Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Seien Sie sicher, dass diese Koalition hält und sie wird, und wenn Sie Handstände und Kopfstände hier vor mir machen, die Zukunftsprobleme dieses Landes lösen, da können Sie ebenfalls sicher sein.

(Beifall bei der SPD)

Allerdings Ihre Rolle, meine Damen und Herren, die Rolle der Union, die sollten Sie schon einmal überdenken, vor

allem dieser gnadenlose Populismus in nie gekanntem Ausmaß setzt neue, ich meine, für die Demokratie ungesunde Maßstäbe.

(Beifall bei der SPD)

Kritik ist zwar das gute Recht einer Opposition - wir nehmen das auch hier in Thüringen für uns in Anspruch -, aber was Merkel, Stoiber, Koch & Co in diesen Tagen auf der politischen Bühne so abliefern, das grenzt, und das sage ich mit aller Deutlichkeit, an Verantwortungslosigkeit gegenüber unserem Gemeinwesen.

(Beifall bei der SPD)

Persönliche und kollektive Beleidigungen der höchsten Repräsentanten Deutschlands tief unter der Gürtellinie

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Haltet den Dieb!)

prägen eine pseudopolitische Diskussion, Herr Ministerpräsident, für die man sich im Ausland nur noch schämen kann.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Wie die Union ihre Rolle versteht, will ich Ihnen an einem Zitat beweisen. Sie können das auch als Spiegel betrachten. Das ist ein Zitat Ihres brutalstmöglichen Aufklärers von letzter Woche Donnerstag in der "Zeit".

(Beifall bei der SPD)

Der hat gesagt: "Die Opposition ist nicht der Vorschlagsbeauftragte des Landes. Die Regierung hat Konzepte vorzulegen und wir sagen Ja oder Nein.", momentan ausschließlich nein, das möchte ich hinzufügen.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Vollkommen richtig.)

"Das Handelsblatt" schreibt dort auch sehr treffend unter der Überschrift "CDU setzt auf Verdruss": "Die Union stimmt lieber in das allgemeine Klagelied ein, als eine eigene Melodie zu komponieren." Treffender kann man es nicht ausdrücken.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens, ist Ihnen eigentlich schon einmal der Gedanke gekommen, dass die Bürger Deutschlands Ihnen die Lösung des von Ihrer Partei selbst aufgestellten Schreckensszenarios gar nicht zutrauen? Dann lesen Sie einmal ein paar neutrale Wahlauswertungen, da steht so etwas drin.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Ach, die le- sen wir.)

Mit dieser Strategie, Herr Althaus, wird die CDU vielleicht die hessischen Landtagswahlen gewinnen,

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Das wird auch Zeit.)

aber um den Preis der verbrannten Erde,

(Unruhe bei der CDU)

in wirtschaftlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die Akzeptanz der Demokratie als Ganzes. Ich weiß, diese Worte hören Sie nicht gern, aber Sie müssen sie ertragen.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Doch, wir hören sie gern.)

Aber ich hoffe sehr, Herr Ministerpräsident, dass Ihre Kollegen in den anderen Bundesländern, aber vor allem Ihre Parteifreunde hier im Land, die an dieser Stelle von Ihnen bewiesene Weitsicht mit Ihrer Mahnung kürzlich doch übernehmen. Diese Hoffnung hege ich.

Meine Damen und Herren, zurück zum Thüringer Landeshaushalt. Man kann es sich einfach machen wie Sie und kann die Schuld für die derzeitige Finanzmisere auf den Bund schieben.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Was wahr ist, muss wahr bleiben.)

Man kann aber auch selbstkritisch auf das eigene Finanzgebaren blicken, ein Verhalten, das Ihnen im Übrigen ziemlich fremd zu sein scheint. Warum hat denn der Freistaat Thüringen heute so geringe Handlungsspielräume auf derartige Einnahmerückgänge? Stabilisierend zu wirken, haben wir längst nicht mehr gekonnt, obwohl wir doch alle wissen, dass die Konjunktur in Zyklen verläuft. Ist in Thüringen tatsächlich eine gute Finanzpolitik betrieben worden, wie unser Herr Ex-Finanzminister den Medien und dem Landtag immer weiszumachen versucht? Ich muss Ihnen hier ja nicht vorrechnen, das wissen Sie ganz genau, vor allen Dingen Sie, Herr Althaus und Herr Ministerpräsident, in welchen Zeiten der größte Schuldensprung gemacht worden ist.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit:... große Ko- alition.)

Da täuschen Sie sich aber gewaltig. Es war im letzten Jahr Ihrer ersten Regierungskoalition mit der FDP. Da wurden über 1 Mrd. mehr Schulden aufgenommen als in den Jahren zuvor. Das dürfen Sie nicht vergessen.

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister: Da war die Welt noch in Ordnung.)

Ja, da war die Welt noch in Ordnung - sehen Sie, das ist Ihre Haltung, das ist typisch für Ihre Haltung.

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister: Das war doch die Forderung der SPD.)

Meine Damen und Herren, wie schon in den Jahren zuvor machen Sie mit dem aktuellen Doppelhaushalt wiederum den Versuch, die finanzpolitische Situation zu schönen und besser darzustellen als sie tatsächlich ist. Das Sondervermögen Fernwasserversorgung, das ist so ein Versuch. 286 Mio.   5   !        Haushalt in ein Sondervermögen gepackt und so einer Schuldenzuordnung des Landes entzogen. Der Clou dabei ist jedoch die Veranschlagung als Zuweisung, als Investitionsausgaben. So schönt man dazu auch noch die Investitionsquote mit Schulden. Dieses Schönen geschieht im Übrigen an anderen Stellen so drastisch, dass die Investitionsquote bei seriöser Berechnung etwa bei 19 Prozent, also mehr als 1 Prozent unter dem liegt, wie Sie sie veranschlagen. Was macht man nicht alles des schönen Scheins wegen? Der Schein, die niedriger ausgewiesene Verschuldung, ist nach meiner Auffassung wohl auch der Grund, warum Thüringen mehr als jedes andere Bundesland auf alternative Finanzierungen von Hochbaumaßnahmen setzt. Was sich noch in Zeiten von Waigel'schen Steuerschlupflöchern über Laesingmodelle gut rechnete, das wird jetzt schöngerechnet. Die jetzt nur noch zur Anwendung kommenden so genannten Forfaitierungsmodelle sind der letzte, ich sage, verzweifelte Versuch, Schulden aus dem Blickfeld zu verlagern und die Situation zu schönen. Das Beispiel der letzten Finanzierung der Polizeischule in Meiningen, wo so gut wie kein ökonomischer Vorteil dieser alternativen Finanzierung gegenüber einer herkömmlichen erkennbar war, zeigt es ganz deutlich, dass man hier ausschließlich nur noch auf den Effekt der Schuldenverlagerung aus dem Haushalt hinaus setzt. Das verurteilen wir, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Diesem Ansinnen, genau diesem Ansinnen der Auslagerung von Schulden dient auch die geplante Verbeamtungswelle in Thüringen. Dabei hatten Sie, Herr Trautvetter, noch 1997 in dieser Hinsicht einen ungetrübten Blick ich unterstelle Ihnen das einmal. In der damaligen Rede führten Sie aus, ich zitiere: "Die Versorgungsproblematik rührt daher, dass der Bund und die Altbundesländer in den vergangenen 50 Jahren den entscheidenden Fehler gemacht haben, für die durchaus vorhersehbaren Versorgungslasten keine Vorsorge zu schaffen. Sie haben die Arbeitsleistungen der Beamten in früheren Jahrzehnten in Anspruch genommen und die Versorgungslasten auf spätere Generationen abgeschoben, ohne dafür Rücklagen zu bilden.

(Beifall bei der SPD)

Diesen Fehler des Bundes und der Altbundesländer sollten die neuen Bundesländer nicht wiederholen." Was machen wir? Wir sind mitten dabei in einer der größten Verbeamtungswellen, die Thüringen jemals gesehen hat.

(Beifall Abg. Gentzel, SPD)

Mit diesem vorgelegten Doppelhaushalt legen wir ja wirklich noch eine große Schippe drauf. Vor allem die Versorgungslasten werden völlig ausgeblendet. Es wird keine Vorsorge getroffen für die Pensionslasten. Nicht nur dies ist zu kritisieren, Thüringen hat sich nach meiner festen Überzeugung mit einer wirklich zu sorglosen Verbeamtungspraxis in den letzten 10 Jahren den Spielraum für künftige Strukturveränderungen in der Landesverwaltung unvertretbar stark eingeengt. Ich fordere daher namens meiner Fraktion, wenn man so will, ein Verbeamtungsmoratorium für Thüringen sowie eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel, die hoheitlichen Bereiche des Staates klar zu definieren und sie möglicherweise zu begrenzen. Weniger Staat wollen Sie doch auch.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Ja!)

Nicht weniger Beamte - na sehen Sie, da unterscheiden wir uns, Herr Ministerpräsident. Vor allen Dingen die Verbeamtungen in dem letzten Jahrzehnt erfolgten ohne Konzept, schon allein deswegen, weil es bisher bis heute kein ganzheitliches Personalentwicklungskonzept für die Thüringer Landesverwaltung gibt. Fakt ist jedoch, dass versäumte Straffung und Verschlankung der Thüringer Verwaltungen dazu führt, dass wichtige Strukturen außerhalb der Landesverwaltung mangels finanzieller Masse in Frage gestellt werden müssen. Wen trifft es denn? Es trifft immer die nachgeordneten oder die so genannten Mittelbehörden, die müssen meistens daran glauben.

Im Übrigen, Herr Mohring, löblich schon die Entschließung Ihrer Fraktion, aber an der Stelle springt sie wirklich zu kurz. Ich biete Ihnen ausdrücklich an, mit uns gemeinsam diesen nicht leichten Weg zu gehen. Aber wir wollen als Fraktion der SPD auch ernst genommen werden auf diesem Gebiet.

(Beifall Abg. Gentzel, Abg. Bechthum, SPD)

Wie gesagt, die Initiative der Fraktion an der Stelle will ich ausdrücklich loben, für die Regierung ist es ein Armutszeugnis.

(Beifall Abg. Gentzel, SPD)

Meine Damen und Herren, wir wollen im Bereich der Verwaltungsstrukturen neue Akzente setzen, nachdem ja das Innenministerium an dieser Aufgabe mit einer eigenen Gruppe gescheitert ist. Aber eine solche Reform quasi aus dem eigenen Saft heraus zu initiieren, das funktioniert ein