Protokoll der Sitzung vom 21.11.2002

(Beifall bei der CDU)

Sie haben die Bedenken - und das entspricht der Schuchardt'schen Gründlichkeit und das meine ich jetzt sehr höflich und freundlich -, das sei ein Eingriff in das öffentliche Dienstrecht. Verehrter Herr Kollege Schuchardt, ich kann Sie beruhigen, denn wir hatten kürzlich einen Fall, wo die evangelische Kirche darauf gedrängt hat, einen Professor, der sein Bekenntnis aufgegeben hat, aus einer evangelisch-theologischen Fakultät zu entfernen. Das ist auch geschehen und der Herr hat geklagt und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat ein Urteil gefällt. Ich darf Ihnen zitieren mit Genehmigung der Präsidentin: "Wer die immanenten Grenzen der Wissenschaftsfreiheit des Inhabers eines konfessionsgebundenen Staatsamts nicht einhält und deshalb nach übereinstimmender Auffassung von Kirchenleitung, Fakultät und Dienstherr für die Wahrnehmung von Aufgaben in bekenntnisgebundenen Studiengängen ungeeignet ist, muss hinnehmen, mit anderen, seinem Fach möglichst ähnlichen Aufgaben betraut zu werden." Es ist also richterlich festgelegt, dass das kein unerlaubter Eingriff in die beamtenrechtlichen Gegebenheiten ist, sondern dass in einem anderen Land in einer anderen Konfession mit Recht so verfahren worden ist.

Meine Damen und Herren, vorhin ist von Frau Klaubert ja ein Beispiel genannt worden. Von den ganz wenigen Fällen, in denen in der Bundesrepublik tatsächlich die Kirche von ihrem Nihil-Obstat-Recht Gebrauch gemacht hat, kann man nicht sagen, dass das dazu führte, dass der Betroffene mundtot gemacht worden ist. Im Gegenteil: Ich habe im Falle Küng den Eindruck, dass die Entfernung aus seiner Fakultät ihm eher zu Popularität verholfen als

ihn Popularität gekostet hat. Nur um von vornherein Legendenbildung vorzubeugen: Auf anderem Niveau war das vielleicht sogar bei Frau Heinemann so.

Meine Damen und Herren, Herr Schuchardt hat gesagt, das ist ein Kernproblem und ich will ausdrücklich sagen, Herr Schuchardt, ja, ich bin bereit, dies als Kernproblem anzuerkennnen und auch Ihren Satz "Man darf nicht um jeden Preis." In der Tat, um jeden Preis hätte die Landesregierung eine solche Vereinbarung auch nicht unterschrieben. Sie hat sie nicht einmal um den uns zu hohen Preis von 1997 unterschrieben. Nur, dem Satz "nicht um jeden Preis" muss dann bitte auch entsprechen, wenn ich mit einer Sache nicht einverstanden bin, darf ich nicht alles andere ungewogen über Bord werfen.

(Beifall bei der CDU)

Es steht eben hier zur Frage, wollen wir nach der Wiedervereinigung Deutschlands tatsächlich, dass als Erbe des Sozialismus im Osten in keiner ostdeutschen Universität die katholische Theologie Inhalt der Geisteswissenschaften ist? Ich sage, wir wollen das nicht.

(Beifall bei der CDU)

Es steht eben auf der anderen Seite der Waagschale die Frage, wollen wir in unserem liberalen Land mit Fug und Recht und aus guten Gründen und seit vielen Generationen eine Theologische Fakultät an der Universität Jena, aber an der geisteswissenschaftlich zentrierten Universität in Erfurt nicht? Ich sage ganz klar: Zu meiner Vorstellung von der Zukunft der Wissenschaftslandschaft Thüringen gehört eben, dass in angemessenem Umfang beides an einer der Universitäten unseres Landes vertreten ist. Ich füge noch ein drittes Gewicht hinzu. Ich meine, das TheologischPhilosophische Studium hier hat sich durch den Mut, Jahrzehnte durchzuhalten, und durch das wissenschaftliche Niveau, das sie über die Jahrzehnte durchgehalten haben, verdient, jetzt nicht ausgegrenzt, sondern integriert zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen bin ich bereit, Vorstellungen in diesem Vertrag zu akzeptieren, von denen ich weiß, dass sie die Vorstellungen einer Religionsgemeinschaft sind, aber deswegen nicht unbedingt die Vorstellung der Mehrheit in unserem Land ist. Aber auch das ist ein berechtigter Minderheitsschutz, meine Damen und Herren, dass die Kirchen diese Voraussetzungen an das Schließen dieses Vertrages binden dürfen. Was die Schließungsklausel betrifft, Herr Dr. Schuchardt, als wir den Vertrag mit der evangelischen Kirche schlossen, hat auch niemand gesagt, jetzt müsst ihr eine Schließungsklausel einbauen. Ich weiß nicht, ob man das, was wir jetzt beginnen, mit der Festlegung, wie wir es wieder schließen, beginnen sollten, sondern ich bin da eigentlich so optimistisch, dass wir einer Zeit entgegengehen, in der Theologie, unabhängig ob katholisch oder evangelisch, in den deutschen Geisteswissenschaften auch

in Zukunft einen Platz hat.

(Beifall bei der CDU)

Darum habe ich auf eine Schließungsklausel verzichtet.

Sie haben, Frau Dr. Klaubert, vorhin gesagt, demütige Diener, das sei antiquiert. Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, das Wort "Demut" enthält den Mut zum Dienen und ich erlaube mir zu sagen, dass ich nicht glaube, dass es antiquiert ist, den Mut zum Dienen zu haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich sehe in dem, wo Ihre möglichst breite Zustimmung erbeten wird, einen Dienst - und verstehen Sie das recht - an der Liberalität der Hochschulstruktur unseres Landes, die einschließt, dass nicht alles gleichgemacht wird, sondern dass jede fundierte Überzeugung ihre Chance hat, sich vorzutragen. Diese Chance sollten wir auch durch die Integration der Fakultät in die Universität jetzt eröffnen und deswegen bitte ich um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die erste Beratung und wir müssen jetzt noch über die nötige Fristverkürzung gemäß Geschäftsordnung abstimmen, weil wir ja die zweite Beratung morgen durchführen wollen. Ich weise darauf hin, da es sich um die zweite Beratung am morgigen Tag handelt, wird nur eine einfache Mehrheit gebraucht. Wer für die Fristverkürzung zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs morgen stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei ganz wenigen Stimmenthaltungen ist dieser Fristverkürzung zugestimmt worden und wir werden am morgigen Tag das Gesetz zum zweiten Mal beraten.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 21

Fragestunde

Als Erstem gebe ich Herrn Abgeordneten Döring das Wort für seine Frage in Drucksache 3/2756. Herr Abgeordneter Döring, warten Sie einen Moment, bis die Abgeordneten, die es jetzt hier drin nicht mehr aushalten, den Raum verlassen haben.

Weiterentwicklung des Theaterstandorts Meiningen

Der Stiftungsrat der Kulturstiftung Meiningen hat am 16. September 2002 beschlossen, die Sparten Ballett und Puppentheater des Meininger Theaters mit Wirkung zum

31. Juli 2003 aus Kostengründen aufzulösen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die geschilderte Problematik?

2. Welche Auswirkungen haben die Spartenschließungen auf die Attraktivität des Theaterstandorts Meiningen?

3. Welche Entwicklungsperspektiven sieht die Landesregierung für den Theaterstandort Meiningen?

Herr Staatssekretär Aretz, bitte schön.

(Unruhe im Hause)

Dürfte ich Sie bitten, hier vorn an der Regierungsbank ein bisschen mehr Ruhe eintreten zu lassen.

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, namens der Landesregierung beantworte ich die Anfrage des Abgeordneten Döring wie folgt:

Die Unterzeichnung der Verträge zur Finanzierung der Jenaer Philharmonie, des Theaters Rudolstadt sowie zur Finanzierung des Theaters Nordhausen, des Loh-Orchesters Sondershausen sind ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir uns in Thüringen auf einem guten Weg befinden. Diese Ergebnisse zeigen, dass sich schwierige Situationen im Bereich der Finanzierung durchaus lösen lassen, wenn alle Beteiligten die Bereitschaft für eine konstruktive Zusammenarbeit aufbringen. Dies vorausgeschickt, darf ich die Fragen im Einzelnen beantworten.

Zu Frage 1: Die Landesregierung hat die unternehmerische Entscheidung des Stiftungsrats als Träger des Meininger Theaters zur Kenntnis genommen. Das bedeutet, dass die Spartenschließungen zum 31. Juli 2003 nicht vollzogen werden.

Zu den Fragen 2 und 3: Kulturpolitisches Ziel der Landesregierung ist die Bewahrung und Weiterentwicklung der historisch gewachsenen Vielfalt von Theater- und Orchesterangeboten in Thüringen. Deshalb besteht die Absicht, auch künftig an jedem Theaterstandort - also auch in Meiningen - die bisherige Angebotsbreite zu gewährleisten. Wegen der tarifbedingten Kostensteigerungen sind deshalb Profilierungen, Schwerpunktbildungen und Vernetzungen mit anderen Theatern ebenso erforderlich wie die eigene Bereitschaft zur Kooperation. Da auch für das Theater Meiningen die kommunalen Finanzierungsanteile und die Landeszuwendungen nicht steigerbar sind, verhandelt

gegenwärtig eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Träger der Theater Meiningen und Eisenach über einen Kooperationsvertrag und dessen konkrete Untersetzung. Das Ziel der Verhandlungen besteht darin, die Attraktivität des Theaterstandorts Meiningen und damit natürlich auch des Theaterstandorts Eisenach künftig zu sichern und dem Publikum die bisherige Angebotsbreite zu gewährleisten.

Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Vielen Dank.

Wir kommen zur nächsten Frage in Drucksache 3/2762. Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Stangner. Sie ist nicht da, also Frau Abgeordnete Nitzpon wird vortragen. Bitte schön.

Förderung von Ganztagsschulen

Ankündigungen zufolge sind im Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das kommende Jahr 300 Mio.  Bundesländer eingestellt, um damit Ganztagsschulen zu fördern. In den folgenden Jahren will die Bundesregierung die Förderung für Ganztagsschulen bis auf 4 Mrd.   weitern.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Voraussetzungen hat Thüringen zu erbringen, um anteilig finanziert zu werden?

2. In welchem Umfang finanzieren Land und Kommunen in Thüringen in den nächsten Jahren Ganztagsschulen?

3. Nach welchem Konzept erfolgt der Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen in Thüringen?

Herr Kultusminister, bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, werte Gäste, ich beantworte die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Stangner namens der Landesregierung wie folgt:

Gestatten Sie mir, dass ich, bevor ich auf die Einzelfragen eingehe, eine Vorbemerkung mache. Der in der Mündlichen Anfrage verwendete Begriff der "Ganztagsschule" wird im Rahmen der derzeitigen öffentlichen Diskussion unterschiedlich verwendet. So wird zwischen gebundenen, teilweise gebundenen, offenen und weiteren Formen von Ganztagsschulen unterschieden. Ganztagsschulen in gebundener Form gibt es in Thüringen an Förderschulen, Spezialschulen und Gymnasien mit Spezialklassen. Daneben werden bedarfsgerecht Ganztagsschulen in teilweise gebun

dener Form, so mit den Horten an Grundschulen, und offenen Formen vorgehalten, die insbesondere durch die Zusammenarbeit mit Partnern, wie der Kinder- und Jugendhilfe und Vereinen, realisiert werden. Wenn die Bundesregierung ankündigt, die Einrichtung von Ganztagsschulen fördern zu wollen, so muss berücksichtigt werden, dass dieser Ankündigung ein Konzept zugrunde liegt, welches nach Presseverlautbarungen des Bundesministeriums verbindliche Bildungs- und Betreuungsangebote vorsieht. Die Bundesregierung zielt somit auf gebundene, verpflichtende Formen ganztägiger Betreuung, ohne allerdings die gerade für diese Angebotsform notwendige Nachhaltigkeit gewährleisten zu wollen. So sollen mittels einer Anschubfinanzierung Investitionen in die Renovierung, in Ausbau, Neubau und die Ausstattung von Schulen gefördert werden, die Finanzierung der langfristigen Personal- und Betriebskosten jedoch den Ländern und Schulträgern überlassen bleiben. Während damit die Unterhaltung der bundesweit angestrebten 10.000 Ganztagsschulen mit Bundesmitteln gerade einmal für zwei Jahre gewährleistet würde, blieben Länder und Gemeinden mit den entsprechenden Dauerlasten konfrontiert. Gleichzeitig macht der Bund die Ausreichung der Mittel in seinen bisherigen, allerdings unkonkreten Verlautbarungen von dem Vorliegen pädagogischer Konzepte abhängig, will mithin ein Mitspracherecht in einem originären Zuständigkeitsbereich der Länder und das wird von Thüringen abgelehnt.

Zu Frage 1: Die Ankündigungen der Bundesregierung sind nach wie vor nicht konkretisiert. Die Bundesmittel sollen dem Vernehmen nach auf der Grundlage von Artikel 104 a Abs. 4 Grundgesetz gewährt und anhand eines Schlüssels verteilt werden, der sich nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler der Grundschulen und der Sekundarstufe 1 im Schuljahr 2000/2001 richtet. Zwar soll das Programm zum 1. Januar 2003 starten, eine Abstimmung zu dem angekündigten Verwaltungsabkommen mit den Ländern hat jedoch bis heute nicht stattgefunden.