Protokoll der Sitzung vom 10.10.2002

Was ist denn nur los mit Ihnen, was ist denn nur los?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zu der Gruppe, die nicht so erfreut war über das Wahlergebnis, rechnen wir Sie, meine Damen und Herren von der CDU, hinzu. Ich kann das durchaus verstehen, hatten Sie sich doch schon als Wahlsieger gesehen und sogar die Sektkorken sind schon geknallt. Wie fremd muss Ihnen doch der Thüringer Wähler, dieses unbekannte Wesen, plötzlich sein, der Ihnen seine Liebe schon das zweite Mal hintereinander bei Bundestagswahlen so gnadenlos entzogen hat. Sie flüchten sich in Erklärungen,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wartet mal ab, wie lange.)

(Unruhe bei der CDU)

die jegliche Schuld am Thüringer Wahldebakel nach Berlin bzw. nach München delegieren. Ich würde es jedoch einmal mit Selbstkritik versuchen. Und ich werde Ihnen die Thüringer Gründe für Ihre Wahlniederlage im Laufe meiner Rede noch ins Stammbuch schreiben.

(Unruhe bei der CDU)

Die Einführung bayerischer Verhältnisse in ganz Deutschland ist nicht zuletzt aufgrund des energischen Widerstands der Thüringer Wählerinnen und Wähler gescheitert. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, genauso wird es der von Ihnen mehrfach propagierten Einführung bayerischer Verhältnisse in Thüringen gehen. Ich verstehe unter bayerischen Verhältnissen auch Amigo-Affäre, Klage gegen die föderalen und solidarischen Finanzstrukturen in Deutschland, Kirch-Pleite

(Unruhe bei der CDU)

und LBS-Affäre. Wollen die Thüringer wirklich bayerische Verhältnisse, wie sie die CDU anstrebt? Das wollen die Wähler und das wollen auch wir nicht. Wir wehren uns massiv gegen die ersten sichtbaren Ansätze von bayerischen Verhältnissen in der Landespolitik. Ich nenne exemplarisch: Pilz-Prozess und Einflussnahme auf die Unabhängigkeit der Justiz, Skandale ohne Ende im Innen- und Justizbereich, Geheimdienst- und Rotlichtaffären, SchipanskiHunzinger-Affäre,

(Heiterkeit bei der CDU)

Fördermittelstreit mit der EU und nicht zum Schluss das Versagen des Wirtschaftsministers bei der Infrastrukturförderung, was unter anderem dazu führen wird, dass uns vom Land massiv und am Bedarf vorbei geförderte Spaßbäder mangels Besucherzahlen auch in den nächsten Jahren noch beschäftigen werden.

(Beifall bei der SPD)

Alles in allem, das Ergebnis dieser Wahl in Thüringen ist nicht zuletzt auch ein Beleg für den Vertrauensverlust der Thüringer CDU und der CDU-Landesregierung. Zu deutlich ist das Versagen der Landesregierung in wichtigen Politikfeldern, zu durchsichtig waren aber auch die Versuche, ich sagte es bereits, die gesamte Arbeit der rotgrünen Bundesregierung schlechtzureden und gezielt zu stören. Manchmal hatte man während der letzten Monate auch hier bei Debatten im Haus den Eindruck, Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, verwenden mehr Zeit dafür, um der Bundesregierung zu schaden als dem Freistaat Thüringen zu nützen.

(Beifall bei der SPD)

Diese Vernachlässigung der eigenen Arbeit zugunsten einseitiger Parteipolitik und -polemik rächt sich nun bitter.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie machen doch Polemik hier.)

Meine Damen und Herren, wo merkt man das Fehlen von Visionen, von Konzeptionen und das Nichterledigen der Hausaufgaben deutlicher als bei der Beratung zu diesem Haushalt? Der vorliegende Haushalt ist in weiten Teilen ein beredtes Zeugnis dafür. Geschickt haben Sie, Herr Trautvetter, es ja gemacht, die Vorlage des Plans auf drei Tage nach der Bundestagswahl zu verschieben; nur keine unerquicklichen Diskussionen vor der Wahl. Genützt hat es Ihnen, Gott sei Dank, nichts. Als Folge des späten Einbringungstermins bei gleichzeitiger Beibehaltung des geplanten Verabschiedungstermins bleibt für die Opposition kaum Zeit für eine gründliche Hinterfragung der Ansätze, aber, und auch das, unterstelle ich Ihnen, ist gewollt. Der CDUFraktion kann es ja egal sein. Wer bereits vor der ersten Beratung des Haushalts ankündigt, der Plan werde ohne große Änderungen im Dezember den Landtag passieren, hat ohnehin seine verfassungsmäßige Aufgabe, Regierungskontrolle, gegen die Rolle eines bloßen Mehrheitsbeschaffers vertauscht.

(Beifall bei der SPD)

Aber das sind wir ja bereits gewohnt. Wir warten eigentlich nur noch auf den Tag, an dem der Antrag von Ihnen kommt, erste und zweite Haushaltsberatung an einem Tag durchzuführen.

(Beifall bei der SPD)

(Unruhe bei der CDU)

Mit dem vorliegenden Haushaltsplan macht die Landesregierung vor allem eines, sie passt die Ausgaben den Einnahmen unter Berücksichtigung des Finanzplans der Neuverschuldung an. Dass sie das nach der Erfahrung des letzten Doppelhaushalts wiederum im Doppelpack macht, zeugt von ungeheuerlicher Ignoranz gegenüber bestehenden finanzpolitischen Problemen, aber auch von einer Geringschätzung des Parlaments. Sind wir doch ehrlich: Ein Doppelhaushalt macht nur Sinn zum Zeitpunkt relativ sicherer Steuereinnahmen. In Zeiten geringen Wachstums solch einen Doppelhaushalt vorzulegen, wo die nächste Steuerschätzung mit neuen Hiobsbotschaften bereits angekündigt wurde, ist schlichtweg unseriös.

(Beifall bei der SPD)

Diese Verfahrensweise ist der Versuch, im Jahr vor der Landtagswahl eine Haushaltsdiskussion und damit womöglich unpopuläre Botschaften in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Andere sachliche Gründe hierfür kann man nicht erkennen. Die Folge: In Thüringen wird im nächsten Jahr wieder mit haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen über den Wahltermin hinweggewurstelt, nur um das Gesicht der Landesregierung und der CDU zu wahren. Dem dann heimlichen, aber wirklichen Regierungschef, dem Finanzminister Trautvetter, wird so mehr oder weniger freie Hand gegeben, das eine oder andere Wahlgeschenk noch rechtzeitig zu realisieren. Genau so haben Sie es 1994 gemacht in einer gemeinsamen Kumpanei mit den Thüringer Liberalen zu Ungunsten des Landeshaushalts und zum Schaden für das Land.

(Beifall bei der SPD)

Nicht zu leugnen sind die gesamt- und weltwirtschaftlich schwierigen Bedingungen, unter denen dieser Haushalt aufgestellt werden muss. Das Wachstum reicht derzeit leider nicht aus, um die gewollten Steuermindereinnahmen aus der Steuerreform zu kompensieren. Es bleibt jedoch ein reines, durch nichts untersetztes Wunschdenken, wenn Sie, Herr Trautvetter, oder Sie, Herr Althaus, oder Sie, Herr Mohring, wieder und wieder behaupten, die Umsetzung der Steuerreformvorschläge der CDU hätte daran etwas geändert. Nein, es wäre alles viel schlimmer gekommen. Wir können nur von Glück reden, dass Sie keine Gelegenheit erhalten haben, sich daran auszuprobieren.

(Beifall bei der SPD)

Egal ob es ein Doppelhaushalt ist oder nicht, eines wird bei genauer Betrachtung des Zahlenwerks klar und deutlich, der Landesregierung fehlt neben Visionen auch der konzeptionelle Vorlauf, den man für die Gestaltung eines Landes benötigt, von Mut oder gar sozialem Fingerspitzengefühl ganz zu schweigen. Ich will an dieser Stelle

die Kritik konkreter machen. Einer der schwer wiegendsten Vorwürfe unsererseits an die Landesregierung ist, dass es nach wie vor in Thüringen kein Personalentwicklungskonzept für alle Ebenen und Bereiche der Landesverwaltung gibt, obwohl dieses vom Landesrechnungshof und von der SPD-Fraktion seit Ende der letzten Legislaturperiode gefordert wird. Thüringen wird weiter sparen zu Lasten der Kommunen, der Wirtschaft, der Bildung und des Sozialbereichs. Wir können dies nur umgehen, wenn die Verschlankung der Landesverwaltung endlich auch die Ministeriumsebene erreicht und sich nicht in nachgeordneten Bereichen erschöpft wie bisher. Hier hat die Landesregierung und insbesondere der für diese Landesverwaltungsreform verantwortliche Innenminister total versagt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren der Landesregierung, wirken Sie endlich dem Eindruck entgegen, Personalabbau betrifft nur die Ebene unterhalb der Ministerien. Suchen Sie endlich das Gespräch auch mit den Gewerkschaften.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Transmissionsriemen der SPD.)

Wir fordern einen Verwaltungsmodernisierungspakt für Thüringen.

(Beifall bei der SPD)

Wann kommen Sie beispielsweise endlich unserer Forderung nach, Förderprogramme auch unter dem Gesichtspunkt des Verwaltungsaufwands pro ausgereichtem Euro zu evaluieren? Hier sollte energischer vorangeschritten werden. Ich will Ihnen da gern ein sehr praktisches Beispiel geben. Der Personalaufwand in Ihrem Ministerium, Herr Schuster, ist von 2001 von 47,47 Mio.      53 Mio.   9% 

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das hat der Landrat in Gotha noch besser gekonnt!)

Ich sage gleich etwas zu den Tarifen. Die Ausgabesumme des Ministeriums, also das, was Sie verwalten, diese Summe ist von 1,5 Mrd auf 1,2 Mrd.  !  Herr Bergemann, ich habe die Zahl für Sie konkret. Das sind nicht Tarife. In den letzten zwei Jahren wurden im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastrukrut 50 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das ist also keine Tarifsteigerung. Wir wollen, dass Sie endlich dort ansetzen, auch in den Ministerien.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Man muss den Haushalt auch lesen können.)

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Das kann er doch nicht.)

Das wirkt aber sehr unglaubwürdig, wenn Sie das zu mir sagen, Herr Schuster. Das muss man wirklich sagen, aber vielleicht ist einer von den 50 dabei gewesen, der Ihnen vorgelesen hat.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ja da würde ich einmal mit Ihrem Wirtschaftsminister reden, wenn Sie über Niveau reden.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: So geht man miteinander nicht um, Herr Gentzel.)

Wenn Sie den Zwischenruf des Ministers für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur gehört hätten, hätten Sie ähnlich reagiert wie ich.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Das stimmt nicht.)

Dann reden Sie einmal im Kabinett darüber, was diese Normen sind.

(Beifall bei der SPD)

Dann bin ich der Meinung, wir finden uns schnell an einem gemeinsamen Pegel.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Unter Ihrem Niveau.)