Protokoll der Sitzung vom 12.09.2003

Ich habe vorhin schon einen Abschnitt in einem anderen Zusammenhang erwähnt, und zwar bei der Denkmalpflege. Frau Schipanski, Ihr Auftritt im Vorfeld zum Tag des offenen Denkmals war deshalb sehr wenig glaubwürdig. Die bereits bei der Haushaltsaufstellung für den Doppelhaushalt um fast die Hälfte gekürzten Zuschüsse für Investitionen zur Erhaltung von Industrie-, Bau- und Kunstdenkmalen werden nochmals reduziert. Dann verweisen Sie mal so locker eben, ja, dann holen wir uns das Geld bei der EU. Wir werden zu hinterfragen haben, wie Sie das bewerkstelligen wollen.

Kommen wir noch im Einzelplan 17 zu dem beliebten Thema "Kommunaler Finanzausgleich". Der Kommunale Finanzausgleich wurde in seinem Gesamtumfang nicht angetastet. Das ist gut so und das bewerte ich auch durchaus positiv. Nicht gut ist, dass aus rein taktischen Überlegungen der Landesregierung (Schönung der Investitions- quote) ein neues Element im Kommunalen Finanzausgleich erfunden wurde, die investive Schlüsselzuweisung. Was das neben der Investitionspauschale soll, das versteht keiner so recht von den Bürgermeistern. Die Kommunen schlucken es, ja, das ist wahr, weil es besser ist als eine Kürzung. Aber es greift weiter in die kommunale Selbstverwaltung ein und es verkompliziert den Kommunalen Finanzausgleich zusätzlich.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Also hätten wir kürzen sollen.)

Übrigens an dieser Stelle - das ist aber eine völlig falsche Schlussfolgerung, Herr Althaus.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Dann sagen Sie doch endlich, wo Sie kürzen wollen. Ich höre immer, was Sie nicht kürzen wollen.)

Herr Althaus, ich weiß nicht, Sie haben mir offensichtlich nicht zugehört, ich habe gesagt, es ist gut, dass der

KFA nicht angetastet worden ist.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Dann sagen Sie doch mal, wo Sie die Einspa- rung vornehmen wollen, das wäre doch mal ganz schick.)

Es geht nur darum, dass Sie einen Teil des KFA umgewidmet haben und dass der sich jetzt dann bei der Berechnung der Investitionsquote wiederfindet, wo er eigentlich gar nichts zu suchen hat. Das ist der Punkt.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, Frau Finanzministerin, wir müssen uns, ob wir wollen oder nicht, in den nächsten Jahren darüber ernsthaft unterhalten, welche Aufgabendefinitionen wir von der kommunalen Selbstverwaltung eigentlich noch haben. Wenn wir die haben, dann müssen wir die aber auch adäquat finanzieren. Zu diesem Diskussionsprozess sind wir ebenfalls bereit. Das ist ein dickes Brett, das da zu bohren ist, das weiß ich sehr genau. Aber es ist notwendig, weil wir mit der bloßen Fortschreibung der Dinge, wie wir sie jetzt in den letzten Jahren festgeschrieben haben, wahrscheinlich in den nächsten Jahren nicht mehr zurechtkommen werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Resümee ziehen: Die Landesregierung will, ohne die Bürger vorher allzu sehr aufzuschrecken, mit dem vorgelegten Nachtragshaushalt bis zum nächsten Wahltermin wursteln. Das ist ja gut, dass nun endlich der Tag bekannt ist, wo dieses Wursteln ein Ende hat.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Dem Plan fehlt die Transparenz und es wird mit den finanzwirtschaftlichen Kennzahlen gemogelt.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Denk an 1999.)

Eine Zukunftsvision vermittelte schon der Haushaltsplan 2003/2004 nicht und der Nachtragshaushalt schon gar nicht. Trotzdem, meine Damen und Herren, wird sich die SPD anders als Sie, Ihre Kollegen auf der Bundesebene, einer Beratung und konstruktiven Mitwirkung nicht verweigern, so kritikwürdig auch vieles ist. Wir werden in den bevorstehenden Anhörungen die Details hinterfragen. Sie können sicher sein, wir werden auch die entsprechenden Anträge und Vorschläge unterbreiten. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es hat jetzt Abgeordneter Mohring, CDU-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, liebe Finanzministerin Birgit Diezel, als wir in der vergangenen Woche die Kollegen Finanzpolitiker aus dem hessischen Landtag und aus SchleswigHolstein da hatten, haben wir überlegt, wie lange die Ministerin eigentlich schon im Amt ist. Dann habe ich mich an das, was Theo Waigel mal gesagt hat, erinnert, dass Finanzministerjahre Hundejahre sind. Wenn man sieht, was die Ministerin seit ihrem Amtsantritt mit dem damals schon vorgelegten Doppelhaushalt, mit dem neuen Doppelhaushalt und mit den notwendigen Nachtragshaushalten geleistet und mit Mut und Kraft durchgestanden hat, gilt der Fraktionsdank jetzt an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, dieser Nachtragshaushalt heute ist unumgänglich. Bund, Länder und Gemeinden müssen in diesem Jahr insgesamt über 8,7 Mrd.  ausfällen verkraften. Allein für Thüringen hat sich der Steuerausfall insgesamt seit 1998, seitdem in Berlin die Regierung gewechselt hat, auf 2,5 Mrd.  * man noch am Ende die Ausfälle aus Bundesergänzungszuweisungen und den Verlusten aus dem Länderfinanzausgleich hinzu, summieren sich die Ausfälle für Thüringen seit dem Amtsantritt der rotgrünen Bundesregierung auf über 4 Mrd. / gantische Summe macht deutlich, welch katastrophale Wirtschafts- und Finanzpolitik immer noch in Berlin gehandhabt wird und zeigt aber auch - und das ist das Dramatische aus Thüringer Sicht -, dass eine zügige Angleichung der Lebensverhältnisse in den jungen Ländern an das Westniveau verhindert wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist das Dramatische. Es senkt nicht nur das Niveau in ganz Deutschland, es verlangsamt den Aufholprozess und schließt die Schere nicht, die wir brauchen, damit wir gleiche Lebensverhältnisse haben. Wir kämpfen dafür, dass wir endlich gleiche Lebensverhältnisse haben, aber wir brauchen auch die Unterstützung aus Berlin.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir brauchten heute über den Nachtragshaushalt nicht zu reden, wenn nicht die notwendigen Strukturreformen in Deutschland verzögert würden. Ich will daran erinnern, weil es in Zwischenrufen auch schon gesagt wurde, der Ausgangspunkt für die verfehlten Strukturreformen in Deutschland ist im Jahr 1997 zu suchen, als im Bundesrat eine SPD-Mehrheit damals steuerpolitische Vorschläge der damaligen Unionsregierung abgelehnt hat.

(Beifall bei der CDU)

Aber auch, meine Damen und Herren, die Rücknahme der Renten- und Arbeitsmarktreform 1998 nach dem Regierungswechsel in Berlin und die erste Stufe der Steuerreform in 2001 - wir haben ja lange über das Dilemma an Steuerausfällen geredet, was dann Länder und Kommunen zu verzeichnen hatten - hat dazu geführt, dass Steuerausfälle so gravierend sind und wir uns von Nachtragshaushalt zu Nachtragshaushalt nur über die Justierung unserer Prioritäten verständigen müssen.

Meine Damen und Herren, in diesem Jahr muss in Thüringen deswegen ein Fehlbetrag von 561 Mio.    glichen werden. Allein 337 Mio. %" che Steuerausfälle. Hinzu kommen knapp 90 Mio.  zusätzlichen Ausgaben - und ich will, die Ministerin hat es gesagt, noch mal eine Zahl ganz besonders nennen -, nämlich die zusätzlichen Ausgaben von 31 Mio.   die Zusatzversorgungssysteme. Für alle die, die es immer nur schreiben und hören, denen sei es noch mal gesagt, wir zahlen das dort, was wir eigentlich mit der Wende verhindern wollten, nämlich dass alte Funktionsträger und systemnahe Staatsdiener aus der DDR-Zeit jetzt mit zusätzlichen Renten versorgt werden, die wir aus der allgemeinen Kasse leisten müssen und deswegen sind die alten Funktionsträger der DDR besser gestellt als die Rentner, die normale Arbeitnehmer und nicht systemnah waren in der DDR.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, deshalb bleibt es eine nationale, eine bundespolitische Aufgabe, die Lasten der Zusatzversorgungssysteme nicht den ostdeutschen Ländern allein zu überlassen, sondern es bedarf der Verantwortung des Bundes, hier die Regelungslücke, die im Einigungsvertrag offensichtlich nicht bedacht wurde, nachzubessern und die Verantwortung gemeinsam zu schultern. Die Länder allein im Osten Deutschlands können diese Last auf Dauer nicht weiter tragen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, im nächsten Jahr wächst die Lücke auf 644,5 Mio. 0 , 1 Steuerausfälle und Mehrausgaben für die Eingliederungshilfe für Behinderte und Mehrkosten beim Maßregelvollzug und bei der Investitionsfinanzierung in Pflegeeinrichtungen insgesamt für die drei Positionen von 45 Mio.  die zusätzlich mit Mehrausgaben den Haushalt belasten. Dazu bestehen natürlich noch weitere Risiken, vor allen Dingen im Vollzug des nächsten Jahres bei der Frage einer eventuell vorgezogenen Steuerreform, aber auch bei der Umsetzung der Gemeindefinanzreform.

Meine Damen und Herren, wir halten am Ziel von Sparen und Gestalten im Doppelhaushalt fest. Dennoch, und das haben auch die Redner der Opposition zu erkennen gegeben, ist in einem inhaltlich ausgewogenen Haushalt, so wie ihn die Regierung vorgelegt und der Land

tag beschlossen hat, Sparen weiter sehr schwierig, zumal die freien Mittel jährlich nur noch ca. in der Spitze 400 Mio.  tragen. Und wer weiß, wir haben es mehrmals gesagt, wer über 667 Mio. .%"  *ausgaben leistet und wir aber nur noch eine freie Finanzspitze von 400 Mio.  jährlich haben, der weiß, in welcher schwierigen Haushaltssituation wir stehen und so schnell auch nicht herauskommen werden. Insbesondere ist es deshalb schwierig weiter zu sparen, weil alle anderen Mittel außerhalb der 400 Mio.   #  volumen von 9 Mrd.   " ("  quasi gesetzliche Verpflichtungen schon gebunden sind. Für den Nachtrag 2003 und 2004 bleibt festzuhalten, die Steuerausfälle sind deshalb nicht nur mit neuen Schulden, sondern auch, und das war das erklärte Ziel dieser Fraktion aber auch der Regierung für die gesamte Legislaturperiode, mit weiteren echten Einsparungen gedeckt worden. Insgesamt werden mit dem vorgelegten Nachtragshaushalt noch einmal 365 Mio.  %"" 2   kürzungen vorgenommen. Ich will es sagen, weil es auch für die Bilanz dieser Legislaturperiode wichtig ist, alle Einsparungen, die wir im Jahr 2002 und die wir jetzt aktuell mit dem Doppelhaushalt für 2003 im Nachtrag vorgenommen haben, summiert sich die Einsparungshöhe auf insgesamt über 900 Mio. 2     3  Ausgabenminderung.

Meine Damen und Herren, wir sind bei den Einsparungen, bei den nochmaligen Einsparungen für dieses und für nächstes Jahr an die Grenze des Machbaren und vor allen Dingen auch an die Grenze des Erträglichen gegangen für uns selbst.

(Beifall bei der CDU)

Dennoch, meine Damen und Herren, Schwerpunkte, die die Ministerin genannt hat, sollen von Kürzungen verschont bleiben. Wir wollen auf diese Weise, dort, wo wir Kürzungen vermeiden können, Schwerpunkte und Prioritäten setzen und sagen, das ist unser Gestaltungswille, den wir ausüben wollen. Deshalb ist ein Nachtragshaushalt ein realistischer Mix aus möglichen Einsparungen und der unumgänglichen, für uns sehr schmerzhaften, und ich will es auch sagen, unerträglichen nochmaligen weiteren Nettokreditneuaufnahme. Dennoch, die Bereiche Familie, Kommunalfinanzen, innere Sicherheit, wo ich dazu nachher noch einmal etwas sagen werde, und Wirtschaftsförderung für den Mittelstand sowie die Zusagen an Hochschulen und Theater bleiben von den Kürzungen verschont. Sie haben auch gemerkt, meine Damen und Herren, dass die Opposition zu diesen Punkten keine Kritik mehr geübt hat, weil wir uns an unsere Versprechen an dieser Stelle gehalten haben.

Meine Damen und Herren, der Anteil der Investitionen liegt in 2003 bei 20,3 Prozent und steigt nochmals an in 2004 auf 20,7 Prozent. Dennoch - das bleibt wichtig festzuhalten -, das, was wir an Prioritäten im Haushalt gesetzt und wo wir gesagt haben, wir wollen im frei

willigen Bereich zusätzliche Ausgaben leisten und oberste Prioritäten setzen, lässt sich alles nur finanzieren im Kulturbereich, im Theaterbereich aber auch im Sozialbereich, wenn wir Wirtschaftswachstum haben und Wirtschaftswachstum uns begleitet und deshalb eine solide Einnahmebasis sichert.

Meine Damen und Herren, dieser Kritikpunkt bleibt festzuhalten: Das Wirtschaftswachstum wächst nicht so in Deutschland, wie wir es brauchen, um unsere Aufgaben zu erfüllen.

(Beifall bei der CDU)

Aber trotz der negativen Wachstumszahlen in Deutschland setzt sich die Thüringer Wirtschaft gegen den Trend durch. Die Umsätze der Thüringer Industrie sind gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent gestiegen. Damit liegt Thüringen deutlich besser im Vergleich zu den anderen jungen Bundesländern, die ein Wirtschaftswachstum von ca. 4,6 Prozent im Durchschnitt zu verzeichnen haben und weit vor dem bundesweiten Anstieg, der lediglich 0,2 Prozent beträgt. Die Anzahl der Beschäftigten ist in Thüringen um 3,1 Prozent gestiegen, während im Schnitt die jungen Länder nur einen Zuwachs an Beschäftigtenzahlen von 0,4 Prozent und bundesweit von 2,5 Prozent zu verzeichnen haben. Die Kleinteiligkeit unserer Thüringer Industrie kann in konjunkturell schlechteren Zeiten besser auf den Markt reagieren. Unterstrichen wird dies durch Untersuchungen von Ernst und Jang, wo die Attraktivität von Teil- und Standortfaktoren der Bundesländer, wo Thüringen in dieser Untersuchung beim Attraktivitätsindex den besten Wert der jungen Bundesländer vor Sachsen und vor den alten Ländern Saarland und Schleswig-Holstein erzielt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die neue Landesregierung und der neue Wirtschaftsminister wollen diesen Trend fortsetzen und deshalb legt die Landesregierung gemeinsam mit der Thüringer Aufbaubank ein Programm "ThüringenKapital" vor und will diesen Wachstumsprozess weiter verstärken. Wichtig ist es deshalb, weil gerade kleine Unternehmen und Existenzgründer die Möglichkeit erhalten, gezielte Hilfe auch außerhalb des Hausbankverfahrens unkompliziert zu erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Das ist wichtig, meine Damen und Herren, und trägt für Wachstum in Thüringen bei.

(Beifall bei der CDU)

Was noch viel wichtiger ist, meine Damen und Herren, und was auch die Handschrift der Landesregierung trägt, nämlich diese Form der Wirtschaftsförderung ist in Deutschland bisher einmalig. Ich will an dieser Stelle, weil es

heute auch passt, für die CDU-Fraktion ganz ausdrücklich dem neuen Ministerpräsidenten Dieter Althaus für 100 Tage positive Bilanz in erster Amtszeit ausdrücklich danken!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben Thüringen in aller Munde gebracht, Sie haben Thüringen in die Diskussion gebracht und populär. Und eines ist wichtig, Sie haben mit Ihrem frischen Wind und auch mit Ihrer Jugend unter den Ministerpräsidenten gezeigt, dass die jungen Länder vorangehen wollen und die Unterstützung brauchen.