Protokoll der Sitzung vom 21.11.2002

Also, es hat jetzt keinen Zweck, das weiter zu erörtern. Ich gehe noch einmal darauf ein, welchen Auftrag die Schule eigentlich hat und betone noch einmal die fachkompetente Unterstützung dieser Arbeit. Das gilt für die Freizeit und die sozialpädagogische Arbeit wie für die Lernarbeit. Wir können an unseren Kindern nicht beliebig herumzerren und herumerziehen. Sie sollen und müssen lernen ihr eigenes Leben zu gestalten, denn sie leben in der Regel länger als wir. Die Schule soll nicht zum Ort verkommen, den man am liebsten aus allergrößter Ferne betrachtet.

Schüler haben nach meiner Erfahrung - die kann ja falsch sein - immer noch ein offenes Verhältnis zu ihrer Schule. Sie verstehen übrigens überhaupt nicht, warum es irgendwelche bürokratischen oder andere Regelungen gibt, warum sie am Nachmittag z.B. nicht das Computerkabinett nutzen können. Sie verstehen aber auch nicht, das ist jetzt an die Adresse meines Berufsstandes gerichtet, warum der Lehrer nicht sein Hobby mit in die Schule bringt und es in einem interessanten Freizeitangebot an den Schulen auch praktiziert. Darüber sollten sich übrigens die Tarifpartner einen Kopf machen.

Zu einer ganzheitlichen Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen gehört es aber auch, dass bei sozialen Schwierigkeiten und Konflikten Anlaufpunkte angeboten werden. Soziale Probleme - und das dürften wir wissen - haben zum Teil ein solches Ausmaß angenommen, dass sie von Lehrerinnen und Lehrern im Rahmen der üblichen Unterrichtszeit und im Rahmen ihrer üblichen Ausbildung nicht mehr bewältigt werden können.

(Beifall bei der PDS)

Das Angebot einer qualifizierten Schulsozialarbeit ist zur Lösung dieses Problems dringend geboten. Ich betrachte die Ansätze des Schulgesetzes in Verbindung mit den vorliegenden Haushaltsvorstellungen als völlig ungeeignet, das Problem zu lösen.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte, dass wir nicht an einer Stelle wieder bitter aufwachen, tief betroffen sind, lange diskutieren und dann doch nichts nach vorn entscheiden wollen.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte zum Schluss meiner Ausführungen darauf hinweisen, dass wir mit unseren Änderungsvorschlägen zum Artikelgesetz - also insbesondere zum Schulgesetz und auch zum Schulfinanzierungsgesetz - versucht haben, diese so genannten Klebezettel an Ihr Gesetz, welches wir so nicht wollen, zu kleben. Aber wir möchten Sie auch auffordern, diese Vorschläge sehr sorgsam zu bedenken und ihnen vielleicht doch zuzustimmen. Es würde uns den Einstieg in eine wesentlich breitere Sicht auf die Probleme geben, welche der Schul- und der gesellschaftliche Alltag in Thüringen anbieten. Ich behaupte, wir haben es an mancher Stelle nicht einmal mehr mit einem konservativen Bildungsansatz zu tun. Wir zelebrieren manchmal nur noch ein hilfloses, diffuses Reagieren auf das, was an Problemen überhaupt nicht mehr zu verschweigen ist. Wir sind ja alle naturwissenschaftlich gebildet. Wir wissen, die Spitze des Eisberges ist zu sehen. Unter der Spitze des Eisberges liegen die eigentlichen Gefährdungen für die Schiffe. Mit dem Schulgesetz versuchen wir nach unserer Auffassung eigentlich nur, das eine oder andere Rettungsboot einzusetzen. Doch, sehr verehrte Damen und Herren, das Schiff schlingert gewaltig. Lassen Sie uns alles dafür tun,

dass es nicht zum kentern kommt. Diesen Auftrag haben wir. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Zitzmann zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die vor uns liegende Drucksache 3/2693 beinhaltet die Novellierung des Förderschulgesetzes. Dazu möchte ich Ihnen folgende Ausführungen machen: Ich darf erinnern, dass durch die Abgeordneten der CDU-Fraktion dieses Gesetz in der 1. Legislatur im Landtag eingebracht wurde und zur Verabschiedung am 21.07.1992 in diesem Hause kam. Gestern habe ich nachgeschaut, wie oft wir diese durchaus wichtige Thematik der Förderschulen hier im Plenum diskutiert haben. Das letzte Mal 1997 im Zusammenhang mit der Haushaltsdebatte, seit Beginn der Legislatur 1999 gar nicht. Ist das ein Zeichen für das hohe Ansehen der Thüringer Förderschulpolitik? Ist das ein Zeichen dafür, dass Thüringen sein Ziel, die bestmögliche Förderung dieser Schüler, sicherstellt und in Zukunft sicherstellen wird? Darum geht es. Ich denke, das ist die reine Wahrheit. Von dieser Grundannahme gehe ich auch bei der heutigen Diskussion aus. Ausgangspunkt der Überlegungen ist das Thüringer Schulgesetz, das jedem Schüler das Recht garantiert, eine schulische Bildung und Förderung zu erhalten, wie es seiner Befähigung und Leistung entspricht. Folgerichtig steht das Förderschulgesetz, das behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder im Mittelpunkt sieht, an der richtigen Stellen. Ausgehend von individuellem sonderpädagogischem Förderbedarf und dem Entwicklungsstand jedes einzelnen Kindes gibt es Möglichkeiten für wohnortnahe Beschulung in Grundschulen, Regelschulen, Gymnasien und Förderschulen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thüringer Förderschulgesetz, ein eigenes Gesetz mit der klaren Aussage meiner Fraktion, so soll und wird es bleiben. Nie kommt für mich infrage, dass dieses Gesetz in das Schulgesetz zu integrieren sei. Dafür haben wir auch gekämpft nach der Wende oder nach der deutschen Wiedervereinigung.

(Beifall bei der CDU)

Das Thüringer Förderschulgesetz gilt für alle Förderschulen und für die Unterrichtung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht an den anderen allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen in Thüringen. Das Gesetz sichert weiterhin die Ganztagsförderung. Für benachteiligte und behinderte Schüler erwächst uns eine besondere Fürsorgepflicht. Diese Fürsorgepflicht sowie die Überschaubarkeit der Regelungen erhalten in einem kurz gefassten eigenständigen Gesetz

ihre besondere Bedeutung. Das Förderschulgesetz enthält spezielle Regelungen für benachteiligte und behinderte Schüler, für alle allgemeinen Regelungen gilt das Thüringer Schulgesetz. Eine erste Änderung entspricht einer Begriffsänderung. Die Sonderpädagogik befindet sich im Umbruch. Die Erkenntnis, dass sich ein Kind als lernendes und sich entwickelndes Wesen auf ein sich permanent wandelndes Umfeld, eine sich wandelnde Welt einstellen muss, um den Erfordernissen der Umwelt gerecht zu werden, wirft die Frage auf, welche Rahmenbedingungen am günstigsten erscheinen, eine gute Entwicklung des Kindes zu gewährleisten. Es ist durchaus möglich, dass eine einseitige ausschließliche Beschulung in Förderschulen für einen Teil der Schüler nicht die günstigste Voraussetzung für das Lernen, die psychische und physische Entwicklung und Eingliederungsfähigkeit sein mag. Während für andere Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Förderschule einen sehr wohl optimalen Schutz und Entwicklungsraum darstellt. Das bedeutet zurzeit, sich verstärkt von einer institutionsbezogenen Sicht zu lösen und dafür die Entwicklungschancen und Potenziale des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt von Schullaufbahnentscheidungen und schulischem Handeln zu rücken und im Ergebnis der Erkenntnisse den günstigsten Entwicklungsraum vorzusehen. Diese differenzierte Herangehensweise führt dazu, das flexible System sonderpädagogischer Förderung weiter zu stärken. Das bedeutet auch, dass Förderschulen ihre Kompetenz zur individuellen Diagnose und Förderung in die anderen allgemein bildenden Schulen einbringen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Konsequenterweise hat dies zwei Schritte zur Folge. Als Erstes geht es um die Verwendung von Begriffen, die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf nicht stigmatisieren sollen. Von den veränderten Begriffen geht eine Signalwirkung aus, die den Menschen mit seinen Fähigkeiten, seinem Können, seiner Bedürftigkeit in den Vordergrund rücken und nicht seine Schwächen und seine Behinderung. Die neuen Bezeichnungen für die Förderschulen sind den Begriffen angepasst, die die Kultusministerkonferenz empfiehlt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Zweites wollen wir Förderschulen als Zentren des Unterrichts, der Förderung, Kooperation und Beratung gestalten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Kooperation und der Beratung. Das bedeutet, dass Förderschulen neben dem Unterricht in der eigenen Schule vor allem die Unterrichtung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den anderen allgemein bildenden Schulen unterstützen. Hierzu gehört verstärkte Kooperation mit den anderen allgemein bildenden Schulen zu forcieren,

(Zwischenruf Abg. Sojka, PDS: Hoffentlich finden wir genug Lehrer dafür.)

Beratung als einen besonderen schulischen Auftrag von Förderschule zu entwickeln, für Eltern, für Lehrer, für die Jugendhilfe, für abnehmende Berufsausbildungseinrichtungen usw. und die individuelle Förderung des Schülers in der jeweiligen schulischen Einbettung zu leisten, die die Lehrer der sonstigen allgemein bildenden Schulen nicht oder nicht ausreichend bieten können sowie die Übergänge von der Förderschule in eine andere allgemein bildende Schule und umgekehrt fließend zu ermöglichen. Ziel bei allen Maßnahmen ist eine verbesserte Integrationsfähigkeit der förderbedürftigen Schüler und die Verbesserung der Integrationsbereitschaft der anderen Schüler und Erwachsenen. Die Gesetzesänderung soll das Bewusstsein für ein verändertes Verständnis von sonderpädagogischer Förderung und einer wirklichen Integration stärken und durch veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen die Voraussetzung hierfür schaffen. Weitere wichtige Intentionen des Förderschulgesetzes sind: Das Nebeneinander von gemeinsamem Unterricht in allgemein bildenden Schulen oder im Förderzentrum zu akzeptieren, Grenzen auszuloten und ein stärkeres Verantwortungsgefühl vor allem der Grund- und der Regelschulen für Kinder und Jugendliche, die schulische Probleme bereiten. Das Kind bzw. der Jugendliche als Individuum für das es gilt, die jeweils günstigste Beschulungsmöglichkeit zu suchen, steht immer im Mittelpunkt. Dabei ist die vorrangige Aufgabe der Mobilen Sonderpädagogischen Dienste durch Beratung und Förderung ein weiteres Verbleiben der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf am angestammten Lernort zu ermöglichen. Die Beratung der Lehrer und Eltern als Hauptaufgabe der Förderzentren und Mobilen Sonderpädagogischen Dienste wird explizit im Förderschulgesetz benannt. Dies gilt es in der Schulpraxis umzusetzen. Dabei ist die vorhandene Beratungskompetenz der Schulleitungen, der Mobilen Sonderpädagogischen Dienste, der Beratungslehrer und Fachberater zu nutzen und auszubauen. Als Folge einer intensiveren Beratung sollen die Übergänge in die anderen allgemein bildenden Schulen und in Berufsausbildungseinrichtungen fließender und damit problemfreier gestaltet werden. Hier kommt der Probebeschulung in oben genannten Schulen sowie in der Förderschule, die im Förderschulgesetz verankert ist, eine besondere Bedeutung zu. Die Schüler können bis zu sechs Wochen an der Probebeschulung teilnehmen und bleiben dem Status nach Schüler der ursprünglichen Schule. Somit können Schüler und Lehrer gemeinsam und individuell ausloten, welche Schule der geeignetste Lernort ist, ohne dass eine feststehende Entscheidung bereits getroffen ist.

Die Diskussionen um die Schulabschlüsse haben auch vor den Förderschulen nicht Halt gemacht. Vor allem Eltern forderten einen Hauptschulabschluss für Schüler im Bildungsgang für Lernförderung. Für Schüler mit guten Lernleistungen und dem Willen, sich erhöhten Leistungsanforderungen zu stellen, soll ein solcher Abschluss über ein zehntes Schuljahr ermöglicht werden. Unterricht, Fördermaßnahmen, therapeutische und pflegerische Maßnahmen stellen bei Bildung, Erziehung und Förderung von Kin

dern mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Einheit dar und sind in ein pädagogisches Gesamtkonzept zu fassen. Insbesondere Schüler und Schülerinnen mit einer schweren geistigen und/oder körperlichen Behinderung, zumeist schwerer Mehrfachbehinderung, zum Teil auch bei schweren psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und massiven Sprachstörungen sind auf das fein abgestimmte Zusammenspiel von verschiedenen medizinischen, pädagogischen und therapeutischen Interventionsmaßnahmen existenziell angewiesen. Dies wird im Förderschulgesetz durch die Sicherstellung von Therapie und Pflege an den Förderschulen und durch das Erbringen von Teilen der Grundpflege durch die sonderpädagogischen Fachkräfte gewährleistet. Pflegerische und therapeutische Maßnahmen sind immer als Ergänzung, Voraussetzung oder als Ziel pädagogischen Handelns zu betrachten. Zur angemessenen Förderung von Schülern mit schweren Mehrfachbehinderungen nehmen deshalb sonderpädagogische Fachkräfte an Förderschulen unter Berücksichtigung der spezifischen Behinderung und des Lernprozesses unterrichtlich erziehende, pflegerisch erziehende und therapeutisch erziehende Aufgaben wahr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben als Ausschuss für Bildung und Medien eine öffentliche Anhörung durchgeführt, die in Bezug auf das Förderschulgesetz für mich enttäuschend war. Wenige Anzuhörende haben sich zum Förderschulgesetz geäußert, meist erst auf Nachfrage. Nun kann ich das positiv bewerten, denn das spricht für den Entwurf der Landesregierung, eine ordentliche, fachlich korrekte Arbeit. Aber dann fallen mir die Diskussionen in den verschiedenen Verbänden, Gremien, bei Foren, in Schule, außerhalb von Schule ein, wo ich schon wiederholt erlebt habe, dass vernünftige Überlegungen und darauf aufbauende politische Entscheidungen an der Basis völlig anders angekommen sind als sie in Wahrheit funktionieren. Manches wird verkürzt oder völlig verfremdet dargestellt. Wir sind in der Pflicht, für Klarheit zu sorgen. Und was mir persönlich am Wichtigsten erscheint, die bewusst hervorgerufenen Ängste, welche bei Eltern und Schülern vorhanden sind, zu nehmen und die Zukunft der Förderschulen gemeinsam verantwortungsbewusst zu gestalten. Denn der Gesetzentwurf hat, wie ich schon ausgeführt habe, eine ganze Reihe von Neuerungen, die bei der Verwirklichung zu grundlegenden Veränderungen in der Thüringer Förderschullandschaft führen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schriftlich haben sich zur Anhörung geäußert der Thüringer Lehrerverband, der Verband der deutschen Sonderschulen, der Fachverband Behindertenpädagogik, der Landesschulbeirat, Spitzenverbände, der Städte- und Gemeindebund, der Landkreistag, die Beauftragten der Kirchen, der Landesverband der Legasthenie und an dieser Stelle an alle Teilnehmer ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion hat unter anderem ein Forum durchgeführt auch zu der Novellierung des Förderschulgesetzes und ich habe eine breiteste Zustimmung für das gesamte Gesetz, was ihnen vorlag, erlebt. Es wurden selbstverständlich Einzelfragen aufgeworfen und besprochen. Einige Beispiele waren: Die Förderschulen fordern eine verstärkte Aufgeschlossenheit der Grund- und Regelschullehrer, wenn es um eine zukünftige Kooperation geht.

(Beifall bei der CDU)

Eine zweite Forderung: Die Förderschulen fordern die praxisorientierte Berufswahlvorbereitung, die Erfolg versprechend angelaufen ist und nicht wegfallen darf, zu erhalten. Auch ist der Ruf nach einer besseren Öffentlichkeitsarbeit an Förderschulen und für Förderschulen zur Sprache gekommen. Hier, glaube ich sagen zu dürfen, ist eine verstärkte Lobbyarbeit, die wir als Abgeordnete zu allererst tun können, dringend notwendig.

(Beifall bei der CDU)

Es ist auch umsetzbar, wenn man im wahrsten Sinne des Wortes zu dem steht, was man auch unter anderem in geschlossenen Räumlichkeiten oder hinter verschlossenen Türen spricht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kenne und verweise deshalb ausdrücklich auf das noch ungenügend entwickelte Klima in sehr vielen Lehrer-, Schüler- und Elterngremien für ein gemeinsames Lernen und auch die noch nicht ausreichende personelle und sächliche Ausstattung im Förderschulbereich, denn es wäre nicht ehrlich, dies außen vor zu lassen. Auch davon muss heute gesprochen werden. Ich sehe das nicht als Negativdiskussion, sondern als Zukunftsdiskussion für gemeinsam gewollte Entwicklung in oder für Förderschule. Wir haben noch sehr viel zu tun und dazu brauchen wir jeden, der uns Hilfe anbietet zum Wohle der Kinder und Jugendlichen besonders in diesem Bereich. Wir haben in Thüringen kompetente Förderschulpädagogen und brauchen noch mehr, die ihre neuen Aufgabenfelder der ganzheitlichen Lernbegleitung und -beratung beherrschen. Qualität und Quantität sonderpädagogischer Förderung müssen im Mittelpunkt stehen.

Meine Rede wäre unvollständig, wenn ich nicht über den Bereich der Frühförderung noch etwas sage. Der Aufbau des Frühfördersystems in Thüringen seit 1991 ist weitgehend abgeschlossen. In den vergangenen 10 Jahren wurde ein flächendeckendes Netz an Angeboten zur Frühförderung geschaffen. Im Freistaat Thüringen sind 30 regionale Frühförderstellen und zusätzlich 5 überregionale Frühförderstellen für sinnesspezifische Behinderungen etabliert, die sowohl ambulant als auch mobil tätig sind. Die betroffenen Kinder werden bis zum Schuleintritt begleitet. Die ersichtlich gestiegene Anzahl von behinderten Kindern in Schulen außerhalb von Förderschulen macht die Bemühungen zur Integration von Kindern mit

sonderpädagogischem Förderbedarf deutlich und zeigt sich anhand von folgenden Zahlen. An den Grundschulen gibt es seit 1998 eine Anzahl von 286 integrierten Kindern; 1999 waren es 825; im Jahr 2000 waren es schon 1.583. An Regelschulen...

(Zwischenruf Abg. Sojka, PDS)

Darf ich etwas zu Ihnen sagen, Frau Abgeordnete Sojka? Wenn Sie in der Schule waren, haben Sie u.a. selbst gelernt zuzuhören, und das haben Sie bestimmt auch Ihren Schülerinnen und Schülern beigebracht und dann besonders oft bemerkt, dass sie still sein sollen, wenn andere sprechen.

(Zwischenruf Abg. Sojka, PDS: Ein Jahr im Landtag hat gereicht, um das Stillsein zu ler- nen.)

(Beifall bei der CDU)

An Regelschulen im Freistaat Thüringen hatten wir 1998 110 Kinder, 1999 149 Kinder und im Jahre 2000 995 Kinder. Diese Zahlen sprechen für sich. Da kann ich durchaus auch verstehen, wenn man als Opposition ein Wahlrecht der Eltern einfordert. Hier haben anscheinend Eltern das Wahlrecht wahrgenommen. Aber in diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass man nichts außen vor lassen darf, auch das gehört zu einer ordentlichen Recherche. Ich erinnere mich mit Grauen an das Wahlrecht der Eltern zu DDR-Zeiten, besonders was diesen Bereich betrifft. Glauben Sie mir, sich heute hier hinzustellen und für Eltern ein Wahlrecht zu fordern, das sehe ich persönlich als Affront an, aber ganz persönlich z.B. fasse ich es als Mutter mit meinem behinderten Kind auf. Das sollte man überlegen, ob man überall den Mund so weit aufreißen muss, wenn es um ein Wahlrecht für Eltern geht. Ich habe meines erkämpft und heute ist es auch möglich, deswegen muss ich das nirgendwo festschreiben. Dagegen bin ich.

(Beifall bei der CDU)

Der Freistaat Thüringen verfügt über 100 Förderschulen, die sich in 76 staatliche und 24 in freier Trägerschaft befindliche untergliedern. Von den Förderschulen in freier Trägerschaft stehen 20 für geistig Behinderte, 3 für Verhaltensgestörte und das Marienstift in Arnstadt steht für alle Bereiche zur Verfügung. Absolventen von Förderschulen haben leider Probleme, flächendeckend in der Wirtschaft unterzukommen. Wir haben im Gesetz die Sicht auf den einzelnen besonderen Schüler verstärkt und bei verstärkter Integration muss dem Aufbau von Konfliktpotenzial entgegengewirkt werden. Die Förderschule muss zunehmend als eine Durchgangsschule mit Rückkehr an die Regelschule verstanden werden. Dabei sind begleitende Maßnahmen besonders dann nötig, wenn der Schüler an die Regelschule zurückkommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Thüringer Bildungspolitik ist es gelungen, besonders im Förderschulbereich die Chancen des Aufbruchs zu nutzen, um strukturelle Defizite zu beseitigen und geistige Erblasten abzubauen. Es geht uns immer um die Weiterentwicklung von Schule. Dazu braucht es Qualität, Motivation und Verantwortlichkeit. Ich bin verantwortlich im Rahmen meiner Tätigkeit als Landtagsabgeordnete. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung spricht jetzt Minister Krapp.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr geehrte Gäste, die zweite Lesung eines Gesetzes, insbesondere des Schulgesetzes, hier im Thüringer Landtag ist selbstverständlich vor allem die Stunde der Abgeordneten. Deswegen habe ich mich heute darauf eingestellt vor allem zuzuhören, aber ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, das Wort zu ergreifen und auf einige Dinge zu reagieren.

Ich beziehe mich dabei auf meine Einbringungsrede in der ersten Lesung dieses Gesetzes vor einiger Zeit hier in diesem Hause. Ich erinnere daran, dass die Intention dieses neuen Thüringer Schulgesetzes darin besteht, eine in 10, 12 Jahren bewährte Schulstruktur fortzuentwickeln und nicht grundsätzlich umzustürzen und darüber hinaus Bildungsqualität in Thüringen zu entwickeln. Die Fortentwicklung der Thüringer Schulstruktur ist durch Stichworte wie "flexible Eingangsphase" in der Thüringer Grundschule zu beschreiben oder auch durch die Einführung der ersten Fremdsprache in der 3. Klasse. Am Beispiel der Regelschule ist hier das Stichwort der "Praxisklasse" zu nennen, eine spezielle Möglichkeit der Förderung von Schülern, die drohen, den Abschluss an der Regelschule nicht zu schaffen, und zwar der frühzeitigen Förderung in der Praxisklasse. Ich darf an die Leistungsüberprüfung in der 10. Klasse am Gymnasium erinnern, die wir durch eine zentrale schriftliche Zwischenprüfung einführen wollen. Die Art und Weise unseres Vorschlags, den wir vorgelegt haben, orientiert sich vor allem an den Erfahrungen der PISA-Studie, insbesondere der nationalen PISA-Studie. Aber natürlich haben wir auch damit eine Möglichkeit geschaffen, am Gymnasium in der 10. Klasse einen dem Realschulabschluss gleichwertigen Abschluss erwerben zu lassen. Oder ich erinnere an die Weiterentwicklung der Förderschule. Dazu hat Frau Abgeordnete Zitzmann sehr ausführlich berichtet. Ich möchte nur noch einmal an dieser Stelle betonen, dass wir Wert darauf gelegt haben, dass nicht mehr die Behinderung, sondern die Förderung von Kindern mit Behinderung im Vordergrund steht, oder dass wir darauf Wert gelegt haben, dass nicht nur die einzelne Förderschule, sondern das Förderzentrum, welches beratend in der ganzen Region wirksam wird, in den Vordergrund gerückt wird.

Schließlich darf ich an den Berufsschulteil des Gesetzes erinnern. Hier versuchen wir mit der Weiterentwicklung des Thüringer Schulgesetzes einerseits die Verbindung zu den allgemein bildenden Schulen zu stärken und andererseits die Verbindung in die Wirtschaft hinein. Außerdem wollen wir insbesondere Regelschülern, die die Berufsschule nach Abschluss der Regelschule besuchen, neue Möglichkeiten eröffnen, indem z.B. verstärkt doppelt qualifizierende Bildungsgänge mit Hochschulreife, mit Fachhochschulreife angeboten werden. All dies ist, wie gesagt, eine Fortentwicklung der Thüringer Schulstruktur. Zweck ist die Erhöhung von Bildungsqualität. Auch hier, Herr Döring, gibt es spezifische Teile in dieser Novelle des Schulgesetzes, die auf die Erhöhung, Verbesserung und Weiterentwicklung der Bildungsqualität abzielen.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Ergeb- nisse!)

Bildungsqualität, das ist einerseits die Erhöhung der Unterrichtsqualität.

Meine Damen und Herren, nach wie vor ist der Unterricht der zentrale Prozess an Schulen. Das dürfen wir bei allen Diskussionen über Ganztagsschulen nicht vergessen.