Was sind Punkte, wo wir glauben, dass sie sich weiterentwickeln müssen? Die Eigenverantwortlichkeit und die Fähigkeit zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben bei der Erziehung ihrer Kinder ist bei den Eltern zu stärken. Dem könnten z.B. Elternakademien dienen, dem könnten auch Angebote zur Familienbildung, Erziehungsberatung an Kindertagesstätten oder Grundschulen nachkommen. Auch die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf sind zu verbessern. Bei 95 Prozent Wahrnehmung des Angebots an Kindertagesstätten brauchen wir in Thüringen, glaube ich, nicht über die Einführung einer Vorschulpflicht zu reden, sondern wir müssen uns über pädagogische Rahmenpläne, die allgemein verbindlich sind, wir müssen uns über die Fragen der Fort- und Weiterbildung der Erzieherinnen in den Kindertagesstätten unterhalten und wir müssen uns auch darüber unterhalten, wie wir es schaffen, wissenschaftliche Ergebnisse auf diesem Gebiet zu erzielen und dann in die Praxis zu implementieren. Es geht um die Einführung von deutschlandweiten Bildungsstandards, von Kompetenztests und die interne sowie externe Evaluation von Schule. Diese Dinge sind voranzutreiben.
Herr Döring, da sind wir einer Meinung, ich bin aber auch der Auffassung, dass es gerade sozialdemokratische Länder waren, die sich in der Vergangenheit diesen Dingen immer versperrt haben und Angst hatten vor Vergleichen.
Aber, ich denke, das muss vorbei sein und ich finde es gut, wenn wir uns hier über Inhalte unterhalten statt irgendwelche politischen Grabenkämpfe um Strukturen zu führen. Und so sollte es auch weitergehen.
Was muss sich weiter ändern? Die Lesefähigkeit, insbesondere die Leselust muss in den ersten Jahren gesteigert werden und das ist nur begrenzt eine Aufgabe der Schule. Die individuelle Förderung des einzelnen Schülers - sowohl des Lernschwachen als auch des Leistungsstarken und besonders Begabten - muss besser werden. Dazu ist es sicherlich notwendig, dass das pädagogisch-diagnostische, das methodische Rüstzeug unserer Lehrer verbessert wird. Das muss ein Schwerpunkt in der Fortbildung werden. Die Regelschulen benötigen ein noch besseres an den Erfordernissen des Schülers orientiertes differenzierteres Profil. In der gymnasialen Oberstufe muss die ausgedehnte Spezialisierung einer breiteren Basis von Allgemeinwissen weichen. Dazu muss man durchaus in den nächsten Jahren auch die Stundentafel überdenken. Die Lehrerausbildung ist den modernen Erfordernissen und die Lehrerfortbildung den Bedürfnissen der Schule anzupassen. Ich denke, hier könnten wir als neues Bundesland auch bundesweit eine Vorreiterrolle spielen, weil es gute Erfahrungen gibt. Auch in der Erwachsenenbildung muss sich einiges tun, wenn die Menschen den Erfordernissen der Wissensgesellschaft gewachsen sein sollen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass ein PISA-Test bei 30-Jährigen bessere Ergebnisse für Deutschland bringen würde als der PISATest für 15-Jährige.
Ich will etwas zu dem Vorschlag der SPD von Ganztagsschulen und auch zu dem Antrag "eigenständige Schulen" sagen. Ganztagsschulen sind ja nun der absolute Renner sozialdemokratischer Schulpolitik. Dabei geht es der Sozialdemokratie um die reine Lehre, wie auch im Ausschuss bekräftigt wurde. Der SPD-Generalsekretär meint, die Ganztagsschulen sind die kulturelle Revolution und die SPD will nun die Lufthoheit über den Kinderbetten erkämpfen.
Das stimmt sehr wohl. Fakt ist, eine verordnete staatliche Ganztagsbetreuung kann die elterliche Erziehung niemals ersetzen.
Frau Sojka, Ganztagsschule kann die Eltern nicht ersetzen und dabei bleibe ich, auch wenn Sie das anders sehen und wenn Sie überhaupt die Rolle von Familie in unserer Gesellschaft anders sehen.
Deshalb setzen wir auf einen ganz anderen Weg. Wir wollen die durchaus sinnvollen Ganztagsangebote, und zwar auf freiwilliger Basis, und wir müssen uns im Weiteren intensiv darum bemühen, dass Eltern die Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, ihre Erziehungsaufgabe wahrzunehmen. Aber die Eltern müssen auch Gelegenheit haben, ihre Erziehungsaufgabe wahrzunehmen und dazu ist nun die rotgrüne Steuerpolitik, die im nächsten Jahr die vierköpfige Durchschnittsfamilie mit 200 bis 300 sätzlich im Monat belastet, wirklich nicht geeignet und ist ein familienpolitischer Skandal.
Im Übrigen, Herr Döring, die Sozialdemokraten in diesem Land hofieren ja auch bei allen Vereinen, Verbänden, beim Landessportbund etc., dass Ganztagsschule viele dieser Angebote unmöglich machen würde, dass Schüler gar nicht mehr die Chance hätten, in den Verein zu gehen, auch Musikschulen hätten ihre Probleme und, und, und.
(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Es gibt doch verschiedene Formen von Ganztags- schulen. Es gibt offene und gebundene. Das ist Ihre Definition.)
Herr Döring, jetzt verlieren Sie sich in irgendwelchen Wortklaubereien, Sie wollen die reine Lehre und wir sagen, wir wollen Ganztagsbetreuungsangebote für unsere Kinder.
Aber wenn ich einmal bei Fragen der Finanzierung war - es macht doch keinen Sinn, den Familien Geld zu nehmen und damit dann staatliche Erziehungsanstalten aufzubauen. Die 4 Mrd. schütten will, dienen gerade mal für bauliche Zwecke - jemand hat mal geschrieben für Suppenküchen - und sie dienen vielleicht auch noch für ein paar Ausstattungen, aber bei den schweren Brocken, nämlich den Personalkosten, da lassen Sie die Länder und Kommunen wieder im Regen stehen.
Eigenständige Schule - wir gehen schon seit langem in Thüringen unseren eigenen Weg bei dem Thema "eigenständige Schule". Wer Schule und das Schulgesetz kennt, der weiß, wie viele Möglichkeiten die Schule hat, eigenständig zu agieren. Ich nenne nur ein paar Punkte: Die Globalzuweisung von Stellen. Jetzt ist der Schulleiter an den Einstellungen beteiligt. Zahlreiche Entscheidungen liegen in den Händen der Schulkonferenz. Die Schulkonferenz berät über alle wichtigen Fragen, die Eltern, Lehrer und Schüler gemeinsam betreffen, und sie entscheidet auch in vielen Fällen.
Herr Döring, wenn Sie mir sagen, ich erzähle hier Märchen, vielleicht waren Sie lange nicht in der Schule und wissen nicht wie Schule funktioniert. Bei mir ist das nicht so lange her.
Sie waren ja dafür, dass Schulleiter mal ab und zu rotieren. Ich habe nichts dagegen, vielleicht wäre es auch gut, wenn Abgeordnete von Zeit zu Zeit rotieren würden.
Es gibt andere Punkte wie z.B. die veränderte Schuleingangsphase, die in der Schule entschieden wird, oder auch die Frage nach additiver und integrativer Form der Regelschule oder auch die Frage der Festlegung gemeinsamer
Schulbezirke und die Kooperation mit freien Trägern oder auch die Frage der Benotung von Verhaltenswerten und vieles andere mehr. Auf diesem Weg wollen wir weitergehen, und zwar einen Schritt nach dem anderen, Herr Döring.
Die SPD in Thüringen erweckt für meine Begriffe falsche Erwartungen, indem sie sagt: Wir schreiben "administrativ" ins Gesetz und verordnen von oben den Schulen eine Eigenständigkeit.
Damit machen Schulen keinen Entwicklungssprung. Den Rahmen, den Schulen brauchen - Herr Döring, Sie reden immer so allgemein -, den hat die Schule, um sich eigenständig weiterzuentwickeln.
Aber, man kann der Schule administrativ nur diese Verantwortung übertragen, die sie auch tatsächlich wahrnehmen kann. Was macht man denn in Nordrhein-Westfalen, dem sozialdemokratischen Musterland, dort, wo ein Großversuch für Schulautonomie läuft, selbstständige Schule wird das genannt? Man sagt dem Schulleiter: Du bist jetzt zuständig für die Fragen der Verbeamtung. Du bist zuständig für die Fragen der Beurlaubung. Du darfst die Leute in das vorläufige Beamtenverhältnis heben usw. Man schafft eine Menge Verwaltungsaufwand an den Schulen, was Schulleiter abzuhandeln haben, schafft daneben natürlich auch noch Personalvertretungen, das sind Personalräte an der einzelnen Schule und schafft so noch einmal Verwaltungsebenen und produziert Kosten. Aber, eine echte Möglichkeit, nämlich Personal zu rekrutieren, hat der Schulleiter dort auch nicht. Da macht nämlich am Ende die Sozialdemokratie wieder den Kniefall vor den Gewerkschaften.
Mit Blick auf die PDS, da wird ja immer wieder Finnland hochgehoben, darauf muss ich noch einmal kommen, in Finnland - das haben Sie richtig festgestellt - haben die Schulen eine weit gehende Autonomie. Aber - und da hören Sie dann spätestens auf -, die Lehrkräfte werden nach Bedarf eingestellt und entlassen. Dort hört aber der Traum der PDS und der Sozialdemokraten von Schule auf. Im Übrigen würde, denke ich, in Deutschland jeder Versuch, das finnische System zu kopieren, allein schon am deutschen Beamtenrecht und dem DGB scheitern. Das System funktioniert nur unter der Voraussetzung, dass Lehrkräfte nach Bedarf eingestellt und entlassen werden können.
Wir brauchen nicht nur nach Finnland zu schauen, unser Ausschuss durfte ja nach Belgien fahren und hat sich das
dort angeschaut. Dort gibt es fast ausschließlich private Schulen, die vom Staat finanziert werden, aber sie werden ausschließlich am Ergebnis orientiert vom Staat finanziert. Wenn die Inspektoren dauerhaft feststellen, dass eine Schule den Anforderungen nicht entspricht, dann wird die Schule eben auch geschlossen und das mit aller Konsequenz, auch für die Lehrkräfte.
Für meine Begriffe gibt es in Thüringen eine gute Ausgangsposition. Wir haben Platz 4 bei PISA erreicht, wir haben Strukturen, die einen eigenständigen Thüringer Weg gehen, das Abitur bis zur Klasse 12, wir haben die Regelschule, in der Klassen, die zum Realschulabschluss und zum Hauptschulabschluss führen, zusammengefasst werden, wir haben eine sehr hohe Durchlässigkeit in den Bildungsgängen, wir haben Zentralprüfungen, wir haben die Horte als einziges Bundesland an unseren Grundschulen. Ich denke, damit hat sich die Thüringer Schullandschaft innerhalb Deutschlands bewährt.
Aber - und das sage ich auch, weil uns gesagt wird, wir machen hier keine Totalreform, das wollen wir auch nicht -, Schule ist kein Experimentierfeld für regelungswütige Politiker,
sondern Schule braucht Unterstützung bei ihrer Entwicklung, aber sie braucht auch Ruhe und Konstanz in dieser Entwicklung. Für diese Kontinuität wollen wir sorgen, wir wollen sie beibehalten und dem dient diese Novelle des Schulgesetzes. Es geht also in der nächsten Zeit um die Stärkung und Profilierung von Grundschulen und Regelschulen. Es geht um interne und externe Evaluation, es geht um Unterstützungssysteme für schwache, aber auch leistungsstarke Schüler. Es geht um die methodische und diagnostische Kompetenz der Lehrer. Dort macht übrigens Prof. Dr. Lütgert, der ja auch in unserer Enquetekommission ist, einen sehr interessanten Ansatz, den wir verfolgen sollten. Das Fortbildungsangebot muss weiterentwickelt werden, auch die Lehrerbildung muss weiterentwickelt werden. Was wir aber mit diesem Gesetz nicht können und auch nicht mit anderen Gesetzen, das ist nämlich, eine ganz bestimmte Grundeinstellung zum Thema "Erziehung und Bildung" in diesem Land herbeizuführen.
Da verweise ich auf die jüngsten Aussagen zu zwei PISA-Folgestudien. Frau Bulmahn hat sie ja vorgestellt. Die Freude an Büchern und dem Lesen führen zu größerer Lesekompetenz und wirken insgesamt auf die Schulleistungen. Schüler und Schulen können in einem Klima, das geprägt ist von hohen Erwartungen, aber auch erreichbaren Zielen und der Bereitschaft sich anzustrengen - dabei muss sich Leistung lohnen -, von Freude am Lernen, Disziplin und einem guten Lehrer-Schüler-Verhältnis, dann