Protokoll der Sitzung vom 12.10.2001

Sie sagen, wir hätten keine realpolitischen Vorschläge. Aber hören Sie denn nicht hin, wenn wir sagen, es müsste eine Anklage öffentlich genannt werden? Es müsste ein internationales Gericht entscheiden, so dass man mit zivilen Fragen gegen den Terrorismus vorgehen kann. Unsere Auseinandersetzung, mit welchem Mittel Bin Laden und seine Helfershelfer gefangen werden müssen, die haben wir öffentlich vorgetragen, da verbergen wir uns nicht hinter irgendwelchen Türen und wir quälen uns damit. Ich bitte Sie einfach, dass Sie diesen Prozess in unserem Nachdenken akzeptieren, ohne uns zu diffamieren.

(Beifall bei der PDS)

Herr Gentzel, Sie haben auch gesagt - das halte ich übrigens für sehr bedenklich -, dass Sie mit dem Wiederauferstehen der Friedensbewegung keine Probleme haben. Ich erwarte, dass die Friedensbewegung wieder aufersteht und ich erwarte, dass die Linken in der Bundesrepublik einschließlich derer, die insbesondere aus Ihrer Partei in der alten Bundesrepublik kamen, die diese Friedensbewegung grundlegend mitgezeichnet haben, heute wieder Worte finden. Vor zwei, drei Tagen lief im Fernsehen eine Dokumentation aus der Friedensbewegung vor 20 Jahren. Das war im Wesentlichen die Friedensbewegung, die wir Ostdeutschen nur aus dem Fernsehen kennen. Dort ist ein Lied gesungen worden, das kennen Sie sehr gut: "Denn weiches Wasser bricht den Stein." Ich kann Sie nur anmahnen, auch bei sich nicht nur keine Probleme mit der Friedensbewegung zuzulassen, sondern auch die Linke in Ihrer Partei zu ermutigen, dass sie sich einmischen kann und darf.

Frau Abgeordnete Dr. Klaubert, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Bitte, Herr Abgeordneter Carius.

Vielen Dank, zwei, wenn Sie erlauben, einmal: Sind Sie der Meinung, dass das Dritte Reich untergegangen wäre, wenn man Ihrer Friedenslogik gefolgt wäre? Meinen Sie, mit einer Friedenstaube können Sie irgendeinen dieser Terroristen wirklich umdrehen? Danke.

Nein. Mir geht es nicht darum, dass ich mit einer Friedenstaube Bin Laden töten möchte. Wenn das richtig ist, was Werner Buse zu Beginn seiner Rede zitiert hat, dass das 21. Jahrhundert am 11. September begonnen hat, wenn das stimmt, dann geht es nur mit einem ganz anderen Nachdenken über nationale und internationale Sicherheitskonzepte und zu diesen muss die Friedenstaube gehören.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte aber auf eine weitere Äußerung hier eingehen, die durch Herrn Fraktionsvorsitzenden Althaus kompakt vorgetragen worden ist. Sie werfen uns auch "zur Schau gestellten Pazifismus" vor, dann kommen solch markige Worte hinterher wie "Antiamerikanismus", "Antikapitalismus", "sozialistischer Mief", "klares Wort gegen Terrorismus fehlt" und so weiter und so fort.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Mit Sozialismus haben Sie selbst...)

Am gestrigen Tag - heute auch nachzulesen in der Zeitung - haben Sie das in Ihre bewährten Worte gefasst, die PDS stehe sowieso nicht vollständig auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder des Grundgesetzes. Dieses Wort haben Sie so oft hier zum Ausdruck gebracht und immer mit den gleichen billigen Argumenten unterlegt.

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Was wahr ist, kann man nicht oft genug wiederholen.)

Es wird nicht wahrer, auch nicht, wenn Sie es wiederholen.

(Beifall bei der PDS)

Ich sage Ihnen auch, in der Rede von Werner Buse war vorhin von Kriegsrhetorik, die einer Kriegslogik folgt, die Rede. Ich gehe noch einmal auf diese rhetorischen Künste ein, die Sie zum Teil hier ablegen. Mit alldem, was Sie uns als Klassenkampf immer vorhalten, bedienen Sie die Elemente dieses Klassenkampfs. Sie lassen eigentlich keine Chance zu, Sie diffamieren damit und befinden sich in schlechter Gemeinschaft mit solchen wie Herrn Schwäblein, die gestern in einem Wortspiel, welches ich nicht wiederholen möchte, einen Vergleich gezogen haben - heute ist es in der Zeitung nachzulesen - Sie hätten gesagt, es wäre der Sohn des Vaters.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Sie können das Band abhören!)

Sie haben einen Vergleich gezogen zwischen Bin Laden und einem Abgeordneten dieses Hauses. Sie haben damit die Würde dieses Hauses beschädigt.

(Beifall bei der PDS)

Ich weiß nicht, ob man sich von Ihnen gefallen lassen muss, dass dieser üble Terrorist in Ihrer Wortwahl in einer Aktuellen Stunde mit einem Mitglied des Thüringer Landtags verglichen wird. Wissen Sie, das ist geistige Brandstiftung, was Sie damit getan haben.

(Beifall bei der PDS)

Ich muss auch eins sagen, es ist gestern von Herrn Köckert wieder gesagt worden, es gäbe tausend gute Gründe, die PDS vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

(Beifall bei der CDU)

Nun haben Sie durch Ihren Beifall Ihre geistige Haltung zum Ausdruck gebracht. Als wir am 3. Oktober 2001 in Gera zur Festveranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit waren und der Festrede von Lutz Rathenow zuhörten, hat er in seiner Rede diesen makaberen Zusammenhang von tausend zum Tausendjährigem Reich angemahnt. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Ich möchte aber auch für meine Fraktion betonen, wir möchten in einer besonnen Auseinandersetzung um die weitere innere und äußere Lage in diesem Land einbezogen werden. Wir haben ein Recht darauf. Ich weiß, wir machen es uns, und ich sage auch, wir machen es auch manchem unserer Partner nicht einfach. Noch einmal auf gestern abzuheben: Ja, ich und wir hätten uns eine deutlichere Distanzierung vom Demonstrationsmotto gewünscht "Es gibt tausend gute Gründe, Deutschland zu hassen!"

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Das hätten Sie gestern sagen sollen.)

Sie sagen mir, ich hätte es gestern sagen sollen. Ich muss Ihnen eins sagen, ich habe Ihnen angekündigt, ich werde keine geschliffene Rede halten, sondern einige Anmerkungen machen, die mich herumtreiben. Es ist richtig, ich hätte es gestern sagen sollen.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Müs- sen!)

Müssen. Dann sage ich es heute. Denn ich nehme Sie so ernst, dass Sie mir vielleicht auch heute zuhören, wenn ich versuche, Ihnen Nachdenkensprozesse vorzutragen, damit Sie verstehen, was uns treibt. Jetzt sage ich es noch einmal: Eine deutliche Distanzierung von diesem Motto "Es gibt tausend gute Gründe, Deutschland zu hassen!" ist durch die PDS-Fraktion erfolgt. Wir haben diese Aus

einandersetzung übrigens öffentlich geführt. Haben Sie schon einmal in Ihrer Fraktionssitzung die Kameras zugelassen, wenn Sie um solche Themen streiten?

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Solche Streitpunkte haben wir nicht!)

Nein, Herr Ministerpräsident, es ist auch für Sie nicht einfach, in mancher Auseinandersetzung mit Auffassungen und Handlungen von Mitgliedern Ihrer Partei oder Ihrer Fraktion es transparent zu machen. Ich sage auch, die "Ja-Aber-Rede" hat wahrscheinlich keinem genützt. Deshalb noch einmal mit aller Deutlichkeit: Was der Landesvorsitzende der PDS gesagt hat, dass sozialistische Ideen Menschen für sich gewinnen wollen und nicht abschrecken, möchte ich ohne Wenn und Aber für die PDSFraktion hier zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der PDS)

Wir distanzieren uns von Hass und Gewalt als Mittel in der politischen Auseinandersetzung.

(Beifall bei der PDS)

Das gilt für innen- und das gilt für außenpolitische Fragen.

Damit komme ich zu einem Resümee: Trotz aller Kritik an Ihren Auffassungen, Herr Althaus, an Ihren Auffassungen, Herr Gentzel, ich wünsche mir einfach, dass Sie es auch akzeptieren, was ich gesagt habe. Es bleibt dabei: Nach dem 11. September hat sich die Welt für alle verändert. Neue Sicherheitskonzepte, neue Sicherheitsstrategien sind gefragt. Wir haben ausdrücklich aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten unterstützt, dass er jedes Mittel abwägen möchte im Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit - ausdrücklich, Herr Ministerpräsident. Ich hoffe, es freut Sie. Ich möchte, dass die verschiedenen politischen Akteure im nationalen und internationalen Maßstab besonnen eingeschlossen werden. Kritik an eingeschlagenen in jedem Fall an langen Wegen sollte nicht nur erlaubt, sondern in einer demokratischen Gesellschaft herausgefordert sein. Wir haben alle eine Verantwortung gegen den Terror und für den Frieden. Dabei, sage ich Ihnen, macht Hass blind und nur Vernunft sehend. Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete Klaubert, Sie haben den Abgeordneten Schwäblein der geistigen Brandstiftung bezichtigt.

(Zuruf Abg. Dr. Klaubert, PDS: Ich entschul- dige mich.)

Ja. Dann brauche ich Sie auch nicht mehr zu rügen, weil diese Aussage nicht angemessen war, auch wenn sie eine Reaktion auf eine Aussage gewesen ist, die gestern gemacht worden ist und die auch nicht angemessen war.

Als nächste Rednerin bitte ich Frau Abgeordnete Pelke an das Rednerpult.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Dr. Klaubert, ich habe mich speziell nach Ihren Bemerkungen zu Wort gemeldet. Es gibt sicherlich genügend Möglichkeiten, um das, was Sie hier angesprochen haben, in angemessenem Rahmen zu diskutieren, aber letztendlich haben Sie genau das nicht gemacht, was die Vorredner hier angesprochen haben. Sie haben in all diesen Dingen keine konkrete Antwort gegeben. Es ist vorhin gesagt worden, auch in schwierigen Zeiten müssen Antworten gegeben werden. Was ich nicht so genau nachvollziehen kann, ist, wenn Sie heute die Friedensbewegung zitieren, dann muss man auch ehrlicherweise sagen, dass es in Ihrer Vorgängerpartei seinerzeit eine Feststellung gab, dass man Kriege befürworten kann, weil es eine Einteilung in gerechte und ungerechte Kriege gibt, Sie sich aber heute hierher stellen und behaupten, selbst auf Terroranschläge sei es nicht berechtigt, mit Gewalt zu antworten. Das, meine Damen und Herren, verstehe ich nicht.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Sie zitieren hier Günter Grass, der gesagt hat, dass der Anschlag auf die USA, auf die freiheitlichen Kräfte in dieser Welt verabscheuungswürdig ist, aber dass man nach den Gründen fragen müsse. Man kann auch an bestimmter Stelle Günter Grass widersprechen.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, nach welchen Gründen ich fragen muss, die berechtigen, auch nur einen Terrortoten zu haben. Für Terrorakte, ob ein Mensch stirbt, ob viele sterben, es gibt keine Gründe für solche Akte, für solche feigen Attentate, das muss in Deutlichkeit gesagt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall im Hause)

Sie reden hier kontinuierlich von kriegerischen Auseinandersetzungen. Ich darf in diesem Zusammenhang aus der Rede des Bundeskanzlers von gestern zitieren. "Wir befinden uns mitten in einer entscheidenden und wahrscheinlich langwierigen Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus."

Meine Damen und Herren, es geht hier nicht um Krieg, es geht um Bekämpfung von internationalem Terrorismus, wo wir uns alle, wenn wir denn in Freiheit unter demokratischen Aspekten leben wollen, zu wehren haben, nicht nur für uns, sondern auch für die Zukunft und

für unsere Kinder, mit denen wir auch diese Diskussion zu führen haben.

(Beifall bei der SPD; Abg. Böck, CDU)

Ich darf an diesem Punkt auch noch einmal aus der Rede des Kanzlers von gestern zitieren: "Die Menschen wissen sehr genau, was auf dem Spiel steht. Sie rufen nicht nach Rache und Vergeltung, aber sie sind bereit, unsere Gesellschaft und die Zukunftsfähigkeit unserer einen Welt zu verteidigen." Wissen Sie, wenn man dann mit jungen Menschen diskutiert, so, denke ich, muss dieses auch in aller Deutlichkeit gesagt werden, weil sich etwas in unserer Welt verändert hat. Sie haben die Friedensbewegung zitiert: "Weiches Wasser bricht den Stein". Oft genug habe ich dieses Lied mitgesungen, oft genug habe ich mich an derlei Veranstaltungen beteiligt, und ich stehe nach wie vor dazu. Es waren wichtige Veranstaltungen, es sind viele Menschen auf die Straße gegangen, die ein Ziel hatten, in Frieden zu leben, Gerechtigkeit auf dieser Welt haben zu wollen und dafür einzutreten. Ich gehöre zu denen, die auch in meiner Partei bis zum Schluss selbst den Einsatz von Blauhelmen abgelehnt hat, weil ich immer Ängste hatte, dass man sich dann aus Auseinandersetzungen nicht heraushalten kann, sondern gezwungen ist, Position zu ergreifen. Ich habe damals auch gesagt, was passiert, wenn der erste Blauhelmsoldat in einem Zinksarg zurückgebracht wird. Aber, meine Damen und Herren, es hat sich etwas verändert. Es hat sich seit Bosnien, seit dem Kosovo und auch in Mazedonien etwas verändert, weil man sich irgendwann auch als erklärter Friedenskämpfer entscheiden muss. Diese Entscheidung fällt schwer und es ist nicht nur mir, sondern sicher vielen in diesem Haus schwer gefallen, eine solche Entscheidung zu treffen. Wenn es um Verletzung von Menschenrechten geht, wenn es um Vergewaltigung geht, wenn es um Mord geht, wie seinerzeit in Bosnien, dann habe ich eine Entscheidung zu treffen. Dies hat in einer Veranstaltung Hans Koschnik, der nun wirklich ein kompetenter Beobachter und Helfer in dieser Situation war, sehr anschaulich geschildert. Er hat gesagt - übrigens ist auch Hans Koschnik einer der Mitbegründer der evangelischen Friedensbewegung - ich habe zwei Möglichkeiten: Ich kann mir die Situation weiterhin anschauen, ich kann mich auf eine Zuschauerposition zurückziehen, dann mache ich mich schuldig. Oder ich kann mich entscheiden einzugreifen, um etwas zu verändern, dann mache ich mich auch schuldig. In jeder Position mache ich mich in irgendeiner Form schuldig, aber ich muss mich entscheiden, was letztendlich die Variante ist, um Menschen zu helfen. Deswegen hat sich Koschnik - und wenn ich jetzt diesen Bogen zu mir spannen darf, auch ich - dafür entschieden, einzugreifen. Ich halte das für die richtige Entscheidung.