Nur sollten wir vermeiden, Mosaiksteine für dieses Bild zu liefern. Deshalb gilt es klar zu sagen: die wehrhafte Demokratie setzt sich mit Verfassungsfeinden, mit Extremisten, mit politisch motivierter Gewalt auseinander, wie auch immer diese ideologisch begründet sein mögen. Deshalb gilt es auf klare Maßstäbe, auf Augenmaß, auf Verhältnismäßigkeit zu achten. Kurz: Es gilt darauf zu achten, den Rechtsstaat nicht durch einen überschießenden politischen Willen über die Klinge springen zu lassen. Darauf kommt es an, meine Damen und Herren.
Damit komme ich zu einer letzten Erwägung. Sie wollen mit diesem Antrag den Staat, genauer die Landesregierung, zur Schaltzentrale einer allumfassenden gesellschaftlichen Anstrengung machen. Ja lesen Sie das doch mal - die Staatskanzlei. Er soll die Maßnahmen im Rahmen der Null-Toleranz-Strategie anstoßen, unterstützen und fördern. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Land und dass die Landesregierung das in sehr breiter Weise bereits tut.
Gesellschaftliche Akteure werden in ihrem Kampf gegen Gewalt und Extremismus auf sehr vielfältige Weise unterstützt. Dazu will ich nicht wiederholen, was die Landesregierung schon in der Vergangenheit gesagt hat, zumal der zuständige Minister sicher auch noch einiges zu den konkreten Maßnahmen ausführen wird. Dass Verfassungsschutz, dass Polizei und Gerichte im Rahmen der rechtsstaatlichen Möglichkeiten gegen den Rechtsextremismus aktiv sind, dass in Schulen und durch die Landeszentrale für politische Bildung in vielfältigster Weise z.B. auch über die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands aufgeklärt und für eine demokratische Kultur gearbeitet wird, das muss eigentlich gar nicht eigens betont werden. Auch dieses Parlament engagiert sich ja in vielfältiger Weise und ganz unter
schiedlich auf diesem Feld. Wir wehren uns sehr entschieden dagegen, wenn in diesem Antrag und mit diesem Antrag der Eindruck vermittelt wird - und dass der Antrag so verstanden werden kann, dafür ist die Rede von Frau Berninger ein treffliches Beispiel -, dass der Antrag den Eindruck erwecken kann, es werde nichts oder viel zu wenig getan. Sie wissen so gut wie ich, dass das nicht stimmt.
Manches, was in Ihrem Antrag gefordert wird, ist längst Realität. Und man fragt sich natürlich, warum man einen Antrag bastelt und darin großartige Forderungen reinschreibt, die schon längst praktiziert werden. Auch das dürfte Ihnen nicht unbekannt sein.
Aus Ihrem Antrag ergibt sich jedoch, denke ich, eine weitere Frage. Soll der Staat wirklich darüber hinausgehen und sich in der vorgeschlagenen Weise an die Spitze eines die Gesellschaft und die Wirtschaft umschließenden politischen Kampfes gegen rechts stellen? So in der Begründung Ihres Antrags. Es überrascht Sie sicher nicht, dass ich das verneine. Aber es müssen schon noch ein paar Sätze zu diesem Punkt gesagt werden, zuerst, wie es nach der Theorie sein sollte.
Der demokratische Verfassungsstaat steht für Freiheit, für Recht, für Sicherheit, für Ordnung. Er stellt einen Rahmen bereit, in dem die politischen Kräfte und Meinungen um Einfluss ringen, um Macht auf Zeit zu erhalten. Diese Ordnung ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Aufgabe der wehrhaften Demokratie ist, diese Ordnung zu erhalten. Genau daran orientieren sich auch die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder, auch das Thüringens. Diese Ordnung und diese Freiheit kennt keine politischen Richtungen, die sie bekämpft, sondern sie kennt Feinde dieser Ordnung - Verfassungsfeinde, Extremisten, Gewalttäter - und denen gilt der Widerstand des Staates. Das ist die Kernaufgabe, für die der demokratische Staat eine unzweifelhafte Legitimation hat. Die Legitimation der Parteien, das bestreitet gar keiner, die reicht weiter.
Die Legitimation der Parteien im politischen Meinungskampf reicht in der Tat weiter. Da kann die eine Richtung die andere bekämpfen, sie kann das recht scharf tun, aber der Staat ist nicht Partei und darf in so grundsätzlichen Fragen auch nicht Partei sein. Das unterscheidet diesen Staat sehr eindeutig von einem antifaschistischen Gesinnungsstaat, wie er hier 40 Jahre lang erlebbar war und der unterscheidet ihn auch von dem Staat, der vorher hier erlebbar gewesen ist. So weit die reine Lehre.
Man kann natürlich die Meinung vertreten, dass das alles viel zu eng gesehen wird. Aber eines müsste klar sein, manches von dem, was wir auch in diesem Haus diskutiert haben in der Vergangenheit oder was die Landesregierung heute schon tut, manches von dem wäre unter einem so strengen Maßstab gar nicht möglich. Oder schauen wir auf den Bund. Bestimmte Meinungen etwa unter Strafe zu stellen, das hat die Diskussion um die Strafrechts- und Versammlungsrechtsnovelle erst kürzlich im Bundestag gezeigt, wäre angreifbar. In welche Grenzbereiche man dabei gerät und wie sehr es auf Genauigkeit ankommt, das hat diese Diskussion im Bundestag deutlich vor Augen geführt. Wir haben es also hier in der Tat auch bei diesem Antrag und bei dem, was hier gefordert wird, mit einer Gratwanderung zu tun zwischen einer idealen Aufgabenteilung zwischen dem Staat, der nicht Partei sein kann, auf der einen Seite und der Gesellschaft auf der anderen Seite. Deshalb sagen wir als CDU-Fraktion auch, der Antrag der SPD soll nicht grundsätzlich abgelehnt werden, aber er birgt die Gefahr, bei der Gratwanderung abzurutschen, und sei es,
auch unwillentlich Wasser auf die Mühlen des Rechtsextremismus zu leiten. Was wir aber, so denke ich, auf jeden Fall vermeiden wollen, ist, dass wir, nur weil es ein Antrag unter dem Titel „Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus“ ist, auf Bedenken im Detail und auf die grundsätzlichen Einwände verzichten. Bei diesem Thema „Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus“ gibt es allzu oft eine Art politischen Überbietungswettbewerb und das tut der Sache nicht gut. Wir wollen deshalb, so habe ich es eingangs beantragt, diesen Antrag zum Anlass nehmen im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit in einer gründlichen Diskussion darüber zu sprechen, wie wir den Rechtsextremismus eindämmen können und da auch genau der Frage nachgehen, Herr Matschie, ob wir für das, was Sie eigentlich wollen, nicht bessere Mittel, angemesse
Der Rechtsextremismus ist die Spielart des Extremismus, die zurzeit aus guten Gründen im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, aber wir haben massive Zweifel, dass dieser Antrag in der vorliegenden Form die geeigneten Mittel erhält. Aus vielem „Gut meinen“ wird nicht automatisch ein „Gut machen“. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei aller Diskrepanz, die jetzt vielleicht mein Beitrag bei Ihnen hervorgerufen hat, lassen Sie uns weiter darüber beraten, wie wir unsere Sache gemeinsam gut machen können. Vielen Dank.
Da muss ich mal in den Kontext Ihrer Rede gehen. Sie haben immer davon gesprochen, dass das staatliche Handeln nicht überwiegen darf und zivilgesellschaftliches Handeln befördert werden muss. Sie haben an keiner Stelle gesagt, was Sie dazu beitragen können - Herr Fiedler, lassen Sie dieses ständige Kommentieren -, deshalb frage ich Sie...
Welches sind nach Auffassung Ihrer Fraktion die geeigneten Mittel, diese Zivilcourage gegen Rechtsextremismus zu befördern?
Frau Dr. Klaubert, ich werde die Diskussion im Ausschuss nicht vorwegnehmen, das werde ich ganz sicher nicht tun. Ich habe aber deutlich gemacht
in meiner Rede - im Übrigen, auch wenn der Ausschuss nicht öffentlich sein sollte, die Sache wird ja wieder hier verhandelt -, wo ich eigentlich den Ansatz sehe, weil Herr Matschie ja Recht hat. Er sagt, es muss die öffentliche Diskussion darüber noch ganz anders geführt werden. Wir haben im Eisenacher Rat eine Diskussion gehabt - Herr Gentzel, Frau Wolf wissen das -, weil wir in ganz besonderem Maße mit den Leuten dort konfrontiert sind, mit der Kameradschaft Eisenach. Wir müssen schon mit viel Phantasie diesen jungen Menschen begegnen. Das haben in den letzten Wochen die Eisenacher, und zwar quer durch alle Parteien, in der Tat auch verstanden. Ich hege nur Zweifel, dass diese Reglementierungen, die hier eingeführt werden sollen, dieses Ergebnis zeitigen, was Herr Matschie sich erhofft und, ich denke, wenn wir dieses Ergebnis erreichen wollen, sollten wir genau der Frage nachgehen: Wie erreichen wir die breite gesellschaftliche Debatte in diesem Land über diese rechtsextremistischen Auswüchse? Nur wenn wir diese Debatte hinkriegen, bekommen wir auch gemeinsames Handeln hin. Was der Staat dazu beitragen kann, das alles kann schön ausdiskutiert und entsprechend auch im Ausschuss vorbereitet werden. Und ich bin der festen Überzeugung, das wird hier auch wieder zur Debatte stehen. Vielen Dank.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich gestehe, dass mir am heutigen Tag zum ersten Mal in diesem Landtag eiskalt geworden ist.
Sie können darüber lachen. Diese Rede, Herr Köckert, kann ich mir nur erklären, dass das der Versuch ist, dass Sie in der Mitte Ihrer Fraktion ideologisch wieder aufgenommen werden, um Abbitte zu leisten, dass Sie mit uns beim Haushalts- und Finanzausschuss oder bei den Haushaltsentscheidungen mit der Opposition gestimmt haben und dass das dann offenkundig reflexartig einen solchen Auswuchs an ideologischem Fehlgriff praktiziert wird.
Ich glaube, dass wir es gemeinsam nur schaffen, dieser braunen Gefahr und diesem braunen Ungeist entgegenzutreten, wenn wir definieren, dass wir diesen braunen Ungeist auch als Gefahr sehen, ernst nehmen, annehmen und Zeichen setzen. Ich habe den Antrag der SPD als ein Diskussionsangebot für ein spezielles Zeichen gesehen. Ich finde in dem Antrag diese ganzen Formulierungen, die Herr Köckert im Namen der CDU-Fraktion vortragen hat, nicht einmal wieder. An einer einzigen Stelle steht in der Begründung am Schluss das Wort „Kampf gegen rechts“. An allen anderen Stellen steht „Kampf gegen Rechtsextremismus“. Wir können wirklich in Ruhe im Ausschuss über die Frage rechts oder Rechtsextremismus noch einmal reden, wenn damit tatsächlich gemeint ist, die Sinne zu schärfen. Aber dann gleichzeitig reinzubauen, links ist nicht gleich demokratisch, Herr Köckert, das ist der Tiefpunkt dessen, was ich in diesem Haus erlebt habe.
Entschuldigung, wenn Sie das so formulieren. Ja Herr Kretschmer, Sie haben gestern ja auch die Kommunisten noch ausdrücklich benannt, weil Sie ein bestimmtes Weltbild haben, und das ist hier gerade beschworen worden,
indem Sie nämlich die Mitte der Gesellschaft sind und alle anderen stören Sie. Aber die Braunen stören Sie im Zweifelsfall dann nicht,
solange sie ordentlich angezogen sind, solange sie niemanden stören, solange sie nur ihren Ungeist still und heimlich oder lauter oder deutlicher verbreiten. Sie negieren dabei das, was das eigentliche Problem bei dem braunen Ungeist ist,
dass die Angst umgeht an den Stellen, wo diese Vorturner anfangen, das Kommando leiser oder lauter zu übernehmen. Ich verstehe den Antrag als einen Versuch. Wir haben gesagt, darüber muss noch gründlicher diskutiert werden. Es ist ausdrücklich auch vom Kollegen Matschie gesagt worden, weitere, bessere und ergänzende Ideen sind herzlich eingeladen. Ich habe gestern den Versuch unternommen, deutlich zu machen, dass, wenn wir alle Zu
ständigen und alle aus der Gesellschaft, die wir bewegen wollen, zusammenbringen, dann wird das Konzept erst rund. Es ging gar nicht darum, den Staat in eine Situation zu bringen, wo er anstelle unseres Engagements tritt. Aber so neutral, wie Sie den Staat machen, da muss ich an dieser Stelle heute dem Herrn Gasser wirklich Abbitte leisten, dass ich ihm gestern gesagt habe, dass mir seine Ausführungen zu kalt waren. Jetzt ahne ich, warum der Geist in diesem Innenministerium so herrscht, wie er gerade vorgetragen worden ist.