Protokoll der Sitzung vom 17.10.2003

Der Tagesordnungspunkt, Herr Kretschmer, denken Sie doch weiterhin ein bisschen mit.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte hier aber eine Bemerkung zu dem Vorfall am Beginn der Regierungserklärung von Herrn Minister Reinholz machen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Sie müssen sich erst entschuldigen.)

Warten Sie doch erst mal die Zeit ab, was ist es denn. Sie quatschen dummes Zeug und denken nicht mit.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ich denke mit.)

Lassen Sie Ihren Mund zu.

Mitglieder einer von mir angemeldeten Besuchergruppe haben unter Hinwegsetzung über die Hausordnung die Sitzung des Plenums gestört, - das ist richtig, ja ich sehe es, Herr Bergemann, fassen Sie sich wieder.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Krokodilstränen.)

Auch wenn ich sicherlich eine andere Auffassung zu Bürgerprotesten auch in diesem Haus hier habe als die Mehrheitsfraktion oder als andere Kolleginnen und Kollegen, möchte ich mich für das Verhalten von Teilen dieser Gruppe bei der Präsidentin hiermit entschuldigen.

Aber, meine Damen und Herren, wenn ich eingangs einige Probleme aus unserer Sicht benannt habe, dann will ich die sich für uns daraus ergebenden Schwerpunktsetzungen natürlich auch formulieren, weil wir ja nicht bei Problemen stehen bleiben wollen. Das ist zum einen die Offensive für Betriebserweiterung, Neugründung und vor allem Ansiedlung von Unternehmen. Was bisher bezüglich von Ansiedlungsflächen galt, scheint jetzt aber, da ich Ihre Regierungserklärung gehört habe, doch nicht mehr so ganz zu gelten. Ich bezweifele, dass die neue Ausrichtung auf einen Standort - deswegen habe ich vorhin etwas geschmunzelt - im Dialog mit den Regionen erfolgte. Die Gelassenheit, mit der bisher in Betracht kommende Regionen diese Neuausrichtung hingenommen haben, erstaunt mich aber auf der anderen Seite auch. Über das Bemühen um Neuansiedlungen setzt das neben der Flächenvorhaltung sowohl eine Bündelung von Förderprogrammen, eine face-to-face- Betreuung von Investoren und eine Infrastrukturoffensive voraus. Flankierende Maßnahmen dafür können neben dem GOW-Programm auch die Einführung eines revolvierenden Fonds für Kleininvestitionen, aber auch für Rationalisierungsinvestitionen sein und natürlich die Wirksamkeit ihres angekündigten Programms "Thüringen Kapital", aber nicht erst irgendwann im I. Quartal 2004, sondern warum denn nicht, wie mein Kollege Huster in der Debatte zum Nachtragshaushalt im Septemberplenum Ihnen vorschlug, schon direkt ab Anfang des kommenden Jahres. Ich glaube, der Erarbeitungsstand in der TAB würde ausreichen, eine solche Zielstellung ins Auge zu fassen. Die Nachfrage nach diesem Programm ist unserer Kenntnis nach schon heute sehr groß, so dass jeder Monat Verzögerung nachhaltige Folgen haben könnte. Sofern es also kein Wahlkampfbaustein war oder ist, kann ich nur sagen, beginnen Sie dieses Programm ab Januar kommenden Jahres.

(Beifall bei der PDS)

Im Ergebnis dieser ganzen Maßnahmen stünden Stärkungen der Wirtschaftskraft und Erhöhung der Anzahl von Arbeitsplätzen auf der Haben-Seite. Die Ausbildungsplatzangebote würden im Ergebnis des steigenden Arbeitskräftebedarfs gleichzeitig steigen. Herr Minister, auch wenn Sie in der LEG das Prinzip des One-Strip-Office praktizierten, da Ihr Vorgänger die Notwendigkeit dieser Arbeitsweise entsprechend einer Empfehlung der Enquetekommission "Wirtschaftsförderung in Thüringen" stets verneint hat,

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Endlich kommts.)

ist die Übernahme dieses Arbeitsprinzips im Ministerium sicherlich nicht ganz einfach.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ich habe es nämlich extra mit.)

Das ist nett, dass Sie das mithaben. Ich würde gerne etwas dazu sagen zum Abschlussbericht der Enquetekommission.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das habe ich erwartet.)

Herr Minister, wir haben beide eins gemeinsam, wir waren beide nicht Mitglied der Kommission.

(Heiterkeit im Hause)

Aber es gibt einen Unterschied, ich habe den Bericht gelesen.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Wa- rum haben Sie den Unterschied gemacht?)

Das mag sein, Herr Stauch, zum anderen sehen wir die Notwendigkeit einer Offensive für Innovation. Herr Stauch, ich würde es noch einmal sagen, weil es gab ja die Bemerkung jetzt, er könnte es ja vielleicht auch gelesen haben.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Fragen...)

Nein, nein, das mag ja so sein, Herr Grob, aus Ihrer Sicht, aber ich bin der Auffassung, da könnte man ja nun auch ganz unbeteiligte Menschen einmal fragen oder auch den wissenschaftlichen Sachverstand, die an dieser Arbeit der Kommission und am Zustandekommen dieses Berichts mitgewirkt haben. Ob dieser Abschlussbericht dazu dient, die Eingangsthese des Ministers in der Regierungserklärung zu stützen, dass es keinen Grund und keinen Anlass gibt, an der Ausrichtung der Thüringer Wirtschaftspolitik zu zweifeln. Die These betrachte ich als fraglich, die ist durch den Bericht nicht gedeckt.

(Beifall bei der PDS)

Aber man mag ja nun Wertungen treffen, wie man will. Ich würde gerne noch einmal zurückkommen auf die Notwendigkeit einer Offensive für Innovation. Selbst bei den niedrigen Löhnen in Thüringen sind die Personalkosten immer noch ein bedeutender Kalkulationsbestandteil, das ist sicherlich durchaus richtig und allen bekannt. Daraus die einseitige Schlussfolgerung für die ausschließliche Senkung der Personalkosten zu ziehen, ist meines Erachtens

nach aber falsch. Nach unserer Auffassung müssten sich Produkte und Leistungen in Thüringen durch einen hohen Innovationsgrad auszeichnen. Die betrieblichen Kapazitäten für die Bereiche Forschung und Technologie gilt es deshalb ebenso zu stärken, wie die Forschungskooperation und die Verbundforschung. Die Unterstützung durch den Freistaat müsste sich auch über den Gesichtspunkt der geringen Eigenkapitaldecke und der Notwendigkeit zeitweisen Parallelabsatzes von bereits eingeführten und neuen Erzeugnissen auf den Teil der Markteinführung ausdehnen lassen sowie eine verlässliche Finanzierung für eine mittelfristige Planung der wirtschaftsnahen Forschungseinrichtung und Institute gewährleisten.

(Beifall bei der PDS)

Ferner wollen wir erneut auf unser Minderheitenvotum im Abschlussbericht der Enquetekommission "Wirschaftsförderung in Thüringen" bezüglich des zweiten Arbeitsmarkts hinweisen. Mit Zustimmung haben wir deshalb Ihren Standpunkt in Presseveröffentlichungen zur Aktivierung von SAM und ABM bei aktiver Stärkung des ersten Arbeitsmarkts zur Kenntnis genommen. Leider kommt in Ihrer heutigen Regierungserklärung der zweite Arbeitsmarkt nur noch marginal vor, was mich natürlich sehr verwundert. Nicht das eine oder das andere, sondern Entwicklung des ersten Arbeitsmarkts und Arbeitsmarktpolitik mit SAM und ABM sowie die Schaffung von Möglichkeiten für Modellprojekte zur Beschäftigung von Arbeitslosen mit dem Ziel der Ausgründung von stabilen Unternehmen, sehen wir als sinnvolle Möglichkeit.

(Beifall bei der PDS)

Für die Entwicklung des für die Wirtschaftskraft und die Arbeitskräftsnachfrage in Thüringen bedeutenden Bereichs Tourismus erwarten wir von Ihnen, Herr Minister, dass nach der Beratung der Großen Anfrage der SPD und eines entsprechenden Antrags der CDU-Fraktion nach öffentlicher Anhörung im Ausschuss und der Durchführung von Regionalkonferenzen ein Tourismuskonzept erarbeitet wird, das die Produktentwicklung, die Angebotsvermarktung und das regionale wie thüringenweite Marketing auf eine stabile personelle und finanzielle Basis stellt und die Eifersüchteleien zwischen Regional- und Kommunaleinrichtungen und der Landesgesellschaft endlich beendet werden.

(Beifall bei der PDS)

Hier sollten aus den Erfahrungen der Anhörungen im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik und auch dem Verlauf der Regionalkonferenzen, wenn Sie mir die persönliche Bemerkung gestatten, auf der Tourismuskonferenz nicht nur stromlinienförmige Beiträge von touristischen Vereinen und Verbänden zugelassen und ausgewertet werden, denn gerade in den kritischen Darstellungen liegt für mich das Potenzial für eine schöpferische Weiterentwicklung. Wobei ich sehr bedaure, dass durch Ihr Haus die Vorlage des Tourismuskonzepts nicht wie vor

gesehen im Herbst 2003, sondern nun ja erst im Jahr 2004 erfolgen soll. Aber es scheint ja nun einmal Methode der Landesregierung zu werden, Pläne und Konzeptionen lediglich anzukündigen und dann die Beschlussfassung und Umsetzung immer wieder zu verschieben. Das Tourismuskonzept oder auch wie gestern der LEP 2003 wären dafür nur beispielhaft zu nennen. Wir erwarten weiterhin, dass von Ihnen gemeinsam mit dem beteiligungsführenden Finanzministerium die Neustrukturierung der Landesgesellschaften abgeschlossen und ihre parlamentarische Kontrolle gesichert wird. Auch wenn jetzt personelle Veränderungen in der STIFT durchgeführt wurden, bleibt die Ausrichtung dieser Einrichtung, die Einflusssphäre der beiden involvierten Ministerien und vor allem die Realisierung der strukturellen notwendigen Applikationszentren weiter etwas im Nebel. Dabei werden die bisherigen politischen Aussagen der Landesregierung konterkariert. Wenn ich zum Tourismus von regionalen Eifersüchteleien gesprochen habe, so sind die auch im Falle der Präzisionkunststoffzentren nicht zu übersehen. Lassen Sie, Herr Minister, und dazu würde ich Sie ermutigen, vor allem aus der Sicht knapper Kassen nicht zu, dass die Entscheidung ausgesessen wird.

(Beifall bei der PDS)

Zeigen Sie Handlungswerke. Legen sie einen Algorithmus zur Bewertung der Standorte Altenburg, Schmölln, Gera fest und beauftragen Sie die STIFT mit einer nachvollziehbaren Evaluierung der Standorte mit dem Ziel der Realisierung der Maßnahmen im Jahr 2004.

(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie, darum würde ich Sie herzlich bitten, auch nach der gestrigen Fragestunde und den Antworten auf die Fragen meiner Kolleginnen und Kollegen, im Falle des Medienapplikationszentrums keine weitere Verzögerung zu. Alle scheinen ja für die Maßnahme zu sein in Erfurt,

(Beifall bei der PDS)

aber viele wollen sie nicht in ihrer Umgebung haben. Das muss gelöst werden. Es ergibt sich für uns die Frage, wie die Landesregierung gewährleisten will, dass der Baubeginn im Jahr 2004 gesichert wird. Das kam aus der gestrigen Antwort, jedenfalls für mich und ich hoffe, ich habe nicht nur Verständigungsschwierigkeiten, nicht so klar zum Ausdruck.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Luftlandeplatz.)

Bitte?

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Luftlandeplatz.)

Und in diesem Zusammenhang sind Sie diesem Haus, auch gerade nach der gestrigen Fragestunde, eine Antwort schuldig geblieben, warum das Wirtschaftsministerium den Zuwendungsbescheid für das Zentrum für intelligentes Bauen in Weimar zurückgezogen hat.

Herr Minister, Ihre geäußerten Vorstellungen über Mietfabriken, ich sagte das eingangs bereits, sind wichtige Impulse einerseits für die teilweise Entlastung der Unternehmen, vor allem in der Gründungs- und Erweiterungsphase, aber andererseits auch für Nutzung in Thüringen vorhandener Bau- und Planungskapazitäten. Ich betone hierbei besonders die Thüringer Kapazitäten. Sie wissen, Herr Minister, um die bisherigen Diskussionen zur Auftragsvergabe durch die LEG und dem sollten Sie in Ihrem Handeln als Minister dieses Freistaats unbedingt vorbauen. Ihre Einlassung über den Weg, um zu den Mietfabriken zu kommen und dabei die LEG ins Feld zu führen, haben gleichfalls bereits zu Diskussionen geführt. Ich gehe aber davon aus, dass Sie der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur des Freistaats sind und die LEG in Ihrem Wirken wie jeden Anbieter behandeln werden. Eine andere Einstellung wäre auch mit der Erfüllung Ihrer Aufgabe als künftiger Aufsichtsratsvorsitzender der LEG nicht zu vereinbaren.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf Teilzeitbewertung des Operationellen Programms für den Einsatz des Europäischen Strukturfonds in der Periode 2000/2006 kurz eingehen. Für uns sind dabei insbesondere folgende Feststellungen von Bedeutung:

1. dass drei Fünftel aller EFRE-geförderten Projekte Erweiterungsinvestitionen mit einer um rund zwei Drittel höheren Kapitalintensität je geschaffenen Arbeitsplatz gegenüber den Errichtungsinvestitionen sind;

2. dass eine sektorelle Zielsetzung für F- und E-intensive Wirtschaftszweige durch Staffelung von Fördersätzen oder eine Einschränkung der Förderfähigkeit erfolgen sollte;

3. dass im Bereich des ESF bisher eine sehr ungleiche Mittelverwendung zu Ungunsten der Maßnahmepakete lebenslanges Lernen und Chancengleichheit sowie Anpassungsfähigkeit erfolgte, und schließlich