Liebe Kollegen, bis 2004 kann und sollte jedes Mitglied dieses Hauses, und dafür möchte ich ausdrücklich werben, aktiv an der Verbesserung der Chancengerechtigkeit von Frau und Mann mitwirken
und die, die Tag für Tag daran arbeiten, nämlich die vielen Gleichstellungsbeauftragten in ihrem Anliegen und in ihrer Arbeit unterstützen. Darum möchte ich Sie alle bitten und mich auch bei denen bedanken, die das bereits jetzt schon tun
und das engagiert tun und nicht aus Vernunftsgründen, sondern aus dem Herzen heraus, denn, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Gleichstellungspolitik bedarf der Leidenschaft und der Emotionen.
Chancengerechtigkeit für Frauen und Männer zu verwirklichen ist eine große spannende zukunftsträchtige Aufgabe. Liebe Kollegen, unterstützt uns, es wird euer Schaden nicht sein.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich freue mich natürlich, solch leidenschaftliche Ausbrüche hier im Parlament erleben zu dürfen, die einmal positiv besetzt sind und nicht immer nur negativ, von daher danke ich Frau Tasch für ihre Leidenschaft.
Meine Damen und Herren, bisher wurde in erster Linie festgestellt, dass ein Resümee des Gleichstellungsgesetzes zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich wäre. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Gesetz ausdrücklich den Zeitraum von sechs Jahren vorschreibt. Ihre Logik macht an gewissen Punkten durchaus Sinn, aber, ich denke, wenn man einfach einmal telefoniert, einfach einmal mit Gleichstellungsbeauftragten ins Gespräch kommt, einfach einmal mit Frauen vor Ort ins Gespräch kommt, merkt man natürlich ganz deutlich, dass das eben gerade so nicht der Fall ist, sondern dass natürlich auch jetzt schon zumindest eine erste Bilanz gezogen werden kann und in meinen Augen auch muss. Dann würde man nämlich erfahren, wenn man dieses Resümee erst einmal wirklich ehrlich zieht, dass das Gleichstellungsgesetz an vielen Punkten natürlich positive Errungenschaften mit sich gebracht hat. Die Stellung der Frauenbeauftragten wurde ausdrücklich gestärkt, das ist positiv. Dass es aber an anderen Stellen einfach noch nicht angekommen ist, ignoriert wird oder wirklich bis jetzt zur Seite geschoben wurde. Nach meinen Informationen gibt es sogar noch Kommunen, die noch nicht einmal einen eigenen Frauenförderplan erstellt haben. Von daher, denke ich, sollte man diese Ehrlichkeit haben, auch hier heute schon zu sagen, es gibt im Gleichstellungsgesetz Punkte, die verbessert werden müssen.
In der Debatte heute, das gebe ich ehrlich zu, haben die "alten Abgeordneten" natürlich durchaus Vorteile, sie waren bei der Erstellung des Gleichstellungsgesetzes dabei. Mir bleibt an dieser Stelle oftmals nur der Blick in die Protokolle und das Gespräch mit Zeitzeugen. Für mich ist die Frage, ob denn das Gesetz an vielen Stellen wirklich nur der Papiertiger ist, für den ihn viele halten und auch hielten. Vor drei Jahren hielt Frau Zimmer eine Rede, Herr Pietzsch erinnert sich vielleicht noch, er war damals Präsident, in der sie das Gesetz mit der Homöopathie verglich, mit einem ziemlich treffenden Vergleich, das Protokoll hat mich ziemlich erheitert. Es wäre für Sie vielleicht auch spannend, noch einmal nachzulesen. Der Vergleich mit Homöopathie ist an dieser Stelle, denke ich, ziemlich
treffend, weil man wunderbar darüber streiten kann, ob man denn mit solch homöopathischen Ansätzen, wo man Mittel so schwach einsetzt, dass sie kaum noch nachzuweisen sind, auch Effekte erzielen kann. Bei der Homöopathie bin ich mir inzwischen sicher, beim Gleichstellungsgesetz nicht ganz. Für mich stellte sich gerade zu Beginn meiner Vorbereitung auf diese Rede die Frage, was soll das Gleichstellungsgesetz eigentlich leisten? Dabei traf ich auf ein Zitat der damaligen Staatssekretärin, Frau Dr. Bauer, sie sagte, ich zitiere: "Ich bin überzeugt, dass das Thüringer Gleichstellungsgesetz einen wesentlichen Beitrag auf dem Weg in eine emanzipierte, partnerschaftliche, chancengerechte und familienfreundliche Gesellschaft leisten wird." Ein schöner Satz, finde ich. Die Frage ist, was ist daraus geworden? Unser tägliches Leben ist heute, jetzt und hier stark von einem patriarchalen System geprägt.
Meine Damen und Herren, schauen Sie sich einfach einmal um, schauen Sie sich um auf der Regierungsbank, schauen Sie sich um auf den Leitungsebenen in den Ministerien, schauen Sie sich auch selber um in der CDU-Fraktion.
Wir müssen doch an dieser Stelle ehrlich und frei feststellen, dass 90 Prozent der Thüringer Minister Männer sind. Ich weiß nicht, was das an dieser Stelle mit repräsentativer Demokratie zu tun hat, aber vielleicht erklären Sie mir das noch.
Das hat an dieser Stelle nichts mit Wahlen zu tun, weil nicht 90 Prozent der Minister vom Thüringer Volk gewählt wurden. Aber egal.
(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Aber es gibt kein Parlament in Deutschland mit drei Präsidentinnen.)
Genau um die Abschaffung dieser Benachteiligung sollte es im Thüringer Gleichstellungsgesetz gehen. Mir ist völlig klar, das gebe ich an dieser Stelle ehrlich zu, das geht nicht von heute auf morgen, aber drei Jahre sind eben nicht heute auf morgen. Ich denke, es müssten eigentlich inzwischen schon Punkte feststellbar sein, wo sich wirklich etwas getan hat.
Meine Damen und Herren, über die Umsetzung eines derartigen Gesetzes ist jederzeit positiv zu berichten, weil im Gleichstellungsgesetz unklare Zielvorgaben, Unverbindlichkeiten und bloße Absichtserklärungen jederzeit nach Belieben ausgelegt werden können. Das Thüringer Gleichstellungsgesetz wurde beschlossen, um eine zum damaligen Zeitpunkt längst überfällige Regelung der Situation
der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten zu finden. Dieses Ansinnen wurde durchaus umgesetzt. Ich denke, da sind auch im Gleichstellungsgesetz positive Punkte zu finden. Der Stellung ist jetzt wenigstens Rechtssicherheit gegeben. Es sollte primär weiterhin eine besondere Vorbildwirkung des öffentlichen Dienstes erreicht werden, bei der Abschaffung von Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen. Da ist für mich die Frage, inwieweit das erreicht wurde. Natürlich hat sich gerade im öffentlichen Dienst an einigen Stellen etwas getan. Wenn man sich das, auch wieder bezogen auf Ministerien, ansieht, gebe ich zu, sind meine Hoffnungen noch weiter gehend. Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, in Bildung oder Ausbildung, kann per Gesetz nicht abgeschafft werden, wenn die Inhalte dazu unzureichend und rückständig sind. Die Erkenntnis teilten schon Angehörige bei der Entwurfsdiskussion vor der Gesetzesverabschiedung. Die Ansätze im Gleichstellungsgesetz sind ja oftmals nicht falsch, das sage ich an dieser Stelle offen, aber in ihrer Unverbindlichkeit eben einfach nicht wirksam. Das sieht man z.B. am § 12, den Frauenförderplänen - ich möchte ganz kurz dazu kommen. Soweit der Frauenförderplan nicht verwirklicht worden ist, ist das Resümee also, dass die Dienststelle Gründe dafür im nächsten Frauenförderplan darzulegen hat. Wenn das kein Papiertiger ist, weiß ich nicht, wie das noch getoppt werden könnte. Erhebliche Defizite im Thüringer Gleichstellungsgesetz sieht die PDS-Fraktion weiter vor allem in diesen Punkten:
1. Es gibt innerhalb des Gesetzes keine Schutzmechanismen für Frauen, die vorrangig von Stellenabbau betroffen sind. Die in § 2 Abs. 2 getroffenen Regelungen weisen zwar in die richtige Richtung, bleiben aber dennoch, wie so vieles, eine bloße Absichtserklärung und unverbindlich. Die Chance, subjektive Rechtsansprüche von Frauen mit ergebnisbezogenen Regelungen zur Erhöhung des Frauenanteils zu kombinieren und zu sanktionieren, ist leider verpasst. Die PDS-Fraktion spricht sich für eine Novellierung des Gesetzes aus, besonders hinsichtlich folgender Punkte: Wir wollen eine verbindliche Regelung der Frauenförderung, die individuell einklagbar ist und auf eine Erhöhung des Frauenanteils in unterrepräsentierten Bereichen abzielen soll und die Sanktionen, wenn das nicht der Fall ist, ermöglicht. Wir brauchen moderne Regelungen in Bezug auf klare festgeschriebene Kompetenzen von Gleichstellungsbeauftragten zur Stärkung ihrer Position. Ich denke, das müsste nach drei Jahren auch möglich sein.
Wir fordern die Modernisierung der Regelung der öffentlichen Auftragsvergabe. Diese muss auch unter dem Gesichtspunkt der Verpflichtung des Antragstellers, Frauenund Familienförderung in seinem Unternehmen umzu
setzen, erfolgen. Ausgehende Bewilligungsbescheide sind durch das Land mit entsprechenden Auflagen zu versehen. Die Europäische Union macht es uns an dieser Stelle vor. Ich denke, da kann man wirklich von der EU lernen. Im Gleichstellungsgesetz muss sich Thüringen für ein Diskriminierungsverbot von Frauen bei Arbeit, Ausbildung, Bildung und in anderen Bereichen aussprechen, klare Positionen beziehen und Flagge zeigen.
Meine Damen und Herren, im Protokoll war für mich nachzulesen, dass es zur Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes gerade aus der CDU-Fraktion auch insoweit Probleme gab, dass man dachte, die Kommunen würden zu stark belastet. Das ist für mich außerordentlich schade, dass gerade der Abgeordnete Wunderlich, der das in einer persönlichen Erklärung noch einmal klar gemacht hat, für mich jetzt hier nicht zu finden ist im Raum.
Doch das ist verwunderlich, Herr Ramelow. Ich denke, an dieser Stelle müssen wir Herrn Wunderlich ganz eindeutig sagen, diese Gefahr scheint gebannt. In den Kommunen ist nicht wirklich die Revolution ausgebrochen. In den Kommunen hat nicht wirklich die Gleichstellungsbeauftragte dazu geführt, dass die Kassen jetzt leer sind.
Thüringen braucht kein Gleichstellungsgesetz, das sich ein Alibimäntelchen umhängt, sondern eins, das klare Zielvorgaben und Absichten enthält, das Verbindlichkeiten schafft und das auch bis hinunter in die Privatwirtschaft wirkt, soweit das möglich ist. Dazu möchte ich noch einmal kurz Frau Bauer zitieren, Sie hat manchmal durchaus schöne Sätze gesagt. "Der Gesetzgeber ist gefordert, den notwendigen Bewusstseinswandel durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen überall dort zu fördern, wo ihm Einflussnahme möglich und unmittelbare Verantwortung übertragen ist." Wie ich finde, sehr schön gesagt.
Ich habe die Hoffnung, dass spätestens aufgrund des endgültigen Berichts der Landesregierung, was spätestens im November 2004 sein wird, eine Gesetzesnovellierung erfolgen wird, um die Unverbindlichkeiten an vielen Stellen zu beseitigen. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es hat sich im Nachhinein als ein glücklicher Umstand erwiesen, dass der Antrag der SPD zum Gleichstellungsgesetz und die Anträge von CDU, SPD und PDS zu Gender Mainstreaming gemeinsam heute als ein Tagesordnungspunkt beraten werden.
Gleichstellung von Frauen und Männern und Gender Mainstreaming stehen nämlich in unmittelbarem Zusammenhang. Die tatsächliche Durchsetzung der Gleichstellung hat etwas mit Geschlechterdemokratie zu tun. Ohne das Verstehen und Verinnerlichen von Gender Mainstreaming kann Gleichstellung nicht funktionieren.
Das sind meine Erkenntnisse aus den letzten Monaten intensiven Befassens mit Gender Mainstreaming. Ich werde speziell später zu den Tagesordnungspunkten darauf eingehen. Die Befassung mit der Problematik der Umsetzung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes ist trotzdem dringend geboten. Meine Fraktion weiß, dass erst nach sechs Jahren eine große Berichterstattung zum Gleichstellungsgesetz erfolgen soll, d.h. am Ende dieser Legislaturperiode, und dass demzufolge auch keine Berichterstattung in dem vollen Umfang zu erwarten war. Aber das Thüringer Gleichstellungsgesetz ist seit drei Jahren in Kraft und es lohnt schon, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen, sie ist auch gerechtfertigt. Aus diesem Grund möchte ich noch einmal hervorheben, dass sich der Landtag mit unseren Forderungen in unserem Antrag zum Gleichstellungsgesetz befassen sollte, weil dringender Handlungsbedarf besteht. Frau Wolf hat hier schon einiges genannt.
Ich möchte Ihnen drei gravierende Probleme, die in den letzten Monaten sichtbar geworden sind nach Teilnahme an Landesfrauenkonferenzen, Gesprächen mit Frauenbeauftragten, Gleichstellungsbeauftragten nennen; die drei allerwichtigsten.
1. Die Bestellung von kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und Frauenbeauftragten ist nicht zufrieden stellend, was eine Übersicht, die uns die Landesregierung übergeben hat zu der Bestellung der Frauenbeauftragten, kommunaler Gleichstellungsbeauftragter hier auch gezeigt hat. Die Willkür der obersten Dienstherrn im Umgang mit den Kompetenzen von Gleichstellungsbeauftragten und Frauenbeauftragten, die Diskriminierung ihrer Rechte und Pflichten ist hier sehr, sehr deutlich und klar geworden.