Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Ich will hier zur Erläuterung nur ein Beispiel nennen. Herr Koch, Sie scheinen in der letzten Zeit nicht da gewesen zu sein, ich bedauere es. Wie der letzte Satz der Begründung zu Nummer 9 wiedergibt, gehen die Verfasser davon aus, dass der Generalstaatsanwalt Mitglied des Hauptrichterrats wäre. Das ist natürlich absoluter Humbug. Die Richter würden sich bedanken. Der Hauptrichterrat ist die Personalvertretung der Richter und nicht etwa der Staatsanwälte. Herr Dr. Koch, Sie sehen es gerade nach: letzter Absatz, letzter Satz.

Im Übrigen übernimmt der Änderungsantrag vieles, auf das ich bereits bei der Darstellung des CDU-Änderungsantrags hingewiesen hatte, wie z.B. die Ermächtigung des Ministers zur Aufhebung von Beschlüssen der Einigungsstelle. Das wundert mich ein bisschen, meine Damen und Herren von der PDS, dass Sie das Verfahren nach Serenissimusart unterstützen. Denken Sie an Ihre Geschichte. Deshalb muss auch dieser Änderungsantrag meines Erachtens abgelehnt werden. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es hat jetzt noch einmal das Wort der Abgeordnete Dr. Koch, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist natürlich richtig, dass sich im Rahmen einer Diskussion, z.B. im Justizausschuss, wenn man diese sachlich führt, weil man sie sachlich führen will, auch Fehler bereinigen lassen. Die Schlussfolgerung wäre dann, das Gesetz zur erneuten Beratung an den Justizausschuss zurückzuverweisen. Ich beantrage das hiermit namens meiner Fraktion vorsorglich. Dann können wir auch fachlich ausstreiten, wer sich an welcher Stelle geirrt hat. Ich will vorausschicken, dass es noch eine weitere Stelle gibt, an der man gut auch streiten kann und möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Die Frage ist, ob dieser Änderungswille überhaupt vorhanden ist. Ich meine den Eindruck gewonnen zu haben, dass dieser nicht vorhanden ist. Wir haben mit unserem Änderungsantrag versucht, an ein paar Stellen noch zu versuchen, mit Sachargumenten noch etwas zu befördern und sind damit nicht über die Hintertür wieder auf unserer Position, meine Damen und Herren. Ich will das vorausschickend zunächst einmal klarstellen.

Gleich zu Beginn seiner Einbringungsrede anlässlich der ersten Lesung des Regierungsentwurfs sagte Minister Dr. Birkmann, die Regierung habe die Vorschläge der Richter- und Staatsanwaltschaftsvertretungen und -verbände aufgegriffen, das Richtergesetz zu überarbeiten und die Mitwirkungsrechte der Richter und Staatsanwälte auszuweiten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es möglich sein würde, den Richter- und Staatsanwaltsvertretungen die quasi Streichung ihrer verfassungsrechtlich ga

rantierten Mitbestimmungsrechte durch Reduktion auf fünf Personalangelegenheiten unterhalb der Schwelle der Mitbestimmung ohne tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf die sie betreffenden Entscheidungen als Ausweitung ihrer Mitwirkungsrechte zu vermitteln. Heute, meine Damen und Herren, bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass die Einräumung von nicht viel mehr als einer bloßen Anhörung der Richterräte bei Abordnungen eines Richters auf Lebenszeit ab einer Dauer von neun Monaten, bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Erholungsurlaubs, bei der Versagung oder des Widerrufs der Genehmigungen von Nebentätigkeiten, bei der Ablehnung eines Antrags auf Sonderurlaub, bei der Ablehnung eines Antrags auf Teilzeitbeschäftigung, also bei einigen wenigen Personalangelegenheiten, bei denen bisher die Richterräte nicht zu beteiligen waren, bei gleichzeitiger Abschaffung der Mitbestimmung selbst von Justizminister Dr. Birkmann zu keinem Zeitpunkt als konsensfähig angesehen wurde. Es erhebt sich die Frage: Was soll das Ganze dann? Nun, ich denke, es war eine sehr geschickt inszenierte PR-Aktion des Justizministers nach folgendem Muster: Ich begebe mich erst einmal 30 Meter nach rückwärts, also hinter die Startlinie, komme von dort und gehe, sagen wir einmal, fünf Meter über die Startlinie hinaus in die richtige Richtung, dann kann ich später die 35 Meter als meine Bewegung darstellen und das als den weitestgehenden Konsens mit den Richtern und Staatsanwälten der Öffentlichkeit kundtun, den ich ja versprochen habe.

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: So macht das die PDS.)

Tatsache ist, dass an eine Novellierung des Thüringer Richtergesetzes von den Vertretern der Richter und Staatsanwälte und deren Berufsorganisationen gestellte Erwartungen auch unter Berücksichtigung der Änderungen in der Beschlussempfehlung nur zu einem geringen Teil erfüllt worden sind. Die Neuregelung der Bestimmungen zur Richterwahl und der Vertretungen der Richter und Staatsanwälte hätte Anlass sein müssen, sich intensiv mit dem Problem auseinander zu setzen, wie man in der Personalpolitik der Richter und Staatsanwälte stärker das Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip zur Geltung bringen kann. Dieser Aufgabe haben sich das Ministerium und die Mehrheitsfraktion in diesem Landtag entzogen, auch wenn hier das Gegenteil behauptet wird. An den Taten sollt ihr sie messen.

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Das haben wir 40 Jahre lang gemerkt.)

Ich will meine Behauptung anhand der einzelnen umstrittenen Bereiche belegen. Sie sollten mich insoweit kennen, dass ich selten Behauptungen aufstelle, ohne sie auch belegen zu können.

(Beifall bei der PDS)

Nun lassen Sie sie mich auch belegen.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Sie haben Jahrzehnte Zeit gehabt.)

Zur Erstreckung der Zuständigkeit des Richterwahlausschusses auch auf die Berufung zum Richter auf Probe und kraft Auftrags habe ich mich bereits unter dem Gesichtspunkt einer dafür erforderlichen Verfassungsänderung geäußert. Weit reichende Änderungen wären aber auch unterhalb der Schwelle einer Verfassungsänderung möglich, meine Damen und Herren, das will ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen. Artikel 89 Abs. 2 Satz 1 der Landesverfassung schließt nicht nur nicht aus, dass das Richtergesetz das Erfordernis der Zustimmung des Richerwahlausschusses für jede Übertragung eines Richteramts regelt, der Wortlaut der Verfassungsbestimmung - es heißt dort: "über deren Berufung auf Lebenszeit" - spricht vielmehr dafür, dass der Richterwahlausschuss jeder Berufung in ein Richteramt von Verfassungs wegen zustimmen muss. Für die Beteiligung des Richterwahlausschusses spricht nicht nur, dass hierdurch die Berufung der Richter direkter legitimiert wird, als wenn die Regierung dies allein tun würde, es spricht vielmehr auch das Gewaltenteilungsprinzip dafür, dass weder die Exekutive noch die Legislative allein, sondern sie gemeinsam den richterlichen Nachwuchs und die Spitzen der Gerichte zu bestimmen haben.

Im Gegensatz zur jetzigen Regierung bin ich der Auffassung, dass die Richterwahl ein gut geeignetes Mittel ist, den Gefahren der Ämterpatronage vorzubeugen. Das lediglich als Anhörungsverfahren ausgestaltete Präsidialratsverfahren scheidet als effektives Balancierungselement gegenüber der Exekutive aus. Gefahren, die der Rechtsprechungsfunktion durch eine Richterpersonalpolitik der Justizverwaltung drohen, wenn sie sachfremde Gesichtspunkte und vielleicht auch einseitige unausgewogene Maßstäbe ihrer Personalauswahl zugrunde legt, können durch die Beteiligung des Präsidialrats nicht verhindert werden. Dagegen ist eine Regelung, wie sie von meiner Fraktion vorgeschlagen wurde, nach der keine Richterin und kein Richter gegen das Votum eines paritätisch aus Volksvertretern und Richtern zusammengesetzten Richterwahlausschusses befördert werden kann, geeignet, ein annäherndes Gleichgewicht der Gewalten in der Personalpolitik herzustellen. Aber auch die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene erweiterte Zuständigkeit eines von zwei Dritteln mit Abgeordneten besetzten Richterwahlausschusses wäre nicht nur unter dem Gesichtspunkt einer direkteren demokratischen Legitimation ein Fortschritt, eine Ausdehnung der Zuständigkeit des Richterwahlausschusses auch auf die Fälle der so genannten Richterbeförderung ist geeignet, Berufungen durchschaubarer und nachvollziehbarer zu machen als dies bei einer alleinigen Zuständigkeit des Justizministers bei gleichzeitiger Reduzierung des Präsidialratsverfahrens auf ein bloßes Anhörungsverfahren der Fall ist.

Ein gewichtiges Argument, das Herr Minister Dr. Birkmann gegen eine Zuständigkeit des Richterwahlausschusses bei jeder Berufung in ein Richteramt ins Feld führte,

war, dass die Entscheidungen des Richterwahlausschusses gerichtlich nicht überprüfbar seien. Minister Dr. Birkmann meinte anlässlich der ersten Beratung des Gesetzentwurfs der SPD im Mai dieses Jahres sogar, in dieser Frage eine ständige Rechtsprechung feststellen zu können. Ich bin der Überzeugung, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Kommentierung zu Artikel 95 Abs. 2 Grundgesetz zeigt nämlich, dass die Literatur ganz überwiegend der Auffassung ist, dass Entscheidungen des Richterwahlausschusses einer gerichtlichen Überprüfung keinesfalls entzogen sind. Dem Richterwahlausschuss wird allerdings überwiegend ein breiter Ermessens-. bzw. Beurteilungsspielraum eingeräumt. Dem folgt der überwiegende Teil der Rechtsprechung. Es gibt allerdings auch die gegenteilige Rechtsprechung, die dem Richterwahlausschuss nicht mehr Entscheidungsspielraum zubilligt als dem Justizminister. Ich verweise hier auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig. Im Ergebnis geht jedenfalls das Argument des Ministers fehl, durch eine Einbeziehung des Richterwahlausschusses werde eine Konkurrentenklage unzulässig. Dies ist nicht so.

Dass nach dem Gesetzentwurf nicht alle richterlichen Mitglieder des Richterwahlausschusses von den Richtern gewählt werden, sondern weiterhin ein Präsident eines oberen Landesgerichts als geborenes Mitglied dem Gremium angehört, widerspricht meines Erachtens der Funktion der Richterwahl, durch Kontrolle und Balancierung der Richterpersonalpolitik die Neutralität und Unabhängigkeit der Recht sprechenden Gewalt gegenüber Exekutive und Legislative zu stärken und dem Verfahren der Richterbestellung Transparenz zu verleihen. Da sich die Richterwahl auch nach dem geänderten Gesetz auf die Zustimmung der erstmaligen Berufung des erprobten Proberichters in ein Richteramt beschränkt, was praktisch so gut wie nie den Fall der ablehnenden Entscheidung vorstellbar werden lässt, ist diese Fehlkonstruktion hinsichtlich der Zusammensetzung des Richterwahlausschusses wohl von keiner praktischen Bedeutung. Nur am Rande sei vermerkt, dass das Argument fehl geht, die Mitgliedschaft des Oberpräsidenten des jeweiligen Gerichtszweigs, für die die Berufung erfolge, sei wegen dessen Sachverstand notwendig. Dieser Sachverstand wird bereits dadurch berücksichtigt, dass er an der Beurteilung des Richters beteiligt ist, und diese Beurteilung wiederum die Grundlage des Vorschlags des Ministers bildet.

Bei den Aufgaben der Richterräte nach § 39 ist positiv festzustellen, dass nunmehr mit der Beschlussempfehlung eine qualifizierte Mitbestimmung in den Angelegenheiten der Nummer 6 bezüglich technischer Einrichtungen, die geeignet sind, das Verhalten oder die Leistungen der Richter zu überwachen oder zu erfassen, der Nummer 7 bezüglich der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten sowie der Nummer 9, also bei Maßnahmen, die Arbeitsmethoden am Arbeitsplatz der Richter betreffen, vorgesehen ist. Wir begrüßen dies ausdrücklich, weil es sich hier um Bereiche handelt, die einer Be

einträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit zugänglich sind. Wir sehen uns an dieser Stelle in unserer Auffassung bestätigt, dass die Beteiligung der Richterräte nicht nur lediglich eine personalvertretungsrechtliche Funktion erfüllt, sondern auch der Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit dient.

Unbeschadet dessen ist die Frage aufzuwerfen, weshalb der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung nicht auch in weiteren Angelegenheiten die volle Mitbestimmung vorsieht. Ich möchte hier hervorheben die Abordnung nach Nummer 3 des § 39 sowie die im Katalog des § 39 nicht berücksichtigten Angelegenheiten, wie die Berufung eines Richters zum Mitglied des Justizprüfungsamtes, die Bestellung eines Richters als Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für Rechtsreferendare und die Hinzuziehung eines Richters zu den dem Gerichtsvorstand zugewiesenen Geschäften der Gerichtsverwaltung. Bei den Abordnungen sieht der Gesetzentwurf auch in der abgeänderten Fassung lediglich die Mitwirkung vor und bei den drei von mir genannten Verwendungen sieht der Gesetzentwurf überhaupt keine Beteiligung vor. Abordnungen und die drei von mir genannten Verwendungen sind von erheblicher Bedeutung hinsichtlich der so genannten Richterbeförderung. Weil diese in aller Regel das Resultat einer Abfolge von Verwendungen außerhalb der Rechtsprechung und von Abordnungen sind, eröffnet sich hier der Exekutive ein weites Feld an Möglichkeiten, die Entscheidungen des Präsidialrates vorzusteuern. Durch ein subtiles System von Anreizen und Belohnungen lässt sich bekanntlich angepasstes Verhalten fördern, unangepasstes Verhalten durch die Nichtberücksichtigung bei karrierefördernden Personalentscheidungen bestrafen. Und, meine Damen und Herren, es leuchtet sicherlich ein, dass die persönliche Unabhängigkeit eines Richters dann nicht mehr gewährleistet ist, wenn er sich bei der Erfüllung seiner richterlichen Aufgaben vom Blick auf seine Karriere leiten lässt. Der Gesetzentwurf der Landesregierung hätte daher zumindest auch in diesen Angelegenheiten als Tatbestände der vollen Mitbestimmung im Interesse des Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit ausgestaltet werden müssen. Im Übrigen bleiben wir bei unserer Auffassung, dass man der Eigenständigkeit der dritten Gewalt nur gerecht wird, wenn sämtliche Beteiligungstatbestände nach § 39 der vollen Mitbestimmung unterliegen, wie dies im Gesetzentwurf meiner Fraktion der Fall ist.

(Beifall bei der PDS)

Einen weiteren erheblichen Mangel des Gesetzentwurfs sehen wir darin, dass keine Änderung hinsichtlich des Präsidialratsverfahrens vorgesehen ist. Es bleibt somit dabei, dass das Thüringer Richtergesetz in diesem Punkt über die verfahrensmäßigen Mindestanforderungen des Deutschen Richtergesetzes nicht hinausgeht und damit im Wesentlichen bei einem unverbindlichen Anhörungsrecht des Präsidialrats. Gänzlich unberücksichtigt blieb die Anregung der Präsidenten der obersten Landesgerichte in der Angelegenheit der Versetzung. Dort wurde näm

lich vorgeschlagen, die Beteiligung des Präsidialrats aus Gründen der Gewaltenteilung generell vorzusehen, und zwar auch dann, wenn dies von den Betroffenen nicht beantragt wurde.

Meine Damen und Herren, der Staatsanwaltschaft wurde offenbar im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens die Rolle des Stiefkindes zugewiesen. In dem in den Ausschuss eingebrachten Änderungsantrag der CDU-Fraktion wurden die Staatsanwälte offenbar vergessen mit dem Ergebnis, dass abweichend von der Regelung bei den Richtern in sämtlichen Personalangelegenheiten, d.h. nicht nur in den Angelegenheiten, bei denen bei den Richtern der Präsidialrat zuständig ist, sondern auch bei den in § 39 genannten Angelegenheiten der Hauptstaatsanwaltschaftsrat entsprechend den Vorschriften des Präsidialrats zu beteiligen und eben nur zu beteiligen ist. Damit werden, was die Wahrnehmung der kollektiven Interessen der Staatsanwälte durch die Staatsanwaltschaftsvertretungen anlangt, die Staatsanwälte nicht nur schlechter gestellt als die sonstigen Beamten, sondern auch schlechter gestellt als die Richter. Hinzu kommt die bundesweit einmalige Regelung, dass der Generalstaatsanwalt Mitglied kraft Amtes im Hauptstaatsanwaltschaftsrat ist, wenn dieser in Personalangelegenheiten zu beteiligen ist.

Meine Damen und Herren, im Ergebnis bleibt festzustellen, dass es der zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf bei einer Gesamtschau nicht verdient, als Fortschritt gegenüber der bisherigen unbefriedigenden Rechtslage bezeichnet zu werden. Meine Fraktion wird dem nicht zustimmen und, lassen Sie mich auch das in aller Deutlichkeit sagen, über diese Legislatur hinaus an den von mir für die PDS-Fraktion dargestellten justizpolitischen Positionen festhalten.

(Beifall bei der PDS)

Es hat jetzt das Wort die Landesregierung, Herr Minister Dr. Birkmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Thüringer Landtag berät heute in zweiter Lesung die Gesetzentwürfe für ein Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Richtergesetzes. Auch ich möchte die Kolleginnen und Kollegen der Richtervertretungen, der Richterverbände sehr herzlich begrüßen, die heute hier anwesend sind. Auch ich sehe in ihrer Anwesenheit ein sehr starkes Interesse an den Dingen, mit denen wir uns heute beschäftigen, und ich möchte es als ein Zeichen dafür werten, dass wir den Dialog, den wir in der Vergangenheit gepflegt haben, auch in Zukunft fortsetzen werden. Ich werde gleich unter diesem Aspekt in meinen Ausführungen auch einen Vorschlag unterbreiten.

Der Justizausschuss hat empfohlen, die Gesetzentwürfe von SPD und PDS abzulehnen und den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung des Änderungsantrags der CDU-Fraktion anzunehmen. Ich bin schon der Auffassung, wenn der Landtag dieser Beschlussempfehlung folgt, erhält Thüringen ein modernes, zeitgemäßes Richtergesetz, das den Belangen der Richterschaft und der Staatsanwälte ebenso Rechnung trägt wie den berechtigten Interessen der Justizverwaltung, die dem verfassungsrechtlichen Gebot der Justizgewährung verpflichtet ist.

Bereits vor der Einbringung in den Landtag gab es intensive und ausführliche Beratungen mit den Richter- und Staatsanwalträten sowie den Berufsverbänden. In einem auf Interessenausgleich und Beteiligung angelegten Dialog wurde so ein Regierungsentwurf erarbeitet, der bereits eine Reihe von Anregungen aufgenommen hatte. Die Dialogbereitschaft, mit der diese Gespräche im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens geführt wurden, war auch, so denke ich, eine gute Grundlage für die Anhörung im Justizausschuss. In der Anhörung erhielten die Richter- und Staatsanwaltschaftsräte und die berufsständischen Organisationen nochmals ausführlich Gelegenheit, sich zu den vorliegenden Vorschlägen zu äußern. Ich bin mir sicher, denjenigen, die daran teilgenommen haben, wird das hohe Niveau in Erinnerung bleiben und die große Sachlichkeit, mit der diese Anhörung durchgeführt wurde.

Bevor ich, Herr Abgeordneter Kretschmer, anstimmen wollte "Oh, du fröhliche..." zu singen, wie Sie das vielleicht angekündigt hatten, möchte ich doch noch einmal drei Regelungsbereiche des Gesetzentwurfs der Landesregierung näher darstellen und dabei deutlich zum Ausdruck bringen, welchen Weg wir für ein modernen Richtergesetz gewählt haben, aber auch darauf hinweisen, an welchen Stellen es Unterschiede zu den Gesetzentwürfen von PDS und SPD gibt. Und, Herr Abgeordneter Dr. Koch, das eine oder andere, was an Dissens besteht, hat etwas zu tun mit der unterschiedlichen Bewertung der Aufgaben und Funktionen und der Einordnung der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit. Je nachdem, wie man da die Weiche stellt, kommt man natürlich zu anderen Schlussfolgerungen. Das ist sicherlich einer der Gründe, weshalb wir dann in diesem Punkt nicht näher zusammengekommen sind und möglicherweise auch nicht zusammenkommen werden.

Lassen Sie mich als Erstes den Richterwahlausschuss ansprechen. Artikel 98 des Grundgesetzes stellt es den Ländern frei, ob sie bei der Richterernennung die Beteiligung eines Richterwahlausschusses vorsehen. Dementsprechend, es wurde heute bereits wiederholt gesagt, haben sieben Bundesländer auf die Einrichtung von Richterwahlausschüssen ganz verzichtet. Ich habe das auch bereits in meinen Ausführungen am 5. April und 17. Mai dieses Jahres im Einzelnen dargetan. Thüringen hat sich mit Artikel 89 Abs. 2 der Verfassung bewusst für die Einführung eines Richterwahlausschusses entschieden. Ich meine, dass der Richterwahlausschuss sich bewährt hat. Geändert wer

den soll nun aber die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses. Nach dem neuen § 14 ist vorgesehen, dass die Richter im Richterwahlausschuss unmittelbar beteiligt werden. So sollen zukünftig drei von der Richterschaft direkt gewählte Richter dem Richterwahlausschuss angehören. Mit der Aufnahme von gewählten Richtern in den Richterwahlausschuss wird einer zentralen Forderung der Richterverbände und Richtervertretungen entsprochen. Wir sind ganz bewusst der Forderung der PDS nicht gefolgt, den Richterwahlausschuss paritätisch mit Richtern und Abgeordneten zu besetzen, weil wir der Auffassung sind, dass sie dem Sinn und der Bedeutung des Richterwahlausschusses nicht gerecht würde. Das ist ein Punkt, Herr Abgeordneter Dr. Koch, der Richterwahlausschuss ist gerade kein Gremium richterlicher Interessenvertretung. Durch den Richterwahlausschuss und seine Beteiligung an der Ernennung von Richtern auf Lebenszeit soll vielmehr die demokratische Legitimation der dritten Gewalt bekräftigt werden. Daher ist die Zusammensetzung mit acht Abgeordneten richtig und sinnvoll. Hinzu kommt, dass eine derartige Neuregelung eine Änderung der Thüringer Verfassung voraussetzen würde, denn Artikel 89 der Thüringer Verfassung bestimmt, dass zwei Drittel der Mitglieder des Richterwahlausschusses vom Landtag gewählt werden. Gleiches gilt für eine Veränderung der Aufgaben des Richterwahlausschusses. Auch hier sind wir der Auffassung, dass eine Änderung der Verfassung nicht erforderlich ist. Der Richterwahlausschuss wird daher auch weiterhin an der Ernennung von Richtern auf Lebenszeit mitwirken. Eine Beteiligung bei Beförderungsentscheidungen, wie von SPD und PDS vorgeschlagen, lehnt die Landesregierung aber nach wie vor ab, weil dies zu einer nicht wünschenswerten Politisierung von Personalentscheidungen führen würde; dies aber wollen wir gerade nicht. Ich begrüße deshalb auch ausdrücklich, dass die CDUFraktion allen derartigen Versuchen von PDS und SPD eine klare Absage erteilt hat. In diesem Zusammenhang, Herr Abgeordneter Dr. Koch, glaube ich, war die Charakterisierung der Frage der Verwendung von Kolleginnen und Kollegen unter dem Aspekt der Belohnungen kein sachgemäßer Hinweis. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass weder die Justizverwaltung noch die Kolleginnen und Kollegen ihre Tätigkeit so bewerten.

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, die Erweiterung der Beteiligungsrechte von Richtern und Staatsanwaltsräten: Das neue Recht führt zu einem deutlichen Mehr an Beteiligung für Richter und Staatsanwälte. In einem umfangreichen Katalog mit insgesamt 22 Beteiligungstatbeständen wird abschließend festgelegt, in welchen Fällen die Richter und Staatsanwälte zu beteiligen sind. Die Beteiligung reicht von der Gestaltung der Richterarbeitsplätze über die Regelung der Ordnung der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten bis hin zu Maßnahmen zur Wahrung der Vorschriften über den Datenschutz am Richterarbeitsplatz. Kein Regelungskomplex, der für Richter und Staatsanwälte von Bedeutung ist, bleibt somit ohne Beteiligung der Richter und Staatsanwälte. Dies haben offensichtlich auch die Oppositionsfraktio

nen im Wesentlichen erkannt. In den wenigen Fällen, in denen sie weiter gehende Forderungen erhoben haben, kann diesen nicht gefolgt werden. Dies gilt beispielsweise für die Forderung, die Entscheidung über die Berufung eines Mitglieds für das Justizprüfungsamt - das ist heute noch einmal angesprochen worden - in den Beteiligungskatalog des § 39 aufzunehmen. Hier wird übersehen, dass es sich in diesem Fall um eine Frage der Qualifikation handelt, über die zu entscheiden ist. Das ist nicht Aufgabe der Richter und Staatsanwaltsräte, dies zu beurteilen.

Die Landesregierung begrüßt auch ausdrücklich die im Änderungsantrag der CDU-Fraktion vorgesehene Ausgestaltung des Beteiligungsverfahrens für die Richter und Staatsanwaltsräte. Der Abgeordnete Wolf hat den Inhalt des Antrags bereits ausgeführt. Mit ihrem Vorschlag knüpft die CDU-Fraktion an die tragenden Überlegungen der Landesregierung an, für Richter und Staatsanwälte aufgrund ihrer besonderen Stellung die Beteiligung eigenständig zu regeln und von einer undifferenzierten Eins-zu-Eins-Übernahme der Regelung des Personalvertretungsgesetzes abzusehen, wie dies die Vorschläge der Oppositionsfraktionen vorsehen.

Auch das erweiterte Beteiligungsverfahren wahrt den sich aus einer unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit ergebenden Abstand zwischen personalvertretungsrechtlichen Regelungen für Beamte, Angestellte und Arbeiter auf der einen Seite und der Sonderstellung der Richter und Staatsanwälte auf der anderen Seite. Diesem Abstandsgebot wird der Änderungsantrag der CDU-Fraktion gerecht, so dass er auch aus diesem Grund gutzuheißen ist.

Mit ihrem Änderungsantrag hat die CDU-Fraktion die Bereitschaft gezeigt, eine weitere Forderung der Verbände und Richter- und Staatsanwaltvertretungen aufzugreifen und den Ansatz der Landesregierung fortzuentwickeln. Ich hatte bei meinen verschiedenen Beiträgen gesagt, dass die Landesregierung sehr interessiert daran ist, zu einer Konsensuallösung zu kommen. Deswegen haben wir auch alle Anregungen, sowohl seitens der Richterschaft als auch seitens der Fraktionen, soweit sie aus unserer Sicht vertretbar erschienen, aufgenommen. Das ist ein Zeichen der Offenheit, mit der die Gespräche mit allen Beteiligten gesucht und gefunden wurden.

Die CDU-Fraktion hat für die Ausgestaltung der Beteiligung eine schlanke Regelung in § 44 vorgeschlagen, die von einer Überregulierung absieht und die das Verfahren eindeutig und klar regelt. Einem klaren und effizienten Verfahren dient auch die vorgeschlagene Einrichtung der Einigungsstellen auf der Ebene der Obergerichte. Im Gegensatz dazu wird in den Entwürfen von SPD und PDS eine Einigungsstelle auf Ministeriumsebene vorgeschlagen. Dies wollen wir nicht, sondern unterstützen hier die sachbezogene Anbindung auf der Ebene der Obergerichte.

Wenn seitens des Vertreters der SPD, Herrn Abgeordneten Kretschmer, moniert worden ist, dass für die Beset

zung des Vorsitzenden der Einigungsstelle wir den Präsidenten des Landesrechnungshofs vorgeschlagen haben, dann dachten wir, dass dies die notwendige Politikferne bekunden soll. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland sehr unterschiedliche Regelungen gibt in den einzelnen Ländern. Es gibt sowohl den Vorschlag, der dann zum Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs kommt in verschiedenen Ländern, in anderen Ländern zum Präsidenten des OVG und wieder in anderen Ländern zu den Bürgerschafts- oder Landtagspräsidenten. Sie sehen also, es ist bunt gescheckt und ich würde dem keine grundsätzliche Bedeutung beimessen, sondern darin das Bemühen sehen, dass wir eine geeignete Persönlichkeit finden wollten, die dies möglichst objektiv tut.

Auf einen weiteren Punkt möchte ich noch eingehen in diesem Zusammenhang: Wenn gesagt wurde, dass hier ein Letztentscheidungsrecht des Ministers dann vorgesehen ist, wenn gegen geltendes Recht verstoßen wird bzw. wenn die geordnete Rechtspflege in Gefahr steht, auch dies ist keine Thüringer Eigentümlichkeit. Zunächst einmal kann ich mich hier in die gute Gesellschaft des PDS-Änderungsantrags zu § 44 Abs. 5 bewegen, der gerade dies vorsieht; also sie sehen das vor, was wir hier auch machen wollen. Im Übrigen, damit es für Sie noch akzeptabler wird, Herr Abgeordneter Kretschmer: In § 48 b des Brandenburgischen Richtergesetzes, in dem immerhin einmal ein sehr bekannter Justizminister tätig war, der Ihrer Partei angehört, ist dies auch vorgesehen. Ich denke, auch das zeigt, dass wir uns bemüht haben, über Parteigrenzen hinweg vernünftige und gute Regelungen zu finden, die den Notwendigkeiten Rechnung tragen, die aber auch mit der notwendigen Objektivität versehen sind.

(Beifall Abg. Wunderlich, CDU)

In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals auf den gemeinsamen Ausschuss hinweisen. Mit der Bildung des gemeinsamen Ausschusses wurde einer weiteren Forderung der Richter- und Staatsanwaltsvertretungen und Verbände entsprochen. Die Hauptrichterräte, der Richterrat beim Finanzgericht und der Hauptstaatsanwaltschaftsrat bilden zukünftig zusammen den gemeinsamen Ausschuss, so geregelt in § 40 a unseres Gesetzes. Zu diesem gemeinsamen Ausschuss entsendet jede Richtervertretung und der Hauptstaatsanwaltsrat je ein Mitglied. Werden innerdienstliche soziale Angelegenheiten geregelt, die gleichermaßen Richter und Staatsanwälte betreffen und die einheitlich geregelt werden sollten, ist der gemeinsame Ausschuss anzuhören. Mit der gesetzlichen Verankerung dieses Gremiums findet die bereits bislang vor den Hauptrichterräten, dem Richterrat beim Thüringer Finanzgericht und dem Hauptstaatsanwaltsrat praktizierte Zusammenarbeit ihre rechtliche Anerkennung.

Drittens - mehr Flexibilität durch Teilzeit und Altersteilzeit sowie bei Beurlaubung aus familiären Gründen: Ich spreche dies ausdrücklich in diesem Zusammenhang an,

weil ich meine, dass es auch wichtig ist, dass wir die sozialen Belange unserer Kolleginnen und Kollegen bei dieser Gelegenheit regeln sollten. Das haben wir getan. Der Gesetzentwurf der Landesregierung schöpft die Möglichkeiten des Dienstrechtsreformgesetzes bewusst und gewollt aus. In den §§ 9 bis 10 c des Entwurfs werden Bestimmungen über Teilzeitbeschäftigung, Beurlaubung aus familiären Gründen, Beurlaubung aus Arbeitsmarktgründen, Teilzeitbeschäftigungen, Altersteilzeit auf Antrag und das Verbot von Benachteiligung bei der Inanspruchnahme von Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung aufgenommen. Dies führt zu mehr Flexibilität beim Personaleinsatz und trägt den individuellen Bedürfnissen der Richterinnen und Richter im Rahmen des Möglichen Rechnung. Dadurch wird auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessert. Hinzu kommt, dass Richter in Thüringen nunmehr auch von den Möglichkeiten der Altersteilzeit Gebrauch machen können, ein Umstand, der auch dazu geeignet ist, die beruflichen Perspektiven jüngerer Richter auf Sicht zu verbessern. Mit der Ermöglichung von Altersteilzeit auch für Richter geht Thüringen über das hinaus, was in anderen Ländern Standard ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch eine mir wichtige Anmerkung zu einer möglichen Einbeziehung - ich erwähnte eingangs, dass ich diese Überlegung hier noch sagen wollte - der Staatsanwälte in den Richterwahlausschuss machen, die auch Gegenstand der Beratungen war. Ich persönlich bringe für dahin gehende Überlegungen durchaus Sympathie auf, dies würde auch den besonderen Status der Staatsanwälte betonen und unterstreichen. Ob dieses Gremium, das die Stellung der Staatsanwaltschaft als eine allein dem Legalitätsprinzip verpflichtete Behörde zum Ausdruck bringen sollte, der Richterwahlausschuss oder eine andere Institution sein sollte, wäre zu hinterfragen; aber wir sind aufgrund rahmenrechtlicher Vorschriften derzeit daran gehindert, Entsprechendes umzusetzen. Vielleicht lohnt es sich indes, einmal gemeinsam mit den Richter- und Staatsanwaltsräten und den übrigen Beteiligten über entsprechende Weiterentwicklungen dieser rahmenrechtlichen Vorgaben nachzudenken.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Landesregierung, der Ihnen nunmehr zur Abstimmung vorliegt, stellt einen, meine ich, gelungenen Kompromiss zwischen der Wahrung von Gemeinwohlinteressen und der Wahrung berechtigter Gruppeninteressen dar. Er schafft die Voraussetzungen für eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit der Richter- und Staatsanwaltsvertretungen mit der Justizverwaltung. Und ich wiederhole noch einmal, was ich eingangs gesagt habe: Thüringen erhält mit dieser Novellierung des Richterwahlgesetzes ein modernes, zeitgemäßes Richtergesetz. Ich sage das mit gewissem Stolz auch mit Blick darauf, wie die Regelungen in anderen Ländern der Bundesrepublik sind. Ich glaube, Thüringen kann sich damit sehen lassen. Wir sind nicht am Ende, sondern, im Gegenteil, wir befinden uns mit dieser Entwicklung im oberen Feld.

Abschließend darf ich all denjenigen danken, die sich an den intensiven und ausführlichen Beratungen beteiligt haben. Mein Dank gilt in erster Linie den Mitgliedern des Justizausschusses, aber auch denjenigen Richtern und Staatsanwälten, die sich als Richterräte und Staatsanwaltsräte oder als Verbandsvertreter an der Debatte beteiligt und wertvolle Beiträge geleistet haben. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch einen herzlichen Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Justizministeriums sagen, die sich sehr intensiv mit dieser Materie beschäftigt und mir sehr geholfen haben, diesen Entwurf zu fertigen.