Protokoll der Sitzung vom 17.10.2003

Der parlamentarische Abend des VDI kürzlich hat diese Situation gleichfalls beklagt. Kurz gesagt, wir brauchen in Thüringen eine Offensive für die Vermittlung praktischen und technischen Wissens im Grundschul- und gymnasialen Bereich.

(Beifall bei der SPD)

Es wird von den politisch Verantwortlichen in diesem Land bei jeder Gelegenheit betont, dass Forschung und Entwicklung die Qualität des Wirtschaftsstandorts Thüringen maßgeblich bestimmen. Der Thüringer Wirtschaftsminister hat kürzlich auf dem Verbandstag der Wirtschaft in Weimar noch einmal ausdrücklich betont - er hat gesagt: "Technologieförderung muss im Vordergrund stehen". Warum tun Sie es nicht, Herr Minister? Mit Heringsund Suppenplakaten Ihrer kostspieligen Imagekampagne ist da nichts getan.

(Beifall bei der SPD)

Wir in Thüringen können auf dem Weltmarkt nicht dauerhaft erfolgreich bleiben, wenn wir noch mehr Autos und

noch mehr Anlagen bauen und verkaufen. Das können andere mittlerweile auch. Wir werden bestehen, wenn wir modernstes Know how entwickeln und verkaufen können, sonst nicht. Wir in Thüringen, die wir mit anderen Standorten in der Welt konkurrieren, wissen das. Zumindest tun wir so, als wüssten wir das.

Sehen Sie, man kann und man muss in der gegenwärtigen Situation überall sparen. Vieles geht auch, wie man sieht. Für die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Forschung gehe ich symbolisch gesehen auch auf die Bank um unserer wirtschaftlichen Zukunft Willen. Sie haben gestern und nicht nur gestern eine ganz fatale Entscheidung getroffen, indem Sie die bescheidenen Änderungsanträge, die genau diese Situation verbessern sollten, einfach weggestimmt haben.

Zum Bereich Fördermittel und Förderpolitik: Wie gesagt, wir haben uns in den Bereichen Gemeinschaftsaufgabe, Investitionszulage und Europäische Strukturfonds auf ein negatives Szenario einzustellen. Unsere Auffassung ist klar und eindeutig, auf keines dieser drei Elemente der Wirtschaftsförderung können wir in den nächsten Jahren verzichten. Sie sind aber, das ist der aktuellen Situation geschuldet, effizienter auszurichten. Beim Investitionszulagegesetz, das Ende 2004 ausläuft, lagen zwei Entwürfe vor. Einer der Arbeitsgruppe der Ostländer und ein überarbeiteter Entwurf der Bundesregierung. Beide hatten drei gemeinsame Elemente. Ich betone das immer wieder und auch sehr gerne.

Erstens: Die Investitionszulage muss auch nach 2004 längerfristig, nicht nur bis 2006, weitergeführt werden.

Zweitens: Sie muss im Sinne der Empfehlung der EUKommission ausgestaltet werden.

Drittens: Die Investitionszulage wird degressiv gestaffelt sein. Da kommen wir nicht drumrum.

Unterschiedliche Auffassungen bestehen in der Wohnraummodernisierungsförderung, in der Angleichung der Fördertatbestände, der Investitionszulage an die Gemeinschaftsaufgabe. Eins ist unbestritten, das Investitionszulagengesetz hat sich als verlässliches Förderinstrument für Investoren in den neuen Bundesländern bislang bewährt und wir erwarten, dass es auch weitergeführt wird. Trotzdem ist eine zielgenauere Förderung gegenüber dem Investitionszulagengesetz mit dem Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe möglich.

Ein Bundesland wie Thüringen mit ausgeprägt mittelständischer Wirtschaftsstruktur hat natürlich diesen Umstand zu berücksichtigen. Die geringe Eigenkapitalquote im verarbeitenden Gewerbe, die geringe Liquidität lastet wie ein Mühlstein auf diesen Unternehmen - sie kommen nicht nur wegen Basel 2 schlechter an Kredite. Außerdem können sie Ausgaben für Forschung und Entwicklung selten oder gar nicht bezahlen. Helfen kann man ihnen nicht nur

mit Fördermitteln, sondern mit Darlehen des Landes oder Bürgschaften. Das Programm des Bundes "Kapital für Arbeit" und das Programm "Thüringen Kapital" - kürzlich vorgestellt und heute noch mal mündlich vorgetragen halte ich für ausgesprochen hilfreich, wenn man sie ohne Verwaltungshürden produziert. Das ist bislang nicht der Fall. Lassen Sie sich gelegentlich - ich habe das vor einigen Tagen erlebt - von einem Investor erläutern, welche Schwierigkeiten es macht, mit deutlich restriktiv arbeitenden Geldinstituten ein Finanzierungskonzept mit Fördermitteln zusammenzubringen. Aber, der Wirtschaftsminister hat uns bis Oktober das Gesamtkonzept einer wirtschaftsfreundlichen Verwaltung versprochen; wir warten darauf.

Vor einigen Jahren - einige erinnern sich vielleicht - hat die SPD-Fraktion angeregt, Darlehen des Landes von der Thüringer Aufbaubank ohne Einschaltung einer Hausbank an Unternehmen unter Einbeziehung von Haftungsfreistellungen und Bürgschaften auszureichen. Das wurde damals vehement abgelehnt. Wenn es nun heute möglich erscheint, dann freut uns das, und es wird es auch.

Zur Gemeinschaftsaufgabe selbst: Es haben - das ist interessant zu lesen - Erhebungen von Forschungsinstituten zur GA-Förderung u.a. folgende Ergebnisse gebracht.

Erstens: Die Förderergebnisse signalisieren, dass der unmittelbar arbeitsplatzschaffende Effekt in den letzten Jahren abgenommen hat. Das muss wohl auch so sein, das liegt in der Natur der Sache.

Zweitens: Die Förderung ist zunehmend eine Unterstützung für Kapazitäts- und Produktivitätszuwachs. Zwangsläufig ist der Anteil der Betriebserweiterungs- und Rationalisierungsvorhaben numerisch gestiegen.

Drittens: Die Effizienz der Wirtschaftsförderung ist in den neuen Bundesländern größer als in den alten. Das habe ich schon mit sehr viel Anerkennung gelesen.

Viertens: Der Anteil der KMU an der Gesamtzahl der Förderfälle - nicht am Volumen, an der Gesamtzahl - ist gestiegen.

Wie könnten nun, eingedenk der Tatsache, dass wir künftig nicht mehr, sondern weniger Fördermittel zur Verfügung haben, zukunftsorientierte und effiziente Strukturen der Wirtschaftsförderung aussehen? Ich nenne Ihnen sechs oder sieben Punkte, die möglicherweise nicht bei allen Zustimmung finden könnten.

1. Die Einzelfallprüfung des antragstellenden Unternehmens zur Höhe des Förderbetrags erhält Vorrang vor definierten Fördersätzen. Ich halte das für einen überlegenswerten qualitativ neuen Ansatz.

2. Es ist durchaus möglich und vorstellbar, den GA-Fördersatz zumindest teilweise mit der Investitionszulage zu verrechnen. Künftig werden wir das auch müssen.

3. Wir halten es nicht für richtig, Rationalisierungsvorhaben grundsätzlich von einer Förderung auszuschließen, wenn keine neuen Arbeitsplätze entstehen. Ein erhaltener sicherer Arbeitsplatz ist für mich so gut wie ein neu geschaffener.

4. Mit der Förderung über die Gemeinschaftsaufgabe sollten wir grundsätzlich das Wachstumsziel verfolgen. Mit dieser Thematik hat sich auch die Enquetekommission befasst, und sie ist nicht zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen. Ich glaube, wir wollten, wir müssen auch mit geringer werdenden Mitteln deutlich und ausdrücklich das Wachstumsziel verfolgen. Es bringt dauerhaft nichts, in die Fläche zu streuen. Ein Investor geht in der Regel dorthin, wo industrielle Konzentrationspunkte sind und sonst nirgends.

5. Eine Topp-Förderung für große, weltweit aufgestellte Unternehmen, die ihren Sitz nicht in Thüringen haben, ist über einen möglichen Basisfördersatz hinaus nicht zu empfehlen. Ich habe kürzlich gelesen, dass 60 Prozent aller größeren Investoren erklärt haben, sie hätten den gewählten Standort auch ohne Investitionszuschuss besetzt, aber letztendlich entscheidet das die Einzelfallprüfung.

6. Lohnkostenbezogene Zuschüsse bei einer Investition sind sachkapitalbezogenen Zuschüssen gleichzusetzen. Das unterstützt in aller Regel den Mittelstand und personalkostenintensive Vorhaben.

7. Bei infrastrukturellen Vorhaben ist grundsätzlich die Möglichkeit zu prüfen, den erforderlichen kommunalen Anteil zu verringern.

Meine Damen und Herren, wenn nach dem 1. Halbjahr 2003 vorsichtig festgestellt werden kann, dass wir uns auf einem bescheidenen Wachstumspfad bewegen, dann ist das schon mal erfreulich. Aber wir haben Reserven, die wir beeinflussen und nutzen können und auch müssen. Wenn wir im Land nicht die Auffassung vertreten, dass alles, was wir an Wirtschaftsförderung getan oder gelassen haben, richtig ist, dann muss man auch über neue Wege sprechen. Dazu bieten wir unsere Mitarbeit an.

Nun einige Bemerkungen noch am Schluss meiner Ausführungen zu Ihrer Regierungserklärung, Herr Wirtschaftsminister: Es ist nicht die Spur einer selbstkritischen Äußerung da. Fehler werden zugedeckt oder gar nicht angesprochen. Ich bedaure diese Selbstgefälligkeit. Sie hätten sagen können, zum Beispiel, wir haben eine STIFT, die in der Vergangenheit ihren Aufgaben nicht gerecht geworden ist, wir werden das ändern.

(Beifall bei der SPD)

Sie hätten sagen können: Leider sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den letzten Jahren aufgrund der Haushaltssituation nicht im notwendigen Umfang eingestellt worden oder gar gestiegen. Wir werden

das ändern.

(Beifall bei der SPD)

Sie hätten sagen können: Leider sind uns auch die notwendigen Ausgaben für den Landesstraßenbau nicht in erforderlichem Umfang möglich gewesen. Wir werden das ändern. Das alles hätten Sie sagen können, ja, Sie hätten es sagen müssen, Herr Wirtschaftsminister.

(Beifall bei der SPD)

Sie hätten es sagen können, ohne dass dabei die Leistungen der Landesregierungen in den letzten 13 Jahren, die Leistungen der Wirtschaft und die Leistungen der Menschen in diesem Land in Misskredit geraten wären. Sie haben es nicht getan, obwohl gerade die von Ihnen angesprochene Enquetekommission 48 Empfehlungen formuliert hat - die ich im Übrigen auch gelesen habe, Kollege Buse -, nicht ohne Grund formuliert hat. Dies, Herr Wirtschaftsminister war der alte Stil von Erklärungen und von Regierungserklärungen und nicht der neue Wind, der uns, ich hoffe, gemeinsam voranbringen muss. Sie haben diese Chance vertan. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Kretschmer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, "Wirtschaft stärken - Für mehr Wachstum und Beschäftigung", der Titel der Regierungserklärung ist Programm und sehr prägnant Beschreibung von Ursache und Wirkung des Wirtschaftsdilemmas in Deutschland. Wer Wirtschaft gängelt, bürokratisch erdrosselt und abgabenmäßig ausplündert, muss sich nicht wundern, wenn kein Wachstum erfolgt, Arbeitslosenzahlen scheinbar unaufhaltsam wachsen und Staatsschulden unbeherrscht astronomische Höhen erreichen. Oder umgekehrt: Nur mit einer starken Wirtschaft ist Wachstum und Beschäftigung erreichbar.

(Beifall bei der CDU)

Ich war in zweifacher Hinsicht auf diese Regierungserklärung und die Aussprache gespannt.

1. Für Sie, Herr Minister, war es die Premiere, die Regierungserklärung abzugeben. Gratulation und herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es ist eine umfassende Schau auf die Thüringer Wirtschaft, ihre Erfolge und ihre Probleme. Es ist eine klare Aufwei

sung der weiteren Felder unserer Politik. Zugleich ist deutlich, dass Sie einerseits auf die erfolgreichen und zentralen Elemente der Thüringer Wirtschaftspolitik aufbauen, dies sind die Fortsetzung der Investitionsförderung, die Stärkung der Innovationskraft der Unternehmen und der weitere Ausbau der Infrastruktur und andererseits in der kurzen Zeit Ihres Wirkens auf die sich ändernden Rahmenbedingungen neue Akzente setzen. Zugleich, Herr Minister, ist es Ihre letzte Regierungserklärung. Halt, nicht beunruhigt sein, die letzte Regierungserklärung im alten Plenarsaal des Thüringer Landtags. Die nächste Plenarsitzung und viele folgende werden im neu erbauten Plenarsaal stattfinden.

(Beifall bei der CDU)

Sie können später jedoch in Erinnerungen schwelgen und zu Recht feststellen, noch im alten Plenarsaal eine Regierungserklärung abgegeben zu haben. Im Übrigen auch recht passend zur heutigen Thematik, denn dieser Neubau ist neben der Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten der Abgeordneten und der jetzt erst in anständiger Weise möglichen Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger und der Medien an unserer Arbeit auch Wirtschaftsförderung,

(Beifall bei der CDU)

Förderung insbesondere der Gewerke der Thüringer Bauwirtschaft. An die Adresse der Oppositionsfraktionen gerichtet die folgende Feststellung: Es hat sich meines Wissens keine Baufirma beschwert, dass dieser Neubau errichtet wurde.

(Beifall bei der CDU)