Protokoll der Sitzung vom 14.11.2003

Wir haben die Personalsituation bei der Polizei verbessert. Eine wichtige Rolle kommt in diesem Zusammenhang, und das habe ich vorhin schon gesagt, auch dem Verfassungsschutz zu. Der Verfassungsschutz sammelt Informationen, wertet sie aus, liefert die Grundlagen auch für die Politik, um Maßnahmen gegen politischen Extremismus und Radikalismus im Freistaat zu ergreifen. Für die CDU-Fraktion in dem hohen Haus steht eindeutig fest, das will ich hier noch einmal unterstreichen, wir brauchen den Verfassungsschutz und wir werden es nicht zulassen, dass Hand an den Verfassungsschutz gelegt wird,

(Beifall bei der CDU)

natürlich unter entsprechender demokratischer Kontrolle. Im Gegensatz zu den Damen und Herren von der Opposition, fordern wir nicht die Abschaffung dieses Amtes. Wir sehen den Verfassungsschutz als einen wichtigen und notwendigen Baustein...

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: Was heißt denn hier Opposition? Die SPD will den Verfassungsschutz.)

Ich bitte herzlich um Entschuldigung, Herr Schuchardt, der Opposition von der rechten Seite.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: Das muss schon klar sein.)

Und mit der Änderung des Polizeiaufgabengesetzes wurde die Polizei im Freistaat in die Lage versetzt, sich auf die geänderten Bedingungen auch einzustellen. Wir werden

auch keiner Änderung des Polizeiaufgabengesetzes zustimmen, wenn versucht werden sollte, hieran etwas zu ändern.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Mehrheit der Befragten stellt fest, dass es zu Demokratie keine Alternative gibt, aber sie zweifeln an der Umsetzung. Wenn ich heute in der Zeitung lese, 85 Prozent sind über die politischen Verhältnisse beunruhigt, 85 Prozent der deutschen Bevölkerung, dann, meine Damen und Herren, muss ich ja fast dem Monitor Schönfärberei vorwerfen.

Meine Damen und Herren, wenn dort 85 Prozent mit den politischen Verhältnissen unzufrieden sind, dann bezieht sich das im Wesentlichen auf das, was in Berlin geleistet wird. Da muss ich nun Frau Abgeordneten Pelke sagen, Sie ergreifen die Maximen, wie sie in der DDR gewesen sind: "Was meines ist, darüber bestimme ich und was deines ist, darüber können wir reden." Nach dem Motto, wie sie vorhin gesagt hat, die Bundesregierung in Berlin, die kritisiert die SPD selbst, da haben wir nicht mitzureden. Aber wenn es um Interna der CDU/CSU-Fraktion, Herrn Hohmann, geht, da möchten Sie ganz besonders intensiv mitreden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, entweder wir reden alle über alles oder es redet nur jeder über seines. Ich bevorzuge ausdrücklich die erste Version. Ich bin bereit, über alles mit Ihnen zu reden und nicht nach dem Motto: "Über meines rede ich und über deines können wir uns unterhalten."

Meine Damen und Herren, auch die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie in der Praxis ist leider nach dem Thüringen-Monitor rückläufig. Im Jahr 2001 waren noch 48 Prozent zufrieden, im Jahr 2002 40 Prozent und in diesem Jahr rund 38 Prozent. Ich halte dieses schon für wichtig, nicht nur den Unterschied zwischen 2001 und 2003 zu nennen, der ja dann immerhin 10 Prozent ausmacht. Der Knick ist zwischen 2001 und 2002, aber die Tendenz ist leider unverändert zurückgehend.

Meine Damen und Herren, es ist zwar erfreulich, dass die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen in dieser Negativtendenz nicht so vertreten ist, aber das ist nur ein leichter Trost. Ein Grund zur Sorge ist durchaus die Tatsache, dass drei Viertel der Befragten der Ansicht sind, dass es in unserer Gesellschaftsordnung eher ungerecht zugeht.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das stimmt!)

Was uns hier in diesem hohen Haus allerdings direkt angeht, ist dabei das schlechte Zeugnis, das der Politik ausgestellt wird. 81 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass es der Politik nicht um die Sache, sondern nur um

die Macht geht.

Meine Damen und Herren, Sie können natürlich fragen, ist es eine Sache des Inhalts oder ist es eine Frage des Marketings. Man sollte sich nicht so einfach nur auf Marketing zurückziehen, sondern ich denke, wir müssen auch deutlicher machen, dass es uns nicht um die Macht, sondern um die Sache geht.

(Beifall bei der CDU)

Sogar 90 Prozent der Befragten meinen, in der Politik werde zu viel geredet und zu wenig geleistet. Politik ist natürlich auch eine Angelegenheit, dass man miteinander redet, um zu Ergebnissen zu kommen. Aber die Ergebnisse müssen dann auch in der richtigen Relation zum Reden stehen.

Auch die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bevölkerung sind ein Parameter für die Stimmungslage im Land. Hier hat es im Wesentlichen keine Verschlechterung gegeben, aber das Bild in der Bevölkerung ist mehr als düster. Nur rund 20 Prozent der Thüringer betrachten die allgemeine Wirtschaftslage als gut, weit über 50 Prozent dagegen als weniger gut. Allerdings ein Phänomen, dass nach wie vor die Bewertung der eigenen finanziellen Lage besser als die der allgemeinen wirtschaftlichen Lage ausfällt, ist beachtenswert. Nach wie vor wird von einer knappen Mehrheit der Befragten die eigene Lage positiv gesehen, nur jeder Neunte charakterisiert die eigene finanzielle Lage als schlecht. Es gibt also eine deutliche Diskrepanz - das ist unverändert vom ersten Monitor bis jetzt - zwischen der Beurteilung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und der eigenen Lage. Offenbar sind die Menschen im Freistaat überwiegend mit ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation zufrieden, sehen dagegen aber die allgemeine Situation eher als schlecht an.

Meine Damen und Herren, obwohl die nationalsozialistische Gewaltherrschaft fast 60 Jahre zurückliegt und nur 12 Jahre gedauert hat, hält sich das Gedankengut auch nach einem 40-jährigen Zwischenspiel einer sozialistischen Diktatur in unserer Gesellschaft latent. Es ist etwas, was mich immer wieder nachdenken lässt und was immer wieder bei mir eine gewisse Verwunderung gibt. Wir hatten nur 12 Jahre nationalsozialistische Diktatur,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Nur?)

aber das Gedankengut ist noch immer da. Meine Damen und Herren, für mich eigentlich ein Zeichen dafür, dass dieses Gedankengut - und wenn Sie das verfolgen, dann werden Sie das auch feststellen - nicht nur in 12 Jahren nationalsozialistischer Herrschaft da war, sondern vorher da war und dass es auch latent noch immer existiert, ja nicht einmal nur in Deutschland latent existiert, sondern auch in vielen anderen Ländern dieser Welt. Das heißt, wir müssen uns diesem latent vorhandenen Gedankengut stellen als einem Gedankengut, was da ist und nicht

nur auf den Nationalsozialismus, nicht nur auf die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur zurückzuführen ist. Das soll keine Relativierung bedeuten, das ist keine Entschuldigung, das ist kein Ablegen auf andere Länder dieser Welt, wo dieses Gedankengut auch vorhanden ist. Wir müssen uns mit diesem negativen Gedankengut als einem Gedankengut befassen, was auch in der Zukunft da sein wird.

Die andere Fehlentwicklung ist die Verharmlosung der DDR, die in dem Thüringen-Monitor aufgezeigt wird. Dass der Aussage, die DDR hatte mehr gute als schlechte Seiten, nach 13 Jahren deutscher Einheit rund 57 Prozent der Befragten überwiegend voll bis ganz zustimmt, ist bedenklich.

Aber, meine Damen und Herren, schauen wir uns einmal um, was wir in den Medien momentan beobachten sind die so genannten Ostalgieshows. Der Ministerpräsident hat es angesprochen. Meine Damen und Herren, die DDR ist kein "Kessel Buntes" gewesen,

(Beifall bei der CDU)

sondern die DDR ist ein groß angelegter Feldversuch gewesen, ein ganzes Volk im Gefängnis zu halten oder er ist die Umsetzung gewesen des Romans "1984". Und das ist das Schlimme.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe große Sorgen, ich habe große Bedenken, was dort in diesen Ostalgieshows abläuft. Das ist nur ein parzieller Teil, der kleinste, der harmloseste Teil, es ist nicht das ganz normale Leben in der DDR gewesen. Es ist nicht die Schizophrenie im Denken gewesen, die unseren Kindern anerzogen worden ist, spätestens in der 3. Klasse wussten sie genau, was sie zu Hause sagen dürfen und was sie in der Schule sagen dürfen, meine Damen und Herren. Es ist der Bruch von Menschen, Gewissen und Geist gewesen. Das ist es, was auch Menschen heute leider da und dort noch prägt. Was Menschen 45 Jahre geprägt hat, legt man nicht in wenigen Jahren ab.

Meine Damen und Herren, der Alltag sah anders aus als ein "Kessel Buntes", er war viel grauer. All das sind Fehlentwicklungen, denen wir uns entgegenstellen müssen, indem wir die Vergangenheit wachhalten müssen. Helmut Kohl hat einmal gesagt: "Wer die Vergangenheit nicht kennt, der kann die Zukunft nicht meistern." Ich sage, das stimmt ganz ausdrücklich. Daher muss in der Schule großer Wert auf die Vermittlung von Wissen über Diktaturen gelegt werden und dürfen wir die Gedenkstättenarbeit niemals vernachlässigen, und zwar die Gedenkstättenarbeit zweier Diktaturen: Buchenwald und Lager II, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir uns doch einmal die Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland an. Was gegenwärtig in Deutschland zu beobachten ist, ist ein tiefer Pessimismus auf allen Ebenen. Ich will weder Deutschland noch Thüringen schlechtreden, aber es ist ein tiefer Pessimismus bei den Menschen in unserem Land. In den letzten Jahren haben sich alle bedeutenden Parameter in Gesamtdeutschland verschoben und leider ins Negative verschoben. Einen nicht unerheblichen Anteil an dieser Entwicklung hat die Regierung in Berlin und, Frau Pelke, da kritisiere ich Sie, auch wenn es - es ist ja leider unsere Regierung, wenn es nur Ihre Regierung wäre, wäre es ja auszuhalten, aber es ist ja unsere Regierung, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: So geht es uns in Thüringen, das ist nun mal so.)

(Beifall bei der CDU)

Und das, was die in Berlin verzapfen, haben wir hier alle gemeinsam auszubaden. Deswegen werde ich nicht müde, daran zu kritisieren, was diese Regierung uns in den letzten Jahren angetan hat. Es werden schlichtweg die falschen Weichen gestellt.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Mein Gott, da können einem ja die Tränen laufen!)

Wissen Sie was, Herr Döring, wenn ich das Geld hätte, für Sie würde ich ein Reservat kaufen und dann könnten Sie mit Ihrer Bundesregierung glücklich werden. Von mir aus können Sie auch noch mal den Sozialismus dort aufbauen, einen nächsten Feldversuch.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Zusammen mit der Block-CDU.)

Meine Damen und Herren, die Wahrnehmung der Befindlichkeiten der neuen Bundesländer bei der Regierung in Berlin ist offensichtlich gleich null. Bundeskanzler Schröder hat vor fünf Jahren einmal die Ankündigung gemacht, der Aufbau Ost würde Chefsache werden. Ich habe es schon damals als eine Bedrohung empfunden, als er das gesagt hat. Dass die Drohung so schlimm umgesetzt wird, hätte ich nicht für möglich gehalten.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Alles erst jetzt.)

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, früher gab es noch einen Minister für den Aufbau Ost, für die Belange Ostdeutschlands. Vielleicht kennt der eine oder andere den Namen

Schwanitz noch. Das war der Mann. Das ist der, der in der TA einmal mit einem weißen Bild war, wissen Sie?

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Der ist bei den Bundestagswahlen abgewählt worden.)

Unterdessen ist es Herr Stolpe. Herr Stolpe weiß an dem einen Tag nicht, was er am Tag vorher gesagt hat und ob das, was er am Tage heute sagt und was er von gestern nicht mehr weiß, ob er das morgen noch vertritt, weiß man auch nicht so genau. Tatsache ist aber, dass die Interessen der neuen Bundesländer bei dieser Bundesregierung in schlechten Händen ist.

Meine Damen und Herren, neben den vielen negativen Erkenntnissen zeigt der Thüringen-Monitor auch positive Effekte. So sind es die Rentner, von denen 60 Prozent ihre eigene wirtschaftliche Situation weiterhin als gut oder als sehr gut einschätzen. Ich will hier an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich sagen, ich bin zufrieden, dass es den Rentnern so gut geht, denn die Rentner sind diejenigen, die den Karren nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Dreck gezogen haben.