Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Nicht nur ein bisschen.)

Danke. Es geht hier um die Einbindung der örtlichen Jugendhilfe und die Verantwortung der Landesregierung, die sie endlich mal wahrnehmen muss,

(Beifall bei der PDS)

und nicht nur um das Verweisen auf Rotgrün und auf Berlin und dass dort alles Böse geschieht und hier alles Gute. Das Muster geht einfach so nicht mehr auf.

Veränderungen innerhalb der Arbeitsverwaltung werden kommen. Es steht fachlich auch außer Frage, dass die Arbeitsverwaltung auch mit der Jugendhilfe zusammenarbeiten muss. Die Verantwortlichkeit der Jugendhilfe gerade in Maßnahmen der Benachteiligtenförderung darf bei sämtlichen Veränderungen der Arbeitsverwaltung nicht außen vor bleiben. Diskussionen innerhalb der Fachpraxis mahnen an, dass in perspektivischen Planungsprozessen die Verantwortlichkeit für das Klientel entscheidend sein muss. Im Bereich der Benachteiligtenförderung scheint es kein Konzept der Landesregierung zu geben, das perspektivische Defizite in der Umstrukturierung der Arbeitsverwaltung mit Sicht auf das Klientel in Blick nimmt. Die Umstrukturierung kommt, das ist richtig, aber sie wird für Jugendliche und insbesondere in der Benachteiligtenförderung kaum positive Effekte bringen, wenn nicht im Vorfeld die Jugendhilfe an diesem Prozess beteiligt wird. Dazu ist es notwendig, dass seitens der Landesregierung und der örtlichen Träger zu agieren ist. Warum die Bundesregierung die Notwendigkeit zur Kooperation allerdings im Vorfeld nicht im Blick hatte, bleibt meiner Fraktion unverständlich.

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ich kann Ihnen zwar auch nicht ersparen zu sagen, dass dies rational nicht nachvollziehbar ist. Es ist schon ein kleiner Spagat in diesem Antrag, ohne Kritiken an die Adresse der Bundesregierung das Ganze in Kauf zu nehmen.

Die Vorgaben der Bundesanstalt für Arbeit werden regional dazu genutzt, um Gelder einzusparen. Das, was jetzt

das Problem ist, hat mehrere Facetten. Finanzielle Sparzwänge werden gegen Qualitätsanforderungen ausgespielt, Frau Pelke hat das ja schon sehr deutlich dargestellt.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Da sind wir die falsche Adresse.)

Durch die Umstrukturierung in der Arbeitsverwaltung bzw. durch den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit werden definitiv Fehler gemacht, die sich drastisch auf die Jugendsozialarbeit und die Jugendberufshilfe und deren Zielgruppen auswirken werden. Ein Teil der fachlichen Angebote der Benachteiligtenförderung wird in Losgrößen ausgeschrieben, die in Größen rangieren, die kleine und mittlere Träger benachteiligen. Letztendlich werden für die Vergabe die niedrigsten Preise entscheidend sein und nicht mehr die qualitative Anforderung an die Benachteiligtenförderung. In Baden-Württemberg gab es zentrale Ausschreibungen für die berufsvorbereitenden Maßnahmen als ein Modellprojekt. Erfahrungsberichte weisen auf Probleme hin, die bei der Durchführung des Modells auftraten, also die Vernachlässigung der Qualität hinsichtlich des Personals, der Träger, der Räumlichkeiten, des Konzepts etc. sowie der Wettbewerbsverzerrung durch Dumpingpreise und ähnliche Probleme.

(Beifall bei der PDS)

Die Erfahrungen, die mit dem baden-württembergischen Modellversuch gemacht wurden, zeigen, dass eine zentrale, ortsferne Ausschreibung nicht zur Verbesserung der Qualität der berufsvorbereitenden Maßnahmen beiträgt und langfristig zu monopolistischen und damit unwirtschaftlichen Wettbewerbsstrukturen führt. Auch in Thüringen erfolgen bereits seit Herbst Ausschreibungen von Trainings- und Eingliederungsmaßnahmen. In dem Ausschreibungsprocedere werden weder die Interessen des Klientels noch die notwendigen regionalen Kenntnisse der Anbieter mit berücksichtigt. Zwingend und für die benachteiligten Jugendlichen förderlich ist, dass Ausschreibungen und Vergabe von Angeboten der Benachteiligtenförderung durch die Arbeitsverwaltungen mit den beteiligten Ämtern vor Ort abzustimmen sind, um zum einen den Forderungen des SGB III, aber auch des SGB VIII gerecht zu werden, und zum anderen die ortsnahe und differenzierte individualisierte und passgenaue Vergabe von Förderangeboten für benachteiligte junge Menschen anzukurbeln.

Hier sehen wir die Verantwortung und den Handlungsbedarf der Landesregierung, und zwar in folgender Richtung: Die verstärkte Information der Leitung der örtlichen Jugendhilfe und Sozialämter über Möglichkeiten und Erfordernisse der Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der Hartz-Gesetze seitens des Wirtschaftsministeriums, verstärkte Informationen über örtliche Jugendhilfe durch das Sozialministerium, Initiierung und fachliche Begleitung des Prozesses der Kooperation der örtlichen Jugendhilfe in die bereits existierenden gemeinsamen Anlaufstellen der Arbeitsämter und der Sozialämter, das heißt eine verstärkte

Vernetzung aller an diesem Prozess Beteiligten, und

(Beifall bei der PDS)

nicht jeder macht nur seine Sache, und das parallel nebeneinander her.

Um diese und andere Möglichkeiten zu diskutieren und fachlich beurteilen zu können, beantrage ich auch namens meiner Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Nothnagel, da gibt es jetzt noch eine Nachfrage von Frau Abgeordneten Vopel.

Bitte schön.

Herr Kollege Nothnagel, Sie haben nun sehr ausführlich, was ich auch beklage, die Ausschreibungs- und die Vergabepraxis kritisiert. Geben Sie mir aber Recht, dass das nicht von der Landesregierung, sondern dass das über die Bundesanstalt für Arbeit so läuft?

Natürlich läuft das über die Bundesanstalt für Arbeit, aber hier ist das Wirtschaftsministerium letztendlich auch mit einzubeziehen und ich habe gesagt, dass es eine Vernetzung aller am Prozess Beteiligten geben muss.

(Beifall bei der PDS)

Es bringt doch niemandem was, wenn einer dem anderen den schwarzen Peter zuschiebt und sich an der Tatsache nichts verändert.

(Beifall bei der PDS)

Herr Staatssekretär Benner, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Behauptung im vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion, die Verantwortlichen in den

Jugendhilfebehörden seien im Bereich der Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung untätig, verwundert schon. Sie sollten doch zur Kenntnis genommen haben, dass die Gesetze zur Neugestaltung des Arbeitsmarkts und der Sozialhilfe zurzeit im Vermittlungsausschuss des Bundesrates verhandelt werden. Ohne endgültige gesetzliche Grundlage wird der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit nicht vollzogen werden können.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Eben.)

Wie diese Grundlagen letztendlich aussehen, kann heute noch niemand abschließend sagen, sie stehen erst nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens zu Hartz III und Hartz IV endgültig fest.

Natürlich hat sich die Landesregierung mit der Umstrukturierung der Arbeitsverwaltungen und deren Auswirkungen beschäftigt. Von Untätigkeit, wie sie in der Begründung Ihres Antrags behauptet wird, kann überhaupt keine Rede sein. Wer sich intensiver mit dem Thema befasst, dem fällt sehr schnell auf, dass sich die Vorstellungen der Bundesanstalt für Arbeit über ihre neuen Strukturen fast täglich verändern. Da ist es doch nur allzu verständlich, wenn die Thüringer Landesjugendbehörden und die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zunächst einmal eine gewisse abwartende Haltung einnehmen.

Meine Damen und Herren von der Fraktion der SPD, Sie fragen unter Punkt 1, welche Initiativen die Landesregierung ergriffen hat, um die Zusammenarbeit der künftigen Bundesagentur für Arbeit mit den Trägern der Jugendhilfe zu gewährleisten. Ich will Ihnen einige dieser Initiativen nennen: Schon am 25. März 2003 wurden im Rahmen der Amtsleitertagung der Thüringer Jugendämter die Amtsleiter informiert und sensibilisiert. Das Thema der Veranstaltung lautete damals "Das Hartz-Konzept - moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt und seine Konsequenzen für die Jugendhilfen". Ein wichtiges Ergebnis dieser Veranstaltung war die Anregung an die Jugendämter, frühzeitig einen Hartz-Verantwortlichen in jedem Jugendamt zu benennen. Dieser soll die Zusammenarbeit zwischen den Jugendämtern und der Arbeitsverwaltung herstellen bzw. verstetigen. Der Unterausschuss V des Landesjugendhilfeausschusses hat sich im Rahmen seiner Gremienarbeit intensiv mit der Problematik "Hartz-Konzept" befasst. Er hat eine Stellungnahme erarbeitet, die durch den Landesjugendhilfeausschuss in seiner Sitzung am 2. Juni 2003 beschlossen wurde. Im Zusammenhang mit diesem Beschluss und auf der Basis der Thüringer Kooperationsempfehlung fanden bisher Abstimmungsgespräche zwischen Vertretern des Sozialministeriums, des Wirtschaftsministeriums, des Landesarbeitsamts und des Landesamts für Soziales und Familie statt. Schon im Januar des nächsten Jahres ist das nächste Treffen geplant, um sich über den Stand der Dinge in den einzelnen Institutionen zu informieren und gegebenenfalls gemeinsam aktiv zu werden. Auf den Tagungen der Verantwortlichen für die Jugendsozialarbeit am 19. Mai 2003 und am 17. November 2003 hat die Hartz

Gesetzgebung ebenfalls den inhaltlichen Schwerpunkt ausgemacht. In Vorbereitung der Jugendministerkonferenz 2003 wurden die Vorschläge der Hartz-Kommission in Bezug auf die Jugendsozialarbeit bewertet und natürlich auch kritisiert. Im Rahmen dieser Jugendministerkonferenz - sie fand am 22./23. Mai 2003 statt - hat der Freistaat Thüringen die unzureichende Einbeziehung der Jugendhilfe in die vorliegenden Gesetze kritisiert. Bei der Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 20. und 21. November in Rostock habe ich mich ausdrücklich für behinderte Auszubildende eingesetzt und die Bundesanstalt veranlasst, ihre Versuche zu unterlassen, die Jugendämter mit Leistungen für behinderte Menschen zu belasten.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke hier ausdrücklich dem Kollegen im Bundeswirtschaftsministerium, dass er auf meinen Brief reagiert und die Bundesanstalt entsprechend angewiesen hat. Auf Drängen Thüringens hat nunmehr die Bundesanstalt für Arbeit eine Klarstellung ihrer Dienstanweisung vorgenommen.

Der Träger Jugendberufshilfe Thüringen e.V., bei dem das Sozialministerium Mitglied ist, hat ebenfalls umfangreiche Initiativen gestartet, um die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Arbeitsverwaltung zu gewährleisten. Drei dieser Initiativen seien hier kurz genannt:

1. die Information der örtlichen Jugend- und Sozialämter über Möglichkeiten und Erfordernisse der Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der Hartz-Gesetze,

2. die fachliche Begleitung bei der Einbindung der örtlichen Jugendhilfe in bereits existierende gemeinsame Anlaufstellen der Arbeitsämter und Sozialämter und

3. die gezielte Entwicklung von Know-how bei so genannten Dritten, die zukünftig im Auftrag der Job-Center fungieren können.

Diese Aufzählung macht deutlich, in welchem Umfang die obere und oberste Landesjugendbehörde im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags tätig ist. Sobald der gesetzliche Rahmen über die Beschlüsse des Deutschen Bundestags und Bundesrats verbindlich sind, werden der Landesarbeitskreis und die örtlichen Arbeitskreise aktiv werden.

Ich komme zum Punkt 2 des SPD-Antrags. Lassen Sie mich Folgendes dazu sagen: Es geht um das Ausschreibungsverfahren der Bundesanstalt, was hier schon mehrfach angesprochen wurde, bezüglich der Trainings- und Eingliederungsmaßnahmen und der berufsvorbereitenden Maßnahmen. Bereits in diesem Herbst hat die Bundesanstalt für Arbeit Trainings- und Eingliederungsmaßnahmen ausgeschrieben. Das geschah im Bereich der Trainingsmaßnahmen für über 31.000 Teilnehmer in 21 Losen. Wie schon so oft ist die Planung der Arbeitsverwaltung auch bei diesem Problem am grünen Tisch gemacht wor

den. Hätten sich die Träger nicht zu Bietergemeinschaften zusammengeschlossen, wären sie völlig überfordert gewesen. Es ist zu befürchten, dass bei der Größe der Angebote eine Angebotsauswahl ausschließlich über den Preis erfolgt. Insofern sind alle Parteien in diesem hohen Hause einer Meinung. Dies wird zu Lasten der Prozess- und Ergebnisqualität gehen und kann den Bestand bewährter kleiner und mittlerer, aber leistungsfähiger Maßnahmeanbieter gefährden. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die seitens der Bundesanstalt favorisierten gewerblichen Anbieter das Problem "benachteiligte Jugendliche" besser werden bewältigen können. Die oberste Landesjugendbehörde wird hier weiterhin eine sachgerechte Beteiligung der Jugendhilfe fordern. Sie sehen, dass von Untätigkeit keine Rede sein kann. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, dann können wir die Aussprache schließen und kommen zur Abstimmung. Zunächst ist beantragt worden, den Antrag an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Der Antrag auf Überweisung ist mit Mehrheit abgelehnt.

Dann kommen wir zur direkten Abstimmung über den Antrag in Drucksache 3/3819 der SPD-Fraktion. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei einer Anzahl von Jastimmen ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Ich kann den Tagesordnungspunkt 14 schließen und rufe den neuen Tagesordnungspunkt 14 a auf

Sicherung der Tarifautonomie Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3818 dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/3855

Ich bitte zunächst Herrn Abgeordneten Müller an das Rednerpult.