Protokoll der Sitzung vom 07.09.2001

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Antrag und frage, ob die Aussprache zum Bericht der Landesregierung gewünscht wird von einer Fraktion? Frau Nitzpon.

Die PDS-Fraktion beantragt dies.

Dann werden wir das in gemeinsamer Beratung tun, und zwar die Aussprache über den Bericht zum Antrag Berichtsersuchen und zum Antrag der Landesregierung, den der Finanzminister eben begründet hat. Als erster Redner in der Aussprache hat sich der Abgeordnete Gerstenberger, PDS-Fraktion, gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen Sie mich, damit es nicht gar so emotional wird, erst einmal zu den Vorstellungen eines Berichts zur Neuordnung der Landesgesellschaften und zu dem, was die Helaba betrifft, reden. Ich komme in einem zweiten Punkt noch einmal zu dem zurück, was Herr Schuster hier vorgetragen hat. Und damit der Standpunkt für alle bei den Ausführungen, die jetzt folgen, unmissverständlich klar ist, möchte ich gleich voranstellen: Eine Neuordnung der Landesgesellschaften - ja, ja von Seiten der PDS -, dazu hat auch die Enquetekommission entsprechende Empfehlungen gegeben, die von unserer Seite mitgetragen werden, aber unter Mitwirkung des Parlaments, meine Damen und Herren, und auf begründeten Vorschlag.

Beteiligung eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts an der Aufbaubank, auch hier ein klares und eindeutiges Ja, aber nach Offenlegung von Varianten gegenüber dem Parlament und Entscheidung unter dem Aspekt der höchsten Effekte für die Entwicklung des Freistaats und, auch wenn das in der Mitte dieses Hauses gestern bei der

Debatte abgelehnt wurde, parlamentarische Kontrolle von Landesgesellschaften und von Unternehmen mit Landesbeteiligung in jedem Fall und unbedingt. Hier überhaupt kein Aber, sondern der dringende Aufruf an alle Parlamentarier in diesem Haus: Fordern Sie gegenüber der Landesregierung Ihr Recht ein auf Kontrolle als vom Volk gewählte Abgeordnete.

(Beifall bei der PDS)

Unter diesem Aspekt, meine Damen und Herren, auch die Behandlung des Aufbaubankgesetzes, denn man kann nicht die von der Landesregierung verfügte und uns nunmehr zur Kenntnis gebrachte Neuordnung von Landesgesellschaften zur Kenntnis nehmen, man kann nicht die Zustimmung zu einer Beteiligung der Helaba am Grundkapital der Thüringer Aufbaubank beschließen, wenn man nicht gleichzeitig über die parlamentarischen Rechte zur Kontrolle landeseigener Unternehmen und von Unternehmen mit unmittelbaren Mehrheitsbeteiligungen des Landes sowie der Gewährträgerschaften des Freistaats spricht, berät und letztendlich auch entscheidet.

Wünschenswert, meine Damen und Herren, da weiß ich nicht, wie es Ihnen geht, mir geht es jedenfalls so, wäre allerdings eine rechtzeitige schriftliche Vorlage von regierungsamtlichen Materialien, die sich nicht in der Herausgabe von Pressemeldungen und Pressemitteilungen erschöpfen.

Unstrittig ist, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, dass eine Reihe von Landesgesellschaften in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung in einer Situation des wirtschaftlichen Umbruchs mit zeitadäquaten Zielstellungen gegründet wurden. Unstrittig ist auch, dass sich Ergebnisse eingestellt haben. Im Laufe der stattgefundenen Weiterentwicklung sind jedoch Bedingungen und Aufgabeninhalte zu prüfen, gegebenenfalls anzupassen oder zu verändern. Das hat die PDS auch schon mehrfach als Evaluierung und Beratung der Ergebnisse im Plenum eingefordert, es wurde aus der Mitte des Hauses bisher abgelehnt.

Meine Damen und Herren, unstrittig ist, dass der Freistaat Thüringen ausweislich des Berichts über unmittelbare und mittelbare Kapitalbeteiligungen sowie Gewährträgerschaften über 27 unmittelbare und 34 mittelbare Kapitalbeteiligungen verfügt, drei Gewährträgerschaften eingegangen ist und die Stiftung "Thüringer Industriebeteiligungsfonds" errichtet hat, auch wenn das in dem Bericht nicht zur Geltung kam.

Ebenso unstrittig ist die Haltung der Landesregierung, dass diese Beteiligungen, Gewährträgerschaften und die Stiftung der Kontrolle des Parlaments durch die Landesregierung unter Hinweis auf Gesellschaftsform und Staatsferne bisher entzogen wurden.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Das ist Unsinn!)

Herr Trautvetter, wir kommen noch dazu.

Auch dazu hat sich die PDS mehrfach kritisch geäußert, allerdings ohne Erfolg. Diese Inhalte zusammen zu beraten, meine Damen und Herren, hat zumindest aber den Charme, auch die Zusammenhänge und die Gutsherrenmanier der agierenden Landesregierung deutlich zu machen. Früher hätte man gesagt, die führende Rolle der Partei im gesellschaftlichen Leben deutlich zu belegen.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Das könnt Ihr alles gut.)

Sie können es doch auch, nur, wir kennen es noch, Sie haben es übernommen.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Aber ich musste es ertragen.)

(Beifall bei der PDS, SPD)

Wie anders, Herr Ministerpräsident, soll man es denn bezeichnen, wenn dieses Parlament den Auftrag erteilt, ausgehend von den erreichten Ergebnissen der wirtschaftlichen Entwicklung seit 1990 Empfehlungen für die Neugestaltung der Wirtschaftsförderung durch eine Enquetekommission zu erarbeiten, das Kabinett parallel dazu wirksam wird und Entscheidungen trifft, Entscheidungen ohne Evaluierung und Beratung mit dem Parlament, und das hat der Minister soeben deutlich gemacht und sogar bestätigt? Und was in diesem Prozess die Arbeit der Abgeordneten dieses Hauses und speziell die Abgeordneten und berufenen Sachverständigen der Enquetekommission besonders diskreditiert, ist die Tatsache, Herr Ministerpräsident, dass ausweislich der TLZ-Zukunftsdebatte im Mai Ihr bevorzugter Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten seine angebliche Führungslage damit unter Beweis stellen wollte, dass er als Zieltermin für die Neuordnung der Thüringer Fördergesellschaften drei Wochen vorgab und Sie im Duo mit dem Wirtschaftsminister Ende Juni in einer Pressekonferenz bereits diese Neuordnung fast textgleich mit den heutigen Ausführungen des Wirtschaftsministers verkündet haben und ausweislich des Briefes des Wirtschaftsministers vom 9. Juli 2001 an die Thüringer Industriebeteiligungs GmbH & Co. KG Fakten zum Einsatz des noch nicht gebundenen Stiftungsvermögens der TIB geschaffen wurden, ohne das Parlament vorher einmal zu fragen, geschweige denn davon in Kenntnis zu setzen. Beides übrigens, meine Damen und Herren, ohne der Enquetekommission im Nachgang wenigstens die entsprechenden Materialien zur Verfügung zu stellen.

An dieser Stelle sei einmal eingefügt: Hier handelt es sich nicht um die Landespressekonferenz, die man mit einem Pressematerial versorgt, damit anschließend in

den Medien eine öffentliche Darstellung erfolgt, sondern hier handelt es sich um Vertreter, die vom Volk gewählt wurden und die eigentlich von der Landesregierung informiert werden müssten, bevor so weitreichende Dinge in die Öffentlichkeit gezogen werden.

(Beifall bei der PDS)

Aber wir waren bei der Darstellung der Gutsherrenmanier, meine Damen und Herren, die haben früher auch nicht das Volk gefragt und informiert, wenn sie Entscheidungen getroffen haben. Man war weise genug selbst zu wissen, was dem Volk und dem Parlament am besten hilft. Ich weiß nicht, ob es weiterer Belege dieser Verhaltensweise bedarf.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Da brauchen wir gar nicht so weit zu gehen..., aber davon hören wir gar nichts.)

Herr Emde, seien Sie vorsichtig, denken Sie immer daran, Sie haben noch eine schwere Zeit im Ausschuss.

Meine Damen und Herren, um es deutlich zu machen, die PDS ist für eine Neuordnung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktinstrumente und dazu gehören auch die Landesgesellschaften. Die PDS will aber deutlich erklären, dass sie ihre Forderungen in der Vergangenheit und in der Enquetekommission darauf gerichtet hat, die Neuordnung zu vollziehen nach Analysen des Erreichten, nach der Prüfung der Handhabbarkeit und Wirkungsweise der Instrumente, nach Prüfung von Alternativen und nach der Einflussnahme dieses Parlaments. Aber das findet, und das war für alle offensichtlich, in diesem Parlament mit einer absoluten CDU-Mehrheit und einer CDUAlleinregierung nicht statt.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Das ist es!)

Und das ist nach dem Plenarantrag,...

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident)

Ja, Herr Ministerpräsident, Entschuldigung, weil ich ein anderes Demokratieverständnis als Sie habe, deshalb stört mich das.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Wir sind nicht in Mecklenburg-Vorpommern, Herr Kollege.)

Wir warten mal ab, manch anderer hat das auch schon behauptet, dass er fest sitzt.

Und das ist nach dem Plenarantrag, Herr Kollege Althaus, von Ihnen auch nicht beabsichtigt. Sie wollten einen

Bericht über die weisen Entscheidungen der Landesregierung entgegennehmen, keine Prüfung der erreichten Ergebnisse, keine Probleme im Wirken der Gesellschaften und keine Alternativen beraten. Hier wird das Parlament informiert ohne Möglichkeit der Einflussnahme. Sie haben sich einer Pflicht entledigt. Andere in Entscheidungen einbinden zu wollen, ist - trotz der Forderungen der Landtagspräsidenten der Länder, dieses zu tun - für Sie absolut unakzeptabel.

Meine Damen und Herren, lesen Sie einfach noch mal die Vorlage 50 aus dieser Legislaturperiode, dann wird Ihnen deutlich, was ich damit meine, und Sie können bitte schön den Präsidenten der Landesparlamente nicht unterstellen, dass sie zahlreich mit dem PDS-Mitgliedsbuch dort ihre Verantwortung ausüben würden. Insofern dürfte wohl unstrittig sein, dass es hier um demokratisch-legitimierte Forderungen geht. Bei Ihrem Demokratieverständnis muss man ja immer vorsichtig sein, wen man dort zitiert, Sie haben ja dort eine eingeschränkte Wahrnahme.

(Beifall bei der PDS)

Ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren der Regierungspartei, dass andere Länder zumindest in der Formulierung dieser Problematik weiter sind.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Welcher Problematik?)

So hat zum Beispiel der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen bereits 1998 in einer Ausarbeitung zum Thema der parlamentarischen Kontrolle festgestellt, Frau Präsidentin, ich darf zitieren: "Die vorliegende Problematik berührt die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Demokratieprinzips, das zu den unveränderlichen Grundlagen unserer Verfassung gehört. Das Budgetrecht beruht auf den Grundprinzipien unseres demokratischen Staates." Und weiter: "Das Budgetrecht ist eines der wesentlichen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle, die die rechtsstaatliche Demokratie entscheidend prägt. Hieraus folgt zwangsläufig, dass die Ausübung der Staatsgewalt nach Artikel 20 Abs. 2 Grundgesetz mit Mitteln des Geldes so ausgestaltet sein muss, dass die Verantwortlichkeit gegenüber dem Staatsvolk als Souverän und die mit dem Budgetrecht verbundene politische Steuerungs- und Kontrollfunktion des Parlaments als dem vom Volk gewählten Repräsentationsorgan erhalten bleiben muss." Meine Damen und Herren, auf diese Frage des Demokratieverständnisses und die Wahrnahme des Budgetrechts im Zusammenhang mit dem SPD-Antrag zur Verbesserung von Kontrollmöglichkeiten werden wir ja noch mal zurückkommen und ich werde Ihnen versuchen deutlich zu machen, wie Ihr Umgang mit TIB und TIB-Vermögen diese Vorstellung aus Nordrhein-Westfalen auf den Kopf stellt. Aber, meine Damen und Herren, Entgegennahme einer Berichterstattung bedeutet nicht, politische Steuerungs- und Kontrollfunktion durch das Parlament auszuüben. Entgegennahme ist Ausdruck von

Inaktivität im Gegensatz zu Einflussnahme als Aktivität. Die SPD fordert im Zusammenhang mit der Drucksache 3/1681 der CDU-Fraktion über die Berichterstattung zur Neuordnung der Landesgesellschaften die Vorlage von Evaluierungsergebnissen und Varianten zur Neuordnung der Gesellschaften, um auf dieser Basis die Beratungen im Haushalts- und Finanzausschuss durchzuführen.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Das kommt gar nicht in Frage!)

Ich nehme das gern zur Kenntnis für alle hörbar, das kommt gar nicht in Frage, dass dieses Parlament und diese Ausschüsse über Varianten diskutieren, über die sich offensichtlich auch die Landesregierung bisher noch keine Gedanken gemacht hat. Das ist eine sehr bedeutende Äußerung, Herr Ministerpräsident, ich danke Ihnen für diese Richtigstellung.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Herr Abgeordneter, wir sind Regierung und nicht Ihre Hilfstruppe.)

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, nehmen Sie einfach zur Kenntnis, dass hier 88 Abgeordnete sitzen, die nicht alle Ihr Parteibuch haben und ihre Rechte gern wahrnehmen würden, Sie zu kontrollieren. Wenn Sie sich dem verweigern, ist das Ihr Problem.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Es gibt auch Rechte der Regierung, nicht nur der PDS.)

Meine Damen und Herren, um es vorwegzunehmen, wir haben bereits im Jahre 1999 unsere positive Auffassung zur Beteiligung Dritter an der TAB zum Ausdruck gebracht. Wir hatten übrigens dazu auch eine Pressemitteilung gemacht. Wir hatten dabei die Vorteile sowohl bankenrechtlicher Art als auch die Förderung der Wirtschaft u.a. durch eigene Förderprogramme und Einsatz der Mittel als revolvierenden Fonds gesehen. Diese Gedanken sind auch aus der Sicht der Landesregierung aus dem Schreiben vom 23.08. erkennbar und treffen auf unsere Intention. Insofern ist der Beteiligung der Helaba inhaltlich nicht zu widersprechen und das wollen wir auch nicht. Aber die Ermittlung des Einstiegspreises der Helaba bei der erkennbaren Geschäftsentwicklung des gegenwärtig tätigen Instituts TAB mit ihren Einflüssen auf die wirtschaftliche Entwicklung der Aufbaubank einerseits und gegenübergestellt dem angewandten Modell einer atypischen Stimmenbeteiligung mit angemessenen Verzinsungen des eingeschlossenen Grundkapitals andererseits, die aber auf jeden Fall beeinflussend auf die Ertragsstärke der TAB wirken würde, müssen hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Effekte auf das Förderbank

institut TAB dargestellt, beraten und entschieden werden. Das ist bisher nicht erfolgt. Außerdem sollten, Herr Finanzminister, zumindest die Gründe genannt werden, die die Deutsche Ausgleichsbank als einen Partner bei der Ausgestaltung von Landesprogrammen nicht in die Wahl kommen ließen, als Beteiligter oder als Partner. Ja, es ist sogar die Frage zu stellen, warum man bei einer solch hohen Beteiligung nicht den Weg der Ausschreibung und des Wettbewerbs, den Sie ja immer so häufig und gern verfolgen, gegangen ist. Und, Herr Minister Gnauck, als Einreicher des heute zu beratenden Berichts zur Beteiligung: Diese Beratung als Grundlage einer nach § 4 Abs. 3 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Errichtung einer Aufbaubank zu erfolgenden Einwilligung des Landtags wird nicht ersetzt durch die am 14. August 2001 durch das Kabinett gebilligten Verhandlungsergebnisse. Da ist die Entscheidungsunterlage und die möglichen Varianten zu Beteiligungsverhältnissen nicht bekannt und wir legen darauf Wert, dass sie uns bekannt gemacht wird, um diese entsprechend zu diskutieren. Wir erwarten deshalb auch an dieser Stelle die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Dort könnte dann die Diskussion entsprechend weitergeführt werden.