Protokoll der Sitzung vom 04.04.2003

Die Zahl der Hausmülldeponien konnte drastisch reduziert werden. Das Aufkommen an festem Siedlungsabfall hat sich in den letzten acht Jahren um zwei Drittel verringert. Die Luftqualität ist deutlich verbessert worden. Insbesondere hat die nachhaltige Reduzierung von Schwefeldioxid dazu geführt, dass Smogsituationen, wie sie vor einigen Jahren noch gang und gäbe waren, nicht mehr zu erwarten sind.

(Beifall bei der CDU)

Der Beitrag der Raumordnung zur Verbesserung der Luftqualität besteht vor allem darin, klimatologisch bedeutsame Freiräume zu bewahren,

(Beifall bei der PDS)

die den Luftaustausch in den Siedlungen gewährleisten. Daran, Herr Kummer, wollen wir auch im neuen Landesentwicklungsplan festhalten.

(Beifall bei der PDS)

Große Anstrengungen wurden bei der Erstaufforstung und bei der Ausweisung von Gebieten für den Schutz für Natur und Landschaft unternommen. Besonders hervorzuheben sind die so genannten Großschutzgebiete. Ich nenne die Biosphärenreservate in der Rhön und im Mittleren Thüringer Wald, den Nationalpark Hainich, der in diesem Jahr bereits seinen fünften Geburtstag feiert. Und ich weise darauf hin, dass wir Gebiete für das europäische Schutzgebietsystem "Natura 2000" gemeldet haben. In diesen Schutzgebieten gelingt es zunehmend, Naturschutz und Regionalentwicklung miteinander in Einklang zu bringen. Es ist auch Aufgabe des neuen Landesentwicklungsplans, diese Tendenz im Sinne der Nachhaltigkeit zu stärken. Wir sind bei der Verwirklichung der Ziele des Landesentwicklungsprogramms von 1993 in den Bereichen Infrastruktur, Wirtschaft, Natur und Umwelt gut vorangekommen. Auch in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kunst ist das Fundament

für ein zukunftsfähiges Thüringen gelegt. Es ist in gemeinsamen Anstrengungen der kommunalen Schulträger und des Landes gelungen, ein Schulnetz zu gestalten, das flächendeckend eine hohe Schulqualität ermöglicht. Die Thüringer Schullandschaft ist von unserer Überzeugung geprägt, dass die Bildung der Vermittlung von Wissen und Werten dienen muss.

(Beifall Abg. Groß, Abg. Arenhövel, CDU)

Schulpolitik hat bei uns Priorität. Der demographische Wandel und seine Folgen für die künftige Entwicklung der Schülerzahlen machen diese Aufgabe nicht einfacher. Der neue Landesentwicklungsplan muss sowohl den veränderten demographischen Bedingungen als auch einer wohnortnahen Schulversorgung Rechnung tragen.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Die berufliche Bildung hat einen besonderen Stellenwert. Fast allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen konnte in der Vergangenheit eine berufliche Ausbildung vermittelt werden. Die 58 berufsbildenden Schulen in Thüringen entwickeln sich zunehmend zu Kompetenzzentren in ihrer jeweiligen Region. Die Hochschul- und Forschungsinfrastruktur in Thüringen eröffnet Chancen und legt die Grundlage für moderne Entwicklungen. Die Wiedergründung der Universität Erfurt und die Neugründungen der Fachhochschule in Nordhausen und der Berufsakademie haben den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Thüringen gestärkt. Bei allen Hochschulrankings nehmen die Thüringer Universitäten und Hochschulen vordere Plätze ein. Die Attraktivität der Studiengänge lässt die Studentenzahlen erfreulicherweise ansteigen. Ich nenne als Beispiele das Physikstudium in Jena, das Maschinenbaustudium in Ilmenau und die Medienstudiengänge an allen Thüringer Universitäten.

(Beifall bei der CDU)

Mit drei Instituten der Max-Planck-Gesellschaft, zwei Instituten und zwei Institutsaußenstellen der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried-Wilhelm-Leibniz, einem Institut und zwei Arbeitsgruppen der Fraunhofer Gesellschaft sowie mehreren landesfinanzierten Forschungseinrichtungen verfügt Thüringen inzwischen auch über eine attraktive und leistungsfähige außeruniversitäre Forschungslandschaft. Zu Recht sprechen wir inzwischen vom "Wissenschaftscampus Thüringen".

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Thüringen ist gut vorangekommen, auch weil wir auf die Stärke der Kommunen setzen.

(Beifall bei der CDU)

Mit dem Landesentwicklungsprogramm 1993 haben wir auf die regionalen Eigenkräfte gebaut. Die Resultate zeigen, dass es richtig war, die Regionalplanung den kommunal verfassten Planungsgemeinschaften zu übertragen: Gemeinsam mit vielen regionalen Akteuren haben die Regionalen Planungsgemeinschaften die Interessen in den Regionalplänen gebündelt, und so eine wichtige Grundlage für eine gute Entwicklung der Regionen und für die Bewahrung und Förderung der regionalen Identitäten gelegt. Ich erinnere daran, Thüringen war das erste Land unter den jungen Ländern, in dem auf der regionalen Ebene flächendeckend Raumordnungspläne vorlagen. Die Planungsgemeinschaften sind auch zu Impulsgebern für die Zusammenarbeit von Städten und Gemeinden geworden. Eine Zusammenarbeit, die in Regionalen Entwicklungskonzepten, Städteverbünden oder Modellprojekten realisiert wird. Der Thüringer Weg der Regionalen Entwicklungskonzepte hat deutschlandweit Beachtung gefunden. Selbstverständlich wird auch das neue Landesentwicklungsprogramm den Regionen und Kommunen breiten Gestaltungsraum einräumen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sehr breit!)

(Beifall bei der CDU)

Wir setzen weiter auf starke Kommunen und die verstärkte Förderung von interkommunalen Kooperationen. Nur mit starken Kommunen und Regionen werden wir die künftigen Herausforderungen meistern.

(Beifall bei der CDU)

Insbesondere auf das Problem des demographischen Wandels können Land, Planungsregionen und Kommunen nur gemeinsame Antworten finden.

Kommen wir nun zum demographischen Wandel: Die Bevölkerungsentwicklung ist eine wesentliche Rahmenbedingung für die Landesplanung. In Thüringen ging die Bevölkerung von 1993 bis 2001 um 134.000 Einwohner, also um 5,3 Prozent, zurück. Der Rückgang der Bevölkerung in den anderen jungen Ländern - mit Ausnahme Brandenburgs, das von Berlin profitiert - war überwiegend noch deutlicher. In Thüringen waren 81 Prozent des Rückgangs durch die natürliche Bevölkerungsentwicklung, insbesondere das hohe Geburtendefizit, verursacht. Nur 19 Prozent waren Wanderungsverluste. Nachdem die Wanderungsverluste in den Jahren 2000 und 2001 noch angestiegen sind, auch in der Gruppe der Jugendlichen im Alter von 18 bis 25 Jahren, ist für das Jahr 2002 nach Angabe des Statistischen Landesamtes nicht mehr mit einem Anstieg zu rechnen.

Seit 1998 zogen jährlich 34.000 bis 35.000 Menschen nach Thüringen zu. Im gleichen Zeitraum zogen 38.000 bis 47.000 Menschen aus Thüringen fort. Zahlen, die zeigen, dass der Abwanderung auch im deutlichen Umfang Zuwanderung gegenübersteht. Die Zuzüge nach Thürin

gen und die Fortzüge aus Thüringen in die anderen jungen Länder halten sich die Waage. Die Fortzüge aus Thüringen in die alten Länder, besonders nach Bayern und Baden-Württemberg, übersteigen die Zuzüge. Diese wirtschaftlich starken süddeutschen Länder haben übrigens auch aus den alten Ländern Zuwachs. Es gibt also ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in Deutschland. Das bedeutet, dass wir auch stark werden müssen. Der Standort Thüringen muss so attraktiv werden, dass die Menschen hier bleiben und zu uns kommen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es erfreulich und soll auch an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gesagt werden, dass beispielsweise im Jahr 2002 5.141 Menschen aus Niedersachsen und 3.708 Menschen aus Sachsen zu uns nach Thüringen gekommen sind.

(Beifall bei der CDU)

Die Bevölkerungsentwicklung innerhalb Thüringens verläuft räumlich sehr differenziert. Die höchsten durchschnittlichen Einwohnerverluste verzeichneten die Oberzentren, gefolgt von den Mittel- und Unterzentren. Dabei gab es eine große Spannweite. Während Weimar Einwohner hinzugewann und Jena nur wenige verlor, lagen die Bevölkerungsrückgänge in Suhl, Gera und Altenburg bei über 15 Prozent. Dabei sind die Menschen häufig in die nächste Umgebung gezogen. Viele kleinere Gemeinden hatten dementsprechend Einwohnerzuwächse. Beide Tendenzen sind also in erster Linie ein Ergebnis der Stadt-Umland-Wanderung. Der 9. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung für Thüringen bis zum Jahr 2050, die das Landesamt für Statistik im Februar 2000 vorgelegt hat, liegen u.a. die nachfolgenden Annahmen zugrunde, nämlich, dass die Geburtenraten in Thüringen steigen, 2005 das Niveau der alten Länder erreichen und dann konstant bleiben, dass die Lebenserwartung bis 2005 das Niveau erreicht, das die alten Länder im Jahre 1997 hatten und schließlich, dass bis 2016 ein ausgeglichenes Binnenwanderungssaldo erreicht wird. Unter diesen Annahmen wird für Thüringen folgende Entwicklung prognostiziert: Die heutige Bevölkerungszahl zum Stichtag 31. Dezember 2001 von 2,411 Mio. Einwohnern wird bis 2020 auf 2,223 Mio. Menschen abnehmen. Für die Jahre 2040 wird eine Zahl von 1,905 Mio. und für das Jahr 2050 eine Bevölkerungszahl von 1,730 Mio. Menschen angenommen.

Für die Thüringer Gemeinden würde das bedeuten, dass sie im Jahre 2020 rund 10 Prozent, im Jahre 2050 rund 30 Prozent Einwohner weniger als im Jahre 2000 haben. Nach dieser Prognose würde sich der Anteil der über 65-Jährigen in diesem Zeitraum verdoppeln und dann ein Drittel der Gesamtbevölkerung bilden. Der prozentuale Anteil der jungen Menschen ginge dementsprechend erheblich zurück. Die regionalisierte Prognose, die den Zeitraum bis 2020 umfasst, erwartet für die kreisfreien Städte, mit Ausnahme von Weimar, und die Landkreise Alten

burger Land, Kyffhäuserkreis, Rudolstadt/Saalfeld und Sonneberg überproportionale Bevölkerungsrückgänge. Die Prognosen für die anderen jungen Länder, wiederum mit Ausnahme Brandenburgs, zeigen die gleichen Tendenzen. Demgegenüber wird für die alten Länder bis 2020 ein vergleichsweise moderater Bevölkerungsrückgang erwartet, der sich dann aber bis 2050 deutlich steigern wird. Ich weise noch einmal darauf hin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind Prognosen, keine tatsächlichen Entwicklungen. Wobei man sicherlich zwischen mittelfristiger und langfristiger Prognose unterscheiden muss. Die mittelfristige Prognose zur Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2020 ist allerdings sehr zuverlässig, weil die Anzahl der Frauen, die in diesem Zeitraum Kinder zur Welt bringen können, bereits bekannt ist.

(Beifall bei der PDS)

Wesentliche Teile der PDS-Fraktion haben ja dazu auch einen Beitrag geleistet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Landesentwicklungsplan und die Regionalpläne, die den Planungszeitraum bis 2020 erfassen, müssen deshalb der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung Rechnung tragen. Gleichzeitig müssen wir tief greifende Veränderungen einleiten, um die Entwicklung so zu beeinflussen, dass die langfristigen Prognosen, die für den Zeitraum nach 2020 gelten, nicht eintreten. Wir brauchen eine familienund kinderfreundliche Gesellschaft,

(Beifall bei der CDU)

nur so kann bei einer sehr erfreulichen längeren Lebenserwartung der Menschen einer Überalterung der Gesellschaft entgegengewirkt werden. Wir in Thüringen haben deshalb seit der Wiedergründung des Landes einen deutlichen familienpolitischen Schwerpunkt gesetzt, z.B. mit dem Landeserziehungsgeld und der Förderung der Kindertagesstätten.

(Beifall bei der CDU)

Auch das muss im Rahmen einer Regierungserklärung noch einmal deutlich gesagt werden: Kein anderes Land in Deutschland verfügt über eine bessere Familienförderung, auch deswegen ist Thüringen ein Zukunftsstandort.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen jungen Frauen und Männern Perspektiven bieten, Perspektiven, die dafür sorgen, dass junge Menschen in Thüringen bleiben und von anderswoher nach Thüringen kommen.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme nun zur Mobilitätsentwicklung: Chancen für die Landesentwicklung ergeben sich aus der enormen

Steigerung der Mobilität. Vergleicht man die 80er-Jahre mit den 90er-Jahren, dann haben die Zu- und Fortzüge innerhalb des Landes um 50 Prozent zugenommen und die Fort- und Zuzüge über unsere Landesgrenze hinweg haben sich sogar um 100 Prozent erhöht. 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Thüringen wohnen nicht an ihrem Arbeitsort. Pendeln, teilweise über große Entfernungen, ist zu einer Normalität geworden, selbstverständlich auch, weil viele Menschen in Thüringen inzwischen über einen Pkw verfügen. 1990 verfügte nicht einmal jeder dritte Thüringer über ein Auto, heute hat jeder zweite einen Pkw. Übrigens, im Jahr 2020 werden fast alle Thüringer den nächsten Autobahnanschluss in weniger als 30 Minuten erreichen können. Die Zahl der Menschen, die nach Thüringen pendeln oder zu einer Arbeitsstätte außerhalb des Freistaats fahren, ist Beleg für die enge wirtschaftliche Verflechtung mit unseren Nachbarländern. 2001 gab es rund 127.000 Auspendler, davon pendelten rund 80 Prozent in unsere Nachbarländer. Insgesamt waren das 14,4 Prozent der Beschäftigten mit Wohnort in Thüringen. Umgekehrt pendelten rund 41.000 Beschäftigte nach Thüringen ein, davon kamen wiederum 80 Prozent aus unseren Nachbarländern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir unterhalten intensive Kontakte zu allen unseren Nachbarländern in Deutschland. Thüringen ist Deutschlands starke Mitte.

(Beifall bei der CDU)

Aber wir wollen mehr, wir wollen eine starke und wettbewerbsfähige Region im Zentrum einer erweiterten Europäischen Union werden. Wir haben allen Grund, uns mit unseren ost- und mitteleuropäischen Nachbarn zu freuen, dass mit der EU-Erweiterung die Spaltung unseres Kontinents, die unnatürliche Spaltung in Ost und West, endgültig überwunden ist. Für Thüringen ergeben sich große Chancen. Die jüngsten Ansiedlungserfolge zeigen, dass Thüringen im internationalen Standortwettbewerb konkurrenzfähig ist. Wir müssen darauf achten, dass das so bleibt, und wir müssen deshalb dafür eintreten, dass sich die Förderbedingungen nicht verschlechtern.

(Beifall bei der CDU)

Damit Thüringen und die jungen Länder die teilungsbedingten Entwicklungshindernisse überwinden und international wettbewerbsfähig bleiben, brauchen wir nach 2006 für die gegenwärtige EU-Strukturpolitik eine gerechte Anschlussregelung. Eine Regelung, die gewährleistet, dass die beihilferechtlichen Rahmenbedingungen beibehalten werden. Eine Regelung, die mehr sein muss als das degressive Ausphasen aus dem gegenwärtigen Förderstatus. Auch nach 2006 brauchen wir eine Hilfe, die der bisherigen Ziel-1-Förderung entspricht. Wir unterstützen die Absicht der Europäischen Union, künftig stärker als bisher zu einer nachhaltigen Regionalentwicklung beizutragen. Mit dem Europäischen Raumentwicklungskonzept hat sie ein Leitbild für eine ausgewogene und nach

haltige räumliche Entwicklung in einem gemeinsamen Europa entworfen, wobei die Mitgliedstaaten - und in Deutschland sind das in erster Linie die Länder - dafür verantwortlich sind, dieses Leitbild mit Leben zu erfüllen.

Thüringen, meine sehr verehrten Damen und Herren, nimmt im Vergleich mit den jungen Ländern Spitzenpositionen ein; Platz 12 reicht uns allerdings nicht. Wir wollen den Platz unter den deutschen Ländern, den wir ohne SED und Stacheldraht längst eingenommen hätten,