Protokoll der Sitzung vom 30.01.2003

Das ist es aber nicht. Es ist nicht alles in Ordnung beim Landesamt für Verfassungsschutz und auf einige grundsätzlichere Dinge im Zusammenhang mit Verfassungsschutzgesetz und Verfassung und mit einigen konkreten Fällen, die hier so in der Grauzone behandelt werden, werde ich noch zu sprechen kommen.

Es gibt also sehr wohl einen Anlass, denn neben den Skandalen, die aus dem bekannten und benannten Amt auch in die Öffentlichkeit gerieten, gab es ein zunehmend gesteigertes Interesse solch unbescholtener Personen wie der meinen. Ich habe nämlich keine Akte des Landesamts für Verfassungsschutz. Jedenfalls wird mir das so mitgeteilt. Es könnte zwar sein - der Herr Köckert meint, ich hätte doch eine, oder?

(Zwischenrufe aus dem Hause)

Aha, nichts Genaues weiß man nicht. Es ist ja schon interessant, warum die Mitglieder meiner Fraktion auf die Idee kamen, einmal beim Landesamt für Verfassungsschutz nachzufragen, ob es denn eine Akte über ihre Person gäbe.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Viel- leicht hat es einen Grund gehabt!)

Die Frau Groß ruft jetzt wieder rein, Sie haben vorhin schon mal so etwas gesagt: "Vielleicht hat es einen Grund gehabt!" Natürlich hat es einen Grund gehabt. Es ist bekannt geworden, dass über Abgeordnete des hohen Hauses Akten geführt werden, und daraufhin haben wir von

unserem gesetzlichen Auskunftsrecht Gebrauch gemacht.

(Beifall bei der PDS)

Wir haben uns alle an das Landesamt für Verfassungsschutz gewandt und haben auch Antworten erhalten. Aber Moment,

(Unruhe im Hause)

inzwischen scheinen ja auch einige andere Abgeordnete und andere Menschen in diesem Land unruhig geworden zu sein, denn - ich habe es vorhin schon einmal gesagt - nichts Genaues weiß man nicht und wann, wer, zu welchem Zweck und mit wem zusammengetroffen ist und was davon für den Verfassungsschutz interessant ist, weiß eigentlich keiner so recht. Meiner Fraktion wird natürlich in diesem Zusammenhang gleich vorgeworfen, sie würde die Aufdeckung der Überwachung einzelner Abgeordneter politisch instrumentalisieren

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Natürlich.)

und es wird sogar von Inszenierung gesprochen. Nach meiner Meinung wird der Versuch damit unternommen, von der rechtlichen und politischen Dimension des Vorgangs abzulenken.

(Beifall bei der PDS)

Manche Szenarien, die nicht von den Mitgliedern meiner Fraktion gemacht worden sind, machen eigentlich das Absurde der Vorgänge deutlich.

Gestatten Sie mir zunächst eine kurze Bewertung der rechtlichen Dimension. Die Verfassung des Freistaats verbietet es ausdrücklich, die Tätigkeit der Abgeordneten bei der Ausübung ihres Mandats zu behindern. Es ist darauf schon eingegangen worden, aber das Interessante ist, dass in dem Zusammenhang - ich glaube, das war auch vorhin im Beitrag von Frau Groß - aus dem Gutachten der Landtagsverwaltung immer nur das zitiert wird, was ins eigene Bild passt.

(Beifall bei der PDS)

Das heißt, da wird nicht grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Tätigkeit der Abgeordneten im politischen und im vorpolitischen Raum geschützt ist, sondern da wird zuerst gesagt, es gibt aber auch Einschränkungen. Nun sind in dem Lehrbericht des Ministers Trautvetter solche Dinge gefallen wie drohende Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: G 10-Gesetz.)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Ja, G 10-Gesetz.)

Es ist auf das G 10-Gesetz eingegangen worden. Und es ist aber auch gesagt worden, bloße Gesinnungsausschnüffelung gibt es nicht. Nun schauen wir uns das einmal in den einzelnen Fällen genau an. Das Thüringer Verfassungsschutzgesetz, so wie es jetzt vorliegt, hat sich offensichtlich von diesem verfassungsmäßigen Gebot wenig beeindrucken lassen, d.h., eigentlich kann ja das Gesetz nichts dafür, die Mehrheit der Abgeordneten dieses hohen Hauses hat dieses Verfassungsschutzgesetz angenommen

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Gott sei Dank.)

und hat damit - jetzt sagt Herr Fiedler schon wieder, Gott sei Dank - die Eingriffsrechte in die parlamentarische Arbeit der Abgeordneten zugelassen.

(Unruhe bei der CDU)

Offensichtlich gehen einige davon aus, dass, wer der Verfassung zustimmt, von vornherein mit der weißen Weste herumläuft und demzufolge nie in den Überwachungskreis kommen könnte und die, die nicht zugestimmt haben, weil sie vielleicht andere Vorstellungen, weiter gehende Vorstellungen hatten, die müssen die potenziellen Verfassungsfeinde sein und die geraten schon einmal von vornherein in eine wenigstens misstrauische Optik.

(Beifall bei der PDS)

Übrigens, um das einmal zu beweisen, wir hatten dazu einige Plenarprotokolle nachgelesen. Herr Abgeordneter Kretschmer hat das sogar ausdrücklich so ausgedrückt, dass wir ja sowieso nicht der Verfassung des Freistaats zugestimmt hätten und schon aus diesem Grund in der Kritik stünden.

(Beifall bei der PDS)

Das können wir noch nachlesen. Aber darum geht es nicht. Wir haben bei uns drei bekannte Fälle in der Fraktion, drei bekannte Personen, die eine Auskunft des Landesamts für Verfassungsschutz erhalten haben.

Der erste Fall ist die Tätigkeit des Abgeordneten Dittes. Dort ist als Erstes in dem Brief an den Abgeordneten Dittes zu lesen, dass Kleine Anfragen von ihm zu Aktivitäten von Rechtsextremen in Thüringen in einer Datei erfasst sind, d.h., parlamentarische Anfragen eines Abgeordneten des Thüringer Landtags werden in einer Datei des Landesamts für Verfassungsschutz erfasst. Dieser hat sich mit diesen Anfragen darum gekümmert, wie die rechtsextremistische Szene in Thüringen beschaffen ist. Das heißt, es wird dort die Intention unterstellt, und es gibt auch ein paar andere Auskunftsstücke dazu,

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das ist falsch.)

es wird nur die Intention unterstellt, der Abgeordnete Dittes, Mitglied meiner Fraktion, würde nicht im Sinne der Aufklärung über rechtsextremistische Tätigkeit arbeiten und die Fraktion der PDS hätte nicht ein grundlegendes Interesse daran, diese Tätigkeit offen zu legen, und tatsächlich Verfassungsschutz so betreiben, dass man gegen all diese rechtsextremistischen Tätigkeiten vorgeht, und zwar in einer offenen Auseinandersetzung. Es wird unterstellt, Herr Dittes würde die Arbeit des Verfassungsschutzes lahm legen wollen.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Nein, das lesen nur Sie daraus.)

(Unruhe bei der CDU)

Weiter: Wir haben die parlamentarische Fragetätigkeit eines Abgeordneten unserer Fraktion in den Verfassungsschutzakten. Ich habe bereits darauf hingewiesen, mir wird nicht ersichtlich, was sie dort zu suchen haben.

(Beifall bei der PDS)

Im Übrigen ist das ja auch nicht alles, was in dem Brief des Verfassungsschutzamts an Herrn Dittes steht. Dann kommen im Weiteren noch Auflistungen verschiedener Treffen mit Menschen, die Demonstrationen anmelden, die Kontaktadressen angeben, Zeitungsartikel...

(Unruhe im Hause)

Wir können darüber offen reden. Machen wir das einmal nicht so aufgeregt. Also eine Aufeineranderfolge von Informationen über Treffen, über Initiativen, die eigentlich alle schon in der Zeitung standen. Nun frage ich mich: Was haben diese Informationen in einer Akte des Landesamts für Verfassungsschutz zu tun. Aber es ist ja schon gesagt worden, wer im extremistischen Bereich verkehrt, das haben Sie vorhin gesagt, der könnte unter Beobachtung kommen.

Nun kommen wir zum Fall zwei, die Tätigkeit der Abgeordneten Kaschuba. Die muss offensichtlich im Umfeld solch extremistischer Gruppierungen tätig gewesen sein.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Nein, das lesen nur Sie daraus.)

In dem Brief an sie ist nachzulesen, dass sie Kontakt zu einem "Beobachtungsobjekt des TLfV" hat. Wir haben lange Zeit darüber nachgedacht, was ein Beobachtungsobjekt ist. Übrigens, die Sprache der Geheimdienste bleibt immer die gleiche.

(Beifall bei der PDS)

Das Beobachtungsobjekt, mit welchem Frau Kaschuba in Kontakt gerät, kann ihr aber nicht benannt werden, weil sonst die Quelle bekannt würde, die letzten Endes diese Daten zum Landesamt für Verfassungsschutz gibt. Jetzt kann Frau Kaschuba nicht mal ordentlich ihre Verfassungstreue bekunden, denn sie weiß nicht, welchem Beobachtungsobjekt sie ausweichen soll.

(Beifall bei der PDS)

Dritter Fall, die Tätigkeit des Abgeordneten Bodo Ramelow.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: So war früher Staatsbürgerkunde.)

Herr Kretschmer, was Sie mir unterstellen, das weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Das sage ich jetzt einmal laut: "So waren früher die Staatssicherheitstätigkeiten."

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ich habe gesagt, so war früher Staats- bürgerkunde.)

Ach Staatsbürgerkunde, na Gott sei Dank. Das Erste hätte ich zurückgewiesen. Die Akten des MfS, das sind Akten, die letzten Endes viele Menschenleben beschädigt haben. Ich weise mit aller Deutlichkeit zurück, dass mit unserer Fraktion dort irgendetwas in Zusammenhang gebracht wird, dass wir das noch rechtfertigen würden. Aber die Vorgänge zum heutigen Tag werden dadurch nicht schöner. Das muss ich Ihnen auch dazu sagen.

(Beifall bei der PDS)