Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das haben wir immer gesagt, meine Gute.)

Das ist ja auch richtig.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Zuhören richtig, wenn Sie dabei sind.)

Ich bin ja dabei und ich höre auch zu. Wenn was stimmt, dann sage ich es ja auch. Sie haben ja keinen Alleinvertretungsanspruch, hier was zu sagen, was stimmt oder nicht stimmt.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Sie aber auch nicht.)

Ich auch nicht. Deswegen mache ich ja immer so Expertengespräche oder solche Sachen, damit ich mich da schule. Natürlich habe ich sonst keinen Alleinvertretungsanspruch.

Man kann dem Thüringer Landwirtschaftsminister dankbar sein, dass er 1990 keine Politik verfolgt hat, um die großen Genossenschaften zu zerschlagen, sondern ihre Transformation in effiziente Unternehmen unterstützt hat. Das hat auch der gesunde Menschenverstand damals verlangt. Das hat Herr Minister Sklenar gemacht und das war ja auch richtig, aber die Landesregierung kann sich auf diesem Politikansatz nicht ewig ausruhen. Es reicht heute nicht, der beliebteste Minister und dienstälteste Landwirtschaftsminister zu sein. Das ist alles ganz nett, aber es reicht nicht, denn dann klappt die Agrarpolitik heute nicht.

Zu einigen zentralen Einzelpunkten der Großen Anfrage. In der Vorbemerkung der Antworten wird gesagt - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: „Im Mittelpunkt der Politik der Landesregierung steht die Stärkung der Wirtschaftskraft der landwirtschaftlichen Betriebe, der Erhalt von Arbeitsplätzen und der Ausbau attraktiver Lebensbedingungen.“ Also mal ehrlich, vonseiten der Landesregierung habe ich nie einen Vorschlag gehört, ob oder wie Arbeitsplätze in das Beihilfesystem eingebaut werden könnten.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Weil es nicht geht, das wissen wir auch schon.)

Der CDU-Kollege von Herrn Minister Sklenar, also der Parteifreund aus Sachsen, aus dem Europäischen Parlament, hat gesagt: Das wurde betrachtet, aber es ist zu kompliziert.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das geht nicht, hat er gesagt. Das ist nicht vergleichbar.)

Es ist zu kompliziert. Es gibt auch andere Sachen, die wahnsinnig kompliziert sind, die wurden in der gemeinsamen Agrarpolitik auch durchgesetzt, Cross Compliance und alle möglichen Sachen. Also ist das kein Argument, dass es gar nicht geht. Ich habe nicht beobachtet, dass sich die Landesregierung da wirklich eingebracht und das durchgekämpft hätte, dass sie für ein System gestritten hätte, das die Sicherung von Arbeitsplätzen einbezieht. Die Landesregierung hat gegen die Degression der Direktzahlungen gekämpft, ja, als die Vorschläge auf dem Tisch lagen. Insofern hat sie zwar einen kleinen Sieg errungen, die Degression abzumildern; dass sie aber überhaupt eingeführt wurde, ist ein Dammbruch und bedeutet, dass sich das alleinige Kriterium „Größe“ durchgesetzt hat.

Der Minister stellt aber fest, das steht auch im Agrarbericht, dass die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft kontinuierlich zurückgehen.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: So ist es.)

Im Jahr 2007 arbeiteten in den landwirtschaftlichen Unternehmen von Thüringen 25.919 Personen. Im Vergleich zu 2001 sind das fast 8 Prozent weniger Menschen, die in der Landwirtschaft versicherungspflichtige Arbeitsverträge hatten. Deshalb ist die Forderung „Arbeitsplatzsicherung in das Beihilfesystem“ auch mit Blick auf 2013 einzufordern oder einzubringen, schon richtig, weil wir sonst der Verödung des ländlichen Raums entgegengehen. Da muss sich was ändern, sonst machen alles nur noch Melkroboter, wenn es überhaupt noch Kühe zum Melken gibt. Gleichzeitig oder parallel dazu sind die Bruttolöhne und Gehälter in der Landwirtschaft die niedrigsten von allen Wirtschaftsbereichen in Thüringen. Im Vergleich zum Durchschnitt über alle Wirtschaftsbereiche verdient ein Arbeitnehmer in der Landwirtschaft 6.780 € weniger jährlich und das, wo wir ja wissen, und es wurde heute auch schon gesagt, dass Thüringen insgesamt das Niedriglohnland in der Bundesrepublik Deutschland ist im Vergleich der Länder.

(Zwischenruf Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Stimmt nicht.)

Die Ansiedlung von Gewerben oder Industriebetrieben in den ländlichen Räumen, jetzt mal fernab von der Städteachse entlang der A 4, ist kaum gelungen. Also fehlen auch andere gut bezahlte oder

überhaupt lebenssichernd bezahlte Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Schauen Sie sich doch z.B. einmal die Kreise an. Herr Althaus, der ist jetzt nicht da, er weiß es so gut wie ich, im Eichsfeldkreis pendeln täglich 15.000 Menschen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ähnlich schlecht wie mit der Perspektive der Arbeitsplätze sieht es auch mit dem Ausbau attraktiver Lebensbedingungen, wie sie ja in die Beantwortung geschrieben haben, aus. Nur ein Beispiel, die Breitbandversorgung im ländlichen Raum, das wurde heute auch schon diskutiert.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Wann waren Sie denn das letzte Mal im Dorf und haben gesehen, wie es dort aussieht?)

Ich wohne doch da, mein Lieber, Hohengandern, 504 Einwohner.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Aber nicht jeden Tag.)

Da bin ich jeden Tag, wenn ich nicht hier stehe.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Da kennt Sie offensichtlich keiner.)

Ja, doch, die kennen mich schon alle. Also dazu brauchen Sie gar keine Sorge zu haben. Aber genau da haben wir auch das Problem und ich kenne das auch von Menschen in anderen Dörfern, es wird hier mantramäßig immer vor sich hergetragen, dass da was getan wird mit der Breitbandversorgung, dann beantragst du das, dann geht es nicht, aus technischen Problemen kann dein Antrag nicht erfüllt werden. Also wenn Herr Althaus damit immer Lorbeeren vor sich herträgt oder auf dem Kopf trägt und dann die Leute keinen Anschluss bekommen, dann beweist das die Unglaubwürdigkeit von ihm und dieser Landesregierung.

Wie sieht das aus mit den Auswirkungen der Agrarreform auf die wirtschaftliche Situation der landwirtschaftlichen Betriebe. Die Landesregierung behauptete, also im Februar, weil da wurde sie ja beantwortet, dass es keine Änderung des wirtschaftlichen Potenzials, der Einkommenssituation oder der Wettbewerbssituation gebe, dass sie nicht zu beobachten sind aufgrund der Agrarreform. Aber damals in derselben Antwort wurde schon zugegeben, dass gerade auf dem Milchsektor oder beim Grünland durch die Änderung Anpassungen geschehen sind, und zwar negative für die Kulturlandschaft unseres Landes. Die Milchkuhbestände sind zurückgegangen und die Schafbestände sind rückläufig. Das wirkt sich negativ auf die Erhaltung von Wiesen und Weiden aus und auf den Erhalt von Arbeitsplätzen. Das habe ich schon einmal gesagt, das muss ich jetzt vielleicht nicht noch einmal ausführen. Wir haben eben

eine wunderschöne Kulturlandschaft. Wir haben Bergwiesen, wir haben Weiden, aber die können wir nur erhalten, wenn wir eben z.B. Schafe haben, wenn wir eben eine Tierproduktion haben, die genau solche Bereiche nutzt. Wenn dann das rückläufig ist, dann ist es eine negative Auswirkung. Viele Milch produzierende Betriebe stehen mit dem Rücken an der Wand. Die Quotenabschaffung, die von Lobbyisten gefordert wurde und gefeiert wird, wirft die Schatten voraus.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Wieso, das ist doch genau richtig.)

Ja, wieso geht das nicht anders und warum ist es richtig, weil Sie wollen, dass 40 Prozent der Milchproduktion stillgelegt wird und dann die anderen Verbleibenden bessere Marktchancen haben. Dann, wenn Sie das wollen, ist das richtig. Aber da müssen Sie das auch so ehrlich sagen, dass Sie genau das wollen. Nur die stärksten Betriebe, sagen Sie, auch hier in Thüringen werden oder sollen übrig bleiben.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Wer sagt denn das?)

Alle anderen werden aufgeben müssen, wenn es kein Regulativ gibt.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das ist wie bei der Autoindustrie.)

Dann erklären Sie das mal anders. Da haben Sie aber keine Argumente. Wenn es kein Regulativ gibt, wird das der Markt so richten.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Na sicher, wir haben Marktwirtschaft, nicht Planwirtschaft.)

Ja, eben, Herr Dr. Sklenar, die ganzen letzten Jahrzehnte gemeinsamer Agrarpolitik waren eben nicht freie Marktwirtschaft. Das wissen Sie doch auch. Aber das war auch nicht Planwirtschaft DDR, weil das in Westeuropa war. Da befinden Sie sich und da befindet sich auch die Bauernschaft in einem Dilemma, wie so oft in unserem herrschenden Wirtschaftssystem. Einerseits nur nach dem Markt zu rufen bedeutet auf der anderen Seite, dass die Konkurrenzgesetze des Marktes wirken. Jeder Marktakteur schaut auf seinen eigenen Gewinn und wer die stärkere Marktmacht hat, sticht die anderen aus und zwingt sie unter sein Diktat. Das führt letztlich zur Aufgabe von Betrieben oder Produktionszweigen mit allen negativen Auswirkungen für die ländlichen Räume.

Viele FDP-ler wollen den Strukturwandel und viele von der CDU bestimmt auch. Aber wenn man sagt, man will es nicht, dann muss die Politik gegensteuern. Wenn wir wollen, dass die ländlichen Räume Lebens- und Arbeitsorte bleiben, muss gegengesteuert werden. Für ein solches Leitbild, nämlich, dass ländliche Räume Lebens- und Arbeitsorte sind, braucht es z.B. ein Gesetz zur Preisbindung. Da reichen Empfehlungen nicht aus. Sie wissen doch, wie das gelaufen ist mit dem runden Tisch, wo Handel und Milcherzeuger an einen Tisch gekommen sind. Da wurde was verabredet, daran hat sich keiner gehalten. Wenn das nicht rechtlich fixiert ist, hält sich da keiner dran. Das muss ich jetzt noch mal sagen. Es gibt aktuell in Deutschland Preisbindungen. Das wissen Sie vielleicht nicht, weil Sie das nicht beschlossen haben und die gibt es trotzdem. Das sind z.B. die Buchpreisbindung und die Preisbindung bei Medikamenten. Die wirken direkt auf den Verbraucher. Es könnte genauso etwas geben, was dann auf Erzeuger wirkt.

Wenn wir auf den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt schauen, braucht es wahrscheinlich auch eine Menge Regulierung. Das sagt z.B. der Bundesverband der deutschen Milchviehhalter. Vor dem Hintergrund der Argumente, die ich gerade genannt habe, und den Notwendigkeiten sind die Maßnahmen der Landesregierung und der Bundesministerin für Landwirtschaft zwar teilweise zu begrüßen, sie sind aber nicht ausreichend, weil sie weder wegweisend noch grundsätzlich sind und nur dem kleinsten Teil der Betriebe helfen werden.

Herr Minister Dr. Sklenar, Sie sprechen die Wahrheit, was passieren wird, nicht aus. Vielleicht aber wollen Sie auch nicht, dass es ein massives Sterben der Milchproduktion gibt.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das wird auch nicht eintreten.)

Aber dann versagen Sie auch, denn Sie wenden den Kopf hin und her und schauen, wie der Wind weht, was die neoliberalen Marktstrategen sagen, anstatt selber mutige Vorschläge auszuarbeiten. Beim Agrarforum in Bad Langensalza haben Sie sich darauf hinausgeredet, dass Sie ja gar nicht wüssten, wie hoch dieser Mindesterzeugerpreis für Milch sein sollte oder könnte.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das ist doch Quatsch, so ein Blödsinn.)

Sie waren sich da auch noch mit dem inhaltsschwachen Vertreter von der SPD einig. Also ehrlich, das war traurig. Es gibt eine Reihe von Wirtschaftlich

keitsstudien über einen kostendeckenden Milchpreis. Das könnte man aufnehmen.

Ein anderes Beispiel für Ihre Ziellosigkeit: Im Endeffekt Ziellosigkeit ist die Agrogentechnik und der Anbau von transgenen Pflanzen. Der Ministerpräsident hat heute Morgen noch mal völlig undifferenziert und allgemein die Gentechnik als Heilsbringer dargestellt. Er hat es nicht Heilsbringer genannt. (Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Also, bitte bei der Wahrheit bleiben.)

Im Endeffekt steckt aber diese Heilsbringerideologie dahinter, wenn die Gentechniklobby davon spricht, dass man damit die steigende Weltbevölkerung ernähren wird. Dann frage ich mich, warum in der Vergangenheit auch immer Leute verhungert sind, wo wir noch gar nicht so viele Menschen auf dem Planeten hatten, sondern nur die Hälfte. Also er hat es völlig undifferenziert heute dargestellt. Vielleicht kann Herr Ministerpräsident Althaus aus Unwissenheit nicht differenzieren oder aus was für Gründen auch immer. Aber Sie, Herr Dr. Sklenar, sollten da Beratung leisten. Das ist auch Ihre Aufgabe.

Im Juni 2008 hatten wir, DIE LINKE, einen Antrag hier eingebracht, der es uns als Land erlaubt hätte, den Anbau des transgenen Maises MON810 schon letztes Jahr zu verbieten.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Warum denn das? Sagen Sie mal einen vernünftigen Grund, warum das verboten werden soll?)

Warum denn das? Weil, wie die CSU-Agrarministerin auch dargestellt hat, es kann zu viele unwägbare Risiken beim Freilandanbau dieses Maises geben.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Es ist nichts bewiesen.)

Ihr Staatssekretär hat gesagt, er empfiehlt die Ablehnung des Antrags, weil dieser Antrag blanker Aktionismus wäre. 2008 hätten wir hier in Thüringen schon deutschlandweit ein positives Signal für Landwirtschaft und Umwelt geben können. Jetzt hat Ihnen dieses Signal die CSU-Bundeslandwirtschaftsministerin reingedrückt. Jetzt kommt es von oben, Herr Minister. Ich höre jetzt nicht, dass Sie da großartig Sturm laufen und etwas machen.

(Zwischenruf Abg. Hausold, DIE LINKE: Das darf er ja nicht.)

Das darf er nicht oder wie, weil es von der Bundeslandwirtschaftsministerin kommt?