren, meine Damen und Herren, erzeugt ganz großes Unbehagen. Wie schon zur Feststellung der Tagesordnung erläutert, gehen wir nämlich als PDSFraktion - anders als die CDU - davon aus, dass die Geschäftsordnung Gesetzesrang hat. Wir werden die Landtagsverwaltung um eine rechtliche Klärung in dieser Frage bitten. Auch in diesem Punkt macht die Mehrheitsfraktion ihre Geringschätzung der Geschäftsordnung gegenüber deutlich. Ich bin mir ganz sicher, mit der Einordnung als Punkt Nr. 8 in diese Tagesordnung haben Sie bewusst damit gerechnet, dass zu so später Stunde diese Geschäftsordnungsdebatte hier stattfindet.
Anders kann ich es mir nicht erklären, dass Sie dem Antrag, diese Anträge auf Punkt 5 vorzuziehen, nicht zugestimmt haben.
Meine Damen und Herren, ursprünglich, Herr Böck, sollte ja eigentlich heute die unendliche Geschichte des Antrags der SPD-Fraktion zur Änderung der Geschäftsordnung einen entscheidenden Schritt nach vorn kommen. Nun aber steht dieser Antrag der CDU, und ich meine, Herr Stauch, als zynische Antwort auf das Vorhaben der SPD auf der Tagesordnung.
Ich kann Sie erinnern, dass in der Sommerpause die SPD-Fraktion ihren Antrag zur Stärkung der Rechte der Datenschutzbeauftragten, aber auch des Rechnungshofs hier eingereicht hat. Und obwohl Frau Präsidentin Lieberknecht noch in demselben Monat der Einreichung in der Presse davon sprach, dass im Thüringer Landtag die Öffentlichkeit und Transparenz gegenüber dem Bürger gestärkt werden müsste, und sie hat
ich komme noch dazu, Sie haben auch Bürgerrechte beschnitten in Ihren Vorstellungen - vom plastischen Bild, wenn ich mich erinnere, des gläsernen Parlaments gesprochen, hat es die CDU-Mehrheit im Ältestenrat, aber dann auch hier später immer im Landtag eben nicht für nötig, den Antrag der SPD hier auf die Tagesordnung zu setzen und so wurde eben erst nach sechs Monaten heute zum ersten Mal darüber diskutiert.
Das ist natürlich Ihr Recht, aber das hat nichts mit Öffentlichkeit, Transparenz und gläsernem Parlament zu
Auf den ersten Blick scheint es unverständlich, aus meiner Sicht, warum die CDU-Fraktion sechs Monate lang diesen Antrag verschoben hat, aber der nun eingereichte Antrag der CDU-Fraktion, Herr Stauch, entlarvt ganz deutlich Ihre Motive. Die Geschäftsordnung hat gefälligst ein Instrument zur Durchsetzung der Machtinteressen der Mehrheit in diesem Haus zu sein und das soll alles sein, mehr nicht.
Jedenfalls scheint schon die Erweiterung der Informations- und Teilnahmerechte von Beauftragten und des Rechnungshofs von der Mehrheitsfraktion und der von ihr getragenen Regierung als Bedrohung ihrer Machtposition empfunden zu werden. Anders kann ich mir das nicht erklären.
Liebe Abgeordnete der CDU, haben Sie Angst davor, nicht mehr so ganz ungehindert fuhrwerken zu können, wie Sie sich das wünschen und meist hier im Landtag auch ungeniert tun?
Nicht nur, aber gerade auch deshalb wird unsere Fraktion den Antrag der SPD natürlich unterstützen, aber ich komme am Ende auf Ihren Antrag, der sich ja auch mit Datenschutzbeauftragten und Rechnungshof befasst, zurück.
Ich komme nicht umhin, noch etwas zur Vorgeschichte dieses Geschäftsordnungsantrags der CDU zu sagen: Um die verfahrene Situation im Ältestenrat zu überwinden und auch deshalb, weil es bei der Landtagsverwaltung eben schon - und das wussten wir ja schon in der 2. Wahlperiode, Herr Stauch, Sie auch -, damals eine ganze Liste von Änderungsvorschlägen zur Geschäftsordnung gab, einigten sich eben die drei parlamentarischen Geschäftsführer auf die Bildung einer fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe, die Frau Lieberknecht dann eingeladen hat. Auch die CDU-Fraktion forcierte diesen Vorschlag und legte Wert darauf, dass die Überarbeitung eben gemeinsam mit allen drei Fraktionen erfolgen sollte. Dies würde auch dem Arbeitsklima des Landtags zugute kommen. Und ich muss sagen, darauf habe ich eigentlich auch gehofft.
Die Fraktionen sollten zur Vorschlagsliste der Landtagsverwaltung Stellung nehmen, aber auch eigene Vorschläge einbringen. Natürlich arbeiten wir auch an diesen, aber sie sollten in dieser gemeinsamen Arbeitsgruppe in diesem Monat erst vorgelegt werden, denn erst im Januar sollte diese Arbeitsgruppe wieder tagen. Sie brauchen
nicht den Kopf zu schütteln, das ist damals, soweit mir gesagt wurde, vereinbart worden am 11. Oktober. Sie, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, kündigten nach meiner Sicht auf hinterhältige Art und Weise den Konsens auf
natürlich -, den gerade Sie in besonderer Weise von der Opposition verlangt hatten. Ich sage auch deshalb hinterhältig, weil Sie Ihren Antrag natürlich noch innerhalb der formal in der Geschäftsordnung festgelegten 5-Tagen-Frist einhielten, aber eben erst nach der Ältestenratssitzung eingereicht haben. Ich muss natürlich hier die SPD-Fraktion nicht verteidigen, das hat Herr Pidde schon selbst getan, aber Sie, Herr Stauch, brauchen die Schuld nicht auf die SPD-Fraktion zu schieben.
Dass die SPD-Fraktion ihren Antrag vom 01.09.2000 aufrecht erhalten hat, ist auch nach Geschäftsordnung in diesem Land ihr gutes Recht. Die Arbeitsgruppe wurde gerade auch deshalb notwendig, aus meiner Sicht, weil sie im Ältestenrat eben eine so unkooperative verbohrte Haltung an den Tag gelegt haben. Der von Ihnen eingereichte Antrag zur Geschäftsordnung macht auch noch eines deutlich: In Wirklichkeit wollten Sie diese einvernehmliche Arbeitsgruppe nämlich nie, denn Sie wussten von Anfang an, dass eine so weit gehende Verhunzung der Geschäftsordnung, wie sie jetzt von Ihnen vorliegt, zu einem Machtinstrument der Mehrheit von den anderen Fraktionen in diesem Haus nicht mitgetragen wird.
Und mehr noch, meine Damen und Herren, von Abgeordneten und Fraktionen, die sich ihrer Aufgaben und Verantwortung bewusst sind, muss einem solchen Antrag aus meiner Sicht entschiedener Widerstand entgegengesetzt werden. Sie können - und Sie haben es hier auch getan, Herr Stauch - sagen, Sie haben die Vorschläge, die den Fraktionen von der Landtagsverwaltung vorlagen, aufgegriffen. Natürlich, das ist für einige Punkte auch richtig. Aber das ist eben bei weitem noch nicht alles, was Sie uns vorgelegt haben, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, was Ihr Antrag zu bieten hat und ich muss sagen, leider noch nicht alles, denn meine Fraktion ist darüber sehr empört.
Ich muss, weil Sie es in der Aufstellung oder in Ihrem Antrag als Sie ihn erarbeitet haben wahrscheinlich völlig vergessen haben aus dem Blickfeld, doch noch einmal kurz drei Punkte zu grundsätzlichen Überlegungen zu Aufgaben eines Parlaments sagen, das haben Sie wahrscheinlich völlig vergessen, warum Sie hier überhaupt sitzen:
1. Ist eine Kernaufgabe des Parlaments, eine ungehinderte möglichst öffentliche, sachliche und verantwortungsvolle Meinungs- und Entscheidungsbildung bzw. -findung. Das heißt, falls Sie es nicht wissen, Herr Althaus, gerade in einer Demokratie, alle, alle im Parlament vertretenen bzw. repräsentierten politischen und gesellschaftlichen Meinungen und Positionen müssen eben gleichberechtigt und umfassend Eingang finden können in die Debatten und auch in den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess.
Und eine 2. Kernaufgabe des Parlaments ist natürlich die demokratische Kontrolle des Handelns der Regierung. Ist eine Mehrheitsfraktion aber so weit gekommen wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU, um sich nur noch als Stütz- und Sprachrohr der Regierung misszuverstehen, ist es umso notwendiger, dass die Opposition die Möglichkeit hat, diese Kontrollfunktion des Parlaments zu erfüllen und die wollen Sie nämlich beschneiden mit Ihrem Antrag.
Gerade in Thüringen ist das eben im besonderen Maße der Fall, denn gerade die Mehrheitsfraktion dieses Hauses hat die von mir beschriebene Unsitte perfektioniert. Es gibt dafür in jüngster Vergangenheit - und ich werde einige noch nennen, wenn ich auf Ihre Einzelanträge eingehe - viele Beispiele und auch der vorliegende Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung gehört dazu.
Und die 3. grundlegendste Aufgabe, und das haben Sie wahrscheinlich auch vergessen, ist die Vertretung und Wahrung von Interessen der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern. Dieser Aufgabe sollte letztlich jede Tätigkeit eines Parlaments dienen.
Sehr verehrte Abgeordnete der Mehrheitsfraktion, wie sehen unter diesem Blickwinkel Ihre Vorschläge aus ich möchte auch nur einige ausgewählte nennen - ich denke, diskret ausgedrückt: äußerst miserabel. Denn Sie schlagen zum einen in § 29 eine Änderung der Regelung der Redezeit vor, egal, ob bisher die volle Zeit ausgenutzt wurde oder nicht. Diese Änderung, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, grenzt an Arbeitsverweigerung von Ihnen. Sind Ihnen demokratische
bzw. parlamentarische Diskussionen, Herr Wolf, zwecks Entscheidungsfindung so lästig? Dann haben Sie, Herr Wolf, und auch die anderen Abgeordneten Ihrer Fraktion Ihren Beruf als Landtagsabgeordnete oder Ihre Berufung völlig verfehlt.
Diese Änderung der Redezeit würde unter den derzeitigen Verhältnissen dazu führen, dass gemeinsam mit der Redezeit der Landesregierung die Koalitionsfraktion mit Landesregierung fast die doppelte Redezeit hat als die beiden Oppositionsfraktionen gemeinsam.
(Zwischenruf Abg. Stauch, CDU: Wie ist denn das in den anderen Parlamenten? Die sind auch demokratisch gewählt.)
Das kann man natürlich so nicht einfach stehen lassen. Gnädig, ganz gnädig, Herr Stauch, erhalten die Fraktionen eine Mindestredezeit von 10 Minuten garantiert. Diese Garantieredezeit ist aber genauso lang bemessen, wie die ausgleichsfreie Grundredezeit der Landesregierung. Ich denke, das ist eine sehr augenfällige Aufwertung der Landesregierung, aber auch eine sehr augenfällige Abwertung der Opposition.
Und sehr verehrte Vertreter der Mehrheitsfraktion, wenn ich den heutigen Tag Revue passieren lasse, muss ich Herrn Wunderlich noch mal ansprechen: Sie hätten ja heute schon mal vorzeigen können, wie man in 12 Minuten ein brisantes Thema abarbeitet, das umfangreich und gleichzeitig schwierig ist. Oder auch morgen, wie man zu einer Regierungserklärung oder zu einem Bericht der Landesregierung in 12 Minuten reden kann. Herr Wunderlich, Sie haben das heute im Übrigen zu dem auch wichtigen Antrag zu BSE nicht geschafft. Sicherlich, der Ältestenrat kann nach Ihrer Auffassung die Redezeit verlängern, das ist natürlich richtig. Aber dass sich eine solche Regelung in der Praxis als reines Placebo erweisen wird, ist bei dem bisherigen Verhalten von Ihnen im Ältestenrat eigentlich nicht schwer vorauszusagen.
Aber es geht noch weiter. Sollten die CDU-Änderungen in Kraft treten, wird besonders für die Oppositionsfraktionen ein verantwortungsvoller und angemessener politischer Umgang auch mit Personalvorschlägen nicht mehr möglich sein. Die Mindestfrist für Wahlvorschläge soll nur noch 48 Stunden betragen, d.h., die Oppositionsfraktionen werden kaum mehr die Chance haben, sich ein Bild vom Kandidaten der Mehrheitsfraktion machen zu können, geschweige dann vorher noch irgendwie sich positionieren zu können. Und jeder Abgeordnete darf dann nicht einmal mehr sein Wahlverhalten durch eine persönliche Erklärung zum Abstimmverhalten darlegen, obwohl aus meiner Sicht gerade die Wähler auch einen Anspruch auf solch eine Erklärung haben. Ich kann nur sagen, herzlichen Glückwunsch, meine Damen und Herren der CDU, hier hat die Mehrheitsfraktion aus den Erfahrungen mit der Wahl des Bürgerbeauftragten gelernt und, ich denke, im negativen Sinne gelernt.
Mit Ihren Änderungen zu den §§ 64 und 65, meine Damen und Herren, verbauen Sie der Opposition gleichzeitig