Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Ich frage die Landesregierung:

1. Wann wird bzw. wann wurde gegenüber der Kreditanstalt für Wiederaufbau die erforderliche Garantieerklärung im Original abgegeben?

2. Welche Ursachen hat die zeitliche Verzögerung der Abgabe der Garantieerklärung des Landes?

3. In welchem finanziellen Umfang wurden Investitionen durch die nicht abschließende Bearbeitung der Förderanträge zum Wohnraum-Modernisierungsprogramm II verzögert?

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Scherer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Höhn beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Garantieerklärung wurde am 20. Februar 2002 abgegeben.

Zu Frage 2: Das von der KfW übermittelte komplexe Vertragswerk bedurfte einer eingehenden Überprüfung. Insbesondere musste das Ausmaß der Risiken für den Freistaat Thüringen für den Fall der Inanspruchnahme bei einer Überziehung des Risikofonds geprüft werden. Änderungswünsche des Freistaats zum Vertragszweck erforderten erneute Abstimmungen mit der KfW. Der neue Förderungsgegenstand "Abriss von Gebäuden" bedeutet erhöhte Risiken bezüglich der dinglichen Sicherung und des Ausfalls dieser Darlehen. Deshalb wird bei der KfW für den Bund und das jeweilige Land ein Risikofonds gebildet. Sollten die Ausfälle im jeweiligen Land nicht mehr durch diesen Risikofonds abgedeckt werden, übernehmen der Bund und die betreffenden Länder zu jeweils 50 Prozent die uneingeschränkte und unbedingte Haftung gegenüber der KfW. Dazu haben die Länder u.a. eine Garantieerklärung abzugeben. Diese Verfahrensweise ist erst relativ spät vor der ursprünglich geplanten Unterzeichnung des ersten Nachtrags am 16.12.2001 den Ländern unterbreitet worden durch die KfW. Das nun ergänzte Gesamtvertragswerk in seinen einzelnen Elementen erforderte die bereits erwähnten zusätzlichen Abstimmungen zwischen der KfW, dem Bund und dem Freistaat. In diesem Zusammenhang sind aus den zum 16.12.2001 vorgelegten Vertragsunterlagen weitere Einzelfragen des europäischen Beihilferechts sowie des Haushaltsrechts aufgetreten, die vor Unterzeichnung einer Klärung bedurften. Inzwischen sind alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen worden, so dass seit dem

11. März 2002 die Ausreichung von Darlehen durch die KfW erfolgen kann.

Zu Frage 3: Dem Freistaat Thüringen ist für die Erweiterung des Programms ein fester Verfügungsrahmen als Anteil in Höhe von 16,1 Prozent = 24,15 Mio. geräumt worden. Für diesen Verfügungsrahmen liegen bisher keine Anträge aus Thüringen bei der KfW vor.

Es gibt keine weiteren Nachfragen, es gibt auch keine weiteren Anfragen mehr. Demzufolge schließe ich den Tagesordnungspunkt 14.

Ich komme zum Aufruf des ersten Teils des Tagesordnungspunkts 15

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: "'Wer heute seine Frau verprügeln will, wird an ihrer Stelle keinen Ausländer angreifen' - oder das Verhältnis der PDS zur Gewalt" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/2236

Als erster Redner hat sich für die PDS-Fraktion der Abgeordnete Dr. Koch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, nach § 93 der Geschäftsordnung muss eine Aktuelle Stunde ein bestimmtes Thema bezeichnen und von aktuellem und allgemeinem Interesse sein. Zweifellos ist das Verhältnis von PDS zur Gewalt ein Thema von allgemeinem Interesse. Ich sehe das zunächst ganz pragmatisch. Wenn mehr als ein Fünftel der Thüringer Wählerinnen und Wähler der PDS ihre Stimme geben, wollen sie dieses Verhältnis geklärt haben. Und wenn die PDS um weitere Wählerstimmen wirbt, muss man die Position der PDS zur Gewalt wieder und wieder deutlich machen, und zwar zunächst aus eigenem Selbstverständnis, aber auch, weil die politische Konkurrenz die PDS gern in die Nähe des Extremismus, des Terrorismus und der Gewalt stellt. Ich will deshalb die hier gegebene Gelegenheit gern nutzen und namens meiner Fraktion, die die PDS in diesem Landtag repräsentiert, wenn auch zum wiederholten Male erklären, dass die PDS Gewalt als Mittel der Konfliktbewältigung ablehnt, sei es zwischen unterschiedlichen Staaten, unterschiedlichen Kulturen, auf der politischen Ebene oder im unmittelbaren sozialen Bereich.

(Beifall bei der PDS)

Gewalt, meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Dann darf man es aber nicht sagen.)

und da werden Sie mir möglicherweise zustimmen, ist keine dauerhafte Basis, weder für das Neben- oder Miteinander verschiedener Völker und Kulturen noch im mikrosozialen Bereich. Wir von der PDS belassen es aber nicht dabei, Gewalt als Mittel der Konfliktbewältigung abzulehnen, sondern wir bringen uns ein in die gesellschaftliche Diskussion, nach Mitteln und Wegen zu suchen, Gewalt als gesellschaftliches Phänomen zu verhindern, also Gewaltprävention zu betreiben. Wir führen diese Diskussion außerhalb des Parlaments. So können Sie beispielsweise am 20. März um 17.30 Uhr an diesem Ort, in diesem Haus, einen Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema "Psychosoziale Ursachen von Gewalt und Fremdenhass" um Ihre Anwesenheit und möglicherweise um Ihren konstruktiven Diskussionsbeitrag bereichern. Auch auf unserer Fachtagung "Familie und Gesellschaft" am 23. März an dieser Stelle darf ich hinweisen, Sie sind herzlich eingeladen. Meine Damen und Herren, wir führen diese Diskussion natürlich auch im Parlament. In diesem Zusammenhang - es ging bekanntlich um die Arbeit der Koordinierungsstelle Gewaltprävention - hat mein Kollege Dr. Hahnemann im Februarplenum darauf hingewiesen, dass bei Ursachen der Gewalt und Motivation für Gewalt zu differenzieren ist und eine Prävention, die diese Differenzierungen berücksichtigt, vermutlich wirksamer ist als eine Prävention, die dieses nicht tut. Meines Erachtens ist das eine Binsenweisheit, gesagt von der PDS-Fraktion. Was macht nun die CDU-Fraktion damit? Mangels Sachargument dagegen reißt die CDU-Fraktion einen Satz aus der Rede meines Kollegen Dr. Hahnemann heraus, löst ihn aus seinem Kontext, interpretiert in diesen Satz einen anderen Inhalt hinein, attackiert dann diesen anderen Inhalt, dem man dem Redner, über diesen der PDSFraktion

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Das Protokoll lesen, Herr Koch.)

und natürlich der PDS in Gänze zuschreiben möchte. Diffamierung statt Auseinandersetzung!

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Sie diffamieren, Herr Koch.)

(Beifall bei der PDS)

Ich will gar nicht darüber streiten, meine Damen und Herren, ob man diesen einen Satz, der Ihnen als Aufhänger für die Aktuelle Stunde diente, missverstehen kann oder nicht, der Böswillige kann alles missverstehen. Aber wer sich die Mühe macht, auch noch zwei, drei Sätze vor und nach diesem Satz aus der Rede meines Kollegen Dr. Hahnemann nachzulesen - wenn Sie Ihnen am Abend der Rede möglicherweise entgangen sind -, wird zwingend zu dem

Ergebnis kommen, dass nur Böswilligkeit eine andere Interpretation zulässt, als sie vom Redner gemeint war.

(Beifall bei der PDS)

Böswilligkeit, meine Damen und Herren, als Ersatz für fehlendes Sachargument! Gleichwohl, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, bin ich Ihnen dankbar für dieses Thema der Aktuellen Stunde, weil dadurch zweierlei ganz deutlich wird: Erstens, wenn Sie schon zum Mittel der bewussten Fehlinterpretation greifen müssen, um der PDS Nähe zur Gewalt anzudichten, kann die PDS nicht nah der Gewalt sein. Zweitens, hätten Sie nicht diese Aktuelle Stunde beantragt, käme Ihre Fraktion in der Tagesordnung gar nicht vor. Es könnte leicht der Eindruck entstehen, als wären Sie verzichtbar. Aber glauben Sie mir bitte eins, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, als politischen Konkurrenten möchte ich Sie nicht verlieren.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Bechthum zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Thema der Aktuellen Stunde beschäftigt uns seit der letzten Plenarsitzung im Februar bis heute. Warum? Es ging um einen Antrag der SPD-Fraktion zur Arbeit der Koordinierungsstelle Gewaltprävention. Herr Hahnemann hat in seiner Rede für die PDS zwei Sätze gesagt, die in diesem Haus zunächst Fassungslosigkeit und dann Empörung auslösten. Sie lauteten, ich zitiere, Frau Präsidentin: "Die Motivation für Gewalt im sozialen Nahraum und rassistische Übergriffe sind jeweils anders gestrickt. Wer seine Frau verprügeln will, wird an ihrer Stelle keinen Ausländer angreifen." Die versuchten Erklärungen zu Ihren Aussagen, Herr Hahnemann, machten alles noch schlimmer.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich weiß - da kennen wir uns lange genug -, dass diese Aussagen nicht die Meinung der PDS-Mitglieder sind. Da kenne ich viele genug. Ich weiß, Frau Wolf ist mit im Gleichstellungsausschuss. Herr Koch, warum suchen Sie jetzt nach solchen Erklärungen? Hätten Sie gesagt, das war ein Ausrutscher, das hätte nicht passieren dürfen, das ist nicht unsere Meinung, wäre das ehrlich gewesen. Unser aller Ziel, meine Damen und Herren, muss sein - auch nach der Koordinierungsstelle Gewaltprävention -, als Erstes physische Gewalt von Kind an zu vermeiden. Es hat kein Mensch das Recht, einen anderen Menschen zu schlagen, ihm körperliche Gewalt anzutun. Mit dem Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung, kurz das Gewaltächtungsgesetz, das im Jahr 2000 in Kraft getreten ist, wurde die Rechtslage geändert und eine unmissverständliche

Botschaft verkündet. Gewalt ist kein Mittel der Erziehung. Kinder zu schlagen, sie körperlich oder seelisch zu verletzen, zu vernachlässigen, sie zu entwürdigen, ist gesetzlich verboten. Wissenschaftliche Untersuchungen, Studien, Gespräche, Interviews mit Jugendlichen, die wegen rechtsextremistischer Gewalttaten, wegen fremdenfeindlicher Aktionen verurteilt worden sind, belegen eindeutig gesellschaftliche Benachteiligung, Selbstwertverletzungen, dazu gehört auch Vernachlässigung. Frustrationen tragen unbestritten zur Entstehung von Gewaltbereitschaft bei, allerdings in der Regel nur in Verbindung mit Lernerfahrungen nach Ullrich Wagner und Rolf van Dieck. Wer ist schuld, wer ist in die Verantwortung zu nehmen, wer begünstigt oder erschwert den Erwerb physisch aggressiver Verhaltensweisen? Für Kinder und Jugendliche sind dies die Eltern, die Schule, Gruppen von Gleichaltrigen und die Medien. Physisch aggressive Menschen haben häufig selbst Gewalterfahrung in ihren Familien gemacht und ahmen die erfahrenen Aggressionen nach. Der Konsum von Medien mit aggressivem Inhalt ist eine wichtige Ursache für das Erlernen und Ausführen physisch aggressiver Verhaltensweisen. Die Verantwortung der Familie ist richtig, aber oft haben die Eltern aggressiver Kinder selbst physische Gewalt erlitten und es ist auch nachgewiesen, viele Eltern sind einfach erziehungsunfähig. Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden; Schule, Eltern, Medien können dazu beitragen. Wenn aggressives Verhalten durch Lernerfahrung entsteht, dann muss auch der Abbau physischer Aggressionen durch Lernprozesse möglich sein. Wer sich gesellschaftlich benachteiligt fühlt, wer kein Selbstwertgefühl hat oder wer aus anderen Gründen frustriert ist, reagiert auf fremdenfeindliche Aussprüche wie: "Es gibt zu viele Ausländer in Deutschland." oder "Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg." aggressiv und hat auch keine Hemmungen, seinen Unmut mit körperlicher Gewalt auszudrücken. Und derselbe Mann schlägt auch seine Frau und seine Kinder. Die Ursachen für physische Gewalt sind dieselben und es gibt keine Gewalt erster oder zweiter Klasse.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wir müssen uns gegen jegliche Gewalt in der Gesellschaft stellen, uns auseinander setzen sowohl präventiv als auch mit direkter konkreter Gewalt und uns hier dieser Diskussion auch stellen. Wer heute "Das Parlament" bekommen hat, es macht genau das ersichtlich, was wir heute hier auch beraten. Ich möchte nur aus diesem einen doch sehr interessanten Bericht etwas zitieren: "Die Anfälligkeit jüngerer Jugendlicher für den Rechtsextremismus ist deutlich. 13- bis 15-Jährige werden für die rechte Szene rekrutiert." Aber man hat auch festgestellt, dass im Grunde der braune Straßenterror zur Egostabilisierung männlicher Jugendlicher scheinbar attraktive Aggressionsmöglichkeiten bietet. Man hat aber auch festgestellt, Immunität gegen Rechts ist durch intakte, stabile, durch Vertrauen und Akzeptanz ausgezeichnete Beziehungen zu den Eltern möglich. Wenn Kinder ihre Eltern als potenzielle Ansprechpartner bei persönlichen Problemen ansehen und auch ein

stabiles, kompetenzbezogenes, selbstkritisches Selbstbildnis und eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung vor allem in der Schule erleben, dann werden sie auch davon befreit sein und werden auch nicht zuschlagen. Ich denke, das sind Erfahrungen, die wir auch nutzen sollten. Wir sind alle dabei, uns hierfür stark zu machen, präventiv zu arbeiten. Wir sollten die Arbeit der Koordinierungsstelle in dieser Hinsicht auch sehr unterstützen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Tasch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Äußerungen von Dr. Hahnemann im Plenum am 21.02. sind auch nach dem Schönreden von Dr. Koch weiter für uns unerträglich.

(Beifall bei der CDU)

"Wer seine Frau verprügeln will, wird an ihrer Stelle keinen Ausländer angreifen", dies ist kein einmaliger Ausrutscher und auch nicht ein aus dem Zusammenhang herausgerissenes Zitat, aber es gab auch keine Konsequenzen, nicht einmal eine Entschuldigung für eine solch frauenfeindliche Äußerung.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Nur, dass Sie damals bei der ersten Erwiderung gar nichts darauf erwidert haben.)

Es macht eines ganz klar deutlich, wie vollkommen ideologisiert Herr Hahnemann ist. Ein Abgeordneter, der so etwas in diesem hohen Haus sagen kann, ist eine Schande für Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

Und ich verstehe auch die Kolleginnen der PDS überhaupt nicht, vor allen Dingen Frau Wolf, Sie kann ich überhaupt nicht verstehen. Fühlen Sie sich durch eine solche Äußerung vertreten? Das kann doch nicht wahr sein. Aber es scheint wahr zu sein, denn Herr Hahnemann hat sich ja ein zweites Mal hinreißen lassen, um seine frauendiskriminierenden Ansichten noch zu untermauern. Ja, doch, Sie waren doch hier dabei. Frau Präsidentin, ich zitiere: "Es ist eben ein Unterschied, ob jemand seine Frau prügelt oder ob jemand einen Ausländer aus rechtsextremistischen Gründen verprügelt. Das ist nicht die gleiche Gewalt." Zitat Dr. Hahnemann. Und für diesen skandalösen Satz, verehrte Kolleginnen und Kollegen, gab es Applaus von der PDS, nachzulesen im Plenarprotokoll, wer das möchte.

(Beifall bei der CDU)

Der gleiche Abgeordnete, der diese Äußerung hier zweimal abgelassen hat - ich muss das so sagen -, lädt am 11.03. zusammen mit Frau Abgeordneten Wolf in das Zentrum "Gewalt an Frauen in Erfurt" zum Thema "Was tun gegen häusliche Gewalt?" ein, am Montag. Also, da hat es mir die Sprache verschlagen. So viel Unverfrorenheit, so viel Frechheit, so viel Scheinheiligkeit habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt.

(Beifall bei der CDU)