Protokoll der Sitzung vom 13.09.2002

(Beifall bei der PDS)

In die Gruppe von meinem Sohn gehen mehr als 15 bis 16 Kinder. Ich finde, das muss einfach nicht sein, 10 würden es auch tun. Wir haben ja auch in Schweden Beispiele gesehen.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Seien Sie doch nicht unsachlich.

Frauen verdienen weniger als Männer, ein bekanntes und ich gebe natürlich auch zu - bundesweites und europaweites Problem. Aber in Thüringen wird die Schere immer größer. Wie tritt die Landesregierung dem entgegen? Ich sage an der Stelle, mit einem völlig unverbindlichen Gleichstellungsgesetz. Wo sind denn die klaren Beförderungschancen im öffentlichen Dienst? Wie sehen denn Karriereperspektiven in der Verwaltung aus? Wie viele Behördenleiterinnen haben wir denn schon in Thüringen? Meine Damen und Herren, das alles sind gerade für junge Frauen Gründe, das Land zu verlassen. Mit der jetzigen Politik im Land werden wir sie kaum bewegen können wiederzukommen.

(Beifall bei der PDS)

Hier nützt es eben auch nichts, sich auf halbwegs bedarfsdeckender Kinderbetreuung auszuruhen. Ich sage hier extra, halbwegs bedarfsdeckend, denn die meisten Kindergärten schließen 17.00 Uhr, das ist für mich nicht bedarfsdeckend.

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe bei der CDU)

Natürlich ist das Sache der Kommune, das ist doch gar keine Frage, aber andererseits können Sie doch dann nicht sagen, dass es bedarfsdeckend ist, auch wenn es Sache der Kommune ist.

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Es gibt genügend Kindergärten.)

Meine Damen und Herren, problematisch sind auch Bereiche, in denen Thüringen als Mitglied im...

(Zwischenruf aus dem Hause)

Ich habe einen Fakt benannt, regen Sie sich doch nicht künstlich auf.

Problematisch sind auch Fragen, in denen Thüringen als Mitglied im Bundesrat zum Handeln aufgefordert wäre. Hier nur kurz einige Beispiele: Ein Hauptkritikpunkt von betroffenen Frauen, aber auch von betroffenen Männern ist, dass mit der Geburt eines Kindes keine ergänzende Sozialhilfe in der Elternzeit gezahlt wird. Wir alle wissen, dass gerade die Geburt eines Kindes der Hauptgrund für den Bezug von Sozialhilfe ist. Ein weiterer Schwachpunkt der Frauen- und Familienfreundlichkeit liegt seit Jahren auf der Hand. Es kristallisiert sich leider immer wieder heraus, dass bei Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen aufgrund der Geburt eines Kindes erst einmal nahezu alles Ersparte aufgebraucht werden muss, bevor eine Anspruchsberechtigung nach BSHG vorliegt. So ist z.B. immer wieder zu hören, falls junge Leute eine private Altersvorsorge abgeschlossen haben, dass sie diese erst wieder auflösen und zurückkaufen müssen. Dieser Schritt wird von den Thüringer Sozialämtern verlangt, selbst wenn die sofortige Verwertung einer abgeschlossenen Alterssicherung im Augenblick äußerst unwirtschaftlich ist. Gerade an diesem Fall wird sichtbar, dass durch die Politiker die so oft gewünschte Altersvorsorge nahezu wieder ausgehöhlt wird, eben zumindest im Bereich vor allem allein Erziehender. Wir fordern, dass solche Lebensversicherungen in den Katalog des sozialrechtlichen Schonvermögens ausdrücklich aufgenommen werden sollen. Außerdem steht unsere alte Forderung, dass das Kindergeld nicht als Einkommen beim Sozialhilfebezug herangezogen werden darf. Meine Damen und Herren, jede Kindergelderhöhung schlägt sich zum Teil eben auch negativ auf die Portemonnaies der Eltern nieder. Wo sind hier Ihre Initiativen? So weit dann eben an der

Stelle zum familienfreundlichen Land.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Familien- geld einführen am 23. September 2002.)

Also, Frau Tasch, ich glaube, die Frauen, die das betrifft, und das sind vor allem Frauen, werden sich nicht vertrösten lassen auf irgendeinen Wahltag. Hier hätten Sie schon längst aktiv werden können.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Am Anfang der Wahlperiode...)

Die PDS ist der Auffassung, dass die Kritikpunkte grundlegend durch die Änderung des BSHG sowie die schrittweise Einführung der sozialen Grundsicherung endlich und überfällig sind. Ein anderes Beispiel: Junge Thüringer Mütter bemängeln immer wieder, dass ein Revidieren ihrer Entscheidung in Bezug auf ein Jahr Erziehungsurlaub nicht zurückzunehmen ist, aber die Anzahl der Krippenplätze oftmals bei weitem nicht ausreicht. Dazu wieder ein Beispiel, natürlich ist die Kommune wieder zuständig, das werden Sie gleich dazwischenrufen, das ist mir durchaus bewusst. Aber es ist eben ein Punkt, wo auch das Land aktiv werden könnte, weil es durchaus Auswirkungen hat. Die Zusage für den Krippenplatz erhalten sie sechs Wochen, bevor Sie den Termin gestellt haben. Die Entscheidung, wie lange ich Erziehungsgeld beziehe, die muss ich aber nahezu bei der Geburt des Kindes treffen. Da haut irgendetwas nicht zusammen hin.

(Beifall bei der PDS; Abg. Bechthum, SPD)

Ich bin der Auffassung, dass die Entscheidung der Thüringer CDU, das Erziehungsgeld für Eltern nicht zu zahlen, wenn sie nur das verkürzte Erziehungsgeld in Anspruch nehmen, keine familienfreundliche Politik ist.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf aus dem Hause)

Wieso liegt das nicht an Ihnen? Sie können doch ganz klar die Entscheidung treffen, wenn nur ein Jahr Erziehungsgeld gezahlt wird, dass Sie im Anschluss Landeserziehungsgeld zahlen und nicht an der Stelle auf Kosten der Familien sparen. Also, da verstehe ich Ihren Einwurf nicht.

In der Praxis ist immer wieder zu erleben, dass Elternzeiten, sprich Erziehungszeiten, meist von Frauen in Anspruch genommen werden - im Übrigen ganz anschaulich nachzulesen in der Antwort auf meine Kleine Anfrage -, weniger als zwei Prozent der Menschen in Erziehungszeiten sind Männer. Das heißt, diese Aufgabe wird zu 98 Prozent von Frauen wahrgenommen. Ich denke, es ist eigentlich eine gemeinschaftliche Aufgabe.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Das muss doch die Familie entscheiden.)

Natürlich muss das die Familie entscheiden, es ist die Frage, wie die Rahmenbedingungen gesetzt werden. Wenn Familienväter diesen Schritt unternehmen, stoßen sie oft auf Ablehnung in ihrem sozialen Umfeld und eben auch gerade bei ihrem Arbeitgeber, abgesehen davon, dass sie in den meisten Fällen das höhere Einkommen haben, aber, ich denke, eben nicht in 98 Prozent der Fälle. Auch hier könnte die Landesregierung aktiv werden. Die PDS fordert - und dies schon seit längerem -, dass die Landesregierung verstärkt Mittel für die Förderung von Kinderkrippen bereitstellen muss. Das ca. 75  )"geld für Kinder in Kinderkrippen ist schon längst nicht mehr ausreichend. Auch hier wiederhole ich die alte Forderung nach der so genannten Drittelfinanzierung in Kita-Einrichtungen. Es ist meines Erachtens nicht damit getan, sich für flächendeckende Kindertageseinrichtungen zu loben, hingegen dazu aber die Rahmenbedingungen nicht ausreichend stimmig zu machen. Diese Art der politischen Gestaltung fördert nicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein gänzlich anderes Beispiel für Ihre mangelnde Initiative ist der sensible Punkt bei der Schaffung von gesetzlichen Regelungen für in der DDR geschiedene und verwitwete Frauen. Das Recht des Versorgungsausgleichs wurde - wie Sie sicherlich alle wissen - in den neuen Bundesländern erst für Ehescheidungen ab 1992 eingeführt. Für Frauen und das sind nicht wenige -, die zwischen 1955 und 1991 geschieden wurden, bedeutet dies eine ungeklärte rechtliche Situation und Rentenverluste in Größenordnungen, die keiner mehr verstehen kann. Auch hier wäre es politisch vernünftig gewesen, eine noch offene Lücke im Gesetz im Interesse der neuen Länder zu schließen.

Meine Damen und Herren, die Frauen- und Familienfreundlichkeit wird nicht geregelt durch einige wenige Zugeständnisse und Ansätze, die Sie geliefert haben und die an vielen Stellen ja völlig richtig sind, wie z.B. bei der Initiative in Ilmenau. Aber Gleichstellungspolitik auf dem Weg zu einer Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist komplex und muss auch so angegangen werden. Frauenund Familienfreundlichkeit wird dann erreicht werden können, wenn Sie sich der Komplexität der Benachteiligung widmen und endlich Grundlagen zu deren Beseitigung schaffen. Ich fürchte, meine Damen und Herren, dass dieser Antrag jetzt im Wahlkampf wenig sachdienlich ist. Aber ich lasse mich an dieser Stelle natürlich gern von Ihren Aktivitäten nach der Bundestagswahl eines Besseren belehren und ich hoffe, dass Sie dann immer noch genauso vehement für die Rechte der Frauen kämpfen. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete Nitzpon, bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Frau Dr. Meier hat im Eingang ihrer Rede gesagt, sie glaubt, dass dieser Antrag kein Wahlkampfantrag ist. Als Frau Wolf aber darauf hingewiesen hat, dass es eindeutig ein Wahlkampfantrag ist, gab es hier Zwischenrufe, es wäre nicht so. Meine Damen und Herren, die Platzierung zeigt eindeutig, es ist von Ihnen ein Wahlkampfantrag.

(Unruhe bei der CDU)

Wenn wir über Frauen reden wollen, dafür sind wir auch, aber dann hätte man nicht sieben Punkte vorher diesen Punkt auf die Tagesordnung setzen müssen. Dann hätten Sie, Frau Tasch, auch die Möglichkeit gehabt, zu unserem Antrag Enquetekommission "Wirtschaftsförderung in Thüringen", zur Arbeitslosigkeit von Frauen und zur Förderung von Frauen in der Wirtschaft zu reden. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, zu der pflegerischen Versorgung von Frauen in Thüringen zu reden, in der Gesundheitsförderung sind natürlich auch Frauen mit angesprochen, in Jugendkulturprojekten ganz gewiss und natürlich auch in der Familienpolitik. Es hätte also nicht bedurft, diesen Antrag vorzuziehen. Ich hoffe natürlich, dass wir alle Tagesordnungspunkte heute schaffen, aber dieser Antrag von Frauen kam so spät, dass er dorthin gehört hätte, wo er denn eigentlich auch platziert war. Dieser Antrag kam so spät, dass er eben der letzte Tagesordnungspunkt geworden wäre, aber Fragen zu Frauenpolitik hätten trotzdem in allen anderen Punkten genauso ihre Daseinsberechtigung gehabt.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Vopel zu?

Ja, sicherlich.

Frau Nitzpon, können Sie mir einmal sagen, für wen oder für was wir hier Wahlkampf machen sollen, wir sind unter uns.

Ja, das weiß ich nicht.

(Unruhe bei der CDU)

Die Presse ist natürlich auch noch da, aber Sie hätten dann erst recht nicht diesen Antrag vorziehen sollen. Für mich ist das eindeutig ein Antrag in Sachen Wahlkampffragen.

(Beifall bei der PDS)

Gestatten Sie mir, einen Satz aus Ihrem eigenen Zukunftsprogramm für Thüringen der CDU zu zitieren. "Arbeit bedeutet mehr als Erwerbschancen, Arbeit bedeutet Selbstwertgefühl, Sinnerfüllung und Lebensperspektive."

(Beifall Abg. T. Kretschmer, CDU)

Herr Kretschmer, Sie klatschen zu Recht und, Frau Tasch, Ihnen muss ich sagen, Ihnen geht es auch nur besser, mir auch, ich stimme Ihnen da zu, weil Sie einen Vollzeitjob haben, der noch dazu so gut bezahlt wird. In der DGBStudie werden alle Frauen beleuchtet und es gibt Frauen in Thüringen, denen geht es eben nicht so. Diese Fakten wurden in dieser DGB-Studie aufgeführt. Das können Sie nicht abstreiten, weil es Ihnen besser geht, dass es vielleicht allen Frauen in Thüringen besser geht.

(Beifall bei der PDS)

In dieser DGB-Studie wird nämlich dokumentiert, dass seit 1991 dramatisch, Frau Tasch, die Arbeits- und Einkommensbedingungen von Frauen im Freistaat Thüringen verschlechtert wurden. Ich bin froh, dass es erstmals auch eine Studie gibt, die sich ausschließlich nur auf Thüringer Frauen bezieht, denn dann kann die Landesregierung endlich einmal auch Schlussfolgerungen für Thüringen ziehen, sie bezieht sich ansonsten nur immer auf irgendwelche Studien oder wie auch immer oder wie es in anderen Ländern ist.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie beziehen sich auch auf eine...)

Ich denke, es wird Zeit, dass eben einmal die Lage in Thüringen hier auf den Tisch kommt. Ich bin dem DGB dafür eigentlich dankbar.