Protokoll der Sitzung vom 14.06.2001

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich hätte ja Ihren Namen genannt, wenn ich Sie gemeint hätte. Sie haben zwar heute auch eine ganze Menge gesagt, aber das haben Sie nicht gesagt.

Meine Damen und Herren, es wird da aufgefordert, man müsse jetzt den Generalbundesanwalt einschalten. Ich darf als Fortbildungsmaßnahme sagen, der Generalbundesanwalt schaltet sich genau dann ein, wenn er das für richtig hält und wenn er das nicht für richtig hält, tut er es nicht. Wir haben damit ja Erfahrungen im Land und deswegen soll man das ruhig dem Generalbundesanwalt überlassen. Selbstverständlich ermittelt die Staatsanwaltschaft, denn in der Tat ist das, was da heute berichtet worden ist, überraschend. Ob das die vermissten Dateien oder Festplatten sind, wie gesagt, kann ich aus der heutigen Sicht weder bestätigen noch in Frage stellen. Wir haben schon vor vier Jahren damit gerechnet, dass das, wenn das nicht ein Diebstahl war, weil jemand ein modernes Gerät wollte, möglicherweise eines Tages wieder auftauchen würde und möglicherweise ist das jetzt geschehen. Nun, meine Damen und Herren, ich darf mal daran erinnern, als es damals geschah, hat uns der damalige Staatssekretär des Innenministeriums davon unterrichtet, dass der damalige Innenminister erst knapp drei Monate nach dem Vorfall von dem Vorfall informiert worden ist. Das Ministerium hat damals im März 1998 in einer schriftlichen Erklärung mitgeteilt, die genannten Daten sind nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der Thüringer Landesregierung oder der Sicherheitsbehörden zu beeinträchtigen. Auf dem Rechner hätten sich keine Angaben über verdeckte Ermittler oder Regierungsmitglieder befunden. Ob das richtig war, will ich jetzt gar nicht überprüfen, nur kann man nach vier Jahren feststellen, in der Tat, die Regierungsfähigkeit hat der Diebstahl nicht beeinträchtigt, meine Damen und Herren, nicht einmal die unsere.

(Beifall bei der CDU)

Die Opposition - das war damals die PDS - hatte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gefordert, falls der Vorfall nicht anders zu klären sei und der SPD-Fraktionschef Frieder Lippmann wies Rücktrittsforderungen der im Landtag nicht vertretenen FDP und eines CDUAbgeordneten zurück. Sehen Sie, so war das damals und daran muss man sich noch einmal erinnern.

(Beifall bei der CDU)

Der damalige Innenminister hat erklärt in einem Interview am selben Tag, auch Daten aus dem Ermittlungsverfahren Kranz/Gröbel, Protokolle und Vermerke über Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission, fünf Sicherheitsüberprüfungen von Mitarbeitern des Ministeriums aus dem gehobenen und mittleren Dienst und auch eine bereits abgeschlossene Abhörmaßnahme aus

dem Bereich des Verfassungsschutzes seien enthalten. Meine Damen und Herren, ich trage das nur hier vor, damit, wenn das morgen wieder in der Zeitung steht, nicht helle Empörung und helles Erstaunen ausbricht, nur weil das Gedächtnis bei manchen zu kurz ist, das ist damals gesagt worden.

(Beifall bei der CDU)

Der Innenminister sagte damals, aus seiner Sicht werde der Datenklau von den Medien aufgeblasen und, meine Damen und Herren, so wörtlich: "... und der SPD-Landesvorstand beschloss, so kann man mit unserem Richard nicht umgehen."

(Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist von dem Landesvorstand gesagt worden, von dem SPD-Landesvorstand, die Sicherheit des Freistaats sei durch das Verschwinden von zwei Computern aus dem Innenministerium nie gefährdet gewesen, ist sich der Landesvorstand sicher. Meine Damen und Herren, erst recht ist vier Jahre danach die Landessituation nicht so, dass man nach irgendeinem auswärtigen Helfer rufen muss. Die meisten Dinge sind wohl inzwischen ziemlich veraltet, wenn es die Daten von damals sind, was, wie ich noch einmal sagen möchte, bisher nicht zweifelsfrei bewiesen ist. Aber eines möchte ich doch sagen: Die Regierung hat durch diese lebhafte Diskussion nicht die Absicht, sich von ihrer in diesem zentralen Bereich entscheidenden Aufgabe ablenken zu lassen.

(Beifall bei der CDU)

Und die entscheidende Aufgabe in diesem Bereich ist die Bekämpfung des Radikalismus, speziell des Rechtsradikalismus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Die Rechtsradikalen erheben frech die Stirn, schlagen alle Erfahrungen der Vergangenheit in den Wind, verführen Jugendliche und Minderjährige und erringen bedauerlicherweise in Parlamenten unserer Nachbarstaaten zusehens an Einfluss. Wir wollen diesem Rechtsradikalismus hier die Stirn bieten und wir werden, wie wir das angekündigt haben, auch in diesem Herbst - die Arbeiten sind längst im Gange - einen Bericht zur Situation des Rechtsradikalismus hier vorlegen und haben auch die entsprechenden Erhebungen und Studien dazu in Auftrag gegeben. Wir stützen uns dabei auf die gemeinsame Erklärung aus diesem Haus, die von allen Mitgliedern und allen Fraktionen beschlossen worden ist und die entschieden und einmütig Zeichen gegen Gewaltextremismus und Intoleranz gesetzt hat.

Meine Damen und Herren, in diesem Entschließungsantrag, den wir noch unter Eindruck des Anschlags auf die Synagoge hier gefasst haben, steht der Satz: "Die Aktivitäten extremistischer Gruppierungen müssen aufmerksam be

obachtet und neue Entwicklungen müssen erkannt werden." Genau das tun wir, wir beobachten sie aufmerksam.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen, meine Damen und Herren, sollten wir allesamt überlegen, ob wir nicht besser daran täten, uns nicht gegenseitig auseinander zu dividieren, sondern unsere Kräfte zu bündeln, ob es nicht besser wäre, statt sehr viel Zeit damit zu vertun, uns gegenseitig vorzuwerfen, wer der bessere Demokrat ist, gemeinsam eine Anstrengung zu unternehmen, diesen völlig unnötigen Streit zu beenden und uns gemeinsam der Bekämpfung des Rechtsradikalismus in Thüringen zuzuwenden.

(Beifall bei der CDU)

Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung bewusst und nicht obwohl, sondern weil sie sich der Verantwortung bewusst ist, sind wir nicht bereit, dem Vorschlag der Auflösung des Amtes zu folgen und sehen wir keinerlei Grund, dass wir irgendeinen Anlass böten, die Abgeordnetenarbeit zu behindern. Im Gegenteil, unser ganzes Sinnen und Trachten geht dahin, dem Rechtsradikalismus die Stirn zu zeigen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, ich habe weder die Kompetenz noch die Absicht, Sie irgendwie zu rügen, aber ich möchte Ihnen doch sagen, Ihr Ausspruch über den Abgeordneten, der nicht weiß, was er sagt, der hat mir nicht so richtig gefallen.

(Unruhe bei der CDU)

Wird Aussprache über den Sofortbericht gewünscht? Die SPD-Fraktion wünscht das, dann eröffne ich die Aussprache und als erster Redner der Aussprache hat der Abgeordnete Dittes das Wort.

Meine Damen und Herren, ich werde nicht in der Aussprache zum Antrag der SPD-Fraktion reden, sondern mich mit dem Antrag Ihrer Fraktion, Herr Gentzel, beschäftigen, der zum Inhalt hat "Auflösung und Neugründung des Verfassungsschutzes". Sie schreiben in der Begründung im letzten Satz: "Der Freistaat braucht wieder einen funktionsfähigen Verfassungsschutz." An dieser Stelle endet die Begründung. Allein dieser Satz hätte noch einer Begründung bedurft, wenn Sie damit meinen, er bräuchte ein Landesamt für den Verfassungsschutz. Denn ich sage Ihnen, Schutz von verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten und Bürgerrechten - ja, aber nicht Institutionalisierung von Verfassungsschutz in einer Behörde, in einem Amt oder in einer Abteilung, weil damit die zivilcoura

gierte Bürgerschaft, die dem Rechtsextremismus allein die Stirn bieten kann, ihrer Verantwortung enthoben wird, weil auch Parteien der politischen Auseinandersetzung mit dem erstarkenden Rechtsextremismus entzogen werden oder dort entantwortet werden, weil sie sich letztendlich die politischen Positionen bei dieser Auseinandersetzung von einer mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitenden Behörde zuarbeiten lassen und weil letztendlich - und das ist der Hauptgrund natürlich - dort allgemeine politische Verantwortung in ein Amt übergeben wird und Institutionalisierung von Verfassungsschutz in ein Amt, in eine Behörde oder in eine Abteilung auch deshalb nicht, weil genau diese Behörde, dieses Amt die Befugnis dazu hat, permanent in verfassungsrechtlich garantierte Grund- und Bürgerrechte einzugreifen. Und das, Herr Gentzel, ist der wesentliche Unterschied unserer Kritik in der gegenwärtigen Debatte zwischen SPD und PDS. Das ist der Punkt, der uns trennt. Herr Gentzel, mit Ihrem Antrag haben Sie sich auch verdammt nah in die Nähe des Thüringer Innenministers selbst gerückt, dessen Rücktritt Sie ja in dieser Woche noch gefordert haben, aber für mich nur noch unglaubwürdig fordern können.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das kommt auf die Betrachtung an.)

Die SPD sieht gleichfalls wie der Thüringer Innenminister das Problem im Thüringer Verfassungsschutz in der gegenwärtigen personellen Zusammensetzung des Amts begründet und die SPD will es durch eine Neugründung einer neuen, aber dennoch gleichen Struktur beheben. Mit welcher Motivation, darüber darf spekuliert werden. Herr Pohl hat davon gesprochen, dass das Problem dieses Landesamts ist, dass es seit mehr als einem Jahr im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. Bedeutet also Ihr Antrag, dass Sie das Landesamt für Verfassungsschutz, also die Aufgaben des Verfassungsschutzes, die Sie so überhoch einordnen, aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit richten. Das kann wohl nicht der Weg sein, den es zu unterstützen gilt. Offensichtlich, und das muss man Ihnen, glaube ich, auch einmal sagen, fühlen Sie sich in Ihrem Antrag ermutigt durch Bundespolitiker oder Beamte auf Bundesebene, die der Meinung sind, dass man den Einfluss des dort angesiedelten Bundesamts auch in den einzelnen Bundesländern erhöhen will.

Auch der Innenminister Köckert will das Problem beheben, nur will er einer Neugründung des Landesamts aus dem Weg gehen und in der bestehenden Struktur aus seiner Sicht notwendige Änderungen herbeiführen und der Präsident bleibt bei beiden derselbe. Einen tatsächlich qualitativen Unterschied, meine Damen und Herren, kann ich in den beiden Herangehensweisen nicht erkennen. Das hat natürlich auch Gründe; ich will die Ihnen auch nennen. Ich will den Innenminister Köckert, den gegenwärtigen, gar nicht aus seiner Verantwortung nehmen, die trägt er natürlich für das Täuschen der Öffentlichkeit in der ganzen Debatte

(Beifall bei der PDS)

und für das Vorenthalten an Informationen. Die politische Verantwortung trägt er auch für das Hintergehen des Parlaments und die Nichtermöglichung parlamentarischer Kontrolle.

(Beifall bei der PDS)

Die politische Verantwortung trägt Innenminister Köckert auch für das Wiederanschalten von Tino Brandt als Spitzel des Verfassungsschutzes.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit)

Die politische Verantwortung trägt der Minister, Herr Pietzsch, da können Sie diskutieren, was Sie wollen. Und wenn Sie so wollen, meine Damen und Herren der SPD, dann trägt der Innenminister Köckert auch die politische Verantwortung für die von Ihnen thematisierten personellen Querelen im Landesamt für Verfassungsschutz habe ich heute in der Zeitung gelesen, das war auch unter Ihrem Innenminister so. Wenn Sie so wollen trägt auch der Innenminister Köckert die politische Verantwortung für die fehlende Geheimhaltung und für den fehlenden Schutz von Spitzeln. Da, das werden Sie sicherlich nachvollziehen können, können wir Ihre Kritik nicht so ohne Weiteres teilen, weil wir natürlich grundsätzlich eine ganz andere Herangehensweise an diese Diskussion haben.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Frau Präsi- dentin, wie kann hier jemand ungehindert Lügen verbreiten, ungehindert?)

Aber, meine Damen und Herren der SPD, die politische Verantwortung...

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU)

Herr Abgeordneter Böck, wenn Sie reden wollen, bitte melden Sie sich zu Wort.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Hier wird gelogen, dass sich die Balken biegen.)

(Beifall bei der CDU)

Aber, meine Damen und Herren der SPD, die politische Verantwortung für den Fakt der Tätigkeit von zwei Spitzenfunktionären wie Thomas Dienel und Tino Brandt, der ja erst durch seine Veröffentlichung in Thüringen zum Skandal geworden ist, die trägt doch nun wahrlich nicht Innenminister Köckert, sondern die trägt doch ein Innenminister mit dem Namen Richard Dewes. Das muss man

natürlich in dieser Debatte auch benennen und darüber können Sie nicht einfach hinwegsehen, auch wenn dieser Skandal, der damals schon einer war, bloß nicht öffentlich verwertbar, wenn dieser Skandal damals eben nicht den Weg zur Öffentlichkeit gefunden hat. Sie unterstellen durch Ihre Kritik lediglich, ein SPD-Innenminister hätte die bestehende Krise in Thüringen besser gemanagt. Und Sie schließen, Herr Gentzel, Skandale wie diesen im Thüringer Landesamt ja auch überhaupt nicht aus. Sie halten sie sogar in der Zukunft für wahrscheinlich, nur geheim, geheim sollten sie bleiben Ihrer Auffassung nach. Nur geheim sollten diese Ihrer Auffassung nach bleiben, und falls sie nicht geheim bleiben, dann verkaufen Sie mit Ihrer Äußerung in der TA in der vergangenen Woche Ihren Vorschlag der Neugründung des Landesamts für Verfassungsschutz dem jetzigen Innenminister Köckert noch wie schales Bier, er solle doch dann die neu entstandenen, neu öffentlich gewordenen Skandale mit der Übergangssituation während der Neugründung begründen können - so wortwörtlich Heiko Gentzel in der "Thüringer Allgemeinen" in der letzten Woche. Das Problem bleibt also auch für Sie bestehen, nur der, der politische Verantwortung trägt, soll sich dieser mit einer Neugründung zumindest zeitweilig geschickter entziehen können. Nein, meine Presseerklärung trug letzte Woche die Überschrift "Die SPDFraktion ist nicht mehr ernst zu nehmen" und, ich glaube,

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Sie aber auch nicht!)

in diesem Punkt muss ich mich zumindest in dieser Woche nicht korrigieren.

Sie verzichten in Ihrem Antrag auf die Benennung inhaltlich qualitativer Anforderungen an einen neu gegründeten Verfassungsschutz. Sie bemängeln die bisherige Arbeitsunfähigkeit, gemessen an Geheimhaltung und Loyalität, behaupten erst einfach einmal unbegründet die Notwendigkeit eines solchen Amts. Das hat übrigens auch Ministerpräsident Vogel gemacht, er hat das auch nicht weiter begründet. Eine aufgabenkritische Bewertung vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Grundrechte und auch vor dem Hintergrund des geleisteten Beitrags bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus durch ein Landesamt für Verfassungsschutz sowohl allgemein als auch unter Köckert oder unter Dewes unterlassen Sie vollständig, meine Damen und Herren der SPD.

Gerade aber die hätte Sie zu einer anderen Position führen müssen und ich will Ihnen das auch in fünf Punkten benennen:

1. Der Verfassungsschutz ist demokratisch nicht zu kontrollieren. Ich denke, meine Damen und Herren, sehr viel mehr Beweise als in der letzten Woche kann man doch eigentlich dafür nicht mehr liefern. Welche Beweise brauchen Sie denn selbst noch, meine Damen und Herren der SPD, wenn Sie selbst öffentlich sich gegen eine Anzeige zur Wehr setzen mit der Begründung, wir haben doch