Protokoll der Sitzung vom 14.06.2002

Danke für die Berichterstattung. Ich eröffne die Aussprache über den Antrag in Drucksache 3/1878. Sie wollen den Bericht halten?

(Zuruf Abg. Bergmann, CDU: Nein, das machen wir nicht!)

Ich dachte, vielleicht machen wir das umgedreht, wir machen erst die Beschlussempfehlung, weil da nämlich das Berichtsersuchen sozusagen enthalten ist. Selbstverständlich, Herr Minister, Sie können sprechen, wann Sie wollen, aber ich hatte gedacht, die Reihenfolge ist anders herum richtig. Ja, die Landesregierung, Herr Kretschmer, kann reden, wann sie will. Dann bitte, Herr Minister.

Ich bin Ihnen sehr verbunden, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Europäische Union steht in den nächsten Jahren vor einschneidenden Herausforderungen. Herausforderungen, die nur durch eine Stärkung ihrer Handlungsfähigkeit, eine Erhöhung der Effizienz europäischen Handelns sowie eine deutliche Verbesserung der Transparenz und der demokratischen Legitimation der Europäischen Union gemeistert werden können. Herausforderungen, die aber vor allem auch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit erfordern, wenn wir sie bewältigen wollen. Eine Herausforderung, die nicht nur die Nationen, sondern gerade auch die Regionen betrifft. Deswegen ist es wichtig, dass wir heute über die Weiterentwicklung der europäischen Öffentlichkeitsarbeit sprechen. Deswegen stelle ich heute gerne das Konzept der Landesregierung vor.

Die Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, liegen auf der Hand: Mit der Euro-Bargeld-Einführung zum 1. Januar 2002 wurde die europäische Wirtschaftsund Währungsunion für die Bürgerinnen und Bürger konkret greifbar. Die Erwartungen, die die Bürgerinnen und Bürger in einen Erfolg der gemeinsamen Währung setzen, sind hoch. Zugleich wächst gerade angesichts der Folgen des 11. September und gerade nach den Erfahrungen, die wir bei den kriegerischen Auseinandersetzungen und Menschenrechtsverletzungen im ehemaligen Jugoslawien gemacht haben, das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und der Wunsch nach einer starken Europäischen Union im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie bei der Prävention und Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität. Im Übrigen wird auch die anstehende Erweiterung der Europäischen Union auf 25 und mehr Mitgliedsstaaten dem Integrationsprozess eine neue Dimension verleihen.

Die Landesregierung tritt nachdrücklich für die Fortsetzung des europäischen Einigungsprozesses ein. Wir wollen ein starkes und wir wollen ein handlungsfähiges Europa. Gemeinsames Ziel von Landtag und Landesregierung muss ein föderal organisiertes Europa sein, ausgerichtet nach dem Subsidiaritätsprinzip. Eine an diesen Prinzipien orientierte Europäische Union gewährleistet, dass die Balance zwischen dem Integrationsgedanken einerseits und der Anerkennung kultureller Vielfalt, regionaler Identitäten und nationaler Traditionen andererseits gelingen kann.

Die Bürgerinnen und Bürger bei uns in Thüringen, aber auch in anderen Ländern sehen die Notwendigkeit, in einigen Bereichen mehr und mehr zu europäischen Lösungen zu kommen. Sie sehen aber auch Widersprüche. Europa regelt heute in einigen Themenbereichen letzte Details und erzürnt damit die Bevölkerung. Europa trifft dagegen in Überlebensfragen keine Grundsatzregelungen, wie beispielsweise bei einer gemeinsamen Sicherheitspolitik. Konkret gesagt: Es ist einem Thüringer Bauern nur schwer

klar zu machen, dass die Milchquote nicht vom Landwirtschaftsminister des Freistaats Thüringen festgelegt wird, sondern von einem Kommissar in Brüssel, dessen Namen er nicht kennt, den er nie gesehen und auch nie gewählt hat. Es ist einem Unternehmen mit 20 oder 50 Mitarbeitern nicht zuzumuten, dass die Frage, ob in schwieriger Situation Förderung gewährt werden darf oder nicht, erst nach monatelangen Antragsbemühungen in Brüssel entschieden werden kann. Es ist nicht zumutbar, dass diese Frage vielfach erst dann entschieden wird, wenn der Betrieb in Insolvenz gegangen ist. Ist es denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, wirklich notwendig und sinnvoll, in Brüssel die parzellenscharfe Abgrenzung von Naturschutzgebieten vorzunehmen oder sollte das nicht vielmehr durch die bürgernahe Verwaltung vor Ort geschehen? Diese Situation muss überwunden werden, wenn wir erreichen wollen, dass die Zustimmung der Bevölkerung zur Europäischen Union nicht nur auf Dauer hält, sondern sogar wächst! Denn leider schlagen sich die Folgen dieser Unzufriedenheit bereits nieder. Zwar halten nach den jüngsten europaweiten Umfragen mehr als 62 Prozent der Deutschen die Mitgliedschaft in der EU für einen Vorteil, aber leider, leider sind die Zahlen im Trend rückläufig.

Auf die konkrete Nachfrage, ob die Entscheidungen der Europäischen Union gut für Deutschland sind, antworten nur noch 38 Prozent der befragten Deutschen mit Ja. 16 Prozent geben sogar an, dass sie die Entscheidungen im Allgemeinen schlecht finden. Damit liegen die Deutschen in der Zustimmung leicht unter dem EU-Durchschnitt und in der Europaskepsis leicht über dem Schnitt. Wenn nach der Sympathie gefragt wird, die die Deutschen gegenüber der EU empfinden, wird das Ergebnis noch gravierender. Hier liegt der Wert für Deutschland deutlich unter dem Durchschnitt aller 15 EU-Mitgliedsstaaten. Bei einer Differenzierung nach den jungen und den alten Ländern in Deutschland ist die Akzeptanz der EU in Ostdeutschland darüber hinaus deutlich geringer als in Westdeutschland. Nur Briten, Finnen und Schweden sind skeptischer. Dabei sollte uns vor allem eines zu denken geben: Je höher der Bildungsgrad der Befragten ist, desto eher werden die Entscheidungen der Europäischen Union als gut bewertet. Eine Feststellung, die vor allem auch zeigt, dass es gilt, komplizierte Vorgänge in der Europapolitik, komplizierte Interessenlagen verständlich, transparent und nachvollziehbar darzustellen. Die Bedeutung dieser Aufgabe ist nicht hoch genug einzuschätzen, denn die Europäische Union bleibt eine Jahrhundertaufgabe, eine Aufgabe, bei der es um Zukunft in Wohlstand, Sicherheit und Freiheit geht.

Der Europäische Ehrenbürger und Altbundeskanzler Helmut Kohl hat in Anlehnung an ein Zitat von Francois Mitterand immer wieder betont, dass der europäische Einigungsprozess eine Frage von Krieg und Frieden sei. Erst kürzlich erinnerte der baden-württembergische Ministerpräsident Teufel, der die deutschen Länder im Konvent zur Zukunft der EU vertritt, an die kriegreiche deutsch-französische Geschichte. Diese Zeiten sind überwunden, ein

Krieg zwischen Freunden und Partnern in der EU ist zum Glück undenkbar geworden. Gerade deshalb muss um die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger jeden Tag neu geworben werden. Sie erwarten zu Recht eine angemessene Vermittlung und Darlegung europapolitischer Maßnahmen auf der europäischen, der nationalen und der Landesebene. An einem Mangel an Informationen kann es kaum liegen. Es gibt vielmehr eine kaum überschaubare Zahl von Broschüren, Infobriefen und Ähnlichem. Ich glaube vielmehr, es besteht ein erhebliches Verständnis- und Kommunikationsproblem, das einhergeht mit der mangelnden Identifikation der Bürger mit dem europäischen Einigungsprozess.

Die Vertiefung der Europäische Union muss gemeinsam von Politik und Bürgern getragen werden. Sie darf kein "Elitenprojekt" sein, sondern sie muss vielmehr als "Bürgerprojekt" wahrgenommen werden. Es reicht nicht zu fordern, dass die Europäische Union demokratischer, bürgernäher und transparenter werden soll. Es gilt auch den Bürgern zu verdeutlichen, wie das geschehen soll. Unsere Aufgabe ist es deshalb, die Arbeitsweise der Europäischen Union und ihre Vorzüge gegenüber einem bloßen Nebeneinander der Staaten für die Bürgerinnen und Bürger plastisch und alltagsbezogen erkennbar und erfahrbar zu machen! Eine immer bessere Verzahnung der Maßnahmen auf europäischer, auf Bundes- und Landesebene ist dafür unumgänglich. Die Beteiligung an einer intensiven und enger verzahnten europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit sollte auch der kommunalen Ebene offen stehen. Zugleich aber auch allen, die sich in Thüringen im Rahmen ehrenamtlichen Engagements in Vereinen, in den verschiedensten Institutionen für die Ziele der europäischen Integration einsetzen.

Auf dieser Grundlage hat das Thüringer Kabinett am 28. Mai 2002 ein Konzept zur Weiterentwicklung der europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit verabschiedet. Ein homogenes Konzept, das Synergien nutzt und mit dem die Landesregierung nachhaltige profilbildende Maßnahmen zum weiteren Ausbau der europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit verfolgt. Dieses Konzept ergänzt die aktive Europapolitik der Landesregierung. Denn selbstverständlich ist die beste Öffentlichkeitsarbeit und die beste Werbung für Europa, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihre Interessen in den nationalen und den europäischen Gremien effizient und wirkungsvoll vertreten sehen.

Die Landesregierung hat bereits zu Beginn der Legislaturperiode eine Strategie zu den wesentlichen europapolitischen Herausforderungen beschlossen. Im Mittelpunkt unseres Konzepts zur europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit steht: "Bündelung und Bürgernähe"! Die Staatskanzlei koordiniert in Zusammenarbeit mit allen Ressorts die europapolitische Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung zur Förderung des Europagedankens in Thüringen. Die einzelnen Ressorts stehen darüber hinaus als Ansprechpartner für fachspezifische Europafragen bereit. Mit dem Thüringenbüro in Brüssel steht eine kompetente Anlaufstelle direkt am Standort der wichtigsten EU-Institutionen zur

Verfügung. Zusätzliche Informationsangebote werden von der Landeszentrale für politische Bildung erarbeitet und verbreitet. Der Landesregierung geht es bei der Umsetzung ihres Konzepts zur europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit darum, Synergieeffekte zu erzielen. Denn die künftige Zusammenarbeit soll stärker auf die Bündelung und Vernetzung der unterschiedlichen Maßnahmen ausgerichtet werden. Zu den wichtigsten Partnern der Landesregierung gehören neben dem Thüringer Landtag, den Europaabgeordneten Thüringens, den Kammern der gewerblichen Wirtschaft, den kommunalen Spitzenverbänden, den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, auch die Jugendorganisationen sowie die Europaverbände in Thüringen. Unsere Intention ist es, nach dem Prinzip "Europa in Thüringen - Thüringen in Europa" die Zielgruppen über aktuelle EU-Politik und zukünftige Vorhaben der EU umfassend und kompetent zu informieren. Hierzu gehören insbesondere die Erweiterung der Europäischen Union sowie die Weiterentwicklung des europäischen Integrationsprozesses und die Diskussion um die künftige Verfasstheit der EU.

Anliegen der Landesregierung ist es, Interesse für eine aktive Beschäftigung mit der Europäischen Union zu wecken. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Schüler und Jugendlichen, weil sich gerade ihnen im europäischen Umfeld größere Lebenschancen und erweiterte berufliche Perspektiven eröffnen. Chancen, die sie nur nutzen können, wenn sie Europakompetenz besitzen, wenn sie über Ziele, Aufbau und Notwendigkeit der europäischen Institutionen, aber auch über Mentalitäten, Arbeitspraktiken und ausländische Märkte informiert sind. Diesem Ziel dient nicht zuletzt der Dialog von Mitgliedern der Landesregierung mit Schülerinnen und Schülern im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe "Jugend trifft Politik", die wir im März letzten Jahres begonnen haben. Eine Veranstaltung, die nicht nur das Interesse an der Politik, sondern auch das Interesse an der Europäischen Union wecken soll.

Die Offenheit für Europa ist gerade in dieser Generation besonders groß: Bei einer Befragung im Rahmen des Thüringen-Monitors hat sich der überwiegende Teil der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen als "Europäer" bezeichnet. Nur vier von zehn jungen Menschen waren nach einer EU-weiten Umfrage in den letzten beiden Jahren noch nicht in einem anderen europäischen Land. Inzwischen spricht jeder zweite Jugendliche eine Fremdsprache. Die Begeisterungsfähigkeit der Thüringer Schülerinnen und Schüler für Europa zeigt sich eindrucksvoll auch in der zahlreichen Teilnahme am jährlichen europäischen Wettbewerb "Europa in der Schule". Thüringen nimmt seit 1994 an diesem Vergleich teil. In dieser Zeit beschäftigten sich sage und schreibe 67.000 Schüler in schriftlichen oder bildnerischen Arbeiten mit den vorgegebenen Europathemen. Allein in diesem Jahr haben sich 8.148 Schülerinnen und Schüler aus 30 Grundschulen, 22 Regelschulen und 16 Gymnasien beteiligt. Die Jury konnte 63 Arbeiten für Preise auf Bundesebene vorschlagen und davon wieder 10 Arbeiten mit mehrtägigen Jugendbegegnungen prämieren.

Man kann also sagen, das kleine Thüringen kann damit auf eine eindrucksvolle Bilanz verweisen und nimmt im Vergleich der Länder bundesweit den dritten Platz ein.

(Beifall bei der CDU)

Die Schülerinnen und Schüler Thüringens engagieren sich darüber hinaus aktiv in einer stetig wachsenden Zahl von internationalen Schulpartnerschaften. Aktuell werden 804 Schulpartnerschaften gepflegt, darunter 16 mit Essex und 28 mit der Picardie. Zum Vergleich: Im Jahre 1991 waren es insgesamt erst 41 Partnerschaften. Die Landesregierung legt einen besonderen Schwerpunkt auf internationale Schülerbegegnungen - allein im Jahr 2001 waren es insgesamt 172. Aber auch den Austausch von Schülern, Auszubildenden und Studenten nehmen wir sehr wichtig. Die Beteiligung an den EU-Programmen Erasmus, Leonardo, Sokrates und Tempus ist in Thüringen entsprechend positiv; Programme, die jungen Menschen den Zugang zu ergänzenden Ausbildungsabschnitten im europäischen Ausland erleichtern. Sie führen Menschen zusammen, die morgen das Sagen haben, machen sie fit für den europäischen Wettbewerb. Eine fundierte Ausbildung öffnet Türen - Bildung entscheidet über Lebenschancen.

Die Thüringer Staatskanzlei führt deshalb auch gemeinsam mit der Carl Duisberg-Stiftung einen Landeswettbewerb für Europaprojekte und Berufsausbildung durch. Ein Wettbewerb, der nur im Freistaat existiert und der bereits seit 1996 durchgeführt wird. Inzwischen beteiligen sich rund 47 Thüringer Einrichtungen der beruflichen Bildung mit alljährlich über 100 Jugendlichen an bisher über 80 europäischen Austauschprojekten. Der Aufruf für den Wettbewerb 2002 ist bereits veröffentlicht. In diesem Jahr wird die für den 29. September geplante Präsentation der Wettbewerbsbeiträge erstmals mit einer Kooperationsbörse verbunden, an der Vertreter unserer französischen Partnerregion Picardie teilnehmen werden.

Thüringen, meine sehr verehrten Damen und Herren, lebt nicht für sich allein. Wenn es darum geht, Synergien zu nutzen und Aktivitäten zu bündeln, dann bieten sich vor allem auch bilaterale Aktionen mit anderen deutschen Ländern an. Wir haben eine solche bilaterale Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen durchgeführt und weitere Aktivitäten, beispielsweise mit Hessen, geplant.

Am 5./6. Mai 2002 haben die Thüringer und die niedersächsische Landesregierung gemeinsam mit der Europäischen Kommission eine internationale Konferenz in Teistungen veranstaltet. Dabei standen die Osterweiterung der Europäischen Union und die Gewährleistung der inneren Sicherheit für Bürger und Wirtschaft im Mittelpunkt. Rund 250 Teilnehmer, darunter die Haushaltskommissarin der Europäischen Kommission Frau Dr. Michaele Schreier, und Experten der Europäischen Union von Bund und Ländern sowie den Beitrittsländern haben über Themen wie Haushaltskontrolle und Rechnungsprüfung in der EU, über das Schengener Abkommen, die Geldwäschegesetzgebung,

Betrugsbekämpfung und Europol diskutiert. Eine Konferenz, die bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf große Resonanz gestoßen ist. Eine Konferenz, die zugleich dazu beigetragen hat, Vorbehalte und die Zurückhaltung gegenüber der Erweiterung der Europäischen Union abzubauen. Auch für das nächste Jahr haben wir eine solche gemeinsame Veranstaltung mit einem Nachbarland vorgesehen. Gemeinsam mit der hessischen Landesregierung werden wir eine Konferenz zu den Aufgaben und Zielen des Konvents zur Zukunft der Europäischen Union durchführen.

Veranstaltungen wie diese zeigen: Es geht eben nicht nur um "reine Information", es geht auch darum, den Dialog und die breite Diskussion über europapolitische Themen zu forcieren. Es geht um den Meinungsaustausch, um das Mitreden im wahrsten Sinne des Wortes. Vorbildwirkung hat dabei die Art und Weise, wie dieser Dialog im Zusammenhang mit dem Konvent zur Erarbeitung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geführt worden ist. Ein gutes Beispiel, das mit dem nunmehr installierten Forum beim Konvent zur Zukunft der EU fortgeführt wird. Ein gutes Beispiel, das die Thüringer Landesregierung im Rahmen ihrer haushaltspolitischen Möglichkeiten mit der Etablierung regionaler Thüringer Foren zur Europapolitik weiterentwickeln wird.

Ein neues Thema - Internet und Vernetzung: Selbstverständlich müssen in der europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit auch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien eine wichtige Rolle spielen. Das Internet weist gerade für den europapolitischen Bereich neue Wege, weil es Interaktion erlaubt, weil es ermöglicht, dass Informationsmaßnahmen sofort evaluierbar werden, weil es eine sehr umfassende, detailreiche, aber zugleich nachvollziehbare, ansprechende und nicht selten auch spannende Darstellung europapolitischer Themen ermöglicht. Die Landesregierung strebt deshalb an, die ressortspezifischen Aktivitäten zur europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit auch in diesem Medium zu bündeln, besser zu verknüpfen und europapolitische Themen möglichst benutzerfreundlich darzustellen. Ein Beispiel für die Nutzung dieses Informationsmediums Internet ist die Präsentation des Thüringenbüros Brüssel, ich sage noch einmal die Internetadresse: http://www.thueringeninbrüssel.de. Schlaglichtartig zu nennen sind hier der laufend aktualisierte Newsletter, in dem aus der Nachrichtenfülle der EU gezielt Meldungen zusammengestellt und möglichst verständlich formuliert werden, solche Meldungen, die in Thüringen von Interesse sein können, Herr Ramelow, ein Europalexikon, mit derzeit 76 kurz und verständlich formulierten Definitionen zu europapolitischen Fachbegriffen sowie entsprechenden Links zu allen relevanten Webseiten. Zur vertiefenden Darstellung und Erläuterung der komplizierten Abläufe europapolitischer Entscheidungen werden z.B. verschiedene Rechtsetzungsverfahren in der EU beschrieben.

Als spezielle Service-Angebote haben wir darüber hinaus zwei Rubriken für Studierende und Schüler angeboten. Die Internetseite "Karriere in Europa" soll denjenigen weiterhelfen, die eine Tätigkeit bei der EU anstreben, einen Praktikumsplatz suchen oder sich einen Überblick über Europastudiengänge verschaffen möchten. Die Rubrik "Kinder und Schule" stellt Europalinks für Kinder ab dem Grundschulalter, aber auch für Eltern und Lehrer vor und kommentiert und bewertet das Informationsangebot.

Die technologische Vernetzung, die Nutzung des Internet, ist eine Möglichkeit zur europapolitischen Information. Menschliche Netzwerke kann das Internet hier wie in anderen Bereichen nur ergänzen, aber nicht ersetzen. Deswegen setzen wir selbstveständlich auf eine enge Zusammenarbeit mit den Partnern und Multiplikatoren.

Dafür will die Thüringer Staatskanzlei im Zusammenwirken mit den Ressorts bestehende Netzwerke zur europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit festigen und die Entstehung neuer Netzwerke fördern. Mit der optimierten europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit soll die Bevölkerung in allen Teilen des Freistaats, in allen Bereichen und in allen gesellschaftlichen Gruppen noch besser erreicht werden. Unsere Adressaten und Multiplikatoren sind die regionalen und lokalen Politiker, die Behörden und Verwaltungen des Landes und der Landkreise, die Städte und Gemeinden, die Wirtschafts- und Sozialpartner, die Wirtschaftsorganisationen, die Kammern, die Verbände, die kirchlichen Einrichtungen, die Bildungseinrichtungen, die wissenschaftlichen Institutionen und Hochschulen, die Kultureinrichtungen, die Verbraucherschutzorganisationen, die Wohlfahrtsverbände, die Banken und Sparkassen und selbstverständlich auch die Medien.

Um alle Zielgruppen zu erreichen, ist die Einbeziehung von Multiplikatoren unumgänglich. Mit eigenständigen Initiativen, Veranstaltungen und Informationsangeboten unterstützen und ergänzen Multiplikatoren und Netzwerke die europapolitische Öffentlichkeit der Landesregierung erheblich. Wie gut dieses Zusammenwirken funktioniert, stellt alljährlich die Europawoche unter Beweis. Sie bleibt weiterhin ein Höhepunkt der europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit in Thüringen, gerade weil hier durch Veranstaltungen in allen Teilen des Freistaats ein breiter Interessentenkreis erreicht wird. Die Europawoche in Deutschland ist ein Gemeinschaftsprojekt der Länder mit der Vertretung der Europäischen Kommission und dem Informationsbüro des Europäischen Parlaments in Deutschland. Im Jahr 2002 fand sie nun bereits zum achten Mal statt. Das Thüringer Programm hat 75 Veranstaltungen umfasst. Inhaltliche Schwerpunkte waren dieses Jahr einerseits die bevorstehende EUErweiterung und andererseits Fragen zur Zukunft der EU, wie sie im Rahmen des Konvents 2 diskutiert werden. Eine Reihe von Veranstaltungen widmete sich der kulturellen Vielfalt in Europa. In den zahlreichen Schulungsveranstaltungen stand im Mittelpunkt, Kenntnisse und Informationen zu den EU-Institutionen, den Mitgliedstaaten und den Beitrittsländern zu vermitteln.

Ein Beispiel: Mit Unterstützung der französischen Botschaft und Thüringer Sponsoren, wie z.B. der Sparkasse und dem Kaufhaus Anger 1, war eine ganze Veranstaltungsreihe dem "Frühling mit Frankreich im Freistaat Thüringen" gewidmet. Die Reihe hatte auch einen Ableger in Nordthüringen mit dem "Französischen Frühling in Nordhausen", ein Beispiel dafür, wie lebendig und bürgernah europapolitische Öffentlichkeitsarbeit gestaltet werden kann.

Natürlich finden auch Europaveranstaltungen außerhalb der Europawoche statt. Aber die Konzentration dieser vielseitigen Veranstaltungen in einer Woche hat sich bewährt, weil sie die Wahrnehmung der europapolitischen Angebote bei den Bürgern und bei den Medien verstärkt hat. Auch im kommenden Jahr wird die Landesregierung mit Vereinen, Kammern und Verbänden, aber auch mit den Vertretern der Gemeinden und Städte, für Schulen und Hochschulen im Vorfeld der Europawoche die aktuellen Schwerpunkte der Europapolitik beraten und daraus Veranstaltungsideen entwickeln, die in das Programm der Europawoche 2003 aufgenommen werden sollen.

Nun zum Herzstück, dem Europäischen Informationszentrum in Thüringen, kurz EIZ: Im Zuge der Vernetzung und Bündelung wird das Europäische Informationszentrum Thüringen (EIZ) stehen, das wir mit Unterstützung der Europäischen Kommission im Erfurter Haus Vaterland einrichten werden. In Thüringen wird das zweite Informationszentrum in Deutschland entstehen. Nur Niedersachsen war etwas schneller. Die Europäische Kommission unterstützt inhaltlich und finanziell dieses europaweite Netzwerk der Info-Points-Europe (IPE). Bereits jetzt sind die Info-Points-Europe bzw. die europäischen Informationszentren online mit sämtlichen europäischen Organen und Einrichtungen verbunden. Den Bürgerinnen und Bürgern stehen damit nicht nur die Printmedien der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Ministerrats zur Verfügung, sie können darüber hinaus online mit sämtlichen Dienststellen der Europäischen Union kommunizieren. Das EIZ wird Bestandteil des europaweiten Netzwerks der Info-Points-Europe sein. Für Europafragen aller Art soll das EIZ kompetenter Ansprechpartner werden und folgende Leistungen anbieten:

- eine öffentlichkeitswirksame Präsentation und Publikation von EU-Informationen sowie die Sammlung und Archivierung zu speziellen EU-Themen,

- die Vorbereitung und Durchführung von EU-Informationsveranstaltungen und Öffentlichkeitskampagnen zu einzelnen EU-Themen,

- die Koordinierung der Veranstaltungen zur jährlichen Europawoche,

- die Vermittlung von Beratungsmöglichkeiten in EU-Angelegenheiten, insbesondere die Begleitung von Thüringer EU-Projekten bei Vereinen, Verbänden und Kammern

und schließlich

- eine intensive Beratung und Hilfe bei der Organisation und Durchführung von EU-Informationsveranstaltungen in allen Teilen Thüringens.

Das EIZ soll allen europapolitisch Aktiven und Interessierten offen stehen. So wollen wir einen zentralen Anlaufpunkt in Thüringen schaffen, der die europapolitischen Interessen und Sorgen, aber auch die Erwartungen der Thüringerinnen und Thüringer an den europäischen Einigungsprozess aufnimmt und an die zuständigen Ansprechpartner auf Landes-, auf Bundes- und auf Europaebene weiterleitet.

Daneben werden die bewährten und erfolgreichen Formen der europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit koordiniert und abgestimmt fortgesetzt. Ein Spektrum, das von den Europaaktionen der Ressorts der Thüringer Landesregierung über Informationsveranstaltungen und Ausstellungen, Unternehmerforen, Kulturveranstaltungen, Fachtagungen, Diskussionsrunden, Aktionstagen und Info-Ständen bis hin zu einem umfangreichen Publikationsangebot reicht. Eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen wird dieses Konzept untersetzen. Beispielhaft ist dabei an folgende Vorhaben gedacht, die im Rahmen der jeweils zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel vorbereitet und kurz- bis mittelfristig durchgeführt werden sollen. Geplant ist eine Konferenz zum Thema "Thüringen im Reformprozess und die Zukunft der Europäischen Union". Im Rahmen der Multiplikatorenschulung soll den Multiplikatoren und Mittlern aus dem Bereich der Jugendarbeit ein Seminar zu aktuellen Themen des europäischen Reformprozesses angeboten werden. Dieses Seminar soll vom EIZ in Kooperation mit den Vertretungen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments in Berlin durchgeführt werden in enger Zusammenarbeit mit den Europaverbänden in Thüringen wie z.B. dem Europaforum Westthüringen und der europapolitischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte in Weimar. Der internationale Workshop zum Thema "Gewalt in den Medien: Gegenstrategien vor dem Hintergrund der Erweiterung der Europäischen Union" hat nach dem Verbrechen am Gutenberg-Gymnasium eine ganz neue Brisanz erhalten. Er soll gemeinsam mit unseren Partnern in Polen, Tschechien und Ungarn sowie mit Unterstützung des Bundesministeriums für Jugend und der Europäischen Kommission stattfinden. Ein Workshop, der als Plattform für den Dialog zwischen Vertretern von Familienverbänden, Jugendorganisationen, Medienvertretern, Internetdienstleistern, Repräsentanten von Kirchen sowie Staatsanwälten und Jugendrichtern dienen soll.

Die internationale Konferenz "Die Zukunft von Tourismus und Hotellerie vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung" wird im Rahmen des EU-Programms "InterReg III" im April nächsten Jahres durchgeführt. Es werden dabei rund 250 Hoteliers aus unseren Nachbarländern in Mittel- und Osteuropa zu einem Erfahrungsaustausch und zu einer Kooperationsbörse erwartet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung will mit dem vorliegenden Konzept eine besondere Anstoßwirkung erzielen, selbstverständlich und ohne jeden Anspruch auf ein "Informationsmonopol". Die vielfältigen eigenständigen Europaaktivitäten von Kommunen, Verbänden, Vereinen und den Akteuren der Zivilgesellschaft bleiben ein unverzichtbarer Bestandteil der Förderung des Europagedankens in Thüringen. Carlo Schmid, einer der leidenschaftlichsten Europabefürworter und einer der herausragendsten Nachkriegspolitiker der SPD hat einmal gesagt: "Wir alle irren, wenn wir glauben, wir könnten Europa schaffen, indem wir es halb schaffen. Wenn Europa werden soll, dann muss man aufs Ganze gehen, dann muss man Europa zu einer ökonomischen, politischen und konstitutionellen Einheit machen."

Ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, füge hinzu: Ohne eine breite Öffentlichkeitsarbeit, die ebenfalls aufs Ganze geht, die die Europäische Union in ihrer Notwendigkeit für eine friedliche Zukunft in ihren Perspektiven für Sicherheit und einen angemessenen Wohlstand, für soziale Gerechtigkeit, für die Freiheit aller Europäer, für die Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde darstellt, werden wir Europa nicht schaffen können. Denn die Idee eines geeinten Europas war immer auch eine Idee der Bürgerinnen und Bürger. Politiker wie Adenauer, de Gasperi, Jean Monnet, Helmut Kohl und andere haben mit Realismus und Augenmaß zum Bau des gemeinsamen Hauses "Europa" beigetragen. Sie wären dabei nicht so erfolgreich gewesen, wenn diese Idee nicht von Menschen mitgetragen worden wäre, und zwar mit Leidenschaft und mit Engagement. Die Verantwortung, dass das geeinte Europa gelingt, trifft uns alle: Deswegen bitte ich Sie, gehen Sie mit uns aufs Ganze, unterstützen Sie die Landesregierung nach Kräften bei der europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit! Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, würden Sie mir noch eine Frage beantworten sozusagen zu meiner Erleuchtung und auch für das Protokoll? Es gibt in der Beschlussempfehlung, die wir ja noch abstimmen müssen, einen Passus, in dem die Landesregierung gebeten wird, dieses Konzept zur Weiterentwicklung der europäischen Öffentlichkeitsarbeit vorzustellen. Kann ich davon ausgehen, dass Sie sozusagen in einem besonderen Entgegenkommen uns gegenüber dieses erbetene Konzept jetzt schon gegeben haben, oder wollen Sie dann, nachdem die Beschlussempfehlung abgestimmt ist, noch einmal?

Frau Präsidentin, ich bin immer dafür dankbar, wenn ich zur Erinnerung und Erleuchtung beitragen darf. Ich interpretiere gern Beschlüsse und Beschlussempfehlungen aus

Landtagsausschüssen. Die Beschlussempfehlung, die Ihnen vorliegt, hat zwei Teile, einen bereits beschlossenen Teil und einen bereits ergänzten Teil. Daraus erklärt sich, dass ich jetzt eine Verpflichtung erfüllt habe, die bereits vor der heutigen Plenarsitzung bestanden hat. Insofern waren wir nicht - wie immer - unserer Zeit voraus, sondern setzten nur einen bereits gefassten Beschluss um.

Sie setzen ihn um und wollen aber dann noch einmal zu Wort kommen?

Ich behalte mir das vor, wie das immer nach der Geschäftsordnung möglich ist, dass ich mich dann noch einmal zu Wort melde.

(Beifall bei der CDU)