Protokoll der Sitzung vom 04.07.2003

(Beifall bei der CDU)

Als Verhandlungsführer habe ich im Winter 1999/2000 die Gespräche mit den ehemals regierenden Häusern aufgenommen. Schon 2001 konnten wir mit dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha eine beispielhafte gütliche Einigung erreichen. Damals war es uns gelungen, Kunstgüter und Immobilien mit einem Wert von weit mehr als 500 Mio. DM durch die Übertragung von 800 ha Wald im Wert von 15 Mio. DM zu sichern. Diese Einigung war über Thüringen hinaus beispielgebend. Sie hat zu einer neuen Qualität des Verhältnisses zwischen dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha und der Stadt Gotha geführt. Dem Chef des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha, Prinz Andreas, wurde inzwischen durch Stadtratsbeschluss die Ehrenbürgerwürde von Gotha verliehen.

Auf den positiven Erfahrungen der Einigung mit dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha aufbauend, haben wir im Herbst 2001 intensive Gespräche mit dem Hause Sachsen-Weimar-Eisenach begonnen. Die Ausgangslage für die Verhandlungen war schwierig. Sie war sachlich und

juristisch, aber auch psychologisch schwierig. Unser Gesprächspartner Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach hat zu Beginn der Verhandlungen moniert, dass er ein Jahrzehnt lang auf solche Verhandlungen habe warten müssen. Auf die Gründe bin ich bereits eingegangen. Es ist nicht einfach gewesen, angesichts dieser anfänglichen persönlichen Verstimmung eine sachlich-professionelle Atmosphäre zu erreichen, die substanzielle Gespräche ermöglichte. Das ist in der Folge beiden Seiten gelungen.

Es ist nicht üblich, vor dem Thüringer Landtag einzelnen Beamten zu danken. Sie erlauben, dass ich von der Regel abweiche, um Herrn Ministerialrat Dr. Molitor und Herrn Regierungsrat Eggers für die geleistete Arbeit zu danken.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben diese schwierige Aufgabe begleitet und dies ohne Abstriche von ihren eigentlichen Aufgaben als Referatsleiter "Verwaltungsmodernisierung" bzw. als Kabinettsreferent. Im Klartext: Es sind weder Kosten für zusätzliche Planstellen noch für anwaltliche Beratungen angefallen. Manche Urlaubstage sind verloren gegangen, viele Abende und Wochenenden. Das alles ist nicht selbstverständlich. Wenn dieses Beispiel wenigstens zum Teil Schule macht, ist mir um die Verwaltung des Freistaats nicht bange.

(Beifall bei der CDU)

An einem entscheidenden Punkt der Verhandlungen hat uns im Dezember 2002 in ganz uneigennütziger Weise Herr Rechtsanwalt Professor Pohl, der ehrenamtlich für die Deutsche Stiftung Denkmalschutz tätig ist, als Vermittler zur Verfügung gestanden. Auch ihm möchte ich an dieser Stelle herzlich danken.

Aufgrund der mit dem Hause Sachsen-Weimar-Eisenach erreichten Verhandlungsatmosphäre konnten - auch ungeachtet unterschiedlicher Rechtsauffassungen - in zahlreichen Treffen nach und nach konkrete Einigungsvorstellungen entwickelt werden. Ein erstes positives Signal war, dass wir im letzten Herbst gemeinsam beantragt haben, das erwähnte Verfahren zum Goethe-Schiller-Archiv ruhen zu lassen.

Meine Damen und Herren, mit Hilfe der betroffenen Stiftungen "Weimarer Klassik und Kunstsammlungen" und "Wartburgstiftung" wurden umfangreiche Bestands- und Wertermittlungen durchgeführt. Diese dienten uns als Orientierung für weitere Verhandlungsschritte.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine grundsätzliche Bemerkung zu den Bestands- und Wertermittlungen in Weimar. Dass nicht jedes der fast 100.000 Blätter der Grafiksammlung im Stadtschloss einzeln auf seine Provenienz untersucht und bewertet werden konnte, versteht sich von selbst. Das gilt auch für die Herzogin Anna Amalia Bibliothek, deren heutiger Gesamtbestand ca. 1 Mio. Bände umfasst.

Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie um Verständnis, wenn im Falle einer Restitutionsangelegenheit von diesem Ausmaß keine Kompensationssumme bestimmt werden kann nach dem Muster: Bewertung - Gegenbewertung Kompromiss. Das ist - mit Verlaub - eine etwas naive Vorstellung. Ein derartiges Vorgehen hätte noch mehrere Jahre in Anspruch genommen und sicherlich nicht zu der heute in Rede stehenden Summe von 15,5 Mio. € geführt. Aus nahe liegenden Gründen möchte ich das nicht vertiefen.

Wir haben daher bewusst auf eine abschließende Schätzung des Gesamtwertes von Seiten des Freistaats verzichtet. Der Presse habe ich jedoch Angaben entnommen, die auf das Haus Sachsen-Weimar-Eisenach zurückgehen sollen und eine Größenordnung von 500 bis 600 Mio. € erreichen. In der Ausgabe der Zeitschrift "Bunte" von vorletzter Woche war sogar von 1,5 Mrd. € die Rede. Ich halte jedenfalls die untere Grenze nicht für unrealistisch.

Meine Damen und Herren, mit der gütlichen Einigung haben wir unser Ziel erreicht, dass das Haus SachsenWeimar-Eisenach auf alle im Freistaat Thüringen gestellten Restitutionsansprüche nach Ausgleichsleistungsgesetz verzichtet. Dies gilt es, als Erstes hervorzuheben.

Zum Zweiten haben wir erreicht, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg völkerrechtswidrig in die Sowjetunion verbrachten Kulturgüter nach ihrer Rückkehr ohne jede weitere Entschädigung an die Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen sowie die Wartburgstiftung zurückgegeben werden. Dazu gehört beispielsweise die legendäre Rüstkammer der Wartburg.

Die vorliegende Vereinbarung gibt den betroffenen Einrichtungen umfassende Rechtssicherheit. Ich betone noch einmal: Unsere Einigung schließt künftige Ansprüche des Hauses Sachsen-Weimar-Eisenach gegen den Freistaat Thüringen aus. Das ist ein Meilenstein Thüringer Kulturpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Die Fairness gebietet es auch festzuhalten, dass dieser Verzicht dem Hause Sachsen-Weimar-Eisenach nicht leicht gefallen ist. Das Haus hat der Einigung auch deswegen zugestimmt, weil es sich in einer mäzenatischen Tradition und Verpflichtung sieht. Wie immer wir dem Hause Sachsen-Weimar-Eisenach und seinen Repräsentanten gegenüberstehen, für das in vielen Gesprächen erzielte Entgegenkommen gebührt dem Haus Respekt und Anerkennung.

(Beifall bei der CDU)

Durch interne Familienschlüsse, die dem Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen vorliegen, wurde sichergestellt, dass Prinzessin Leonie von Sachsen-WeimarEisenach nunmehr die alleinige Anspruchsberechtigte für

das gesamte Haus ist. Lediglich Herr Jörg Brena, der frühere Prinz Georg von Sachsen-Weimar-Eisenach, stellt noch einen Anspruch auf drei Gemälde. Wir werden auch dieses Problem ohne jede weitere Verzögerung lösen können. Es handelt sich um drei Gemälde von nicht zentraler Bedeutung im Besitz der Kulturstiftung Meiningen.

Für den Verzicht auf Restitution ist mit dem Hause Sachsen-Weimar-Eisenach eine Kompensation vereinbart worden, bestehend aus einer ideellen und einer materiellen Komponente.

Die ideellen Komponenten orientieren sich an der dem Landtag bekannten Einigung mit dem Hause SachsenCoburg und Gotha. So soll dem Hause Sachsen-WeimarEisenach ein Sitz im Stiftungsrat der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen eingeräumt werden. Des Weiteren erhalten die Familienmitglieder freien Eintritt in die Einrichtungen, die früher der Familie gehörten. Wie im Falle Sachsen-Coburg und Gotha darf die Familie gegen Übernahme der Kosten und entsprechender Absicherungen in bestimmten Räumen nichtkommerzielle, das heißt also private Veranstaltungen durchführen. Es ist sichergestellt, dass die Veranstaltungen der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen bzw. der Wartburgstiftung bzw. der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten dabei Vorrang haben. Schließlich werden im Einvernehmen mit den betroffenen Stiftungen einige Gegenstände zurückgegeben, die für die Antragstellerin von besonderer persönlicher Bedeutung sind. Die Parteien sind überein gekommen, dass es sich dabei vornehmlich um Familienandenken handeln wird. Im Übrigen wurde für die Rückgabe derartiger Memorabilien eine Wertobergrenze von 60.000 € vereinbart. Andere in der Öffentlichkeit genannte Zahlen sind unzutreffend.

Zur materiellen Kompensation wird der Freistaat Thüringen dem Hause Sachsen-Weimar-Eisenach einen Gesamtbetrag von 15,5 Mio. € erbringen. Den materiellen Wert, den wir dafür einhandeln, habe ich Ihnen genannt. Sie werden mir zustimmen, dass der ideelle Wert für Weimar, für Thüringen und für die gesamte deutsche Kultur unermesslich ist. Vor diesem Hintergrund - und Sie erlauben auch, um den Verdacht des Eigenlobes zu vermeiden - möchte ich die Entschädigungssumme von 15,5 Mio. € hier nicht weiter kommentieren.

(Beifall Abg. Dr. Schuchardt, SPD)

Der Freistaat hat sich verpflichtet, die genannte Zahlung in drei Raten zu erbringen, und zwar

1. bis zum 30. September dieses Jahres 2 Mio. €,

2. bis zum 28. Februar nächsten Jahres 2,5 Mio. € und

3. bis zum 31. Mai 2004 11 Mio. €.

Von diesem Gesamtbetrag müssen die Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen 4 Mio. € und die Wartburgstiftung 0,5 Mio. € aufbringen.

Diese Maßnahme, meine Damen und Herren, steht in voller Übereinstimmung mit früheren Erklärungen der Landesregierung. Ich betone ausdrücklich, dass hierdurch kein Präzedenzfall für Verkäufe aus Museumsbeständen geschaffen wird. Niemand in Thüringen oder anderswo kann sich darauf berufen. Wir verkaufen Kunstgegenstände aus dem - das betone ich und ich bitte, über die Bedeutung dieses Begriffes nachzudenken - restitutionsbehafteten Bestand, und zwar in sehr kleiner Zahl und sichern so den Gesamtbestand der Stiftungsvermögen. Für diesen singulären Vorgang gibt es ganz klare Auflagen:

1. es darf nur an öffentliche Einrichtungen, nicht an Privatsammler verkauft werden;

2. die Gegenstände müssen in der Bundesrepublik Deutschland bleiben;

3. die Gegenstände dürfen nicht zum Kernbestand der Sammlungen gehören und

4. müssen sie auch die Voraussetzungen erfüllen, dass sie den Kerngehalt Thüringer Identität und Geschichte nicht berühren.

Dem haben die Stiftungsräte der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen und der Wartburgstiftung inzwischen ohne Gegenstimme zugestimmt.

Meine Damen und Herren, ich halte es für unseriös den Eindruck zu erwecken, es würden Kunstschätze verramscht, um Haushaltslöcher zu stopfen. Das ist unzutreffend und polemisch und wird der Bedeutung und der Komplexität dieses historischen Vorganges nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU)

Durch unsere Verhandlungen ist vermieden worden, was in anderen Ländern, etwa in Sachsen-Anhalt vor zwei Jahren, leider geschehen ist: Dass Anspruchsberechtigte mit dem Möbelwagen vorfuhren, aufluden und die Kunstschätze Gegenstand von Auktionen wurden. In Thüringen bestimmen die Stiftungen, welche Gegenstände für die Kompensation verwandt werden, und die Zahl der Objekte wird die Finger einer Hand nicht übersteigen, um es einmal plastisch darzustellen.

Meine Damen und Herren, nach Abzug der 4,5 Mio. € bleiben 11 Mio. €, die der Freistaat Thüringen aufbringen muss. Die angespannte Haushaltslage unseres Freistaats ist uns allen klar. Haushaltsmittel stehen für diese Transaktionen nicht zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund musste ein anderer Weg gefunden werden, um 11 Mio. € aufzubringen. In Abstimmung mit der Thüringer Finanzministerin und dem Thüringer Minister für Landwirtschaft,

Naturschutz und Umwelt sind wir übereingekommen, den Betrag durch Verkauf forstfiskalischer Flächen zu erlösen. Ich betone ausdrücklich den Fachbegriff "forstfiskalisch", weil er eben nicht zwingend gleichbedeutend ist mit dem Verkauf von Waldflächen.

(Beifall bei der CDU)

Unter die forstfiskalischen Flächen fallen auch unbewaldete Grundstücke. Dazu gehören ferner Immobilien. Aber auch hier haben wir grundsätzliche Überlegungen angestellt. Dazu gehört u. a., dass Flächen in erster Linie an Thüringer Waldbesitzer verkauft werden sollen, die damit ihre bereits vorhandenen Bestände arrondieren. Herr Dr. Sklenar wird als Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt sicher zu den beabsichtigten Verkäufen noch Stellung nehmen.

Es wäre töricht und unverantwortlich, jetzt Listen von Flächen vorzulegen, die verkauft werden sollen. Dies würde den Preis solcher Flächen natürlich sofort drücken. Ohne eine solche Festlegung hat das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt einen größeren Spielraum, um durch günstige Verhandlungen möglichst gute Ergebnisse zu erzielen.

Meine Damen und Herren, ohne Frage werden angesichts der Summe von 11 Mio. € aber auch Waldflächen verkauft werden müssen. Ich bin überrascht und auch enttäuscht darüber, welche unverantwortlichen Spekulationen in diesem Kontext geäußert worden sind.

(Beifall bei der CDU)

So etwa, dass drei Viertel, man muss sich das einmal vorstellen, drei Viertel der Thüringer Waldflächen verkauft werden sollten. An anderer Stelle prognostizierte man angesichts der aktuellen Preise pauschal einen Verlust von 70 Mio. €. Mit anderen Worten wird unterstellt, in absehbarer Zeit könnten für die gleichen Flächen statt 11 sage und schreibe 81 Mio. € erzielt werden.

Meine Damen und Herren, wir sollten seriös bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Wir erleben doch hier keinen Alptraum oder eine Geschichte aus "Tausend und einer Nacht", wir beherrschen doch noch die Grundrechenarten.