Protokoll der Sitzung vom 13.09.2002

in Thüringen sind viele positive Entwicklungen seit 1990 erfahrbar.

(Beifall bei der CDU)

Es sei Ihnen unbenommen, an dieser Stelle kräftig zu applaudieren.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Darüber kann man auch berichten.)

Wir haben den Bericht der Landesregierung zu den vielen positiven Entwicklungen zur Kenntnis genommen und ich habe auch die Ausführungen von Frau Tasch zur Kenntnis genommen, die aus ihrer Sicht völlig richtig sagt, es geht ihr besser. Ich gebe zu, auch uns in der Fraktion - wir haben als Frauen kurz darüber geschwatzt - geht es nicht schlecht. Frau Tasch, ich glaube aber, wir sollten uns unserer privilegierten Lage hier im Landtag auch durchaus bewusst sein.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Dafür brau- chen wir uns nicht zu schämen.)

Ich habe nicht gesagt, wir sollten uns dafür schämen. Ich habe gesagt, wir sollten uns der privilegierten Lage bewusst sein.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wir haben doch alles dargelegt. Wir haben auch hart daran gearbeitet.)

Wenn ich hier die Zahl lese, dass das Durchschnittseinkommen im Moment bei Arbeitnehmerinnen und Angestellten in Thüringen bei 1.600   &  eben nicht den repräsentativen Durchschnitt darstellen. Das sollte man einfach auch bedenken.

(Beifall bei der PDS)

Von daher befürchte ich, dass Ihre Worte an vielen Stellen wie Hohn in den Ohren der vielen arbeitslosen Frauen klingen. Die Arbeitslosigkeit ist enorm gestiegen, vor allem eben bei den Frauen. Die Frauenerwerbsquote ist nun einmal seit 1991 von 75 Prozent auf 58 Prozent zurückgedrängt. Das heißt, wir haben inzwischen bundesdeutschen Durchschnitt erreicht und an der Stelle bin ich nicht besonders stolz darauf. Viele Frauen fühlen sich eben im Bereich der Gleichstellung ganz bewusst als Verliererinnen der Vereinigung.

(Beifall bei der PDS)

Die Landesregierung ist in meinen Augen bisher nicht im beherzten Kampf gegen diese Zurücksetzung aufgefallen. Natürlich gibt es Ausnahmen, ganz klar, aber die Breite der Landesregierung - und hier nehme ich die Gleichstellungsbeauftragte ausdrücklich aus - fällt an dieser Stelle nicht auf. Meine Damen und Herren, ich vermute, es ist nicht das Hauptanliegen Ihres Antrags, realistisch über die Fragen der Gleichstellung und der Entwicklung in den letzten Jahren zu diskutieren.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist eine Unterstellung!)

Eigentlich - dieser Verdacht drängt sich auf - wollen Sie das Thema aus wahltaktischen Gründen hier auch noch einmal beleuchten.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das kann nur eine falsche Vermutung sein.)

An einer wahren Problemlösung zur Abwanderung sind Sie wahrscheinlich nicht interessiert.

(Beifall bei der PDS)

Die sachliche und tatsächliche Einschätzung der Situation in Thüringen steht hier scheinbar nicht im Vordergrund.

Meine Damen und Herren, noch einige Bemerkungen zum Zustandekommen der heutigen Debatte. Frau Bechthum hat die Debatte ausdrücklich gelobt. Ich gebe zu, dass eine Debatte über so ein Thema ausgesprochen wichtig und notwendig ist. Das Vorgehen ist an dieser Stelle doch eher merkwürdig. In einer scheinbaren Nacht- und Nebelaktion schreiben Sie hier einen Antrag zusammen.

(Unruhe bei der CDU)

Sie sind scheinbar auch getroffen, von daher war die Annahme vielleicht doch nicht so falsch.

(Beifall bei der PDS)

Mit demselben Handstreich setzen Sie diesen Tagesordnungspunkt noch auf einen vorderen Platz im Plenum. Wenn Sie doch auch einmal ohne Wahlkampf so vehement für die Belange der Frauen kämpfen würden.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Es sind doch Beispiele genannt worden.)

Ich hatte diesen Antrag am Dienstag auf dem Tisch liegen. Der Antrag kam genau in der Woche als wir alle im Ausland weilten. Ich hatte einen Tag Zeit, um mich auf Ihren Antrag vorzubereiten.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Dafür braucht man sich nicht vorzubereiten.)

Herr Kretschmer, bereiten Sie sich nicht auch auf Berichte der Landesregierung vor, die geliefert werden?

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Da müssen Sie mal hinhören.)

Das ist dann vielleicht auch ein Armutszeugnis. Aber das hat eben nicht nur etwas mit Respekt zu tun, der hier dem hohen Haus entgegengebracht wird, sondern das hat auch etwas mit Familienfreundlichkeit zu tun, denn für meine Familie war in den letzten zwei Tagen einfach keine Zeit mehr.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, Frauen in Thüringen sind nach wie vor strukturell benachteiligt. Darüber kann selbst der schönste Bericht der Landesregierung nicht hinwegtäuschen. Im Übrigen, Frau Meier, ich möchte ausdrücklich sagen, Ihr Abriss war an den Stellen, an denen Sie eingegriffen haben, durchaus gut. Er war angemessen und realistisch. Kritik übe ich an den Stellen, zu denen Sie nichts gesagt haben, zum Beispiel habe ich zum Bereich der allein Erziehenden nichts vernommen.

Möchten Sie eine Frage stellen? Bitte, Frau Abgeordnete.

Frau Wolf, da Sie gerade von Armutszeugnis gesprochen haben, in Ihrer Entschließung in Punkt 2 sprechen Sie von der Landesfrauenbeauftragten. Würden Sie mir Recht geben, dass diese Bezeichnung seit einem Jahr nicht mehr korrekt ist?

Ich gebe Ihnen natürlich Recht und gebe zu, dass dieser Fakt von uns falsch beschrieben ist und einfach vorkommt, weil, Sie wissen es selber, wir hier in Thüringen sehr lange eine Frauenbeauftragte hatten. Auch wenn das wahrscheinlich nicht alle gemerkt haben. Aber dazu will ich mich jetzt hier nicht äußern. Aber Sie haben Recht.

(Unruhe bei der CDU)

Wer wie die CDU-Fraktion von einem frauen- und familienfreundlichen Bundesland spricht und die strukturellen Benachteiligungen nicht oder eben nur unzureichend klar benennt, hat eigentlich kein oder zumindest ein sehr unzureichendes Problembewusstsein. Nehmen wir die Situation der ungleichen Bezahlung von Frauen und Männern, der Chancengleichheit im Beruf oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Solange solche Benachteiligungen und Diskriminierungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, in Bildung oder Ausbildung nicht konsequent und verbindlich angegangen werden, solange wird sich an der Situation in Thüringen nichts ändern oder eben nicht unbedingt zum Positiven.

Die PDS-Fraktion hat schon in den letzten Reden zur Gleichstellung gesetzliche Verankerung vorgeschlagen, wie z.B. ein Diskriminierungsverbot von Frauen bei Arbeit, Ausbildung und Bildung einzuführen. Wir wollen klare Sanktionen, um somit eindeutig Position zu beziehen, auch für den Bereich der Privatwirtschaft.

Meine Damen und Herren, die Studie des DGB zur Situation der Frauen in Thüringen hat klar benannt, dass wir hier eine niedrige Erwerbsquote von Frauen haben. Bei all Ihrer Kritik, die Sie an der Studie hatten, konnten Sie die Fakten nicht widerlegen. Es sind einfach Fakten, die aufgrund der Basis des Landesamtes für Statistik errechnet wurden.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Im Vergleich fehlt aber die Angabe der anderen neuen Bundesländer.)

Wir müssen doch nicht immer nur in die anderen neuen Bundesländer gucken, wo man an der Stelle auf Thüringen schaut.

(Beifall bei der PDS)

Um eine Situation einzuschätzen reicht doch erst einmal der Blick auf die Thüringer Fakten. Da verstehe ich nicht,

was Sie an der Stelle kritisieren, denn die Fakten sind nun einmal eindeutig. Die Zahlen können Sie auch nicht anders interpretieren. Sie sind im Übrigen auch vom DGB nicht in der Weise interpretiert worden. Dauerarbeitslosigkeit von Frauen wird als Dauerproblem benannt und die Chancen für Frauen, schnell einen Arbeitsplatz zu erhalten, liegen bei 1 zu 10. Die Erwerbslosenquote der unter 25-Jährigen liegt für mich bei gigantischen 15,6 Prozent. Hier müssen Lösungen gefunden werden.

Und es wird jedem klar, dass nur so der Abwanderung und damit dem Ausbluten der Gesellschaft entgegengetreten werden kann. Frauen werden auch in Thüringen immer mehr in Teilzeitarbeitsplätze gedrängt. Meine Damen und Herren, ich möchte hier auf keinen Fall Teilzeitlösungen verdammen. Auch in meinem Umfeld wählen viele Frauen und Männer bewusst kürzere Arbeitszeiten. Aber, meine Damen und Herren, es muss auf Freiwilligkeit beruhen. 52 Prozent der Frauen in Teilzeit wollen eigentlich Vollzeit arbeiten. Hier hat eben auch die Landesregierung Spielraum. Gerade für Frauenberufe gibt es oft keine Vollzeitchancen - Lehrerinnen, Hortnerinnen, Kindergärtnerinnen.

(Beifall bei der PDS)

Hier könnten wir wirksam der Abwanderung entgegentreten. Frau Tasch, Ihr Einwurf, man hätte mehr entlassen müssen...

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Können habe ich gesagt.)

Ja, ist aber natürlich auch insoweit nicht richtig, dass man z.B. auch Gruppengrößen heruntersetzen könnte.