Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der SPD ist wesentlich realistischer. Dennoch muss ich auch Ihnen, Frau Bechthum, sagen, es ist schon erstaunlich, der Bundeskanzler und Ihr Parteivorsitzender muss Regionalkonferenzen machen, weil er Sorgen haben muss, dass seine Reformen nicht getragen werden. Ich bin gestern zu einer Diskussionsrunde zur Gesundheitsreform gewesen, wo Herr Staatssekretär Schröder da war und einiges hat durchblicken lassen, was kommt. Ich glaube, dass dort erhebliche Belastungen auf uns zukommen. Dort wird mit jedem Pfennig gespart. Dort werden Belastungen auf die Bürger zukommen. Wir haben eine ernste Situation in unseren sozialen Sicherungssystemen. Ich glaube, wenn wir

es jetzt nicht schaffen, schaffen wir es nie mehr.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Aber in einer solchen Situation können wir uns, meine ich, nicht zusätzliche Leistungsgesetze, auch wenn sie noch so klein sind, leisten.

(Zwischenruf Abg. Bechthum, SPD: Sie wollen es doch aber auch so!)

Deswegen, Frau Bechthum und SPD-Fraktion, es fällt mir auch schwer zu sagen, ablehnen, aber ziehen Sie Ihren Gesetzentwurf zurück und bringen wir dann die Gesetzentwürfe gemeinsam ein. Ich wäre bereit, dass wir dann gemeinsam darüber beraten. Das hielte ich für den vernünftigen Weg.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund meine ich, dass beide Gesetzentwürfe nicht in die parlamentarische Diskussion gehen sollten. Sehr unterschiedlich die Gründe aber im Endeffekt leider gleich. Danke sehr.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine weitere Wortmeldung aber ich will nur noch einmal Ihr Einverständnis dafür holen, dass wir die Fragestunde, wie schon so oft, nicht pünktlich anfangen. Alle nicken, okay. Bitte, Frau Abgeordnete Thierbach.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die vorgelegten Gesetzentwürfe sind kein Wettlauf der guten Taten, Herr Minister. Niemand in diesem Haus oder auf der Tribüne hat bisher das, was an Positivem zur Veränderung von Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen erreicht wurde, je negiert. Wenn Sie natürlich das als Ausgangspunkt haben für den Umgang mit zwei Gesetzentwürfen, dann ist es schon verwunderlich, dass sich ein Minister hier herstellt und sagt, lasst die Gesetze nicht bis in den Ausschuss,

(Beifall bei der SPD)

wenn er am Montag vor den Behinderten noch redet, es täte im Leid, dass sein Gesetz im Kabinett nicht die Mehrheit gefunden hat.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Analysiert man diesen Satz, dann hat er persönlich ein persönliches Interesse als Minister auch artikuliert und ist an seinen Kollegen gescheitert. Dann hier zu sagen, am Montag tut es mir Leid und jetzt warte ich aber auf die Mai-Steuerschätzung und will dann sehen, was mit dem Haushalt ist, das schließt sogar aus, dass ein Minister nicht

weiß, dass man heute Gesetze überweisen kann, nach der Steuerschätzung weiterbehandeln kann und das schließt auch darauf hin, dass der Minister die Gesetze nicht in ihrer Substanz gelesen hat, denn sonst hätte er einiges entdecken können.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Das stimmt ja nicht.)

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Die Steuerschätzung...)

Was hätte er entdecken können. Er hätte entdecken können, dass es Artikelgesetze sind, die die PDS-Fraktion eingereicht hat. Er hätte entdecken können, dass es Teile des Artikelgesetzes sind, die nicht mit Kosten verbunden sind, sondern mit politischem Willen.

(Beifall bei der PDS)

Diese, wer das behauptet, das stimmt nicht, der ist nicht in der Lage, zu überlegen, was da drinsteht, nämlich wenn ich bei Bauleistungen vorher plane und im Rahmen der Ausschreibung eine behindertengerechte Bebauung plane,

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Überlegen Sie einmal, was Sie hier gesagt haben, erzählen Sie doch nicht so einen Unsinn.)

dann habe ich keine Mehrkosten, sondern dann sind das Kosten in einer ganz normalen Bauplanung. Wer das nicht wissen will und dieses nicht rechtlich verankern will, der ist eben nicht bereit, Barrieren nicht mehr zu bauen, über die noch nicht einmal ein Behinderter mit dem Rollstuhl dann mehr fahren kann.

(Beifall bei der PDS)

Des Weiteren hat der Minister gesagt, er hat unseren Gesetzentwurf rechnen lassen. Na klar, ist in Ordnung. Wir nehmen diese Berechnung sogar sehr gern an. Wir konnten nur Teile berechnen, für die es tatsächlich Kostenentwicklung auf einer Planungsgrundlage gibt. Es ist dann sehr, sehr ehrlich, zu schreiben, die Kosten sind nicht vorausplanbar. Herr Minister, hier nehme ich Sie bei Ihrem Wort, was für ein Gesetz haben wir denn vorhin hier verabschiedet, durch die Mehrheit der CDU Sozialhilfeneustrukturierung. Wer von Ihnen kennt die Kostenentwicklung ab 2004? Genau diese Fragen haben wir Ihnen gestellt. Keiner! Sie haben ohne die Auswirkungen der Kosten des Gesetzes das Gesetz verabschiedet. Nur hier wollen Sie noch nicht einmal bis in den Ausschuss ein Gesetz lassen, Sie wollen sich sogar verweigern, einer gemeinsamen Bearbeitung der Kostenerhebung, Sie behalten sie uns vor, indem Sie hier im Raum einfach laut sagen, es würde

500 Mio.      !&  eine Behauptung.

Frau Abgeordnete Thierbach, die Redezeit Ihrer Fraktion ist ausgeschöpft. Bitte kommen Sie zum Schluss.

Aber nicht zu beiden Gesetzentwürfen, Frau Präsidentin. Es ist die gemeinsame Beratung zweier Gesetzentwürfe.

Ja, es ist korrekt. Ja, das ist vollkommen korrekt.

Danke. Sie sagten ein Weiteres, Herr Minister, unser Gesetzentwurf gehört nach Utopia. Ich sage Ihnen einfach Ja und wenn Sie Philosophie irgendwann einmal gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass Utopia von Campanellas "Sonnenstaat" abgeleitet ist, und dass dort derjenige, der die meisten Nachteilsausgleiche und die meiste Hilfe braucht, in der Mitte der Gesellschaft steht und zuerst unterstützt wird und danach alle anderen gesellschaftlichen Gruppen und dann,

(Beifall bei der PDS)

wenn man dieses Denken hätte, käme keiner auf die Idee von Randgruppen der Behinderten zu sprechen und auch dieser Begriff ist vorhin hier gefallen. Ich bitte Sie, im Protokoll nachzulesen, derjenige, der es gefunden hat. Richtig.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Sehr genau, mache ich.)

Ja, Sie haben weiter gesagt, für Gleichstellung und für die Vorschläge, die wir gebracht haben, würden die Finanzvorschläge, die wir bisher gemacht haben, nicht reichen. Dann möchte ich Ihnen einen weiteren benennen, wo alles in diesem Lande möglich war. Die Argumente, die wir gesagt haben, haben Ihnen nicht ausgereicht, aber es war nach dem 11. September in Thüringen in einem Nachtragshaushalt sofort umgehend möglich, 50 Mio.  sätzlich zu finden.

(Beifall Abg. Nothnagel, PDS)

Was hat sich seit dem 11. September in Thüringen an einer Sicherheitssituation verändert, dass diese 50 Mio.   antwortlich machen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist doch eine bodenlose Frechheit, was Sie da betreiben.)

Was denn, lassen Sie uns doch über Finanzierungsgrundlagen reden. Vielleicht wird gar nicht das ganze Geld gebraucht. Was hat sich denn an der inneren Sicherheitslage verändert in Thüringen? Ich stelle Fragen, Sie verweigern sich, überhaupt über Inhalte zu diskutieren, indem Frau Arenhövel sich hier hinstellt und sagt, wir haben beschlossen, unsere Gesetzentwürfe von SPD und PDS gehen noch nicht einmal bis in den Ausschuss.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Hochwasser ist Ihnen entgangen.)

Das haben Sie vorhin gesagt und das ist Arroganz der Macht und das bedeutet nicht, Behinderten Hoffnungen machen oder Behinderten irgend etwas zu versprechen, sondern der Umgang mit dem Gesetzentwurf der PDSFraktion bedeutet, die Mühen, die Arbeit, die Beteiligung, die Vorschläge von Behinderten für ein Gleichstellungsgesetz zu missachten und noch nicht einmal bis in den Ausschuss zu lassen. Das ist Ihre Logik, das ist Ihr Verhalten und das ist wirklich alles andere als einem Jahr der Behinderten zuträglich.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Mir liegen jetzt keine weiteren... Doch es gibt noch eine weitere Wortmeldung. Bitte, Herr Minister.

Es ist nur eine ganz kleine Anmerkung, verehrte Frau Thierbach. Was ich gesagt habe, habe ich gesagt aber nicht, was Sie mir unterstellen.

(Beifall bei der CDU)

Das, was Sie mir unterstellen, habe ich bei der Staatskanzlei so nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass es keine Freude ist für einen Minister, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten und dann festzustellen, dass es im Augenblick nicht umsetzbar ist. Da ist nicht ein Wort davon, dass ich überstimmt worden bin oder sonst etwas, sondern das ist die Feststellung, dass man in dieser Situation es nicht umsetzen kann.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Das habe ich auch nicht behauptet.)

Das ist wohl etwas anderes. Anders bei Ihnen,

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Das steht im Kabinettsprotokoll.)

nach dem Motto, was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben, sollten Sie verfahren und nicht nach dem Motto, was ich geschrieben habe, habe ich so ernst nicht ge

meint. Ich habe Ihr Gesetz gelesen und Ihr ganzes Gesetz. Da picke ich mir nicht Artikel heraus, sondern da sehe ich mir das ganze Gesetz an. Und noch ein drittes Wort dazu, was die Kosten nach dem 11. September angeht: Sehr verehrte Frau Abgeordnete Thierbach, es war der 11. September 2001 und sollten Sie nicht gemerkt haben, was sich in dieser Bundesrepublik Deutschland seit dem 11. September 2001 an wirtschaftlichen Dingen, an finanzieller Misere bei Ländern und Kommunen geändert hat, dann tun Sie mir in der Tat Leid.

(Beifall bei der CDU)