Die Anforderungen an den Lehrerberuf erfordern auch in Zukunft für alle Schularten als erste Phase eine universitäre Ausbildung. In Vorbereitung befinden sich moderne Studienrichtungen für das Lehramt an berufsbildenden Schulen wie z.B. Mechatronik, Informationstechnik, Medientechnik und -gestaltung. Zur Nachqualifizierung sonderpädagogischer Fachkräfte ist eine Verbesserung der Situation in der Sprachbehindertenpädagogik notwendig.
Im Berufsbildungsbereich ist nicht nur in Thüringen derzeit ein eklatanter Mangel an fachspezifischem Nachwuchs festzustellen, auch im allgemein bildenden Bereich müssen wir bereits jetzt an den Lehrernachwuchs denken, den wir ab 2006 brauchen. Es ist deshalb gemeinsame Aufgabe des Thüringer Kultusministeriums und des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, schon heute geeignete Bewerber für die Lehramtsstudiengänge zu gewinnen.
Die Reformvorhaben in der Studienstruktur, wie sie die Universität Erfurt plant, und die neu einzurichtenden Zentren für Didaktik an der Universität Erfurt und an der Friedrich-Schiller-Universität Jena werden die Attraktivität und Effizienz des Lehramtsstudiums erhöhen und gleichzeitig zu einer größeren Durchlässigkeit zwischen pädagogischen und anderen Studiengängen führen. Das staatliche Studienseminar, als zweite Phase der Lehrerbil
dung, hat in Thüringen einen anerkannten Qualitätsstandard entwickelt, weshalb z.B. Lehramtsanwärter aus den alten Ländern diese Phase auch gern hier absolvieren. Für die Zukunft streben das Thüringer Kultusministerium und das Thüringer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst eine engere inhaltliche Verflechtung der ersten und zweiten Ausbildungsphase in der praktischen Ausbildung und in der Didaktik an. Die damit verbundene engere personelle Verflechtung zwischen Universität und Studienseminar wird ebenfalls zur Effektivitätssteigerung in der Lehrerbildung beitragen.
Der starke Rückgang der Lehramtsbewerberzahlen zwingt uns dazu, die Anzahl der im ganzen Land verteilten Studienseminare einzuschränken. Es ist jedoch vorgesehen, die bewährte Grundstruktur des Thüringer Staatlichen Studienseminars an drei Standorten mit zwei Außenstellen zu erhalten. Die positive Wirkung von Studienseminaren auf die Schulentwicklung soll durch dienstrechtliche Zuordnung der Fachleiter und Lehramtsanwärter zu den im ganzen Land verteilten Ausbildungsschulen erhalten werden. Die Fachaufsicht verbleibt bei den Studienseminaren. Mit dieser Struktur ist einer zukünftig hoffentlich wieder steigenden Bewerberzahl grundsätzlich Rechnung getragen. Allen Lehramtsanfängern steht in Thüringen grundsätzlich die Beamtenlaufbahn offen, wie auch bei gegebenen Bedingungen die im Dienst befindlichen Lehrerinnen und Lehrer Zug um Zug verbeamtet werden. Diese gesellschaftliche Stellung entspricht der hoheitlichen Verantwortung, die Lehrer gegenüber jedem der ihnen anvertrauten Schüler und für die Zukunft der Gesellschaft tragen.
Was für Lehrer allgemein bildender Schulen bereits gesagt wurde, gilt grundsätzlich auch für Lehrer an den berufsbildenden Schulen. Deren Arbeit ist besonders anspruchsvoll, da sie sich an der sensiblen Schnittstelle von Schule und Wirtschaft befinden.
Die duale Berufsausbildung in Deutschland hat sich bewährt und ist ein weltweit begehrter Exportartikel des deutschen Bildungssystems. Lernort Schule und Lernort Wirtschaft bedingen jedoch viele Zuständigkeiten der Bildungs- und Wirtschaftsministerien von Land und Bund sowie der Kammern und Innungen. Hinzu kommen die kommunalen und privaten Schulträger. Damit besteht im Berufsbildungsbereich ein überdurchschnittlich hoher Abstimmungsbedarf. Dieser ist aber gerechtfertigt durch die hohe Qualität der deutschen Arbeitnehmer in Industrie, Handwerk, Dienstleistung und Verwaltung sowie nicht zuletzt durch eine international vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosigkeit. Durch gemeinsame Anstrengungen von Thüringer Wirtschaft und Landesregierung ist es in den vergangenen Jahren immer gelungen, praktisch allen Ju
gendlichen, die es wünschten, eine berufliche Ausbildung zu vermitteln, wenn auch nicht immer im Traumberuf.
Auf die entsprechenden Ausbildungsinitiativen, auch die mit Bundesbeteiligung, ist der Kollege Minister Schuster detailliert in seiner Regierungserklärung im März 2000 eingegangen. Die 58 staatlichen berufsbildenden Schulen mit jeweils durchschnittlich 1.500 Schülern sind regionale Ansprechpartner für Auszubildende, Ausbildungsbetriebe, überbetriebliche Ausbildungszentren und Ausbildungsverbünde. Darüber hinaus haben sie die Chance, sich zunehmend zu Kompetenzzentren in ihrer jeweiligen Region zu entwickeln. Als einziges Land hat Thüringen die Ausbildung in allen Gesundheitsfachberufen dem Schulsystem zugeordnet. Nicht zuletzt die guten Vermittlungschancen auf dem gesamtdeutschen Arbeitsmarkt für Gesundheitsfachberufe rechtfertigen diese Entscheidung.
Das Angebot des Berufsvorbereitungsjahres, kurz BVJ, wurde um die Projekte "Unternehmenspraxis und Schule als Berufsvorbereitung", kurz UPS, und das Projekt "Interessieren - motivieren - produzieren - umsetzen - lernen starten", kurz IMPULS, ergänzt.
Im Rahmen von Schulversuchen werden die Zusatzqualifikationen Betriebsassistent im Handwerk, doppelt qualifizierende Berufsausbildung mit Erwerb der Fachhochschulreife und das Integrationsmodell Berufsausbildung mit Fachhochschulabschluss angeboten. Die 56 berufsbildenden Schulen in freier Trägerschaft, davon 19 staatlich anerkannt, bereichern und ergänzen das Bildungswesen in Thüringen durch inhaltliche Vielfalt, fachwissenschaftliche Kompetenz, sehr gute Ausrüstung und ein hohes Engagement.
Sie bilden im Durchschnitt jeweils 140 Schüler in vollzeitschulischen Bildungsgängen und im Berufsvorbereitungsjahr aus. Sie leisten darüber hinaus insbesondere im Behindertenbereich eine unverzichtbare Arbeit.
Meine Damen und Herren, seit 1996 werden die Ausbildungsberufe auf Bundesebene neu geordnet. Grundlage ist die so genannte Lernfeldstruktur mit handlungsorientiertem Ansatz. In den entsprechenden Lehrplänen spielt die Entwicklung von Handlungskompetenz der Auszubildenden als Grundlage für lebenslanges Lernen die entscheidende Rolle. Diese entfaltet sich im selbständigen Planen, Durchführen und Bewerten von komplexen Arbeitsaufgaben der jeweiligen Branche. Die Lernfeldorientierung ist die fällige Antwort auf den tief greifenden Wandel von Technologie, Arbeitsorganisation und Marktbedingungen.
Bei der Vermittlung von Lehrinhalten auf dieser Basis müssen sich Lehrkräfte in vielen Bereichen umstellen. Auch das Studienseminar für das Lehramt für berufsbildende Schulen in Ilmenau orientiert sich bereits in diese Richtung. Darüber hinaus habe ich die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst gebeten, das Lernfeldkonzept in der Berufsschullehrerausbildung unserer Hochschulen zu berücksichtigen. In der Praxis müssen die Ausbilder dafür sorgen, dass den Lernfeldern entsprechende Handlungsfelder zugeordnet werden. Die verstärkte Kooperation zwischen Lehrern und Ausbildern ist zwingend. Die notwendige Lernortkooperation von Schule und Betrieb ist in der mittelständischen Struktur der Thüringer Wirtschaft nicht immer einfach. Um die Durchführung dieser Kooperation unter diesen Bedingungen zu verbessern, laufen derzeit in Thüringen je ein Modellversuch der Bund-Länder-Kommission und der Wirtschaft. Ich appelliere auch an die für die Gesellen- und Facharbeiterprüfungen zuständigen Kammern und Innungen, möglichst rasch ihre Prüfungsbedingungen von der Fächerstruktur auf die Lernfeldstruktur umzustellen. Die Strukturierung der Berufsausbildung in Lernund Handlungsfelder legt auch nahe, die Prüfungen und ihre Ergebnisse an beiden Lernorten enger miteinander zu verbinden sowie die derzeitige ungleichmäßige Verteilung von Unterrichts- und Ausbildungszeiten in den verschiedenen Lehrjahren wieder anzugleichen. Die Arbeitsfähigkeit unserer berufbildenden Schulen hängt auch maßgeblich von der Ausstattung mit neuen Informationstechnologien ab. Um die Voraussetzungen an den berufsbildenden Schulen zu verbessern, sollen die bereits erwähnten Mittel des Landes und der Europäischen Union durch UMTS-Zinsersparnisse aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung ergänzt werden.
In diesen freiwilligen Fördermaßnahmen von EU, Bund und Land sehe ich auch eine Aufforderung an alle zuständigen kommunalen Schulträger, ihre Berufsschulen im erforderlichen Maße technologisch auszustatten. Denn, meine Damen und Herren, es ist nur schwer möglich, mit einer Technik von gestern und Lehrern von heute einen Facharbeiter für morgen auszubilden. Die Qualität unserer Berufsschulausbildung hängt nicht zuletzt von der Personalsituation ab. Im Unterschied zum Personalüberhang an den allgemein bildenden Schulen werden wir im Bereich der berufsbildenden Schulen den fachspezifischen Lehrerbedarf auf längere Zeit nicht decken können. Trotz der bestehenden schwierigen Situation konnten wir im Jahr 2000/2001 bisher 128 Stellen, davon 44 mit Lehramtsinhabern, besetzen. Neben dem Festhalten an der originären Ausbildung von Berufsschullehrern versuchen wir in einer Übergangsphase, das Defizit durch die Einstellung von so genannten Seiteneinsteigern zu beheben, also durch Fachkräfte, deren Studiengang ursprünglich nicht das Lehramt zum Ziel hatte.
Ihnen bieten wir bundesweit ein Ausbildungsprogramm an; allerdings, die schlechte Bezahlung von Lehramtsanwärtern macht sich in diesen Fällen besonders kritisch bemerkbar. Nach der zweiten Staatsprüfung steht allen Seiteneinsteigern aber auch die gesamte Lehramtslaufbahn einschließlich Verbeamtung offen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die prekäre Personalsituation im Berufsbildungsbereich veranlasst mich dazu, an dieser Stelle ganz deutlich darauf hinzuweisen, dass die unterschiedlichen Arbeits- und Tarifbedingungen zwischen alten und neuen Ländern nicht nur hier zunehmend die Gefahr der Abwanderung von jüngeren Leistungsträgern mit sich bringt.
Ein lange Zeit als Standortvorteil Ost akzeptiertes Tarifgefälle West-Ost droht in einen Standortnachteil Ost umzuschlagen.
Meine Damen und Herren, Zukunft wächst auf dem Boden der Gegenwart. Dieser Boden ist in Thüringen gut bestellt. Dazu gehört auch die Bildung. Struktur und Netz der Thüringer Schulen sind effizient, belastbar und entwicklungsfähig. Auch die bei anderer Gelegenheit zu thematisierende vierte Säule des Thüringer Bildungssystems, die Erwachsenenbildung, ist zu einem starken Ast am Baum des lebenslangen Lernens herangewachsen.
Und wir wollen, dass dies so bleibt. Die nächsten Schritte Thüringens auf dem Weg der Bildung in eine Zukunft mit vielen Chancen habe ich Ihnen dargestellt. Ich bin sicher, dass wir diese Chancen im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen, also im Interesse unser aller Zukunft nutzen werden. Ich danke Ihnen.
Ich eröffne die Aussprache zur Regierungserklärung. Als erste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Dr. Stangner, PDS-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, es ist gar nicht so lange her, da hat die Fraktion der CDU einen langen Bericht in Form einer Großen Anfrage zur Bildung in Verantwortung des Kulturressorts in Thüringen gestellt. Auf 99 Seiten ist die Antwort auf 87 Fragen nachzulesen, und zwar mit der Grundaussage: Es wurde doch alles gut und richtig gemacht von der Regierung und besonders vom Kultusminister. Dies bezog sich auf die Bereiche Schule, Lehrerfort- und -weiterbildung, Haushaltsmittel, Personalentwicklung und Erwachsenenbildung.
Meine Damen und Herren, Herr Minister, es ist schon spannend, Ihre heutigen Aussagen mit den damaligen Erfolgsberichten zu vergleichen und auch mit den Daten und Fakten, die das Statistische Landesamt nach den Angaben Ihres Ministeriums veröffentlicht hat. Besonders interessant, denke ich, ist außerdem auch der Vergleich mit den Erfahrungen vor Ort, z.B. mit den Erfahrungen in den Schulen und in den Elternhäusern. Ich werde auf alle drei Bewertungsmöglichkeiten zurückgreifen. Allerdings ist mir das Thema zu wichtig, als dass hier schöngeredet oder Polemik betrieben werden darf.
Herr Minister Krapp, Ihrer Erklärung war zu entnehmen, dass Sie am Schulsystem festhalten, weil es akzeptiert ist. Auch bundesweit, das ist zu konstatieren, hält die Gesellschaft gegenwärtig daran fest, aber dies doch wohl eher, weil Alternativen fehlen und bessere Varianten nur wenigen Bürgern bekannt sind. Denn ist man mit dem System tatsächlich so zufrieden? Wer die Regierungserklärung von Herrn Minister Krapp genau verfolgt hat, kann jetzt nicht Ja sagen. Und Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, dürften Klagen über das Schulsystem auch bekannt sein.
Über Probleme hinaus, die sich in der Regierungserklärung finden lassen, möchte ich auf einige weitere Unzufriedenheiten verweisen, z.B. Unzufriedenheit über die Werteentwicklung, über die Ausgestaltung von Demokratie in der Schule, über die Unterrichtsversorgung. Ich greife mal die drei Stunden Sport in der Stundentafel auf, auf die Sie hingewiesen haben, Herr Krapp. Wie sieht denn die Realisierung dazu aus?
Meine Damen und Herren Abgeordneten, bevor ich mich auf weitere Inhalte der Regierungserklärung einlasse, einige Bemerkungen zu den an den Thüringer Schulen täti
gen Pädagogen: Bildung und Schule, ihre Entwicklung, ihre Qualität kann nicht diskutiert oder beschrieben werden, ohne sich nicht auch Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen und Erziehern, Sonderpädagogischen Fachkräften zuzuwenden. Was sind Veränderungen, was sind Probleme, die diese Personen in den vergangenen Jahren bewältigen mussten und noch müssen, die ihre Tätigkeit, ihre Motivation beeinflussen? Ich will nennen: die Umstrukturierung des Schulsystems nach der Wende, wo keine Zeit blieb, Neues von innen heraus wachsen zu lassen; die Einführung neuer Lehrpläne mit entsprechenden neuen inhaltlichen und neuen methodischen Anforderungen. Herr Minister, Sie haben ja solche vorhin beschrieben, ich kann das jetzt weglassen. Eine Anforderung ist der Rückgang der Schülerzahlen und damit zusammenhängende Konsequenzen bis hin zu einer Beeinflussung des Schulklimas an den Schulen. Die Zunahme schwieriger Kinder und Jugendlicher, in diesem Zusammenhang auch zunehmende Gewaltbereitschaft und Schulverweigerung sind auch ein Problem für die Lehrer und Erzieher oder mit der Erziehung ihrer Kinder überforderte und sich der Zusammenarbeit mit der Schule kaum öffnende Eltern und daraus resultierende höhere Anforderungen an die Pädagogen - nicht im Sinne einer sozialen Reparaturwerkstatt - da stimme ich Ihnen zu, Herr Minister -, aber in beratender und unterstützender Funktion schon.