Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

Wie sehen die Fakten aus? Thüringen ist mit einem Waldanteil von 31,9 Prozent und seinen ca. 5.160 Quadratkilometern Wald eines der waldreichsten Bundesländer Deutschlands. In Thüringen gibt es bei einer Bevölkerung von knapp 2,5 Mio. Einwohnern insgesamt 14.000 Pferde, von diesen 14.000 Pferden werden 2.000 regelmäßig für

einen Ausritt in Feld, Wald und Flur genutzt. Aber selbst wenn man von den 14.000 Pferden ausgeht, ergibt sich für Thüringen eine der niedrigsten Pferdebesatzdichten, die es überhaupt in Deutschland gibt. Schaut man sich hier einmal die verfügbaren Waldflächen bezogen auf ein Pferd an, sieht das folgendermaßen aus: NRW verfügt über 7 Hektar Waldfläche pro Pferd, Niedersachsen über 9 Hektar, der deutsche Durchschnitt liegt bei 16 Hektar, die Bayern können auf 22 Hektar Waldfläche pro Pferd zurückgreifen, die Mecklenburger auf 26 Hektar und wir in Thüringen auf 37 Hektar. Ich weise noch einmal darauf hin, bezogen auf alle 14.000 Pferde und nicht nur auf die 2.000, das ist die obere von Fachleuten genannte Grenze, die regelmäßig für derartige Ausritte benutzt werden. Deshalb fragen wir uns angesichts dieser Fakten, meine Damen und Herrn, wie bestimmte Personenkreise auch zum Teil hier im Hause immer wieder den Eindruck erwecken wollen, als würden wir kurz vor einer neuen kommenden Invasion der hunnischen Reiter gen Thüringen stehen

(Beifall bei der PDS, SPD)

und wir der Gefahr ausgesetzt sind, sie würden unser grünes Herz Deutschland niederwalzen wie Anno dazumal. Im Teil A des Gesetzentwurfs "Problem und Regelungsbedürfnis" wird auf an sich positive Entwicklungen, wie eine erhöhte Frequentierung der Waldgebiete - unter anderem auch durch Reiter - eingegangen. Allerdings gibt es diese Zunahme eben von einem sehr niedrigen Niveau aus, meine Damen und Herren. Das wird dabei immer wieder unterschlagen. Eine Lösung der nach unserer Kenntnis punktuell aufgetretenen Problemfälle nun mittels einer flächendeckend wirkenden scharfen gesetzlichen Regelung beheben zu wollen, ist den tatsächlichen Verhältnissen im Freistaat Thüringen nicht angemessen. Darüber hinaus wird der hier und heute abzustimmende Weg der Problemlösung zu einer Vielzahl von neuen Problemen führen. So wird in der Begründung auf die Zunahme der Schäden an Waldwegen durch das Reiten eingegangen.

Meine Damen und Herren, wer sich öfter in verschiedenen Revieren Thüringens auf Waldwegen aufhält oder bewegt, weiß genau, dass der weitaus größte Umfang derartiger Schäden durch unzeitgemäßen Einsatz von Technik entsteht und nur selten und regional begrenzt durch Reitpferde. Ein Ergebnis der Gespräche vor Ort, dort, wo solche Zustände bedauerlicherweise zu beklagen sind, besteht darin, dass man bis auf wenige Ausnahmen auf Gesprächsbasis zwischen den Betroffenen einen vernünftigen Interessenausgleich herbeiführen kann.

Meine Damen und Herren, wir haben in Thüringen 180.000 Waldeigentümer. Als uns von denen eine Vielzahl von Zuschriften erreicht hat, wie alle Fraktionen in diesem Haus, die den Gesetzentwurf mit Hinweis auf erhebliche Zunahme von Wegeschäden durch Reiter unterstützten, haben wir das sehr ernst genommen.

(Beifall Abg. Becker, SPD)

Wir haben allen, die uns geschrieben haben, einen Antwortbrief geschickt, verbunden mit der Bitte, uns doch diese Schäden vor Ort, wenn sie sie beklagen, auch zu zeigen. Wir haben sogar unsere Terminkalender schon geordnet, weil wir damit gerechnet haben, dass wir in der Tat eine Vielzahl von Einladungen bekommen werden. Etwas überrascht waren wir dann in der Tat, als keine einzige Antwort und damit auch kein einziger Hinweis von denjenigen, die uns auf das Problem hingewiesen haben, hier bei uns eingegangen ist. Da liegt die Vermutung natürlich nahe, neben solchen materiellen Schäden an Wegen, die es ja unstrittig, meine Damen und Herren, punktuell gibt, muss es noch andere Gründe geben, weshalb man Bürger hoch zu Ross nicht mehr so gern sehen will in Thüringens Wäldern. Außerdem, meine Damen und Herren, eine Konzentration von Reiterbewegungen auf den dann zukünftig ausgeschilderten Wegen birgt doch selbstverständlich, auch nach unserer Auffassung, eine wesentlich größere Gefahr in sich, dass diese Schäden zunehmen. Im Gesetzentwurf der Landesregierung wird das bisher geltende Verwaltungsverfahren als zu umständlich und bürokratisch bewertet. Das heißt, die Aufstellung eines Entflechtungsplans durch die untere Forstbehörde und eine dann folgende Genehmigung derselben durch die obere Forstbehörde für eine Region, wo gehäuft solche Umstände eintreten, sind nicht machbar. Andererseits soll es jetzt nach dem, was uns heute hier vorliegt, machbar sein, innerhalb eines Jahres eben das flächendeckend für Thüringens Wälder inklusive einer Beschilderung von genügend geeigneten, möglichst zusammenhängenden Wegen und Straßen, die zudem eine Verbindung mit Wegen und Straßen außerhalb des Waldes aufweisen, möglich sein. Leisten sollen das, wie gesagt, flächendeckend eben diejenigen unteren Forstbehörden, die genau dasselbe, regional begrenzt, bisher nicht nach Einschätzung der Landesregierung leisten können. All das selbstredend natürlich nach Anhörung der örtlichen Interessenvertretungen der Waldbesitzer, der Reiter, der Radfahrer, der Wanderer, der Skiläufer, der Jäger und der Kommunen. Dazu muss man wissen, dass der Herr Minister für die Skeptiker vor einigen Monaten noch von einem recht beeindruckenden Umfang des auf diese Art und Weise auszugestaltenden Reitwegenetzes gesprochen hat. Da waren das noch mindestens 9.000 Kilometer, die am Ende dieses Prozesses zur Verfügung stehen sollten. Heute heißt das, ich zitiere: "genügend geeignete und möglichst zusammenhängende Wege."

Damit kommen wir auch zu den Kosten des angedachten Projekts, meine Damen und Herren. Im Gesetzentwurf stehen nach wie vor 334.000  ,   schlägigen Schätzung, wie der geneigte Leser dort erfahren kann. Wer nun aber glaubt erfahren zu können, warum der Überschlag zu dem Ergebnis von 334.000     etwa 340.000  3)****    näckige Nachfragen, welche Faktoren zu genau diesem Resultat und keinem anderen geführt haben, bleiben bei ein und derselben Antwort. Vor Abschluss weiterer Untersuchungen kann man nichts Genaueres sagen. Aber, meine Damen und Herren, welcher böse Mensch hat denn aber

diesen Betrag in diesen untadeligen Gesetzentwurf geschrieben? In den Mitteilungen für die Waldbesitzer Thüringens vom 02.09.2002, Seite 47 findet man da schon aus der Erfahrung heraus der Waldeigentümer und derer, die Sie sich als Fachleute herangezogen haben, einen exakteren Betrag. Der lautet nämlich 0,3  " .ter Wanderweg. Ich rechne das mal hoch auf den Kilometer, da sind das 300        -*** lometern nehmen, und diese Erwartungshaltung ist durch den Herrn Minister - im Augenblick leider gerade nicht anwesend,

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Hier!)

(Beifall bei der PDS)

Entschuldigung, Herr Minister - genährt worden, dann kommen wir auf eine Größenordnung von 2,7 Mio.  Natürlich muss so eine Beschilderung nach einigen Jahren erneuert werden, das liegt ja wohl auf der Hand, ist aber hier noch nicht berücksichtigt. Die Personalkosten für das Anhörungsverfahren und die Verwaltungsaufwendungen werden überhaupt nicht in Anwendung gebracht. Während der Anhörung am 5. September 2002, meine Damen und Herren, hat der BDF alleine schon - eingehend auf diese personellen Belastungen - von einer Größenordnung von 1 Mio.  ,4   man von dem Zehnfachen der Kosten ausgeht, im Vergleich zu dem, was die Landesregierung bisher hier in Anschlag bringt. Das allerdings lässt natürlich aufhorchen angesichts dessen, was wir gestern hier ja leider diskutieren mussten und was auch beschlossen wurde, nämlich erhebliche notwendige Einschnitte in den Haushalten, auch in Ihrem Ministerium, Herr Minister. Es taucht natürlich die Frage auf: Wie viele Kilometer der durch Reiter beschädigten Waldwege kann man mit knapp 3 Mio.  wieder in einen vernünftigen Zustand versetzen, wenn diese Schäden erfasst wurden und wenn man auf ihren Schildbürgerstreich verzichten würde, ein derartiges Verwaltungs- und Kontrollverfahren hier in das neue Gesetz zu bringen?

Es gibt noch eine Anzahl von Fragen, meine Damen und Herren, die unbefriedigend beantwortet bleiben in diesem Gesetzentwurf. Ich möchte einige aufzählen: Muss man eigentlich jeden einzelnen Reiter, der einen anderen als den ausgeschilderten Weg in Zukunft nutzen möchte, in die Illegalität treiben?

(Zwischenruf Abg. Wackernagel, CDU: Sie fahren doch auch nur auf der Straße und nicht auf dem Feldweg.)

Ist die jetzt vorliegende Gesetzesnovellierung nicht eher geeignet, das zarte blühende Pflänzchen eines beginnenden Reittourismus im grünen Herzen Deutschlands mehr als nur zu behindern?

(Beifall bei der SPD)

Wozu stecken wir eigentlich all diese Fördermittel, auch und gerade aus dem Landwirtschaftsministerium, in Betriebe, die neben der traditionellen landwirtschaftlichen Produktion den Versuch wagen, sich alternative Einkommensquellen zu erschließen, indem sie überwiegend jungen Bürgern und Touristen das Naturerlebnis - Reiten in Wald, Feld und Flur - anbieten wollen?

Wenn das alles so gefährliche Auswirkungen hat, meine Damen und Herren, warum eigentlich verfügen wir noch nicht über eine unabhängige Studie, die uns die positiven und die negativen Effekte des Reitens auch im Wald einmal aus ökonomischer Sicht gegenüberstellt? Wie steht es eigentlich mit unserem einklagbaren Gleichheitsgrundsatz, wenn die Kennzeichnungen dieser Reitwege durch die unteren Behörden übernommen werden, jeder Wanderverein dagegen Vergleichbares aus eigener Kraft oder in Zusammenarbeit mit den Kommunen leisten muss?

Die einstimmig angenommene Stellungnahme des Thüringischen Landkreistags, vorgetragen am 5. September 2002 in der Anhörung, die dringend vor einer solchen Art der Novellierung warnt, übrigens in großer Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Thüringer Bauernverbandes, und zwar nicht zuletzt aus derartig wirtschaftlichen Erwägungen heraus, hätte Sie, meine Damen und Herren in der CDU-Fraktion, eigentlich zur Besinnung bringen müssen.

(Zwischenruf Abg. Wackernagel, CDU: Da haben Sie was Verkehrtes gelesen.)

Noch ist es nicht zu spät, meine Damen und Herren, wir haben einen Entschließungsantrag heute in der Drucksache 3/2968 eingebracht, der darauf abzielt, die gegenwärtigen Probleme mit den derzeitig verfügbaren Mitteln und mit gutem Willen zu lösen. Auch dazu würden wir auf die Koordinierung durch die unteren Behörden zurückgreifen, allerdings ohne, dass dazu flächendeckend Reitwegekennzeichnungen und Verwaltungsanstrengungen erforderlich sind. Ich brauche Ihnen den Inhalt dieser Entschließung nun sicherlich nicht vortragen.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Nein.)

Ich hoffe, dass Sie darauf zumindest auch einmal sachlich eingehen.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch einmal auf die in dem Entwurf auch enthaltene Kennzeichnung der Reitpferde eingehen, nicht ohne Sie darauf hinzuweisen, dass wir dieser Maßnahme nicht generell ablehnend gegenüberstehen. Dazu bräuchte man allerdings keine Gesetzesänderung. Viel wichtiger ist aus unserer Sicht die Frage der Praktikabilität einer solchen Maßnahme.

Herr Abgeordneter Botz, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Klaus zu?

Ja, aber selbstverständlich, Frau Präsidentin.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich möchte Sie fragen: Wie schätzen Sie denn die Erkennbarkeit dieser Kennzeichen ein, die ja im Gesetz sehr detailliert und genau beschrieben sind, ich sage mal, auf vielleicht hundert Meter Entfernung und vielleicht nicht bei so einer guten Beleuchtung wie hier, weil es ja wenig Zweck hat, eine Kennzeichnung durchzuführen, wenn der praktische Nutzeffekt, z.B. die Bußgeldverfahren, die daraus resultieren, doch sehr unwahrscheinlich wird? Wenn Sie dazu mal was ausführen könnten?

(Beifall bei der SPD)

Also, verehrte Kollegin, ich erfreue mich noch recht guten Augenlichts,

(Heiterkeit im Hause)

auch wenn die Lichtverhältnisse hier im Saal nicht so gut sind, aber angesichts dessen, was Sie in der entsprechenden Größenordnung zurzeit einmal an Ihr Haupt angelegt haben, würde ich sagen, ist unschwer zu erkennen, wie gewagt die Vorstellung ist, dass man im Wald bei Wind und Wetter in Bewegung der Pferde auf eine solche Distanz wirklich praktikabel mit einer solchen Beschilderung ein Reitpferd identifizieren könnte. Ich wage das zu bezweifeln. Dazu kommt ja noch, meine Damen und Herren, im Unterschied zum Plenum soll es im Wald vorkommen, dass das Sichtfeld durchaus durch einen Baum getrübt wird,

(Beifall und Heiterkeit bei der PDS, SPD)

einmal abgesehen davon, dass Pferde durchaus ein ähnlich langes Haupthaar wie unsere verehrte Kollegin haben und die Reiter nicht unbedingt die Absicht haben, sich identifizieren zu lassen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir möchten ja nicht unbedingt einen Galopp machen.)

Wir haben hier erhebliche Bedenken...

Herr Abgeordneter Botz, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Grüner zu?

Da ich weiß, dass wir hier einen täglichen Waldgänger haben, kann ich diese Frage nicht ablehnen.

Herr Dr. Botz, von Ihrer Sicht aus bis hier hinter zu Frau Dr. Klaus ist es nicht besser, wenn die Nummer auf der Stirn jetzt wie ein Brett vor dem Kopf steht; kann man es da nicht besser erkennen? An den Ohren wackelt es. Ich meine, wenn es starr wie ein Brett vor dem Kopf ist, dann sieht man es doch deutlicher?

(Heiterkeit im Hause)

Wenn Sie das als praktikabel empfinden, dass Reitpferde sich so wie in Wald, Feld und Flur bewegen sollen, dann weiß ich jetzt nicht richtig, wie ernst Sie diese Frage meinen. Aber der Schildbürgerstreich, den Sie vorhaben, hat eher etwas mit einem Brett vor dem Kopf zu tun, als das, was hier mal kurz angedeutet wurde.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, abschließend bleibt mir nur, Ihnen zu empfehlen, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Da Sie das wahrscheinlich nicht tun werden, denken Sie wirklich noch einmal darüber nach und hoffentlich haben Sie unseren Entschließungsentwurf richtig verdaut. Dann würden wir Sie doch bitten, den anzunehmen, und zwar aus folgendem Grund: Wenn es nur deshalb wäre, um den Ministerpräsidenten des Freistaats Thüringen in seinen Bemühungen zu unterstützen, Deutschland und damit auch Thüringen als Staat schlanker zu machen, Bürokratie abzubauen, den Bürgern und Unternehmen wieder mehr Freiheit zu geben; denn genau das hat er nicht nur gestern Abend hier lautstark von sich gegeben, sondern auch am Sonntagabend in Berlin bei Frau Christiansen. Weil er ein redlicher Politiker mit Verantwortung in Thüringen ist,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jawohl, das stimmt.)

können Sie nicht das, was er in Berlin fordert, in Thüringen ad absurdum führen, indem Sie der Novellierung eines Gesetzes zustimmen, das Verwaltungsaufwände erhöht, Kosten steigert, Bürokratie anwachsen lässt und die Freiheit von Bürgern und Unternehmen ungerechtfertigt in einer Art und Weise einschneidet, wie man es sich nur erklären kann, weil Sie aus irgendwelchen Gründen

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Jetzt kommts.)

(Zwischenruf Abg. Wackernagel, CDU: Wel- cher blaues Blut hat?)

- ich weiß nicht, welches Blut Sie haben, also ich habe kein blaues Blut -, einer kleineren Gruppe von Bürgern in diesem Land voreilig und unüberlegt einige Vorzüge einräumen wollen, die aber nichts mit ausgewogener Interessenvertretung zu tun haben, wofür eine gesetzgebende Körperschaft in einem Bundesland verantwortlich ist. Deshalb müssen wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Abgeordneter Kummer, bitte, Sie haben das Wort.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie hätten Ihre Scheuklappen mitbringen sollen, Herr Kummer.)