Bodo Ramelow
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, werter Herr Ministerpräsident, es ist wirklich ein erstaunliches Gefühl, an einem solchen Tag einen Eindruck zu bekommen, wie es früher mal in der DDR gewesen sein muss. Das, was hier von Herrn Zeh vorgetragen wurde, hat bei mir das Gefühl ausgelöst, die Politik der Landesregierung ist immer richtig, sie muss nur den Menschen richtig erklärt werden, und wenn die Menschen sagen, die Politik ist falsch, dann sind die Menschen von der Opposition aufgehetzt. So scheint mir wirklich DDR funktioniert zu haben. Nicht ganz so schlimm, nicht ganz so schlimm - ja, ich bin Westdeutscher, ich bin Zugezogener, ich habe das ja nicht erlebt, ich versuche mir nur ein Gefühl zu verschaffen, wie die mittlere Sitzreihe hier das Gefühl der Nationalen Front beschwört und ein wenig das Gefühl aufleben lässt, dass es alles Aufgehetzte sind, die sich mit Ihrem Gesetz auseinander setzen und der Meinung sind, dass das Gesetz falsch ist, einfach falsch.
Es geht einfach in die falsche Richtung. Ich wundere mich, dass Sie den Mut haben, dass Sie die Stirn haben, Herr Zeh, in unsere Richtung zu polemisieren, und völlig weglassen, dass alle Sozialverbände,
alle Träger, sogar die kirchlichen, Ihr Gesetz ablehnen.
Ich bin erstaunt über so viel Kaltschnäuzigkeit und über eine Eleganz, mit der man über die Realitäten hinweggeht und einfach sagt, die CDU hat beschlossen, vielleicht auf ihrem Parteitag, vielleicht in irgendeinem Hinterzimmer, vielleicht auf Anraten des familienpolitischen Fachreferenten Panse, die Erde ist eine Scheibe. Und wenn die Erde eine Scheibe ist, da muss das jetzt alles so erfolgen, wie Sie es gesagt haben. Es ist das modernste und innovativste Gesetz, das Sie in Deutschland auf den Weg bringen.
Ich bin erstaunt, dass das selbst die Kirchen nicht verstehen, dass es die sozialen Träger nicht verstehen
und dass man dann hingeht und sagt, also man beschimpft dann einen Träger einzeln und lässt alle anderen Träger weg. Wissen Sie, Herr Zeh, das ist einfach billig.
Dann hier so einen menschelnden Eindruck zu vermitteln, wer Kinder missbraucht für Fotos - wissen Sie, die Kinder sind die Opfer Ihrer Politik.
Ich denke, es wird Zeit, dass man dann an Grönemeyer mal erinnern soll; dann sollte man lieber Kinder an die Macht lassen, bevor man Sie weitermachen lässt,
weil, kindisch ist das nicht, was Sie machen. Das ist vorsätzlich und da gebe ich Christoph Matschie völlig Recht. Zu allen Ausführungen, die Christoph Matschie hier gemacht hat, kann ich nur sagen, volle Zustimmung. Genauso analysiert ist Ihr Gesetz, da gibt es zwischen unserer Fraktion und der SPDFraktion keinen Unterschied in der Auffassung, und wie man hört so bei dem einen oder anderen in Ihrer Fraktion auch. Nur man mogelt sich jetzt durch, weil man ja mutig sein möchte. Man möchte ja mit dem Dreamteam von Merkel und der Geheimwaffe Althaus ostpolitisch Punkte machen. Man möchte ja zeigen, dass man innovativ sei. Deswegen ist es ärgerlich, wenn man dann sagt, dass Ihr Gesetz einfach in die völlig falsche Richtung geht, mit der heißen Nadel gestrickt ist,
grottenschlecht ist und die sozialen Unterschiede dieser Gesellschaft zementiert. Jetzt wird Armut sichtbar. Sie arbeiten daran konsequent, zielgerichtet, dass die soziale Ausgrenzung in Schule, Kindergarten, Hort stattfindet. Ich kann Ihnen nur zurufen: Den CDU-familienpolitischen Amoklauf hält weder Ochs noch Panse, noch Schwäblein, noch Esel auf. Ich hoffe, dass die Eltern sich aufmachen, eine Volksabstimmung einleiten und sich dann mit Ihrem Ge
setz wirklich in Form eines plebiszitären Elements auseinander setzen. Anders sind Sie nicht mehr zu stoppen, weil Sie Ihre Fraktion zum Schluss wieder in Geiselhaft nehmen werden, sie zwingen werden, dass auch diejenigen, die anderer Meinung sind, die es für falsch halten, was hier geschieht, werden sie in Fraktionsdisziplin einzwängen, so dass sie dann mitmachen, weil es ja nicht sein darf, dass die Verbände Recht haben. Uns als Opposition müssen Sie ja gar nicht Recht geben, Herr Zeh. Sie können sagen, das sind die Hetzer von der Linkspartei, vorher PDS, vormals SED, da war die Nationale Front noch geschmiedet, aber heute sich hinzustellen und zu sagen wie Herr Althaus gestern, er warnt vor den neuen und den alten Kommunisten; ich warne vor Konservativen, die ein solches Gesetz einbringen, das patriarchalischer gar nicht mehr sein kann und die Mütter wieder an den Herd nach Hause zwingt.
Und dann noch die Art, wie Sie Menschen beteiligen, Herr Zeh, dass Sie es nicht mal merken. Sie sagen, das Gesetz sei breit diskutiert und die, die das nicht verstehen, denen ist das nur nicht richtig erklärt worden. Sie haben ja Ihren familienpolitischen Fachreferenten, wie es das „Freie Wort“ schreibt, der ist wahrscheinlich schon Mitarbeiter in Ihrem Haus, so kann man dann Zug um Zug auch Beamtenkapazitäten einsparen, weil Sie es direkt auf die CDU-Fraktion übertragen können als Berater vor Ort. Wo Herr Wehner allein nicht mehr klarkommt, steht ihm ja Herr Panse zur Seite. Wir sagen, merkwürdige Sparmanöver sind hier am Laufen. Sie sparen mit dem Gesetz auf dem Rücken der Kinder, Sie sparen mit dem Gesetz auf dem Rücken der Einrichtungen, Sie sparen mit dem Gesetz tatsächlich das Geld ein, das wir bräuchten, um in Kinder, in Jugend, in Bildung zu investieren. Sie gehen einen Weg, der ist katastrophal falsch und ich will es an ein paar Beispielen aufzeigen.
Alles ist mehr als nur die Frage, Kita, Kindergarten oder Hort einzeln. Es ist eben das Zusammenspiel, das wir gestern auch an dem Thema „Büchergeld“ hier diskutiert haben. Da war es ja auch so, dass Herr Emde sich hier hinstellt und sagt, na ja, die 38.000 Eltern, die Einspruch eingelegt haben, die sind nur aufgehetzt worden. Merken Sie gar nicht, wohin dieser Weg geht, Herr Althaus? Und Sie wissen es als Lehrer viel besser, wohin dieser Weg geht, schulpolitisch, familienpolitisch, bildungspolitisch. Das, was Herr Zeh gesagt hat, können Sie wirklich nicht glauben - die Erde ist keine Scheibe, Herr Althaus. Am Beispiel einer Schule, bei dem wir jetzt auch mal darüber reden müssen, wenn der Hort über dieses Gesetz abgekoppelt wird, wenn die Integration nicht
mehr stattfindet. Ich bleibe bei dem, was ich vor fünf Jahren gesagt habe. Die Systematik des Gesetzes, das vor fünf Jahren zur Veränderung anstand, war immer noch richtig, weil es integrativ war. Gewehrt haben wir uns gegen die Elternbeteiligung und gegen die einseitige Umlage der Gelder auf dem Rücken der Eltern, so dass dann diejenigen, die mehr Geld haben, sich besser zurechtfinden. Dagegen haben wir uns gewehrt. Aber die Systematik war doch richtig. Ich habe es noch bewundert, dass es eine CDU-Regierung in Thüringen war, die diese Systematik verteidigt und eingehalten hat. Ein Jahr später hat Sachsen-Anhalt aus billigen Gründen die Systematik zerstört. Damals habe ich gesagt, es ist einfach falsch, da hat Herr Pietzsch mich noch kritisiert, weil ich von Trallala und Hopsasa geredet habe und habe westdeutsche Kindergärten gemeint, weil ich da weiß, von was ich rede. Da weiß ich, wo meine Kinder hingegangen sind und wie man zu Hause jemanden brauchte, der das Kind am Mittag abholt. Wenn man in der Familie niemanden hatte, musste man es privat finanzieren. Da fand ich, und das habe ich mir erlaubt, das Thüringer System richtig, vorbildlich und eine Bereicherung auch für die westdeutsche Diskussion. Auch westdeutsche Eltern hätten einen Anspruch darauf, über eine solche familienpolitische Initiative gesamtdeutsch zu reden.
Deswegen habe ich vor fünf Jahren die Systematik richtig gefunden, die Anhebung der Gelder falsch gefunden, aber damals ist hier vom hohen Haus und am Pult gesagt worden, die Systematik bleibt erhalten, die Eltern sollen nur etwas stärker belastet werden. Jetzt sind fünf Jahren später, jetzt wird die Systematik zerbrochen. Das, was ich eine integrative Herangehensweise nenne, wird zu einer Atomisierung. Am Beispiel Schule will ich es Ihnen sagen, weil da wirkt sich, Herr Althaus, Ihre von Ihnen persönlich zu verantwortende Politik ganz praktisch aus. Die Angestellten einer Schule, die im Landesdienst sind, soweit sie im Landesdienst sind, haben keinen BAT-Anspruch. Die Beamten an einer solchen Schule, so es Beamte gibt, bekommen Arbeitszeitverlängerung und bekommen das Weihnachtsgeld gestrichen. Der nachmittägliche Angebotsbereich, der bis jetzt über Träger, Vereine, Verbände, Schulvereine organisiert und angeboten worden ist, war immer ausgestattet mit ABM und SAM. Ich bin jetzt an mehreren Schulen gewesen, da wird eine hervorragende Arbeit mittlerweile nur noch von Ein-Euro-Jobbern gemacht. Das heißt, es atomisiert sich schon im Angebot der Menschen, die mit Schule, Bildung und Erziehung betroffen sind, und dann wundert man sich, dass der Frust in einem solchen Gebilde um sich geht, weil es darin schon vier, fünf, sechs verschiedene Rechtsgrundlagen für diejenigen gibt, die für das Gesamtensemble Bildung zu
ständig sind. Das funktioniert nicht mehr, das ist nicht mehr harmonisiert. Und dann glaubt man, dass man dann am nachmittäglichen Bildungs- und Aufbewahrungs- und Begleitungsangebot und Angebot für Hausaufgaben sagt, hochmotivierte Ein-Euro-Jobber, die sechs Monate beschäftigt sind, könnten das aufrechterhalten, was bei Ihrer Zertrümmerungspolitik jetzt alles aufs Spiel gesetzt wird.
Jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter. Jetzt haben wir das Büchergeld eingeführt, es ist gestern thematisiert worden. Kinder in der dritten und vierten Klasse lernen jetzt schon, was es heißt, Hartz-IVEmpfänger zu sein, weil zumindest ihre Eltern den Bescheid vorzeigen müssen. Ich habe mehrere Schulen erlebt, da haben mir das die Erzieher noch mal deutlich gemacht. Ich habe mit Kindern gesprochen, sie wissen jetzt, was Hartz IV ist. Sie wissen, was Armut als prägendes Element in einer Schule, in einer Schulklasse bedeutet. Das ist soziale Ausgrenzung und die zieht sich wie ein roter, nein, wie ein schwarzer Faden durch Ihre Familienpolitik. Beim Hort geht es jetzt konsequent weiter. Sie lösen den Hort ab, Sie lösen die Finanzierung aus dem Landesetat heraus, Sie geben es in eine Stiftung hinein und dann sagen Sie, die Eltern können ja entscheiden, wie sie mit dem Geld umgehen. Das heißt, die Eltern, die keine Kohle haben, stehen vor der Situation, dass sie dann die Kinder zu Hause lassen. Das nenne ich soziale Ausgrenzung.
Das hat nichts mehr mit integrativer Herangehensweise zu tun. Deswegen, meine Damen und Herren, Ihr Gesetz richtet sich gegen Kinder, gegen Frauen, gegen Eltern, gegen die Kommunen und gegen die freien Träger.
Die haben das alle gesagt, die haben das alle formuliert. Sie können jetzt rufen, was Sie wollen, die Vertreter der Eltern haben das klar formuliert. Die Vertreter der Kommunen haben es klar formuliert, die Landräte - Herr Matschie hat es gesagt - haben es klar formuliert, selbst die mit Ihrem Parteibuch haben es formuliert. Die müssen alle von Matschie und Ramelow aufgehetzt worden sein. Die müssen alle aufgehört haben nachzudenken oder denken zu können. Die können gar nicht mehr eigenständig denken. Die sehen zwar, was bei ihnen passiert, in ihrer kommunalen Einrichtung, aber Sie haben beschlossen in der mittleren Sitzreihe, die Erde ist eine Scheibe. Da sage ich Ihnen, eine solche Politik, bei der man die Realitäten nicht mehr merkt, wird irgendwann vor der Wand enden, nämlich vor der Wand der Erkenntnis, dass man offenkundig den
Schädel einrennen muss.
Am Ende der Scheibe, natürlich, dann kippt man runter. Nur das Problem ist, Christoph, es sind die Kinder, die unter dieser Politik leiden, es sind die Kinder, die in Geiselhaft von dieser CDU genommen werden und am Schluss einer Politik preisgegeben werden, bei der dann Kindereinrichtungen nicht mehr finanzierbar gestaltet sind. Deswegen, meine Damen und Herren, Sie schlagen Ausgrenzung einkommensschwacher Familien vor. Das ist die praktische Wirkung. Sie sorgen dafür, dass eine Förderung nicht mehr stattfindet. Und wenn dann gesagt wird, in den Familien ist es so, wie Herr Zeh beschrieben hat; ja, in einer gut funktionierenden Familie ist es so und ich bin froh, dass meine Kinder und andere Kinder, die ich erlebe, genauso ihren Lebensweg gehen konnten.
Aber glauben Sie denn, der Rest der Erde, ist so, wie Sie es vorschlagen? Glauben Sie denn, das könnte in Thüringen einfach per Beschluss Ihrer Landesregierung erfolgen, dass familienpolitische Realitäten so sind? Komischerweise, ich bin in Brennpunktschulen gewesen, da bekommt man ein anderes Gefühl. Da, sage ich, müssen wir unseren Lehrkräften, unseren Erziehern, denen, die Nachmittagsbetreuung machen, denen, die Angebote organisieren, beistehen. Das muss von früh an beginnen, vom zweiten Lebensjahr an müssen wir den Weg stärken, nicht anstelle der Eltern, aber in Ergänzung der Eltern. Wir sollten darauf achten, dass die nicht auf dem Weg liegen bleiben, die eben keine starken Eltern haben, bei denen dann vielleicht das Zigarettenrauchen wichtiger ist und das Geld, das ihnen gegeben wird, für andere Maßnahmen gegeben wird und nicht für die, die Sie hier vorgeschlagen haben. Bei einem Recht und einer Pflicht der Eltern, dann müssten wir nämlich tatsächlich den Eltern Vorschriften machen, wie sie mit dem Geld umgehen. Uns ist es lieber, dass das Geld in gut funktionierende Einrichtungen gesteckt wird, und zwar direkt dorthin, damit es unabgängig von der Herkunftsfamilie, der Herkunftssozialisation möglich ist, eigenständig als Kind sich darin zu bewegen. Ich habe Kinder erlebt, die sind froh, dass sie ein Nachmittagsangebot haben, die sind froh, dass sie auch einen Teller Suppe auf den Tisch bekommen. Wissen Sie, jetzt werden Sie sagen, apokalyptische Reiter, die jetzt wieder der Ramelow hier beschreibt. Ich habe mit Organisationen geredet, die das Schulessen ausgeben. Die beschreiben, dass es anwächst in Thüringen, dass immer mehr Kinder kein Geld ha
ben und kein Geld bekommen, um am Schulessen teilzunehmen. Die Frauen, die das Essen ausgeben, wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen und stellen dann den Teller Suppe hin. Ich war jetzt in einer Einrichtung in Jena, da wird jeden Nachmittag ein Teller Suppe gemeinsam mit den Kindern gekocht, und zwar nicht mehr wie in den vergangenen Jahren zum Vergnügen. Mittlerweile ist es die Hauptnahrung. Ich glaube, diese Realitäten einfach wegzulassen und zu sagen, stimmt alles gar nicht, alles von der Opposition ausgedacht, das ist das, wo ich sage, Sie leiden an einem massiven Realitätsverlust.
Daran hat in diesem Territorium zumindest eine andere Partei, die mal Staatsmachtpartei war, auch gelitten, an massivem Realitätsverlust. Frauen sollen zu Hause bleiben, ob sie das wollen oder nicht. Die Frauen, bei denen in der Familie kein Einkommen da ist, werden genötigt sein, dann das Geld nicht zu investieren für das Kind, um es in den Hort oder die Kindertagesstätte zu geben. Frauen müssen sich entscheiden bei den regulären Entlohnungen, die wir in Thüringen haben. Auch da muss man mal die Realität berücksichtigen: 2,90 € Stundenlohn Bäckereifachverkäuferin in Thüringen, 3,30 € Textilarbeiterin tarifvertraglich als Stundenlohn in Thüringen. Das sind die Realitäten. Jetzt kommen Sie und sagen, eine Tagesmutter soll gleichrangig finanziert werden. Das finde ich Klasse. Aber tatsächlich steht da drin, 2,71 € Stundenlohn. Das ist das, was Sie vorschlagen. Das heißt, Billiglohn wird geschaffen, um damit im Erziehungsbereich Frauen gegen Frauen auf dem Rücken von Kindern auszuspielen. Da sagen wir: Das lehnen wir ab.
Auch das Thema Opferschutz - Sie haben sich hier hingestellt und haben gesagt, der Opferschutz ist geregelt. Ja, er ist unter Haushaltsvorbehalt gestellt worden in Ihrem Gesetz. Deswegen lehnen wir ihn ab. Unterstützungsstrukturen für Frauen stehen auf der Streichliste, siehe Finanzierung Landesfrauenrat. Diesen Weg gehen sie konsequent weiter. Es ist gegen Eltern gerichtet. Die größere zeitliche Belastung der Eltern, wenn Kitas schließen, ist von Ihnen einkalkuliert. Es ist gegen die Kommunen gerichtet, die Landesmittel, die reduziert werden, sollen durch die Kommunen getragen werden. Die Realität ist aber, die Kommunen sind am Ende ihrer finanziellen Möglichkeiten. Es wird keine Nachfinanzierung durch die Kommunen geben. Das wird dazu führen, dass die Elternbeiträge zwangsläufig erhöht werden. Das wird dazu führen, dass neben den Kindern, bei denen sich die Eltern oder die Frauen entscheiden, zu Hause zu bleiben - die Kinder also fehlen - auch noch die Kinder gehen werden, bei de
nen man sich dann den erhöhten Elternbeitrag auch nicht mehr erlauben kann. Das heißt, wie Christoph Matschie es zu Recht gesagt hat, ein Sterben der Kindereinrichtungen ist von Ihnen vorproduziert und gewollt. Sie nehmen es billigend in Kauf, weil Sie sagen, es ist das modernste und innovativste Gesetz. Es ist das Gesetz, dass wie David Copperfield eine Illusion zieht, und in Wirklichkeit ist es ein Spargesetz. In Wirklichkeit ist es einfach ein Schließungsprogramm, bei dem man sich der Aufgaben entledigt. Ich sage ganz deutlich, ich habe mit einem CDU-Menschen vor einigen Monaten mal über diese Frage geredet, weil er mir erklären sollte, warum das die Landesregierung überhaupt macht. Ich konnte es gar nicht begreifen. Da ist mir gesagt worden, man sei es leid, in Westdeutschland immer auf das hohe Personaltableau der Landesverwaltung angesprochen zu werden. Das ist die Wahrheit. Man will eine Diskussion, die man in Westdeutschland nicht führt, dahin gehend auf dem Rücken der Kinder und Einrichtungen ändern, indem man die Landesbediensteten in den Horten jetzt zu Bediensteten der freien Träger macht. Darum geht es. Sie haben sich gar nicht bemüht, alternative Konzepte gemeinsam mit den Eltern, den Trägern, den Schulen zu erörtern, sondern Sie sagen, die Erde ist eine Scheibe. Sie vollziehen das so, wie Sie es sich vorgenommen haben, und dann gehen Sie wie ein Rambo durch die Geschichte durch. In Wirklichkeit war es Ihr Generalsekretär, der in einem Gespräch mit mir gesagt hat, diese hohen Personalkosten und Personalzahlen, die uns im Landesdienst immer vorgehalten werden, die müssen wir verändern.
Wenn das der ganze Grund ist, dann lassen Sie uns doch ein anderes Konzept stricken und lassen Sie uns mit Westdeutschland darüber reden. Da können Sie sich doch mal im Merkel-Team einsetzen und sagen, das, was für Thüringen gut war, wäre für ganz Deutschland gut,
nämlich ein flächendeckendes Angebot und eine Vertretung von sozialen Angeboten.
Meine Damen und Herren, ja, Herr Zeh, das CDUFamilienbild ist konservativ, es ist rückwärts gewandt, es ist die patriarchalische Kleinfamilie, bei dem die Frau zu Hause zu sein hat. Sie wollen keinen gleichberechtigten Zugang der Eltern zum Arbeitsmarkt. Da wiederholt sich nur das, was Bernhard Vogel hier schon einmal vom Pult verkündet hat: Die Erwerbsneigung der Frauen in Thüringen ist schuld an der hohen Arbeitslosigkeit. Ich wiederhole es nur, es war ein Zitat von Bernhard Vogel. Der
kennt sich mit der Frage exzellent aus und hat es verglichen mit Rheinland-Pfalz. Wenn man es mit Rheinland-Pfalz vergleicht, dann will man tatsächlich das traditionelle Familienbild Westdeutschlands, und das ist, dass die Frau zu Hause zu sein hat. Das Ergebnis von einem solchen Familienbild ist die niedrigste Geburtenrate Deutschlands in Europa.
Andere europäische Staaten, die den Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen mit einem geschlossenen integrativen Angebot, haben eine höhere Geburtenrate. Wenn die Geburtenrate darüber entscheidet, Maßstab der Sozialpolitik zu sein, dann sollten wir uns gemeinsam die Zertrümmerung der Kinder- und Familienpolitik in Deutschland anschauen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wollen die Frauen vom Arbeitsmarkt verdrängen. Sie wollen keine optimale Förderung von Kindern. Sie wollen nicht wahrhaben, dass es Kinder in prekären Familiensituationen gibt. Sie wollen nicht wahrhaben, dass diese Familiensituationen eine Begleitung in den Einrichtungen brauchen. Das hat nichts mit Einmischen der staatlichen Kraft zu tun, sondern das hat was mit Ehrlichkeit zu tun, dass man Kindern eine gleiche Chance gibt und dass den Kindern, bei denen sich zu Hause niemand kümmert, zumindest ein Ankerplatz vom zweiten Lebensjahr an geboten wird, bei dem sie eigenständig sich in diese Welt hineinbewegen.
Wir fordern deswegen Chancengleichheit, gebührenfreie Kitas für alle; wir fordern Förderung von allen Kindern, auch denen mit schlechteren Startchancen im Leben; wir fordern dafür gut ausgebildetes Personal. Wir fordern Qualitätsstandards, die vorhanden sind, dass sie erhalten bleiben, also nicht das Absenken der Qualitätsstandards, die Sie einkalkuliert haben. Wir fordern Bildungsstandards, die nicht erst in zwei Jahren festlegen, Sie drücken sich nämlich davor.
Meine Damen und Herren, ich will auf einen sehr problematischen Entwicklungsbereich hinweisen, dass die CDU-Landesregierung immer weiter bei den Finanzen als Dirty- und Trixy-Organisation arbeitet.
Ja, Frau Diezel, dass Sie jetzt das Ganze abschieben in eine Stiftung, die am Anfang noch unterfinanziert ist, die irgendwann mal das Geld haben soll, die aber aus dem Stiftungskapital die Erträgnisse aufbringen
soll, um all diese Leistungen, die Wohltaten, die Sie jetzt als modernes Gesetz verkündet haben, dann auszuschütten, darauf wird man erst mal eine zwei- oder dreijährige Ansparphase machen müssen. Dann müssen die Erträgnisse erst erarbeitet werden. Aber, meine Damen und Herren, dass man zunehmend Aufgaben des Landes immer in Stiftungen hineinpackt, bei der Ehrenamtsstiftung waren sie ja schon so kreativ, die Lotto-Mittel, die nehmen Sie, um nach wie vor über Land zu ziehen bei Wahlkämpfen, um dann Wohltaten zu vergeben.
Wir haben vorgeschlagen, dass die Lotto-Mittel dann in die Ehrenamtsstiftung reinkommen, aber Sie besitzen ja sogar noch die Frechheit, die leere Spielbank auf Ehrenamtsstiftung zu buchen, um zu sagen, die Erträgnisse aus der Spielbank werden genommen, also null Erträgnisse und Verluste im Haushalt, die werden genommen, um Stiftungen auszustaffieren. Das ist Dirty- und Trixy-Haushaltspolitik und bedeutet, dass der Landtag zunehmend überflüssig wird.
CDU-Landespolitik führt dazu, dass in der letzten Konsequenz zwei Dinge festzustellen sind: Der höchste Schuldenberg in Thüringen trägt die schwarze Handschrift,
von der CDU selber gemacht, Herr Althaus, von Ihnen verantwortet, jedes Jahr eine Milliarde oben drauf. Und dann sagen, die Opposition ist schuld - wie lächerlich, wie erbärmlich. Und dann sagen, weil der Berg zu hoch ist, weil man feststellt, der Schuldenberg ist eben höher als jeder Thüringer Berg mittlerweile, also man vollzieht das, was Herr Lochthofen mit der TA mal gewollt hat, dass man den einen Berg aufschüttet, um ein bisschen höher zu sein. Nein, der Schuldenberg in Thüringen ist mittlerweile der höchste. Jetzt sagen Sie, wir packen alles an Vermögen, was noch da ist, in eine Stiftung rein, und über die Stiftung kann dann gespart werden. Wissen Sie, in der letzten Konsequenz stiften Sie doch den ganzen Landeshaushalt und die Schulden samt dem Sondervermögen Fernwasser und alles, was dazugehört, und schaffen Sie, die Landesregierung, das Landesparlament ab, weil den Rest können Sie dann im Stiftungsbeirat regeln. Merken Sie gar nicht, dass Sie langsam wirklich dieses Landesparlament entwerten durch den Prozess, in dem immer mehr Aufgaben, die Rechts- und Regelleistungen des Staates sind, abgegeben werden an eine Stiftung, die dann nichts mehr mit dem Parlament zu tun hat? Das halte ich für den falschen Weg. Sie haben diesen wirklich zutiefst falschen Weg schon in der Thüringer Industriebeteiligung begonnen, indem Sie das
in Sondervermögen reingepackt haben, und haben die Leute machen lassen, was sie wollten. Das Geld wurde zum Fenster rausgeworfen, im Parlament wurde darüber nicht geredet und wir haben hinterher nur den Ärger gehabt. Jetzt gehen Sie den gleichen Weg mit dieser Stiftung. Beim Flughafen nachher werden wir es ja hören, da werden Sie dann sagen, das ist eine privatwirtschaftliche GmbH, zwar alles aus Landesmitteln finanziert, und das Parlament wird entwertet.
Meine Damen und Herren, merken Sie gar nicht, dass Sie das Parlament, den Parlamentarismus, entwerten? Deswegen: Sie brauchen nicht vor Kommunisten, weder vor alten noch vor neuen, zu warnen.
Ich warne vor Politikern, die den Parlamentarismus immer weiter aushöhlen und dann den Eltern sagen, ihr seid nur aufgehetzt worden. Deswegen werden wir die Eltern, die Träger, die Kommunen unterstützen. Wir werden den Weg mit ihnen gemeinsam gehen und wenn die Eltern der Meinung sind, man sollte eine Volksabstimmung über diese Familienpolitik machen, werden wir sie unterstützten. Wenn Sie nicht aufhören, diesen Irrweg zu gehen, dann werden wir den Weg der Eltern begleiten und unterstützen. Wir können nicht zulassen, dass man eine funktionierende Kindergartenlandschaft, Hortlandschaft, integrative Systeme so zertrümmert, wie Sie es machen. Das ist rückwärts gewandte Politik, Herr Althaus, und die verantworten Sie ganz allein. Deutschland und Thüringen kann sich eine solche Politik nicht erlauben und die Kinder am allerwenigsten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Kollege Gumprecht, über Bern sollten wir noch einmal reden. Wir haben ja heute schon einmal über Gebietreform geredet, vielleicht kann man Bern das Angebot machen, im Rahmen der Finanzierungsmöglichkeiten unseres Haushalts Thüringen beizutreten. Da können wir auch über den Bebauungsplan von Bern reden.
Ich habe jetzt in Ihrem Vortrag verstanden, es gibt demnächst für Gesundheit eine Prämie, oder wie verstehe ich das, vorher hießt das Kopfpauschale. Das hat mich immer daran erinnert, dass man auf diesen Plakaten "Wanted" stehen hatte und dann gab es eine Kopfgeldprämie, zumindest im Wilden Westen war das so. Und ein bisschen kommt mir das vor, was Sie gerade hier sehr überzeugend vorgetragen haben, Kollege Gumprecht, wie der Vergleich von Edelstahl und Diebstahl. Sie sagen, das sei ein solidarisches System, aber Sie verschweigen, dass mit dieser steuerfinanzierten Umlage, die Sie vorschlagen, im Kern zwei Effekte eintreten, erstens Fachleute haben berechnet, dass 40 Mrd. € Steuern zusätzlich finanziert werden müssen zu dem Finanzierungsmodell, das Sie kommunizieren.
Das wird also das Haushaltsloch enorm vergrößern, das heißt, das einzig Dynamische, was wir als Thüringer Landespolitik ja vorzutragen haben, nämlich den dynamischen Schuldenzuwachs, den werden Sie auf Bundesebene mit diesem Gesundheitsmodell beschleunigen und das Erfolgsmodell von Thüringen
zumindest beim Schuldenmachen auch auf den Bund übertragen, wenn es um Gesundheitsfinanzierung geht.
Und, ein Zweites, Kollege Gumprecht: Bei dem Leistungskatalog, der Ihrem Modell zugrunde liegt, haben wir wirklich nur noch einen Mindeststandard. Das heißt, das, was Sie eben als 90-Prozent-Versorgung so geschmäht haben, reduzieren Sie noch auf 40 Prozent. Das heißt, 50 Prozent Leistung nehmen Sie aus dem ganzen System heraus und das heißt wirklich, dass die Armen schauen müssen, wie sie klarkommen mit dem Mindestanspruch. Das ist das, was wir schon seit sieben Jahren mit Rotgrün dank Ihrer Hilfe erleben, indem im Bundesrat alles so runtergebuttert wird, dass zum Schluss überhaupt niemand mehr erkennt, wer in diesem Land irgendetwas regiert oder wer überhaupt welche Konzepte hat. Diese Gleichmacherei zwischen CDU/CSU, FDP einerseits und Rotgrün andererseits führt ja dazu, dass wir an einem Tag wie heute feststellen können, der Beitragssatz erhöht sich, die CDU hat es gefordert, Entschuldigung, Kollegin Taubert, die rotgrüne Bundesregierung hat es umgesetzt.
Deswegen - dies sage ich mal an der Stelle - spreche ich nur von der supergroßen Koalition der sozialen Kälte, die sich an der Stelle nur einig ist, dass man den Sozialabbau etwas langsamer oder etwas schneller betreibt. Ich kann den Alternativansatz wirklich nicht erkennen. Heute am 01.07.2005, Kollegin Taubert, erhöhen sich die Arbeitnehmerbeiträge im Gesundheitswesen. Rentner, Studenten und Arbeitnehmer, die Beschäftigten, müssen ab heute für die Arbeitgeber einen Solidarbeitrag zahlen. Heute greifen wir in die Taschen der Menschen in diesem Land, ohne dass sich im sozialen Sicherungssystem irgendetwas verbessert. Nein, sie greifen nur in die Taschen derjenigen, die schon nichts haben und das nenne ich eine grundasoziale Politik.
Ich bin erstaunt bei einem so wichtigen Antrag, den die SPD hier heute gestellt hat, die gesamte SPD hier drin begrüßen zu können. Sie hatten ja gesagt, sie wollten heute die CDU vorführen. So ist es übermittelt worden. Vorhin hat der Kollege Matschie davon geredet, dass es den Oscar für Scheinheiligkeit geben sollte und hat dann dazwischen gerufen: „Die PDS hat ja jetzt einen!“ Ich gebe das gern zurück. Wenn ein Antrag den Oscar der Scheinheiligkeit am 01.07.2005 verdient hat, dann Ihrer von der SPD.
Ich finde es wenig hilfreich, aus einem gemeinsamen Bürgerkreis, aus einem Kreis von Betroffenen, aus einem Kreis von Sozialpolitikern gemeinsam einen Bürgerantrag zu entwickeln, der vor vier Wochen in die Öffentlichkeit gegangen ist, mit dem wir alle zusammen Unterschriften sammeln wollten, damit die Bürgerversicherung in der Bevölkerung verankert wird, bei den Menschen, die alle wissen sollen, wenn es zur Bundeswahl geht, dass es grundsätzliche Alternativen gibt.
Und wenn man dann aus Gründen des Wahlkampfs, Kollege Höhn, und ich zitiere aus einem internen Papier der SPD - ich bin richtig wütend über diesen Antrag, der einen inhaltlich möglicherweise richtigen Akzent setzen soll,
aber aus einer solidarischen Gemeinschaft ausbricht, einen populistischen Antrag daraus zitiert - und Herr Hartung, Ihr Landesgeschäftsführer, schreibt es sogar noch: Der Grund für diesen Antrag sind zwei Dinge, erstens die Kandidatur von Frank Spieth, der die Vertrauensperson für den Bürgerantrag sei und deswegen nicht mehr die Überparteilichkeit hätte - das wird als Begründung in einem internen SPDPapier angegeben - und zweitens die bevorstehende Bundestagswahl, bei der Sie jetzt als SPD die CDU vorführen wollen. Wenn man auf diesem Wege für ein Linsengericht des Populismus einen gemeinsamen Bürgerantrag so in die Tonne tritt und dann sagt: “Wir sind es, die die Besseren sind“, dann finde ich das sehr fragwürdig. Wir haben gemeinschaftlich über Wochen und Monate in einem fast dreijährigen Projekt diesen Bürgerantrag miteinander beredet. Ich finde es deswegen schade und traurig, dass Sie es heute an diesem Tage wirklich für nötig finden, ein so wichtiges Thema hier kleinzureden und dass Ihr Landtagsantrag sogar noch in wesentlichen Elementen von der gemeinsamen Linie abgeht. Das heißt, die Frage aller Einnahmeseiten - die Sie, Frau Taubert, eben thematisiert haben - Miete, Pachten und andere Sachen sprechen Sie schon gar nicht mehr an. Im gemeinsamen Bürgerantrag geht es um alle Einnahmen in dieser Gesellschaft, die zur Beitragspflicht gemacht werden sollten. Es wäre wirklich mutig, am heutigen Tag, 15 Jahre nach der Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, bei der wir um das Thema „Sozialunion“ in den neuen Ländern nachhaltig betrogen worden sind, diese Sozialunion heute auf einem Weg mal zu thematisieren, bei dem wir wirklich westdeutsche Tabus mal ansprechen, die Frage der Trennung von ambulant und
stationär. Sie haben es eben in dem Antrag vorher angesprochen. Es wäre lohnenswert, gesamtdeutsch endlich zu sagen: Auch die ganzen Subsysteme im Gesundheitssystem, die sich alle die Taschen voll hauen, darüber muss man mal reden, was Krankenkassenvorstände verdienen,
was KV-Funktionäre bekommen, was an Abfindungen gezahlt wird, wo sich alle Leute noch zusätzlich die Taschen voll machen. Das wäre mal eine echte Alternative, eine einfache Bürgerversicherung, bei der wir auch das Thema von 300 oder 400 Krankenkassen dann wirklich mal anfassen, dann wirklich sagen, lasst uns einmal aus den neuen Ländern Akzente für ganz Deutschland setzen, dann wirklich zu sagen, es gibt mehr als den grünen Pfeil und das Sandmännchen in der Diskussion in Deutschland, was unser Land und diesen Staat und unser Zusammenleben in diesem Staat modernisieren würde, eine Bürgerversicherung, die keine Beitragsbemessungsgrenze hat. Eine Bürgerversicherung, die auf alle Einkommensarten, die ein Mensch in diesem Land hat, einen Beitrag erhebt, würde die Lohnnebenkosten senken. Da gebe ich Herrn Gumprecht Recht, die Lohnnebenkosten müssten in der Tat nachhaltig gesenkt werden, damit nicht immer mehr Menschen in Scheinsysteme abgedrängt werden. Das bedeutet aber auch, Herr Gumprecht, dass alle einzahlen müssen - alle, das heißt auch die, die hier sitzen, die Abgeordneten müssen raus aus ihren Sonderversorgungssystemen zum Beispiel bei der Rentenversicherung. Dann heißt das, dass wir alle einzahlen, dann heißt es aber auch, dass die Freiberufler einzahlen, dann heißt es, dass die Selbständigen einzahlen, dass die Millionäre genauso herangezogen werden wie die einfache Putzfrau. Da hilft mir Ihr System der Kopfpauschale überhaupt nicht weiter, oder wie Sie zynisch sagen, die Gesundheitsprämie.
Ich glaube, es wäre gut, wenn wir ernsthaft politisch über das Thema „Neuordnung unseres Solidarsystems“ in Deutschland streiten würden, Konzepte entwickeln würden, die nachhaltig die gesamte Gesellschaft umfassen, bei der aber im Mittelpunkt steht, dass die schwächeren und die stärkeren Schultern gleichermaßen tragen und sich niemand aus dem System verabschieden kann. Wenn wir diese Alternative allerdings auf den Weg bringen wollen, dann müssen wir den mühseligen Weg gehen, nicht mit Schaufensteranträgen zu glauben, dass wir der Bevölkerung sagen, was der bessere Weg ist, sondern wir müssen den Weg gehen, den wir verabredet haben: An die Bürger herantreten, die Bürger ein
laden zur Diskussion, das nicht nachvollziehbare System der CDU zu verstehen, dass man erkennt, dass etwas, was sich Gesundheitsprämie nennt, eben gar nicht mit der Prämierung der Gesundheit zu tun hat, sondern einfach nur bedeutet, ein staatlich finanziertes Gesundheitssystem zu bekommen, das auf Armutsniveau runtergeschraubt wird oder ein gigantisches Haushaltsloch hinterlässt und deswegen auch eine Mogelpackung ist.
Ich bin an dieser Stelle wirklich traurig, dass die SPD aus dem gemeinsamen Anliegen, die Bevölkerung zu überzeugen, dass die Bürgerversicherung der richtige Weg ist, ausgestiegen ist. Ich bin traurig, dass die SPD es für nötig befunden hat, quasi dem ganzen Trägerkreis die Grundsubstanz zu entziehen, indem sie sagt, sie seien die Besseren und die Klügeren und indem sie Teile rausnehmen, die nicht mehr dem Bürgerantrag entsprechen. Ich sage das in aller Deutlichkeit: An solch einem Tag wie heute sich hinzustellen und fachlich darüber zu reden und dann zu sagen, Kollege Höhn, wir sammeln aber die Unterschriften wieder.
Die Diskussion mit dem Trägerkreis habt ihr nicht geführt, ihr habt denen den Stuhl vor die Tür gesetzt und habt gesagt, ihr wollt die CDU vorführen. Das, was ich im Moment sehe, ist nicht Vorführen, sondern ist das Thema kleinreden, schlechtmachen und billig zu benutzen. Die CDU sitzt hier und freut sich, dass wir uns streiten.
Ich kann aber sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn das solidarische Sicherungssystem in Deutschland nicht modernisiert wird, werden wir alle mit Zitronen gehandelt haben - wir alle. Das ganze Arbeitssystem bricht uns zusammen. Die Kopfpauschale - da erinnere ich mal an Norbert Blüm - ist nicht der Weisheit letzter Schluss, auch wenn man auf Parteitagen dann jubelnde Mehrheitsbeschlüsse hat. Ich glaube, wir müssen das gesamte soziale Sicherungssystem so modernisieren, dass alle Einkommensarten in diesem Land beitragspflichtig werden, dass wir eine Modernisierung im System machen und dass endlich Tabus angesprochen werden. Ambulant, stationär, die ganzen Sondersysteme, die alle aufgebaut worden sind, alles das muss in die Diskussion rein und da muss man einfach mal sagen, eine Krankenkasse für alle, eine moderne Bürgerversicherung für alle wäre die richtige Antwort. Die Schweiz hat das für sich beantwortet, die Schweiz hat gesagt: Millionäre brauchen keine Rentenkasse, aber die Rentenkasse braucht die Millionäre. Das wäre eine mutige Antwort, da kann ich
nur einladen zur Diskussion und auf diesem Weg sollten wir die Bürger überzeugen, dass es Alternativen gibt, auch Alternativen von dem schwarzen Einerlei. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Minister, ich habe sehr aufmerksam Ihre Ausführungen gehört und frage mich in der Tat, reden wir von irgendeiner x-beliebigen Behörde, reden wir von der Kfz-Zulassungsstelle, von irgendeiner nachgeordneten Dienststelle oder reden wir von Organen der Rechtspflege in einem demokratischen Rechtsstaat, von der Unabhängigkeit der Justiz und von Gerichtsstandorten, wo es nicht nur um den Standort geht, also nicht um den Standortfaktor? Den können wir an jeder Behörde festmachen. Deswegen war es sehr interessant, den Bericht des Vertreters des Ausschusses hier zu hören. Ein bisschen habe ich das Gefühl, als wenn es eine Nebensächlichkeit wäre, ob man ein Landgericht und eine Staatsanwaltschaft schließt oder nicht, ob man Amtsgerichte schließt oder nicht. Oder reden wir über eine Reform der Justizstrukturen in Thüringen insgesamt? Dann würde ich mir allerdings ein paar Akzente wünschen, von Ihnen einmal zu hören, welche Dinge eigentlich vereinfacht, im Ablauf verbessert, in der Substanz verstärkt werden sollen, dass man einmal hört, wie Personalpläne in der gesamten Justiz aufeinander abgestimmt werden und wie man mit den Beteiligten in der Justiz redet und es so organisiert, dass Vorschläge einmal auf den Tisch kommen, die dann im Ausschuss diskutiert werden, über das, was dann wirklich eine Veränderung der Justiz in den Abläufen wäre. Ich habe in dem letzten halben, Dreivierteljahr erlebt, dass ausschließlich über einen Standort geredet wurde. Dann sagen Sie, das sind alles nur finstere Gefühle, die man unterstellt. Sie sagen, das sind alles Vorwegveröffentlichungen in der Presse gewesen. Also die Betroffenen und Beteiligten an dem Standort Mühlhausen, im Landgericht wie in der Staatsanwaltschaft, haben von der Absicht durch die Regierungserklärung gehört. Es
gab keine Diskussion vorher über die Maßstäbe, mit denen man die Verwaltung und die Justiz unter Wahrung der Unabhängigkeit des Faktors demokratischer Rechtsstaat - und da ist die Unabhängigkeit der Richter schon eine sehr zentrale. Die Beteiligten haben das alles von hier aus, vom Pult gehört und dann ist das eingetreten, was Herr Blechschmidt hier so vorgetragen hat. Man hat eine endlose Debatte über irgendetwas gehabt und man hatte das Gefühl, dass die Mühlhäuser sich nicht so aufregen sollten. Ich kann nur sagen, die Aufregung der Mühlhäuser war wichtig und notwendig, damit über die Frage der Justiz an sich geredet wird. Was ich vermisse, auch in Ihrem Vortrag, was soll eigentlich auf der Einsparensseite gespart werden, wenn es um Einsparen geht, oder was ist der Grund, warum überhaupt der Ministerpräsident hier vom Pult verkündet hat, ein Landgericht wird zugemacht? Ist ein Landgericht einfach überflüssig oder gibt es ein Gesamtkonzept für den Freistaat Thüringen, wie sämtliche Behörden aufeinander neu zugeschnitten und neu austariert werden sollen? Dann ist für mich die Frage, wenn in der Geschwindigkeit wie jetzt bei dem Standort Mühlhausen gearbeitet wird, was kommt dann mit den 81 Standorten, die wir insgesamt noch zu bereden haben, auf uns zu? Ist das eine Geschwindigkeit der Schnecke, mit der dann in den Ausschüssen Anträge ewig vor sich hergeschoben werden und man dann alle paar Monate hört wie beim Holzmichel: Ja, er lebt noch! Ich glaube, so kann man mit einem Justizstandort nicht umgehen, Herr Minister. Das würde ich gerne in aller Deutlichkeit sagen, dass das mein Unverständnis findet. Ich hätte mir ein klares Wort von Ihnen gewünscht, nicht nur, ob ein Mietvertrag unterschrieben wird, sondern ein klares Wort zu den Institutionen der Rechtspflege in diesem Land und was Sie beabsichtigen tatsächlich zu verändern, mit welcher Zielstellung und wie die Einzelnen sich in diesen Institutionen darauf einrichten können, auch Vorschläge zu debattieren. Ich habe nur gehört, es geht offenkundig um die äußere Hülle. Wenn es da ein Investorenmodell gibt, dann akzeptiert man die äußere Hülle. Ob dann der Standort noch so sein wird, ob die Staatsanwaltschaft noch so sein wird oder ob Teile der Staatsanwaltschaft nach innen dann doch aufgelöst werden, das haben Sie eben im Halbdunkel gelassen. Das geht meines Erachtens am Kern der Generaldebatte eigentlich vorbei, dass man nicht sagt, wie die Institutionen der Rechtspflege in Thüringen aufgestellt sein sollen. Deswegen kann ich das nicht akzeptieren, dass man einfach nur so tut, als wenn es um einen Mietvertrag ginge.
Für mich stellt sich natürlich auch noch eine zweite Frage: Heißt das, dass vielleicht auch die anderen 81 Behörden, Frau Finanzministerin, alle genauso erhalten werden, wenn in Zukunft die Landkreise die Mietkosten übernehmen, wenn überall für die einzelnen Institutionen - für die Forstämter und für die
Naturschutzbehörden und was nicht alles in dem 81er-Konzept drin ist -, wenn es dann überall jetzt entsprechende Sponsoringverträge nach dem Motto „Rent a Behörde“, „Miet ein Gericht“ oder Ähnliches gibt? Das erscheint mir die falsche Herangehensweise zu sein. Hier hat ein Ministerpräsident vor einigen Monaten eine Regierungserklärung zum Umbau der Thüringer Verwaltung lautstark, wortreich verkündet und danach hat er alles einer Diskussion preisgegeben, bei der ich das Gefühl hatte, es geht alles in einem heillosen Wirrwarr unter. Jeder macht irgendwas, aber keiner macht mit. Aufeinander abgestimmt ist es nicht, ein komplettes Konzept zur Neuordnung der Thüringer Verwaltung habe ich nicht gehört. Ich sage, so kann man mit der Justiz nicht umgehen, wie es hier gerade vorgetragen worden ist. Vielen Dank.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich gemeldet, weil ich es hoch erstaunlich finde, wie die Landesregierung mit dem Parlament umgeht - um den Konflikt ging es gerade.
Es ging um die Frage von Frau Thierbach, ob die Landesregierung hier vorn im Plenum sitzt und ob die Landesregierung an ihren Plätzen ist. Und dann wird geantwortet, sie sind Abgeordnete und sitzen alle in der Reihe. Darf ich an der Stelle mal eine kritische Anmerkung machen, dass es einen Tagesordnungspunkt vorher um das Recht des Parlaments ging, die Landesregierung zu kontrollieren. Da saßen Sie alle hier vorn auf der Regierungsbank und Ihre Mitte hat dafür gesorgt, dass wir die Kontrolle gegenüber der Landesregierung in diesem hohen Haus nicht verstärken. Jetzt gehen Sie auf Ihre Plätze und sorgen dafür, dass es kontrolllos gestaltet wird und dass Sie jetzt auf einmal sagen hier vorn auf den Plätzen, das wären die freien Plätze.
Meine Damen und Herren, entscheiden Sie sich mal, wie Sie mit dem Parlament und mit den Parlamentsrechten umgehen und entscheiden Sie sich auch mal, wie Sie mit der Würde des hohen Hauses umgehen. Man kann es nicht so rum und so rum biegen, wie man es braucht, nur weil Sie zwei Stimmen Mehheit hier im hohen Haus haben. Das nenne ich eine unerträgliche Arroganz der Macht.
Nein.
Herr Kollege Kretschmer, ich würde gern nachfragen, Sie haben ja jetzt so Diskriminierungs- und Antidiskriminierungsbeispiele vorgetragen; in der Wirtschaft haben wir doch das Institut der Ausschreibung, wenn öffentliche Aufträge vergeben werden. Da ist doch jetzt schon Rechtslage, dass das abgewiesene Unternehmen, das den Zuschlag nicht bekommen hat, auch das Institut der Konkurrentenklage vornehmen kann, also auch kritisch mit gerichtlichen Verfahren prüfen lassen kann, ob es Gründe gab, warum sein Gebot nicht zum Zuge kam. Das hält doch die Investition, die dann ausgelöst werden soll, auch über längere Zeit auf, bis ein Gericht oder die Vergabekammer geklärt hat, ob eine Diskriminierung eines Unternehmens vorgelegen hat. Also, wir reden doch von einer derzeitigen Rechtslage. Ich würde gern von Ihnen wissen, ob das nicht auch ein Gleiches dem ist, was Sie gerade so apokalyptisch aufgezeigt haben.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich gestehe, dass mir am heutigen Tag zum ersten Mal in diesem Landtag eiskalt geworden ist.
Sie können darüber lachen. Diese Rede, Herr Köckert, kann ich mir nur erklären, dass das der Versuch ist, dass Sie in der Mitte Ihrer Fraktion ideologisch wieder aufgenommen werden, um Abbitte zu leisten, dass Sie mit uns beim Haushalts- und Finanzausschuss oder bei den Haushaltsentscheidungen mit der Opposition gestimmt haben und dass das dann offenkundig reflexartig einen solchen Auswuchs an ideologischem Fehlgriff praktiziert wird.
Herr Ministerpräsident, mir machen Biedermänner genauso Angst wie Brandstifter.
Ich glaube, dass wir es gemeinsam nur schaffen, dieser braunen Gefahr und diesem braunen Ungeist entgegenzutreten, wenn wir definieren, dass wir diesen braunen Ungeist auch als Gefahr sehen, ernst nehmen, annehmen und Zeichen setzen. Ich habe den Antrag der SPD als ein Diskussionsangebot für ein spezielles Zeichen gesehen. Ich finde in dem Antrag diese ganzen Formulierungen, die Herr Köckert im Namen der CDU-Fraktion vortragen hat, nicht einmal wieder. An einer einzigen Stelle steht in der Begründung am Schluss das Wort „Kampf gegen rechts“. An allen anderen Stellen steht „Kampf gegen Rechtsextremismus“. Wir können wirklich in Ruhe im Ausschuss über die Frage rechts oder Rechtsextremismus noch einmal reden, wenn damit tatsächlich gemeint ist, die Sinne zu schärfen. Aber dann gleichzeitig reinzubauen, links ist nicht gleich demokratisch, Herr Köckert, das ist der Tiefpunkt dessen, was ich in diesem Haus erlebt habe.
Entschuldigung, wenn Sie das so formulieren. Ja Herr Kretschmer, Sie haben gestern ja auch die Kommunisten noch ausdrücklich benannt, weil Sie ein bestimmtes Weltbild haben, und das ist hier gerade beschworen worden,
indem Sie nämlich die Mitte der Gesellschaft sind und alle anderen stören Sie. Aber die Braunen stören Sie im Zweifelsfall dann nicht,
solange sie ordentlich angezogen sind, solange sie niemanden stören, solange sie nur ihren Ungeist still und heimlich oder lauter oder deutlicher verbreiten. Sie negieren dabei das, was das eigentliche Problem bei dem braunen Ungeist ist,
dass die Angst umgeht an den Stellen, wo diese Vorturner anfangen, das Kommando leiser oder lauter zu übernehmen. Ich verstehe den Antrag als einen Versuch. Wir haben gesagt, darüber muss noch gründlicher diskutiert werden. Es ist ausdrücklich auch vom Kollegen Matschie gesagt worden, weitere, bessere und ergänzende Ideen sind herzlich eingeladen. Ich habe gestern den Versuch unternommen, deutlich zu machen, dass, wenn wir alle Zu
ständigen und alle aus der Gesellschaft, die wir bewegen wollen, zusammenbringen, dann wird das Konzept erst rund. Es ging gar nicht darum, den Staat in eine Situation zu bringen, wo er anstelle unseres Engagements tritt. Aber so neutral, wie Sie den Staat machen, da muss ich an dieser Stelle heute dem Herrn Gasser wirklich Abbitte leisten, dass ich ihm gestern gesagt habe, dass mir seine Ausführungen zu kalt waren. Jetzt ahne ich, warum der Geist in diesem Innenministerium so herrscht, wie er gerade vorgetragen worden ist.
Eines will ich Ihnen deutlich sagen, Herr Köckert,
Frau Berninger braucht von Ihnen nicht den Hinweis, was in der letzten Legislatur gewesen ist. Da war sie Jugendbildungsreferentin und hat die praktischen Auswirkungen der Gelder erlebt, die gestrichen worden sind für mobile Beratung, für antifaschistische Projekte, für Jugendprojekte,
wo man aktiv vor Ort gegen braunen Ungeist das Gesicht hingehalten hat. Sie hat die Auswirkungen Ihrer Politik, für die Sie ganz persönlich die Verantwortung getragen haben, gespürt. Eines sage ich Ihnen ganz persönlich, Ihnen spreche ich sogar ab, dass Sie von der NPD reden dürfen. Sie sind verantwortlich gewesen für die V-Leute, die dann im Gerichtsverfahren dazu geführt haben,
dass das Gerichtsverfahren gescheitert ist. Sie waren es persönlich, niemand anders. Es waren Ihre V-Leute. Sie haben dafür gesorgt, dass die Trennlinie zwischen staatlichem Einfluss und Nazigrößen nicht mehr erkennbar war, so dass unsere obersten Verfassungsrichter gesagt haben, sie wissen nicht mehr genau, sind es die Nazis, die hier marschieren oder sind es staatliche Anleiter, die mit staatlichem Geld finanziert werden. Diese Trennlinie, die haben Sie persönlich und politisch zu verantworten. Daran darf ich Sie erinnern. In den mündlichen Ausführungen der Richter des Bundesverfassungsgerichts ist auf den Freistaat Thüringen und auf das Landesamt für Verfassungsschutz ausdrücklich hingewiesen worden und deren Verantwortung. Deswegen, meine Damen und Herren, sage ich, Sie haben es geschafft, Herr Köckert, in diesem Jahr zumindest die Stimmung in diesem Haus wieder zu verschärfen, einen Ton in dieses Haus hineinzubringen,
bei dem Sie nicht mehr die
Gemeinsamkeit der Diskussionen einfordern. Sie haben das Trennende in den Vordergrund gestellt. Ich habe nichts Verbindliches, Verbindendes gehört. Ja, jetzt kommen Sie wieder alle hoch, jetzt höre ich Sie wieder, das sind die Töne, die ich die Jahre vorher, jawohl, Herr Krauße, hoch die Tassen, da können wir uns jetzt wieder gegenseitig hochspulen und dann haben uns die NPD-ler und die Nazis genau da, wo sie uns haben wollen. Deswegen, meine Damen und Herren, ich habe in mehreren Reden seit dem 27. Januar gesagt, und daran möchte ich Sie auch in der Mitte des Hauses erinnern, dass die Rede von Herrn Cramer hier an diesem Pult unser gemeinschaftlicher Ausgangspunkt zur Bewertung dieser Fragen sein sollte. Ich beziehe mich ausdrücklich auf das, was Herr Cramer gesagt hat, weil er auch allen anderen, also auch uns als PDS, etwas zu unserer Verantwortung ins Stammbuch geschrieben hat. Aber ich sage ausdrücklich, wenn jeder sein Stück dieses Päckchens nimmt und dann sagt, der Vorrat der Gemeinschaft, der Vorrat der Demokraten, den wir uns gewähren, um zu sagen, null Toleranz gegen braunen Ungeist, gegen Rassismus, gegen Ausgrenzung, gegen völkische Gesinnung, gegen Menschen, die den Arbeitsdienst gut finden, Herr Heym. Dazu haben Sie sich geäußert, Sie merken doch, wie konkret es einmal wird, wenn Ihnen so ein Biedermann ganz nah auf die Pelle rückt und irgendwo hochkommt. Den werfe ich niemandem vor, sondern ich sage, an der Stelle müssen wir sorgsam mit diesen Biedermännern umgehen, die sich dann Stück für Stück als Brandstifter outen oder die geoutet werden müssen. So verstehe ich den Antrag und nicht darin, dass wir den Ungeist selber praktizieren sollen.
An einer Stelle, Herr Köckert, da bin ich dann völlig fassungslos, dass Sie heute die gleichen Argumente benutzen, wie Dr. Hahnemann sie gestern benutzt hat. Das finde ich schon eine merkwürdige Mutation. Gestern hat er die gleichen Argumente benutzt und hat gesagt, wir haben einen Verdacht, wenn man nur zwei Orte per Gesetz von den Demonstrationen ausschließt, dann besteht die Gefahr, dass mit der Einschränkung der Demokratie die Demokratie Schaden nimmt. Wir haben nicht gesagt, wir wollen Nazis in Buchenwald und Dora haben. Wir haben gesagt, wir wollen sie nicht in Dora, nicht in Buchenwald, wir wollen sie aber auch nicht in Laura, nicht im Jonastal, wir wollen sie überhaupt nicht in Thüringen. An der Stelle müssen wir doch gemeinsam handeln, juristisch, staatlich, die Polizei, der Sport
verein, die Lehrer, aber auch wir als Abgeordnete.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich wiederhole das von gestern als Angebot: Es wäre gut, wenn wir es schaffen würden, alle Abgeordneten, ein Stück weit über unseren eigenen Schatten zu springen, gemeinsam mit der Landesregierung, wenn wir Zeichen setzen am 28. Mai gegen den nationalen Jugendtag auf dem Theaterplatz in Weimar. Wenn wir gemeinsam Zeichen setzen am 11. Juni, wenn hier Tag der offenen Tür des Landtags ist und gleichzeitig das so genannte Fest der Völker mit diesem braunen Ungeist sich in Jena breit macht, wenn am 25. Juni der geplante Naziaufmarsch in Erfurt stattfindet oder am 9. Juli das NPD-Konzert in Gera. Das wären Termine, wo ich mir wünschen würde, dass wir gemeinsam Zeichen setzen, indem wir vorher dann bitte schön auch in einer kleinen Kommission überlegen und verabreden, was können wir gemeinsam tun.
Wenn wir das, was wir am 10. Mai gemeinsam hier in der Feststunde ernst meinen, dann müssen wir am 11. Mai auch gemeinsam handeln in Thüringen, dass kein Millimeter Platz ist gegen braunen Ungeist. Das sagt 60 Jahre Buchenwald und an der Stelle möchte ich, dass wir den Staffelstab aufnehmen. Es ist kein Problem isoliert des Staates oder der Polizei, es ist kein Problem der Staatskanzlei isoliert, aber es ist ein Problem, wenn man wegschaut, wenn man zulässt, wenn man zuwartet. Dann darf ich Ihnen sagen, Herr Köckert, in den letzten drei Jahren ist etwas passiert, es ist Stück für Stück Immobilie für Immobilie in Thüringen gekauft worden. Ich habe Ihnen, da waren Sie noch der zuständige Minister, die „Frische Quelle“ in Mosbach damals vorgehalten, nicht Ihnen vorgehalten, sondern habe gesagt, Ihre Polizei hat über einen Anruf durch mich erfahren, dass die NPD dort aufmarschiert. Ihr Landesamt für Verfassungsschutz hat es gewusst und ein paar Monate später hat sich herausgestellt, Ihr Landesamt für Verfassungsschutz wurde mit seinem V-Mann zum stellvertretenden Landesvorsitzenden auf dem Parteitag gewählt. Deswegen war die Polizei in Eisenach nicht gewarnt vor dem Ungeist, der sich in der „Frischen Quelle“ seitdem breit macht. Seitdem geht Herr Mahler in Thüringen aus und ein. Ich finde, er hat sich durch solche Biedermänner eingeladen gefühlt. An der Stelle möchte ich, dass wir Zeichen setzen. Dann heißt es aber aufzuhören, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Sie haben es gerade gemacht, ich wollte mich zu so etwas hier nicht mehr hinreißen lassen.
Aber, das, was Sie machen, ist die Verantwortung von allem und jedem von sich weg halten und zu sagen, Hauptsache links und rechts können wir be
schuldigen, das sind die anderen, dann sind wir die Ruhe in der Mitte der Gesellschaft. Nein, meine Damen und Herren. Die NPD, die DVU und wie sie alle heißen, und wenn sie heute verboten werden, heißen sie morgen Freie Kameradschaften und übermorgen heißen sie Deutsche Partei. Mit Verboten nähern wir uns dem Problem nicht. Wir nähern uns dem Problem nur, wenn Demokraten begreifen, was Demokratie heißt, und wehrhafte Demokratie ist nicht die Frage von Schlagstöcken. Wehrhafte Demokratie heißt, dass Demokraten aktiv sein müssen und sich zur Wehr setzen gegen diejenigen, die den Staat abschaffen, demontieren wollen oder ihn funktionalisieren wollen, um anders Denkende irgendwie wieder aus dem Verkehr zu ziehen. Insoweit, an der Stelle wäre ich bereit, mit Ihnen wirklich eine gründlichere Diskussion einzugehen, aber nicht in der Art wie Sie jetzt hier harte, scharfe, kalte Trennung zwischen den Parteien im Thüringer Landtag vorgenommen haben. Ich werbe deshalb, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, um ein klares Wort von Ihnen, und ich sage es noch einmal, 28. Mai; 11. Juni; 25. Juni; 9. Juli, das sind Termine in Thüringen, nicht sonst wo auf der Welt. Wir haben eine Verantwortung zu diesen Terminen unsere zivilgesellschaftliche Antwort zu geben. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich bin ja hoch zufrieden, dass Sie angekündigt haben, dass die CDU-Fraktion unsere weltpolitischen Grundansichten nicht übernehmen wird und wir Ihre nicht über
nehmen müssen.
Nach Ihrer Rede bin ich umso dankbarer, aber ich darf darauf hinweisen, dass Sie ein paar Dinge völlig durcheinander bringen und die Wirklichkeit negieren.
Schauen Sie sich den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesrepublik Deutschland an, dann finden Sie die These untersetzt mit statistisch nachvollziehbaren und messbaren Daten, Zahlen, Fakten, die nicht die PDS zusammengestellt hat, sondern z.B. die Finanzämter, dass der Reichtum weiter steigt, die Reichen in diesem Land immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Das haben wir uns nicht selbst ausgedacht. Das sagt u.a. Professor Lutz von der Fachhochschule Erfurt, der hat es jetzt auch bei der Versammlung der evangelischen Kirche, den Synodalen noch einmal anhand eines Vortrags erläutert. Der steht nicht im Verdacht, von der PDS gesponsert, bestochen oder irgendwie geistig verwirrt worden zu sein, sondern er hat öffentlich zugängliche Daten genommen und hat den Zustand, wenn Sie also von den Ängsten der Menschen reden, da muss ich sagen, der hat den Zustand analysiert. Und ich muss Ihnen sagen, nach Ihrem Vortrag, den Sie hier gehalten haben, dass Sie zwar die Ängste beschreiben und thematisieren, aber von den Ursachen eigentlich nur ablenken wollen, nämlich die Verelendung, die in diesem Land stattfindet.
In einem der reichsten Länder der Erde erleben wir, dass die unteren 40 Prozent in diesem Land die Verlierer mittlerweile dieser gesellschaftlichen Entwicklung sind. Und da, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann ich nur sagen, haben Sie auch dem Herrn Müntefering nicht zugehört. Ich meine, ich habe eine andere Wertung zu dem, was Herr Müntefering gesagt hat. Inhaltlich teile ich seine Auffassung. Ich habe nur immer den Verdacht, es hat etwas mit der nordrhein-westfälischen Wahl zu tun. Das hat nichts mit der Verantwortung der Steuerpolitik unserer Bundesregierung zu tun. Das mag ja alles so sein in der Bewertung, aber dass Sie ihn interpretieren, dass er die Wirtschaft beschimpft, da muss ich ihn einmal in Schutz nehmen. Das hat er wirklich nicht getan. Das interpretieren nur Ideologen hinein, die davon ablenken wollen, dass es in diesem Land Vermögende gibt, die nichts mehr dazu beitragen, dass der Sozialstaat finanziert wird, die sich alles auf die Seite schaffen wollen zu ihren Gunsten, aber nicht mehr dazu beitragen wollen, dass die Lasten des Staates auch gerechter verteilt werden.
Und die gefühlte Wahrnehmung der Gerechtigkeit, die wird in diesem Land seit vielen, vielen Jahren mit Füßen getreten und Sie negieren das einfach. Sie tun einfach so, als hätte das alles gar nichts mit der handelnden Politik, die wir seit Jahrzehnten in Deutschland haben, zu tun. Deswegen bin ich froh, dass die PDS das thematisiert. Und wenn Sie sagen, dass Sie es nicht thematisieren, dann ist es unsere Aufgabe, tatsächlich im Vorrat der parlamentarisch-demokratischen Kräfte - irgendjemand muss es ja sagen, also müssen wir es sagen und ich hoffe, dass Sie das in Zukunft uns nicht noch versuchen, ideologisch umgedreht wegzunehmen.
Zumindest will ich es Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie einfach so tun, als wenn die Frage Armut und Reichtum in diesem Land keine Rolle spielt, als wenn die Armuts-, Reichtums- und Vermögensverteilung überhaupt keine Rolle mehr spielt, als wenn die Ökonomie überhaupt keine Rolle mehr spielt, als wenn wir gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen, dass die ökonomischen Grundwerte in diesem Land funktionieren, ohne dass der Sozialstaat funktioniert, indem man nämlich auch Reichtum generieren kann ohne die ärmeren Schichten in dieser Gesellschaft noch an Teilhabe, noch an Emanzipation und Partizipation zu beteiligen. Das treten Sie gerade mal lax mit Füßen und denken, wenn man dann die Wirtschaft in Schutz nimmt, braucht man das Thema Kapitalismuskritik überhaupt nicht mehr erörtern, da sage ich, tut mir Leid, unsere Aufgabe besteht darin, an dieser Stelle den Finger in die Wunde zu legen. Ich danke Ihnen, dass Sie gesagt haben, dass Sie das aushalten. Ich habe Ihre Rede auch ausgehalten. Ich will nur anmerken, so fahrlässig kann man mit den Interessen der Bevölkerung in Deutschland nicht umgehen, weil, dann kann man die Hausaufgaben nicht machen.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, was ich vermisst habe, war tatsächlich eine konkrete Ausführung zu dem Antrag, der im Moment auf der Tagesordnung stand. Dazu haben Sie so gut wie gar nichts gesagt. Dann haben Sie mehrfach Ihren verehrten Kollegen Christian Köckert in Schutz genommen, eine Seitenbemerkung auf Herrn Matschie gemacht, wahrscheinlich als Theologen, da kann ich das an Herrn Köckert gleich weitergeben und kann sagen, ich finde es wenig hilfreich. Aber eines haben Sie überhaupt nicht ausgeführt, eine klare Antwort, was wir, die wir hier gemeinsam in dem Saal versammelt sind, tun. Ich hatte Sie gebeten, ein Signal zu setzen, ganz persönlich ein Signal zu setzen, was wir ge
meinsam tun am 28. Mai,
Nationaler Jugendtag „Rock gegen rechts“, Theaterplatz in Weimar; was wir tun in Jena am 11. Juni. Was tun Sie, was tun wir, was verabreden wir? Was machen wir ganz praktisch dazu als Landtag, als Landesregierung? Welches Zeichen wollen wir setzen?
Dazu haben Sie kein Wort gesagt. Ich denke, es wird Zeit, dass Sie ein Zeichen setzen, also nicht nur Sonntagsreden halten, sondern praktisches Handeln am 28. Mai, am 11. Juni, am 25. Juni in Erfurt und am 9. Juli in Gera.
Wenn Sie da Ihre Kolleginnen und Kollegen Ihrer Partei mal motivieren, uns auszuhalten, die SPD auszuhalten, aber gemeinsam Gesicht zeigen gegen die, die keine Gesichter mehr akzeptieren. Das wäre eine Haltung, die würde mir Respekt abnötigen, dann würde ich auch Ihre politische Auffassung ganz gelassen ertragen.
Aber zur Sache haben Sie jetzt überhaupt nicht geredet. Sie haben eine Wahlkampfrede gehalten und Sie haben leider den Ort des Geschehens verwechselt und Sie haben den Anlass der Tagesordnung nicht gesehen. Das finde ich eigentlich bedauerlich. Deswegen warte ich immer noch auf ein eindeutiges, klares Zeichen von Ihnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde gern mit ein paar prinzipiellen Bemerkungen beginnen. Die erste Bemerkung: Der demokratische Rechtsstaat funktioniert, indem alle Gliederungen des Rechtsstaats miteinander die inhaltlichen Ziele des Rechtsstaats verteidigen. Dazu gehören die aktiven Bürger genauso wie diejenigen, die das Gewaltmonopol des Staates ausüben, also die Polizei. Man kann das eine nicht von dem anderen loslösen, man muss es in Beziehung zueinander setzen, aber das sind keine inhaltsleeren Beziehungen, Herr Gasser. Die inhaltliche Beziehung muss sein, dass auch der Einsatz der Polizei in einer Wechselbeziehung zu den Bürgern stehen muss und nicht den Bürgern Angst machen darf.
Deswegen eine zweite sehr prinzipielle Bemerkung: Wir lassen uns auch als PDS nicht in die Ecke stellen, als wenn wir diejenigen wären, die die Polizei als die apokalyptischen Reiter von Thüringen darstellen. Wir stehen an der Seite der Polizistinnen und Polizisten, die ihre Haut hinhalten,
ja, da können Sie schreien, Ihre Landesregierung kürzt gerade das Weihnachtsgeld von den Polizeibeamten,
Ihre Landesregierung verlängert gerade die Arbeitszeit. Da können Sie noch so Laolawellen machen, das empfinde ich als heuchlerisch, dann zu sagen, die PDS ist diejenige, die nur gegen die Polizei spricht, während Sie an Ihren Taten zu messen sind, wie Sie mit den Beamtinnen und Beamten umgehen. Und ich finde einen Bericht, den ich in einer großen deutschen Tageszeitung gelesen habe, schon eine Verhöhnung, dass man sagt, daran sind nur die Ost-Polizisten schuld an dem Zustand, den wir haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine Sicht auf Zustände und Umstände in Thüringen, die ein Zerrbild ist von dem, was wirklich in diesem Land los ist. Die Polizistinnen und Polizisten - und davon kenne ich eine ganze Reihe - fühlen sich nicht wohl, wenn sie in der ersten Reihe stehen müssen und den Eindruck erwecken, als wenn sie Nazis verteidigen müssten. Ich weiß, dass genügend Polizistinnen und Polizisten an dieser Stelle gern deutlich machen würden, auf welcher Seite sie sind. Und ich weiß, dass es genügend Einsätze in Thüringen gegeben hat, Herr Gasser, an denen ich auch persönlich anwesend war, wo ich andere Einsatzleitungen erlebt habe. Ich sage mal ganz ausdrücklich: Wenn wir uns mit dem Samstag in Erfurt auseinander setzen, ist das keine Pauschalkritik an den Polizistinnen und Polizisten, sondern eine konkrete Kritik an den Abläufen, wie sie gewesen sind und wer sie zu verantworten hat, und auch an Übergriffen, die stattgefunden haben.
Deswegen habe ich überhaupt keine Last damit, sondern es ist mir wichtig zu sagen: Wer Steine schmeißt, der besorgt das Geschäft von den Nazis. Wer besoffen rumrandaliert ist keiner, der wirklich Widerstand leisten will. Bei denjenigen müssen wir gemeinsam als diejenigen, die dann die Bündnisse verabreden, auch dafür Sorge tragen, dass für solche kein Platz ist. Dass man auch mit eigenen Mitteln einwirkt, dazu brauchen wir aber nicht die Polizei, dazu brauchen wir ein gutes Bündnis, das miteinander funktioniert und auch nach vorn den Wunsch stellt, gegen braunen Ungeist zivilgesellschaftliches Engagement zu stellen. Deswegen, Herr Gasser, kann ich Ihnen sagen, in Leinefelde haben wir einen anderen Polizeieinsatz erlebt, einen Polizeieinsatz, der sehr wohl mit den Demonstran
ten, die den Nazis Paroli geboten haben, das Signal gegeben hat, dass die Polizei nicht gegen die Demonstranten steht, sondern dass die Polizei sehr wohl bereit ist, zivilgesellschaftliches Engagement mit ihren Mitteln und Möglichkeiten zu begleiten. Da gibt es einen Unterschied, ob Sie sagen, die Polizei sei einfach nur neutral, oder ob Sie sagen, die Polizei sei auch Garant dafür, dass Feinde der Demokratie auch gezeigt bekommen, dass sie ins Abseits gestellt werden. Und die Feinde der Demokratie waren nicht die Gegendemonstranten in Erfurt.
Das martialische Erscheinungsbild scheint mir eines der Probleme zu sein. Und was ich sehr bedauere, Herr Gasser, ich habe Sie in der letzten Legislatur als Justizminister sehr schätzen gelernt und ich achte Ihre rechtsstaatlichen Prinzipien, die wir immer wieder in Gesprächen und in Diskussionen hatten, aber das, was ich seit Samstag erlebe in Ihrer Rolle als Innenminister, das wirkt auf mich, als wenn Sie kalt Law and Order administrieren und in einem falsch verstandenen Korpsgeist sich vor eine Polizeieinsatzleitung stellen, die in einer Form Wasserwerfer hat auffahren lassen, wo allein durch das Auffahrenlassen schon ein gewisser Eindruck entsteht, bei dem Menschen rückwärts gehen. Ich habe auch mit Parteimitgliedern Ihrer Partei geredet, die gesagt haben, als sie die Wasserwerfer gesehen haben, sind sie gegangen. Das heißt, man schwächt geradezu zivilgesellschaftliches Engagement, wenn man meint, man müsste mit den großen Polizeiketten dort aufmarschieren, den Wasserwerfer einsetzen. Und es klingt ein bisschen höhnisch bei mir in den Ohren, wenn ich höre: Wenn das Wetter gut gewesen ist und man Badehosen angehabt hätte, wäre das mit dem Wasser ja gar nicht so schlimm gewesen. Entschuldigung, dass ich an der Stelle sage, das ist höhnisch, das kann ich nicht akzeptieren.
Meine Damen und Herren, wir haben bei den Polizeieinsätzen, das ist das Tagesordnungsthema, erlebt, dass offenkundig sehr problematische Reaktionen in den Ablaufketten eingetreten sind. Da muss man mal über die Frage der Situation in der Polizei reden. Also, ich neige nicht dazu, pauschal die Polizei als solche zu verurteilen und zu kritisieren, aber in der Polizei scheint es Stimmungslagen zu geben, die etwas nicht nur mit der Bezahlung zu tun haben,
sondern auch damit, dass man sie in falsche Tarifgruppen eingruppiert, dass man sie auf niedrigen Eingruppierungslevels hält, dass man ihnen Vorgesetzte vorgesetzt hat, die offenkundig nicht mit den Polizistinnen und Polizisten darüber gemeinsam reden, wie man sich engagiert in den Staats
dienst stellen, sondern wie man nur kalt seine Karriere machen kann. Und, ich glaube, da sind auch falsche Akzente in der Thüringer Polizei festzustellen. Es gab mal ein Gutachten über die Stimmungslage im LKA. Das ist nie öffentlich diskutiert worden. Das habe ich dann mal irgendwann in die Finger bekommen und das war sehr bedenklich, was da Psychologen festgestellt haben, wie der gefühlte Zustand im LKA in Thüringen ist. Ich glaube, nachdem das alles aufgeschrieben war, hat man kein zweites Gutachten mehr über den gefühlten Zustand in der Thüringer Polizei erstellt. Und ich glaube, unsere Polizistinnen und Polizisten hätten es verdient, wenn darüber endlich auch ernsthaft geredet werden würde, wenn man sie ernst nehmen würde und sie nicht einfach nur zwischen die Reihen stellen würde. Aber, meine Damen und Herren, ich rede noch ausdrücklich von Samstag. Und Samstag hat es auch Überreaktionen, da hat es nicht nur Steine und Eier gegeben, da hat es auch Überreaktionen von Polizistinnen und Polizisten gegeben, die sich offenkundig zwischen den Reihen nicht mehr orientieren konnten. An der Stelle frage ich, Herr Minister Gasser, in Ihrem Vortrag haben Sie eben gesagt, in Pößneck war die normative Kraft des Faktischen entscheidend, dass die Polizei nicht eingesetzt wurde. Jetzt kritisiere ich nicht den Ablauf, der dann von Ihnen beschrieben worden ist, sondern ich hinterfrage Ihre Aussage. Wenn in Pößneck angesichts von 1.000 Skinheads, Nazis und gewaltbereiten Besoffenen und Alkoholisierten eine unterzählige Polizei nicht eingesetzt wird, dann orientiert sich die Polizei oder die Polizeieinsatzplanung an der normativen Kraft des Faktischen. Wenn das die Grundlage ist, dann frage ich mich, warum man angesichts der vielen Gegendemonstranten in Erfurt nicht den Nazis gesagt hat: Geht auf den Willi-Brandt-Platz oder geht an eine andere Stelle nach Erfurt. Das frage ich Sie.
Verwaltungsgericht - in Pößneck hat überhaupt kein Verwaltungsgericht getagt, das heißt, wenn kein Gericht damit beschäftigt wird, dann sagen Sie, eine überzählige Anzahl von Demonstranten entscheidet darüber, wer bleiben darf und wer nicht. Oder muss man umgekehrt die Frage stellen und der Eindruck - ich rede von dem Eindruck - steht im Raum, wenn es Nazis sind und es sind viele, dann passiert weniger; wenn es Gegendemonstranten sind, dann stellt man viele Polizisten hin und setzt sie zwischen die Reihen. Diesen Eindruck, den haben Sie zu vertreten, und an der Stelle würde ich wirklich darum werben, dass wir die nächsten Aktionen - und da gebe ich dem Kollegen Fiedler Recht - dann gemeinsam vorbereiten, dass wir uns zusammensetzen und über Spielregeln reden, dass wir es aber schaffen viele Menschen mitzunehmen, um zu sagen, was ist eigentlich unser Hauptproblem, über das wir reden. Wir reden über das braune Netzwerk, das sich in Deutschland ausbreitet und seine Netzwerkknoten
hier in Thüringen ganz konkret an jeder Ecke knüpft. Das Haus in Pößneck ist hier mehrfach am Rednerpult angesprochen worden und da haben Behörden im Ablauf miteinander versagt. Da hat man vom Vorkaufsrecht nicht Gebrauch gemacht, weil der, der davon Gebrauch hätte machen können, nicht wusste, dass es Nazis sind, die das Haus kaufen. Und als die Schule versteigert worden ist, also Staatseigentum, haben die Beteiligten nicht gewusst, wer das kauft. Da sage ich, an den Stellen funktioniert das Zusammenwirken des Apparats, des staatlichen Apparats nicht. Da sagt der Bürgermeister dann in dem Dorf, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich natürlich das Geld für die Steigerung geboten. Jetzt haben die im nächsten Ort eine Schule, die möglicherweise ein Nazisammeltreff wird, und dann reden wir über den Polizeieinsatz vielleicht in ein paar Monaten dort, wenn sich die braune Brut dort breit macht. Deswegen, Kollege Fiedler, ich nehme Sie beim Wort: Lassen Sie uns gemeinschaftlich vorbereiten, wie wir zwei Dinge tun.
Erstens: Zivilgesellschaftliches Engagement zusammen bündeln - und da würde ich mir wünschen, Herr Ministerpräsident, wenn Sie bei der nächsten großen Aktion selber persönlich Flagge zeigen und damit deutlich machen, Sie, Ihre Minister und alle hier im hohen Haus stehen in der ersten Reihe, dann brauchen wir keine Polizei, dann sind wir an der Stelle und sagen, Nazis und braunes Gedankengut raus.
Zweitens: Lassen Sie uns endlich ein Landesprogramm gegen diesen braunen Ungeist verabreden, bei dem wir darüber reden, welche staatlichen Eingriffsmöglichkeiten wir haben und wie wir organisieren, dass sie besser funktionieren; wie organisieren wir, dass ein Bürgermeister eine Hotline hat, wo er anrufen kann, wo er nachfragen kann. Das ist nicht die Frage der Koordinierung mit der KOSTG, das ist die Frage eines Zusammenwirkens aller staatlichen Gliederungen vom Landesverwaltungsamt über Landesverfassungsschutz, von der Polizeibehörde bis zur Feuerwehr, vom Katastrophenschutz bis zum Landratsamt; alle zusammen müssen doch ein Interesse daran haben, dass wir braunem Ungeist in diesem Land keinen Platz geben. Dann müssen die Behörden auch aufeinander abgestimmte Maßnahmepläne entwickeln. Deswegen wäre es dringend notwendig, zum Beispiel die mobilen Beratungsteams in Thüringen zu stärken, zum Beispiel diese Netzwerkstellen, wo ziviler Widerstand, Zivilcourage gegen braunen Ungeist gesetzt wird, zu stärken. Wir brauchen aber auch ein offensives Dokumentationszentrum für das, was mittlerweile an Zeichen getragen wird. Das ist eben nicht mehr die Marke „Lonsdale“, die Nazis haben sich längst eine neue Marke selber gemacht. Dann tragen auf
einmal junge Leute solche T-Shirts und die Umgebung weiß nicht, was es bedeutet. Da müssen wir den Lehrer ermutigen, da müssen wir den Nachbarn ermutigen, da müssen wir den Sportverein ermutigen. Das wäre aber die Aufgabe von uns, gemeinsam als Landtag mit der Landesregierung ein solches Informations- und Dokumentationszentrum aufzubauen und mit Wirkung zu untersetzen. Da gibt es ein paar gute Ansätze in der Landeszentrale für politische Bildung. Das reicht aber nicht aus, wir brauchen einen Zugriff auf Datenmengen und Datensituationen, bei denen man erkennt, wie weit das braune Netzwerk in Thüringen schon gewachsen ist und wie es weiter wächst, und das, was wir brauchen, ist eine Investition in die Jugend- und Erwachsenenbildung, dass tatsächlich Menschen auch ermuntert werden, zivilgesellschaftliches Engagement auf den Weg zu bringen. Der 11. Juni 2005, Tag der offenen Tür, da werden wir alle zusammen hier im Landtag uns präsentieren und am gleichen Tag versuchen die Nazis in Jena einen europaweiten Aufmarsch zu organisieren. Jetzt weiß ich, dass die Stadträte angefangen haben, sehr gut eigene Akzente zu setzen. Lasst uns das unterstützen! Lasst uns zum Tag der offenen Tür ein Zeichen setzen, dass Nazis in Thüringen unerwünscht sind, egal ob sie aus Thüringen kommen oder ob sie aus ganz Europa kommen! Wir müssen ihnen zeigen, dass wir ihnen die kalte Schulter zeigen. Das ist keine Frage des Polizeieinsatzes, das ist eine Frage, die wir beantworten können und beantworten müssen. Deswegen, Herr Gasser, an einer Stelle bin ich mit Ihnen nicht einverstanden. Als Sie in der Auswertung vom Samstag zum ersten Mal davon geredet haben, der Einsatz der Wasserwerfer sei polizeitaktisch gerechtfertigt, da geht es bei mir los, dass ich sage, ich habe hier z.B. - und ich sage es ganz konkret - Einsatzsituationen mit der PI Süd erlebt, wo es ganz komplizierte Situationen gab. Und da gab es rechtzeitig und frühzeitig Alarmsignale in beide Richtungen. Man hat angefangen zu deeskalieren, also nicht nur die Polizei zu deeskalieren, sondern auch diejenigen, die auf eine andere Szene einwirken können, indem man noch in der Gesprächsfähigkeit ist. Das Wissen von solchen Einsätzen ist in der Polizei vorhanden. Wenn man aber zum Schluss nur nach Law and Order entscheidet - und ein bisschen habe ich bei dem Erfurter Polizeichef das Gefühl, dass er in seiner Unsicherheit dann etwas mehr zu der anderen Seite der Entscheidung neigt. Auch in Saalfeld kann ich mich gut erinnern, als es nach der Ermordung von Jana eine sehr kritische Situation in Saalfeld gab, da hat ein erfahrener Polizeiführer - und ich nenne ihn namentlich, Schnaubert, - einen Einsatz geleitet, von dem ich tief beeindruckt war, weil es auf allen Seiten funktioniert hat und wir die Deeskalation gemeinsam betrieben haben. An der Stelle hätte ich mir mehr Engagement gewünscht, dass wir als Landtagsabgeordnete gemeinsam ge
sagt hätten: Ja, auch Steineschmeißern und Betrunkenen zeigen wir die kalte Schulter. Aber dazu brauchen wir nicht die Polizei. Deswegen zu argumentieren, dass am Ende der Wasserwerfereinsatz ergänzt worden wäre oder ersetzt worden wäre durch den Polizeiknüppeleinsatz, da kann ich nur sagen, eine Woche nach Buchenwald, da ist uns allen ins Stammbuch geschrieben worden, dass der Staffelstab der Geschichte weitergegeben werden muss. Und, Herr Gasser, dieser Staffelstab ist kein Polizeiknüppel. Dieser Staffelstab lebt von uns, der lebt davon, ob wir den Staffelstab aufnehmen. Wir alle, die wir Verantwortung in diesem Land tragen und die wir dann das Gegennetzwerk gegen braunen Ungeist auch knüpfen und weiterentwickeln, so dass niemand in diesem Land allein gelassen wird, wenn eine solche Situation der national befreiten Zone um ihn langsam wächst. Wenn in einer Schule die Kinder anfangen zu schweigen, weil bestimmte Großmäuler das Kommando übernommen haben oder weil Lehrer mittlerweile in der Situation wegschauen, da müssen wir Mut machen. Und wenn in einem Feuerwehrverein oder in einem Sportverein - ist in Thüringen ja passiert in einem Sportverein - ein Lied gesungen worden ist: „Wir bauen eine Eisenbahn nach Auschwitz“, da muss man auch sagen, das ist keine Frage nur noch von Jugendlichen, das ist eine Frage von Dummheit, von Wegschauen, von Augenzumachen und da müssen wir sagen: Augen auf machen! Da müssen wir etwas gegensetzen. Deswegen, Herr Gasser, wer das Demonstrationsrecht kalt administriert, der ist verantwortlich dafür, dass rechtsstaatlich geforderte und notwendige Befriedung ersetzt wird durch obrigkeitsstaatliche Friedhofsruhe und vor der habe ich Angst, weil, dann gehen die Demokraten weg, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn keine Demokraten mehr da sind. Dann überlassen wir alles dem starken Staat und der starke Staat ist dann in der Tendenz auf dem Weg Richtung Obrigkeitsstaat und Polizeistaat. Ich glaube, an der Stelle jubeln dann die Nazis erst richtig, weil sie genau diesen Staat wollen. Ich glaube, deswegen ist es am schlimmsten, dass die Nazis noch am Samstag gehöhnt haben, als die Wasserwerfer angemacht worden sind. Das Gejohle der Nazis war das Schlimmste, was die Menschen hören konnten, die es noch mitgekriegt haben. Ich glaube, dafür sind die Polizeiwasserwerfer nicht geeignet, um sich noch kommentierend, johlend und applaudierend von den Nazis begleiten zu lassen. Deswegen meine Bitte an uns alle: Es ist nicht die Frage, wer der bessere Antifaschist ist. Die Zeit, in der wir heute stehen, heißt: Nach 60 Jahren Buchenwald. Herr Minister Goebel, Sie sollten wenigstens zuhören, Sie sind für die Bildung unserer Jugend zuständig, Sie sollten wenigstens hinhören, dass es ein Aufruf ist, dass wir zusammenhalten und uns nicht auseinander dividieren lassen.
Das, was ich heute morgen hier gehört habe, ich wollte es nicht sagen, aber als Dr. Hahnemann hier gestanden hat und gesagt hat, am 8. Mai will keiner, auch wir nicht, dass am Holocaust-Mahnmal in Berlin Nazis aufmarschieren, hat der Kollege Kretschmer aus der CDU dazwischengerufen: „und keine Kommunisten!“ Da muss ich Ihnen sagen: Wer nach dem 60. Jahrestag dieses Dr. Hahnemann antwortet, der für etwas anderes hier gesprochen hat, nämlich für zivilgesellschaftliches Engagement, und dann verkennt, dass die Kommunisten mit vergast worden sind, mit umgebracht worden sind - und damit sind wir nicht bei der DDR-Diskussion, wir sind bei dem Fakt, dass Kommunisten auch in den Lagern gewesen sind. Das Holocaust-Mahnmal hat etwas damit zu tun, dass aus Rassenwahn eine Gruppe, eine ethnische Gruppe, ein Volk vernichtet worden ist und Kommunisten diejenigen waren, die mit in der Vernichtung drin waren. Wenn so etwas hier leichtfertig reingerufen wird in Richtung PDS, dann meint man einfach nur, uns in die linke Ecke zu stellen, uns bei den Demokraten auszusortieren und zu sagen: Na gut, also wenn sie dann auf dem Platz stehen, dann gehen wir nicht weg. Aber zu beklagen, wenn wir als PDSler da sind und Sie als CDUler selber nicht anwesend sind, aber dann die Polizei marschieren lassen, das wäre die Niederlage von uns allen. Deswegen rede ich von „uns“. Ich glaube, gegen das, was sich an braunem Ungeist in Thüringen breit macht, hilft nur zivilgesellschaftliches Engagement und eine besser motivierte Polizei, eine geschulte Polizei, aber vor allem ein Staatsapparat, bei dem die einzelnen staatlichen Stellen miteinander harmonieren, sich informieren. Und dazu eine persönliche Anmerkung: Dass das Landesamt für Verfassungsschutz überfordert ist, rechtzeitig auf solche Entwicklungen aufmerksam zu machen, wundert zumindest mich nicht. Offenkundig sind die mit anderen Dingen beschäftigt, mit Unsinn, der da eingearbeitet und archiviert wird, statt wirklich Gemeinden vorzuwarnen, statt wirklich Bürgermeistern das Signal zu geben: Da passiert etwas, wo es besser ist, wir halten vorher zusammen. Deswegen unser Appell für ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, für ein engagiertes Eintreten der Menschen in diesem Land, für zivilgesellschaftliches Engagement Zeichen zu setzen. Ich würde mich freuen, wenn der Thüringer Landtag in Gänze in Vorbereitung auf die nächsten Demonstrationen und angekündigten Maßnahmen der Nazis - wir gemeinsam - ein Zeichen setzt. Das wäre die richtige Antwort nach dem Samstag.
Unabhängig von meiner persönlichen und politischen Bewertung zu den Vorgängen, von denen Sie gerade bei der AWO gesprochen haben, würde ich mir gern von Ihnen Ihr Verfassungsverständnis erläutern lassen, ob ein Träger, ein Verband, eine Institution jetzt mit dem verfassungsgebenden Gremium Parlament zu vergleichen ist. Wollten Sie damit das Parlament herabwürdigen oder wie verstehe ich jetzt Ihre Gleichsetzung?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zur fachlichen Debatte nichts beitragen, aber ich möchte prinzipiell noch einmal darauf hinweisen, dass aus guten Gründen in der Bundesrepublik Deutschland das Wort "Asylant" zum Unwort des Jahres erklärt wurde. Das ist wie "Intrigant", "Spekulant", "Asylant". Das war damals die Begründung der Kommission, warum man sich in der Bundesrepub
lik Gedanken gemacht hat, deutlich mit der Sprache eine Wortwahl zu treffen, die nicht Menschen diskriminiert und schon gar nicht Menschen, die Opfer staatlicher Entwicklungen sind, die Gründe haben, warum sie ihre Heimat verlassen, warum sie auf der Flucht sind - das alles auf der Basis der Erfahrungen der Deutschen aus der Zeit von 1933 bis 1945 und dem guten Grund, dass dies in das Grundgesetz aufgenommen worden ist und dass Asylrecht als ein wichtiges Gut in die Verfasstheit unserer Bundesrepublik Deutschland aufgenommen worden ist. Ich möchte anmerken, dass man nachdenken sollte, ob so ein Wort von diesem Pult hier einfach gedankenlos benutzt wird. Ich glaube, es sind Menschen, die auf der Flucht sind. Es sind Asylbewerber. Es gibt Probleme, die hier hinreichend erörtert worden sind, wo jede Fraktion ihre Auffassung gesagt hat, wo wir unsere sehr prinzipiellen Anmerkungen gemacht haben. Aber ich kann einfach nicht akzeptieren und hier widerspruchslos hinnehmen, dass ein Wort, welches in der Bundesrepublik auf den Index gesetzt worden ist, und zwar in dem Bewusstsein, dass man darüber nachdenkt, ob man dieses Wort benutzt, dass dieses Nachdenken auch Eingang nehmen sollte in das persönliche Nachdenken. Ich appelliere deshalb an alle Vertreterinnen und Vertreter dieses hohen Hauses, darüber nachzudenken, ob diskriminierende Worte gegen Menschen wirklich hier im Landtag und in einer Landtagssitzung benutzt werden sollten. Vielen Dank.
Mein sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin, unser Ministerpräsident hat sich ja am Samstag von einer sehr erfolgreichen Familienshow überzeugen können, die Erfurt in der Welt, in der Bundesrepublik wirklich sehr positiv dargestellt hat. Diese Familienshow hat einen Vorläufer, der genauso erfolgreich war. Das war "Einer wird gewinnen" mit Hans-Joachim Kulenkampff, in der alten Bundesrepublik eine der beliebtesten Shows, die eine gleich hohe Einschaltquote hatte wie das, was Sie am Samstag haben sehen können und wohl 15 Millionen Menschen auch in der Bundesrepublik gesehen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind hier im Thüringer Landtag und nicht bei "Einer wird gewinnen".
Ich liebe die qualifizierten Zwischenbemerkungen der mittleren Sitzreihe, die sich damit auszeichnet, den Ernst der Lage wirklich begriffen zu haben und of
fenkundig ihre Teilnahme hier im hohen Haus nur unter dem Aspekt des "Kessel Buntes" sehen. Herzlichen Dank für diese qualifizierten Bemerkungen.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, es geht nicht am heutigen und morgigen Tag darum, ob Sie Ihr Gesicht verlieren, wie man in einigen Zeitungen lesen kann. Es geht nicht darum, ob die Regierung stürzt oder nicht stürzt, ob Sie gewinnen oder nicht gewinnen. Deswegen wollte ich die Bemerkung machen, wir sind hier nicht bei "Einer wird gewinnen". Ich glaube, bei den Themen, die anstehen, können sehr viele Menschen in diesem Land verlieren. Ich glaube, wir müssen sehr ernsthaft als Abgeordnete, und zwar alle 88 Abgeordneten dieses hohen Hauses, sehr verantwortungsbewusst die nächsten zwei Tage miteinander verbringen und Entscheidungen treffen, bei denen die Gefahr, die zurzeit droht, abgewendet werden kann, nämlich, dass mit der Art und Weise, wie die Haushaltsberatung stattgefunden hat, wie die Haushaltsaufstellung bisher verlaufen ist und wie die Sparmaßnahmen, die darin verpackt sind, mit Wirkungen verbunden werden, deren Nachhaltigkeit im negativen Sektor vielen Menschen Schaden zufügen wird. Ich sage, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Stand der Haushaltsberatungen und die Herangehensweise, die wir bisher erlebt haben mit der vorläufigen Haushaltsführung von allen Gemeinden, Städten und Landkreisen hat durch die Haushaltsberatungen und die Haushaltsherangehensweise der Landesregierung alle frei gewählten Abgeordneten der Gemeindeparlamente in Geiselhaft genommen. Ich halte diese Vorgehensweise für nicht richtig und für nicht akzeptabel.
Ich wiederhole das, dass die Form des Sparens vom Grundsatz her - sparen an sich - von niemandem hier im hohen Haus in Frage gestellt wird. Auch von denen, mit denen ich Kontakt hatte auf der Gemeinde- oder auf der Landkreisebene, ist überall mittlerweile akzeptiert worden, dass Sparen notwendig ist, denn wir haben es mit einem Schuldenberg zu tun und einer Einnahmesituation, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, bei dem ich sage, dieser Schuldenberg, den wir schon haben, der uns die Gestaltungsspielräume nimmt, der uns die Luft zum Atmen nimmt, der ist auch von Ihnen verantwortet worden, von Ihnen und Ihren Vorgängern.
Dieser Schuldenberg hat eine Handschrift und heißt CDU.
Aus dieser Verantwortung kann man sich doch überhaupt nicht herausmogeln. Aber er ist da und niemand stellt ihn mehr in Frage oder sagt, man könnte da noch beliebig oben draufpacken. Es ist schon schlimm genug, was an Nettoneuverschuldung oben draufgepackt wird. Deswegen muss man endlich den Mut haben, die Richtung des Sparens miteinander so zu verabreden, dass alle die, die sparen sollen, auch auf dem Sparweg mitgenommen werden und nicht vorher von der Dampfwalze überrollt werden und dann als Kollateralschaden am Rande der Haushaltsberatung übrig bleiben.
Ich befürchte, dass die Kommunen und die freigewählten Abgeordneten der Gemeindeparlamente zum Schluss auf der Strecke bleiben, weil die werden vertreten müssen, was sie gar nicht vertreten können, da sie kein Geld mehr haben, um die so genannten freiwilligen Leistungen zu finanzieren, da sie die notwendigen Gelder nicht mehr haben, um die sozialen Institutionen, um die freien Träger finanziell auszugestalten. Wir wissen das alles schon seit Dezember, als die ersten Träger angefangen haben, ihre Mitarbeiter zu kündigen und damit Aufgaben abgewickelt werden, die wir dringend brauchen, die wir gerade zurzeit brauchen im Bereich der Jugendarbeit, im Bereich der Kulturarbeit. Und angesichts von Massenarbeitslosigkeit finde ich es sehr problematisch, wenn wir uns nicht mit Sparzielen so aufeinander zubewegen, dass alle Akteure mitgenommen werden. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sagen wir als PDS-Fraktion ganz deutlich: Wir werden nicht akzeptieren, dass man den Gemeinden, den Städten und den Landkreisen im kommunalen Finanzausgleich derart tief in die Tasche greift, um damit einen Sparhaushalt abzusichern,
bei dem man die ganzen Folgen dieses Einsparens und dieses Eingreifens wirklich nur auf die kommunalen Ebenen verlagert. Die Gemeinden und Städte haben signalisiert, dass sie bereit sind, an diesem Prozess mitzuwirken. Draußen vor der Tür stehen Vertreter der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, die auch signalisiert haben, dass sie bereit sind, den Weg zu gehen. Es ist für mich völlig unverständlich, dass wir uns im Kern hier im Landtag nicht erst auf die Sparziele, auf die Spargröße und den Weg, aber auch die Etappen konzentrieren. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich möchte Sie einfach auffordern, dringlich auffordern, doch mit uns die Diskussion hier im Landtag als Ganzes zu führen und sich nicht durch eine Zweistimmenmehrheit durch den Landtag durchtragen zu lassen mit den Schäden, die es hat, wenn - wie am 16.02.2005 - Eindrücke draußen erweckt werden, über die wir heu
te Morgen ja noch einmal reden mussten. Der Eindruck bleibt, dass ein einzelner freigewählter Abgeordneter zumindest am Ende einer bestimmten Beratung keine Zeit mehr hatte, um so weiter abzustimmen, wie er vorher abgestimmt hat. Die Frage der Gewissensnot derjenigen, die in Gemeindeparlamenten gleichzeitig gewählt sind, also nicht nur hier im hohen Haus sitzen, scheint ja sehr groß zu sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann nicht hier aus dem Landtag herausgehen, wenn man diesen Haushalt, so wie er jetzt vorgelegt ist, abgestimmt hat und dann draußen erzählen, wir waren es nicht, das waren die in Erfurt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine multiple Persönlichkeit von Abgeordneten gibt es nicht, die hier im Landtag diesen Weg, diesen verheerenden Weg erst einmal vorgeben und mitgehen, heimlich sagen, sie können das eigentlich mit ihrem Gewissen nicht aushalten, aber dann sagen, die Parteiraison erfordert es, so vorzugehen. Das erinnert mich doch tatsächlich an Dinge, meine Damen und Herren, die zu anderen Zeiten auch schon einmal praktiziert worden sind.
Ich bitte darum, dass wir inhaltlich über die Menge, das Volumen und den Weg des Sparens gemeinsam debattierten. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, dann heißt das aber auch, Vorschläge der Opposition zu durchdenken, aufzunehmen, zu prüfen, zu wichten und dann der Sache eine Richtung zu geben. Insoweit haben wir in der Tat, SPD und PDS zusammen, 31 Mio. drei Änderungsanträge heute mit auf den Tisch gelegt. Das ist unser Angebot an das hohe Haus, darüber nachzudenken, zugunsten der Kommunen, der Städte und Gemeinden eine nochmalige Umschichtung zu den 26 Mio. die die CDU-Fraktion schon mit eingearbeitet hat, weitere 31 Mio. Weg zu bringen.
Sie haben Gelegenheit, meine Damen und Herren, alle 88 Abgeordneten haben die Gelegenheit, frei nach ihrem Gewissen zu entscheiden, wie sie damit umgehen. Es gibt weitere 30 Mio. )menge zwischen SPD und PDS, die wir in der Lage sind, zugunsten der Kommunen aus dem bestehenden Haushalt und dem Haushaltsstrukturgesetz umzuschichten. Wir sind bereit dazu. Wir sind bereit, diese Anträge auf den Tisch zu legen. Wir sind bereit, darüber debattieren zu lassen. Wenn Sie bessere Deckungsvorschläge haben, Herr Ministerpräsident, wenn Sie gleichzeitig dafür sorgen, dass Steuergerechtigkeit in Thüringen mit ausreichendem Personal auch sichergestellt wird und nicht gesagt wird, na ja, das ist eine ungedeckte Größe, die die SPD und PDS da auf den Tisch gelegt hat, dann sage ich, dann sorgen Sie dafür, dass Steuereinnahmen in Thüringen auch von denen getätigt werden, die zeitnah geprüft
werden müssten. Das heißt, mehr Personal in der Steuerverwaltung wäre die richtige Antwort. Wenn in dem Haushaltsansatz von Ihnen im Jahr 2004 Immobilienverkäufe drin sind und wir sagen, dann verkaufen Sie sie doch, dann können Sie anschließend nicht sagen, wir hätten schlecht gerechnet. Es waren Ihre Vorgaben. Wir haben sie nur erneut aufgegriffen und sagen, wenn Sie letztes Jahr dieses Geld einnehmen wollten, dann nehmen Sie es bitte dieses Jahr ein oder sorgen Sie dafür, wie Immobilien in Thüringen schneller verwertet werden, die das Land nicht mehr braucht. Sorgen Sie dafür, dass nicht neue Immobilien gebaut werden, wenn vorhandene genutzt werden könnten, wenn gleichzeitig Investitionen im Katasterbereich oder anderen Sachen gemacht werden oder in der Gerichtsbarkeit, wo man das Gefühl hat, es folgt ganz anderen Überlegungen und nicht einer sparsamen Haushaltsführung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind als PDS-Fraktion und als Opposition bereit, sehr prinzipiell an einigen Eckpunkten, ohne dass wir unsere Rolle als Opposition aufgeben, aber sehr prinzipiell der Landesregierung Unterstützung mit angedeihen zu lassen, wenn wir einen ganz klaren Einstieg beim Verwaltungsumbau haben, wenn endlich gesagt wird, wir brauchen eine ernsthafte Diskussion über die Verwaltungsmodernisierung in Thüringen. Es wäre ein lohnenswertes Ziel, in der Bundesrepublik Deutschland als Freistaat Thüringen die mobilste, flexibelste, kleinste und überschaubarste, aber auch effizienteste Verwaltung aufzubauen. Das wäre ein lohnenswertes Ziel. Dazu müsste man dann aber die entsprechenden Verwaltungsdiskussionen jetzt als Modernisierungsdiskussion führen. Ich sage das deswegen, weil Sie zurzeit in Ihren Ministerien die einzelnen Strukturen verändern lassen. Da wird eben im Innenministerium über vier Polizeidirektionen und im Justizministerium über drei Landgerichte geredet. Da gibt es dann keine Abstimmung bezogen auf die Staatsanwaltschaften. Es gibt überhaupt keine Harmonisierung zwischen den einzelnen Institutionen, die das Land zu verantworten hat. Da, sagen wir, hätten wir gern eine gemeinsame Diskussion über einen gemeinsamen Weg, damit Verwaltungsräume in sich schlüssig sind. Das bedeutet, mit den Bediensteten des öffentlichen Dienstes da draußen gemeinsam zu reden. Die Gewerkschaft ver.di hat einen Sozialtarifvertrag angeboten, also einen Verwaltungsumbautarifvertrag. Das Ergebnis ist, dass Sie gleichzeitig beamtenrechtlich den Beamten zur 42-Stunden-Woche überhelfen wollen und als Dankeschön auch noch das Weihnachtsgeld kürzen wollen, so dass in den Amtsstuben in Thüringen weiterhin Dreiklassenrecht herrscht, statt jetzt den Mut zu haben, dass wir Arbeiter, Angestellte und Beamte in einer gemeinsamen Richtung entwickeln
und sagen, die Sparziele sind von allen Beteiligten gemeinsam zu akzeptieren.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir sind bereit, beim Verwaltungsumbau mitzuarbeiten, wir sind bereit, bei mehr plebiszitären Elementen für die Kommunen, bei mehr Mitgestaltungsrecht der Kommunen, wirklich auch den Bürgern dazu zu verhelfen, dass sie über Transparenzregelungen und Beteiligungsrechte die Möglichkeit haben, ihr Gemeinwesen vor Ort selber mitzugestalten. Wir sind bereit, bei Wasser und Abwasser über die Zweckverbände und über die Größe und über die Inhalte gemeinsam zu reden. Das wären alles Themen. Wir wären auch bereit, bei dem Thema Bildung über ein längeres gemeinsames Lernen und über eine Bildungsmodernisierung gemeinsam zu reden. Zu all diesen Punkten wären wir in den Eckpunkten bereit, auch Verantwortung zu übernehmen. Es käme dann nicht auf eine formale Zweistimmenmehrheit hier im Landtag an, weil man sich dann verlässlich bei der langfristigen Veränderung der Perspektive für das Land auf eine Mehrheit im gesamten Haus konzentrieren könnte, weil wir alle erkennen, so geht es nicht weiter, wie bisher gewurschtelt worden ist. Aber auch das, was Sie im Moment machen, ist nur herumwurschteln und den Eindruck erwecken, als ob es um Ihr Gesicht ginge oder um Ihre Autorität. Deswegen, meine Damen und Herren, geben Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident und sehr geehrter Herr Parteivorsitzender, hier im hohen Hause Abstimmungsfreiheit. Lassen Sie zu, dass wir uns gemeinsam darauf konzentrieren bei der Frage der kommunalen Finanzausstattung. Ich sage Ihnen, wir werden als PDS-Fraktion bei den Abstimmungen mit allen Abgeordneten anwesend sein. Wir sind bereit, unseren Anteil einzubringen in der Frage der Durchfinanzierung von Städten und Gemeinden und Landkreisen - deswegen unsere Anträge. Wenn aus dem hohen Haus andere Änderungsanträge kommen, weil man sagt, weil da PDS und SPD draufsteht, ist man nicht bereit, so etwas zu machen, dann sind wir auch bereit, anderen Anträgen zuzustimmen, die das gleiche Ziel haben, nämlich eine Verbesserung der Finanzausstattung des KFA für Gemeinden, Städte und Landkreise, auch da sind wir bereit, den Weg mitzugehen. Ich jedenfalls würde da parteipolitisch über meinen Schatten springen und sagen: Wir müssen die Sparziele mit den Akteuren Landkreistag, Gemeinde- und Städtebund gemeinsam qualifizieren und gemeinsam verabreden. Ich glaube, die 30 Mio. 17 ! 9%- , * nicht, weil sich alle örtlichen Vertreter anschließend für etwas vor den Menschen vor Ort rechtfertigen müssen, was sie gar nicht gemacht haben. Da sagen ich Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir werden alle 88 Abgeordneten nach der Entscheidung heute und morgen befragen, wie sie sich verhalten haben, wenn es darum geht, das Geld
für die Kommunen zu sichern. Die Kommunen
sind bereit, ihre Sparaufgaben ernst zu nehmen, aber sie müssten selber die Möglichkeit haben, ihre Sparziele gleichberechtigt zu definieren und nicht von uns per Keule übergeholfen zu bekommen. Das heißt, auf gleicher Augenhöhe mit den Kommunen jetzt die Sparziele zu definieren und dazu tragen die 88 Abgeordneten hier im hohen Haus die Verantwortung und wir werden es nicht darunter machen.
Es geht auch um das demokratische Bewusstsein der gewählten Abgeordneten in Stadt- und Kreisräten, sie dürfen nicht in der Geiselhaft bleiben. Bitte geben Sie Abstimmungsfreiheit. Wir sind bereit, einzelne Anträge innerhalb des Haushalts mitzutragen, wenn damit dem Ziel der Stärkung der Finanzen in den Kommunen Rechnung getragen wird. Wir werden natürlich als Opposition dem Haushalt in Gänze nicht zustimmen. Da wird auch die Beratung heute keine großen Erkenntnisse mehr bringen, weil wir die ganzen Eckpunkte, die Sie vorgeben, für nicht tragfähig halten, für nicht harmonisiert halten, für unausgewogen halten und für durchgewurschtelt halten. Aber die Anträge, die einzeln zu Gunsten der Kommunen auf den Weg gebracht werden, sind wir bereit mitzutun. Deswegen, wenn Sie unseren Anträgen nicht folgen wollen, dann schaffen Sie Anträge her, die wir mit abstimmen können. Aber 100 Mio. ist die Größenordnung, die die Gemeinden, Städte und Landkreise brauchen, damit sie in diesem Jahr die Sparziele definieren und im nächsten und übernächsten Jahr auch radikal in eine Umschichtung ihrer Sparüberlegungen eintreten können. Nehmen Sie die Städte und Gemeinden beim Wort, nehmen Sie uns beim Wort. Wir sind bereit, gemeinsam mit Ihnen Verantwortung zu tragen, denn es geht nicht um "Einer wird gewinnen". Ich sage, viele können verlieren oder wir alle können mit der gemeinsam getragenen Verantwortung etwas für unser Gemeinwesen tun. Lassen Sie uns heute damit beginnen.
Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Althaus, meine sehr geehrten Damen und Herren, am gestrigen Tag
hat an diesem Pult Ernst Cramer eine Rede gehalten, der ich nur aus tiefstem Herzen zustimmen kann und nach Gesprächen in der Fraktion der PDS habe ich festgestellt, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen es ähnlich so sehen. Die Ausgangspositionierung des gestrigen Tages in der Rede von Herrn Cramer war, das Besondere an der deutschen Verantwortung herauszustellen, nichts zu verschweigen. Eine Geste der Versöhnung durchzog die gesamte Rede, indem er immer wieder deutlich gemacht hat, dass Opfer nicht benutzt werden dürfen, um sie politisch zu instrumentalisieren und dass wir zusammenstehen müssen, dass nicht andere - nämlich Demokratiefeinde - Opfer benutzen, um eine Umdeutung deutscher Verantwortung vorzunehmen.
Insoweit ist der Ausgangspunkt des heutigen Tages eben auch der Ausgangspunkt parlamentarischer Kultur des Umgangs miteinander und da ist die Entwicklung der letzten Tage im Nachbarbundesland alarmierend. Da sind die NPD-Vertreter eingezogen und haben mittlerweile eine wissenschaftliche Bastion aufgebaut, indem sie alles an geistigem Potenzial in ihrer Landtagsfraktion zusammengezogen haben, was früher in diesen Kreisen nicht einmal miteinander geredet hat. Der Schulterschluss, von dem wir reden und den wir uns betrachten müssen und den Sie, Herr Ministerpräsident, auch angesprochen haben, dieser Schulterschluss wurde in Thüringen vollzogen. Er wurde in Leinefelde vollzogen. Dort hat man das Wort geprägt von der nationalen Front von rechts, von der Volksfront von rechts, die man neu formiert. Dort wird deutlich, dass ganz andere Formen in einen deutschen Landtag eingezogen sind. Es ist eben nicht mehr die DVU von Sachsen-Anhalt, die halbgewalkt und mehr im Alkohol oder mehr mit Geld beschäftigt war, sich gegenseitig die Füße wegzuhauen und dann die Wählerinnen und Wähler gesagt haben, damit wollen wir nichts mehr zu tun haben und haben sie abgewählt. Das ist eine völlig andere Kategorie, mit der wir uns auseinander zu setzen haben. Deswegen stimme ich Ernst Cramer ausdrücklich zu. Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken und dafür sorgen, dass wir die Unterschiedlichkeit unserer politischen Konzepte, von denen wir jeweils ausgehen und für die der Wähler uns ein Mandat gegeben hat, kulturvoll miteinander ausstreiten und man sich auch gegenseitig sagen muss, dass man andere Vorstellungen hat. Man sollte sich nicht wechselseitig unterstellen, dass man eigentlich gar kein Demokrat sei.
Wenn wir in diesem Sinne dem Schulterschluss von rechts einen Schulterschluss der Demokraten entgegenstellen, wäre das ein guter Auftakt zur Entwicklung vom gestrigen Tage. Deswegen beziehe ich mich ausdrücklich auf das, was Ernst Cramer gesagt
hat, auch mit seinen kritischen Bemerkungen auf die Entwicklung nach 1945, in dem, was dann die Deutsche Demokratische Republik wurde. Da hat er sehr deutliche Worte gewählt. Auch die müssen wir akzeptieren und respektieren und auf uns wirken lassen. Auch wir als PDS müssen sie auf uns wirken lassen.
Ja, da ist diese Selbstzufriedenheit mit dem Zuruf. Gerade wir. Wir sollten genau von dieser Geste aufpassen, dass wir uns dort nicht gegenseitig die Füße wieder weghauen, indem wir sagen: Die einen sind die besseren Demokraten als die anderen.
Entweder sind wir gemeinsam Demokraten und trennen uns ganz klar von denen ab, die Nationalsozialismus umdeuten wollen, die die Leichenberge von Auschwitz und Buchenwald wegleugnen wollen, indem sie andere Mengen von Toten dagegenstellen und dann versuchen zu relativieren. Genau da hat Ernst Cramer gestern die richtigen Worte gefunden und, ich denke, die sollten wir zum Ausgangspunkt unseres gemeinsamen Verantwortungskanons machen. Ich akzeptiere diese Worte. Ich sage, ich war aber dafür, dass wir sie wechselseitig akzeptieren sollten. Wenn ich mir aktuell in den Internetseiten die Aufrufe zum 13. Februar in Dresden anschaue und zu dem, was die NPD versucht, im Dresdner Landtag jetzt zu veranstalten, indem man den angloamerikanischen - so der Terminus technicus, mit dem da jetzt argumentiert wird - Bombenterror mit dem Begriff „Holocaust“ belegt, dann sage ich, das ist genau der Versuch - nein, das ist die Provokation, um zu sagen, diese Opfer werden gegen die anderen Opfer ausgespielt mit dem einzigen Ziel, die industrielle Vernichtung von Menschen kleinzureden. Das ist das Einzigartige an dem, was an deutscher Verantwortung und an deutscher Schuld von uns gemeinsam getragen werden muss. Ich glaube, ausgehend davon sollten wir doch sehr sorgsam auch mit dem umgehen, was nach 1933 bis 1945 und im Verhältnis dazu von 1945 und später stattgefunden hat.
Insoweit, Herr Ministerpräsident, teile ich sicher nicht Ihre Auffassung, wenn Sie sagen, die Diktaturerfahrung der DDR muss man auf die Art und Weise interpretieren, wie Sie es getan haben. Ich teile das nicht. Ich teile die Bewertung des Monitors, aber ich habe ein wenig das Gefühl, dass Sie es sich so herauslegen, dass zum Schluss der Eindruck entsteht, als die Menschen alle die Freiheit aufgeben wollten, um eine Gleichheit zu erreichen. Da kann ich nur sagen: Ich lese die Studie anders und die
Bewertungskriterien, die dort angewendet worden sind. Wenn der Begriff "Gleichheit" benutzt wird, dann wird klar gesagt, gleiche Chancen. Das ist was anderes als Gleichmacherei.
Nicht alle sollen gleich sein, welch ein Unsinn. Aber gleiche Chancen wäre, auch den Schwächeren in der Gesellschaft einen Zugang zu Emanzipation und Partizipation in der Gesellschaft zu ermöglichen. Das Thema "Behindertengleichstellungsgesetz" hatten wir gestern. Da haben wir gemeinsam die Verantwortung, dass wir diese gleichen Chancen den Menschen in der Gesellschaft geben, die nicht behindert sind, sondern die gehindert sind, an der Gesellschaft gleichberechtigt teilzunehmen. Das ist für mich Gleichheit im Sinne von gleichen Chancen und nicht Gleichmacherei.
Freiheit, Herr Ministerpräsident, ist beantwortet worden mit "frei sein von sozialer Not" und ist beantwortet worden mit "selbst verantwortlich sein". Aber diese Freiheitsdefinition des Monitors hat noch einen anderen Wert, auf den wir alle gemeinsam hier in dem Saal stolz sein sollten, nämlich, wenn über 90 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer sagen, mehr direkte Demokratie ist ein wichtiges Element, das für uns nicht hoch genug einzuschätzen ist.
Dieser Wert war noch vor einigen Jahren völlig anders und dieser Wert hat sich in Thüringen positiv herausentwickelt und ich sage, dafür tragen wir gemeinsam die Verantwortung. Die Kampagne "Mehr direkte Demokratie" und den Umgang, den zum Schluss, bei allem Streit, den wir miteinander im hohen Haus hatten, aber am Schluss haben wir gemeinsam die Verfassung geändert und die Bevölkerung nimmt es offenkundig als positives Signal auf. Über 90 Prozent sagen, mehr direktdemokratische Elemente sind das, was wir gut finden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da kann ich nur sagen, darauf sollten wir stolz sein, dass ein Markenzeichen von Thüringen nach 1990 eine neue Erfahrung aus der DDR kommend und trotzdem in Abgrenzung zu dem, was an Erfahrungen in Westdeutschland da ist, ist hier etwas völlig Neues gewachsen, an dem wir alle teilgehabt haben. Dieser Wachstumsprozess nach 1990, auf den wir gemeinsam auch hingearbeitet haben, sollte uns stolz machen und von daher sage ich heute, lassen Sie uns weiterarbeiten genau an mehr direktdemokratischen Elementen, weil das ein Anteil ist, wo Menschen auch Verantwortung übernehmen wollen und übernehmen werden. Um es aktuell-politisch zu sagen: Ich würde mir wünschen, wenn die Bundesre
publik Deutschland insgesamt mit ihren demokratischen Parteien die Kraft und den Mut hätte, die EU-Verfassung von der Bevölkerung abstimmen zu lassen.
Das wäre ein direktdemokratisches Element, bei dem das Wichtigste, was in Europa zurzeit passiert, von der Bevölkerung mit verankert auf den Weg gebracht wird. Insoweit, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir auch mehr Mut haben, den Menschen die Verantwortung zu übertragen. So ein bisschen höre ich immer heraus, dass man ihnen auf der einen Seite soziale Leistungen nehmen will, aber die Verantwortung zum Selbstgestalten, die will man ihnen nicht geben, wenn es um die Emanzipation und Partizipation in der Gesellschaft geht.
Deswegen lassen Sie mich anmerken, Herr Ministerpräsident: Die drei Begriffe "lastengerechter Umbau", "Vollkaskomentalität" und "Planungssicherheit der Menschen", das waren so drei Elemente, die Sie aus dem Monitor aufgegriffen haben. Sie haben es in Bezug auf die befragten Menschen gesagt und die Hoffnung ausgesprochen, dass politisch dort mehr gestaltet werden muss, dass zum Beispiel der Vollkaskomentalität entgegengewirkt wird, indem mehr Eigenverantwortung übernommen wird. Ich vergleiche das - und ich gestatte mir das -, ich vergleiche das einmal mit der Bevölkerungsgruppe, die wir die Unternehmer und die Unternehmen nennen. Gilt das bitte für die genauso? Planungssicherheit der Unternehmen ist das, was Sie in den Mittelpunkt Ihrer Politik stellen, und ich sage, Recht haben Sie. Aber Planungssicherheit für Menschen müssen wir doch auch in den Mittelpunkt stellen.
Dann akzeptieren Sie doch, dass Planungssicherheit nicht ein negativer Wert ist, sondern ein positiver Wert ist. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass Planungssicherheit auch für Individuen in dieser Gesellschaft gilt. Da ist eben der junge Mensch, der einen Ausbildungsplatz sucht und nach dem großen Engagement, was in Thüringen ja stattfindet für Ausbildung, dem danach aber die zweite Schwelle zum Eintritt ins Berufsleben verwehrt wird, weil der Zugang in den Arbeitsmarkt einfach nicht richtig funktioniert. Dort müssen wir für Planungssicherheit sorgen. Dort müssen wir auch verantwortlich sagen, ja, lastengerechter Umbau unserer Gesellschaft heißt auch, über Gerechtigkeit zu reden und Gerechtigkeit heißt eben auch Steuergerechtigkeit und nicht einfach nur das Hineingreifen in die Sozialleistun
gen. Das heißt eben auch, bei Gesundheitsreformen auch einmal das heiße Eisen der Pharmaindustrie anzufassen. Das heißt dann auch, sich mal genau mit Medikamentenlisten auseinander zu setzen - entweder mit Positivlisten oder mit Negativlisten, wo man sagt, das wird dann nicht mehr aus der Gemeinschaftskasse aller bezahlt. Das ist nicht unser Landtagsthema, das weiß ich. Aber ich will einfach sagen, wenn wir über Gerechtigkeit reden, dann müssen wir eben auch über Steuergerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit an der Stelle reden, wo sich ganze gesellschaftliche Gruppen aus der Verantwortung komplett herausgemogelt haben. Ich darf Sie, Herr Ministerpräsident, daran erinnern, Ihre Kritik an der Körperschaftssteuerreform der Bundesregierung war an der Stelle immer sehr präzise. Dann akzeptieren Sie auch, dass ich einfordere, dass Steueraufkommen in dieser Gesellschaft auch so anwachsen müssen, damit die Lasten des gesamten Staates auch von denen getragen werden, die auch ihre Unternehmen in diesem Land platziert haben. Dann sage ich, an der Stelle lasse ich es auch einem einzelnen Unternehmer nicht mehr durchgehen, wenn er versucht den Staat zu erpressen und sagt: Wenn ihr das Erbschaftssteuerrecht nicht ändert, dann verlasse ich diesen Staat. Wenn ein Unternehmer so mit diesem Staat umgeht, nenne ich das auch eine zu kritisierende Entäußerung, über die wir reden sollten. Aber dieses alles muss doch akzeptiert sein, dass wir es aus dem parlamentarischen Blick und aus dem Blick der Parteien im demokratischen Spektrum unterschiedlich bewerten können, dass wir unterschiedlich darüber reden können, deswegen sind wir doch nicht die Feinde der Demokratie. An der Stelle haben wir unterschiedliche Konzepte
und aus den unterschiedlichen Konzepten und mit diesen unterschiedlichen Konzepten wollen wir Menschen motivieren, zur Wahl zu gehen oder sich bei Volksabstimmungen zu beteiligen. Das muss doch unsere Aufgabenstellung sein und da muss unsere oberste Zielstellung aller, die hier im Saal versammelt sind, doch sein, mehr Menschen zur Wahl zu motivieren, damit sie Entscheidungen treffen und nicht zu Hause bleiben, wenn Wahlen sind, und dann andere kommen und diese Lücke ausnutzen, hineingehen, uminterpretieren.
Jetzt sage ich, ja, in Sachsen passiert etwas, was uns nicht unberührt lassen sollte. Die NPD dort - und da teile ich die Auffassung - sollten wir nicht in eine Verbotsdiskussion hineinziehen. Ich widerspreche da auch Kolleginnen und Kollegen meiner eigenen Partei, die aus der Situation in Sachsen im Moment sagen, das wäre doch gut, wenn wir von den gehaltenen Reden mal ableiten könnten, ob sie nicht jetzt verboten werden könnten. Nein, ich glaube, die
Reden müssen gehalten werden. Ich glaube, wir müssen es gemeinsam aushalten. Wir sollten dann nicht schweigend wegsehen und wir sollten auch nicht sagen, das, was da geredet worden ist, muss verboten werden, weil es uns nicht gefällt und weil wir wissen, dass es falsch ist, sondern wir müssen aktiv dafür sorgen, wie wir diesen verfehlten Entwicklungen und diesen verfehlten Umdeutungen gemeinsam entgegentreten und dann sagen, wir lassen nicht zu, dass diese Kräfte in unserer Gesellschaft die Demokratie kaputtmachen. An dem Ansatz sollten wir zusammenwirken.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie sagen, das Verbotsverfahren der NPD ist falsch und wir können uns kein zweites erlauben, ich will es wenigstens gesagt haben: Die V-Leute aus Thüringen waren nicht ganz unschuldig an dem, was beim ersten Verbotsverfahren eine Rolle gespielt hat.
Ich darf darauf hinweisen, dass das Verfassungsgericht dieses auch in der mündlichen Ausführung gesagt hat. Ich kann nicht akzeptieren - da widerspreche ich ausdrücklich Herrn Schily immer mit dem Verweis auf die Verfassungsrichter -, das Desaster dem Gericht anzulasten. Das Desaster haben die zu verantworten, die es erst angestrebt haben und dann anschließend dem Gericht gegenüber die Karten nicht auf den Tisch gelegt haben. Und als die Karten auf dem Tisch waren, haben die Richter - zu Recht, wie ich finde - gesagt: Wir können nicht unterscheiden, was sind die gehaltenen Reden der Nazis und was sind die gehaltenen Reden von vom Staat bezahlten V-Leuten. Ich denke, an dieser Stelle werten wir die NPD leider auf und wir sollten ihnen entgegentreten. Insoweit hat Herr Cramer gestern noch mal für uns alle in Erinnerung gerufen: Die NSDAP hatte fünf Jahre vor 1933 einen nicht mal nennenswerten Wahlerfolg. Es sollte uns also nicht beruhigen, dass die Prozente von 0,8 auf 1,2 in Thüringen gestiegen sind - nur gestiegen sind. Nein, meine Damen und Herren, wenn die den Schulterschluss machen und morgen antreten würden, deren Ziel heißt es, im Bundestagswahlkampf in den Deutschen Bundestag einzuziehen. Dem können wir nur entgegentreten, wenn wir mit den Menschen vor Ort reden und sagen, was für ein Gedankengut hinter dem steckt, was sich da entäußert und entpuppt. Insoweit sollten wir die Reden oder die Internet-Seiten zum Anlass nehmen, das in die Bevölkerung zu tragen. Meine Damen und Herren, wir sollten den Menschen helfen, den jungen Menschen, den Lehrern, den Erziehern, überall dort, wo am Stammtisch darüber geredet wird, wir sollten ihnen helfen zu dechiffrieren, was dort eigentlich formuliert wird. Das braune Netz wird enger geknüpft. Wir sollten uns nicht in einer falschen Sicherheit in Thüringen wiegen,
das braune Netz wird auch in Thüringen enger geknüpft, selbst wenn es nicht an den Zahlen der Mitglieder der NPD zu messen ist. Das braune Netz, das sich flächendeckend in Thüringen ausbreitet, ist ein Graswurzelnetz, und dem können wir nur vor Ort gemeinsam widerständig entgegentreten und die Ablehnung eben nicht - und da gebe ich Ihnen Recht schweigend formulieren. Die muss aktiv formuliert werden durch praktisches Handeln.
Es ist schon interessant, wenn man dann solche Dinge - wie aktuell - liest, "29.01. Schleusingen - Kampagnenkundgebung und Fackelmarsch gegen Repression", "13.02. Dresden - Gedenkmarsch für die Opfer des alliierten Bombenterrors", "26.03. Schleusingen - Kampagnendemonstration Meinungsfreiheit statt Repression" oder Überschriften wie "Eisenach, Gera - Und wieder Montagsdemos mit nationaler Beteiligung", oder "Ein Angriff", wo der Bürgermeister von Eisenach vorgestellt wird, oder eine Formulierung wie "Schleusingen machen wir zur Frontstadt". Da müssen wir einfach lernen, gemeinsam Mittel zu entwickeln, Werkzeuge zu entwickeln, wie wir den Menschen am Ort des Geschehens Mut machen, sich einzumischen, nicht wegzugucken, und dazu brauchen wir alle. Dazu brauchen wir die Kirchengemeinde, dazu brauchen wir die Feuerwehr, dazu brauchen wir den Fußballverein, dazu brauchen wir alle in dem Gemeinwesen vor Ort, die sagen, mit solchen Leuten, mit solch einem Gedankengut wollen wir nichts zu tun haben. Es ist schon zur Kenntnis zu nehmen und wir sollten uns ein wenig auch besorgt zeigen: Fretterode, dort kauft Thorsten Heise ein Gebäude, nistet sich ein, und wir müssen aufpassen, dass die Umwelt drumherum nicht anfängt, schweigend wegzuschauen. Fretterode ist ein Knotenpunkt dieses Netzwerks.
In Pößneck kauft im Dezember 2003 Jürgen Rieger das ehemalige Schützenhaus. Jena-Lobeda; das braune Zentrum in Thüringen ist die Gaststätte "Zum Löwen". Dort leben dann Neonazis wie Ralf Wohlleben und Andre Kapke. Hier finden Schulungsveranstaltungen mit Horst Mahler statt.
Jena - das Gründerzeithaus "Wilhelmsburg", das entsprechend vermietet wird.
Apolda - es gibt erste Hinweise, dass dort in der Bahnhofsstraße ein Haus gerade aufgekauft worden ist. In Sonneberg kauft der Rechtsextremist Ricky Nixdorf ein Fabrikgelände bzw. mietet sich dort ein, um entsprechende Veranstaltungen in den Sonyhallen vorzunehmen.
In Schleusingen - die deutsche Schule, die als Ausgangspunkt für all diese Aktivitäten gemacht wird.
Das sind nur einzelne Punkte des Netzwerks, die ich benenne, die langsam geknüpft werden. Und von jedem dieser Knotenpunkte geht langsam in konzentrischen Kreisen etwas aus. Man muss dafür sorgen, dass wir hier im Freistaat Thüringen nicht nur sagen, die KooStG, die dafür zuständig ist, soll sich da engagieren - nein, wir müssen noch mehr tun. Wir müssen Prävention so organisieren, dass der Bürgermeister, der sich in der Situation, wenn da eine Anmeldung kommt, überfordert sieht, rechtzeitig jemanden an einer Hotline hat, der ihn berät, wie man geschickt, gezielt und intensiv mit zivilgesellschaftlichem Engagement und mit den möglichen rechtlichen Mitteln solche Entwicklungen stoppen kann. Und, meine Damen und Herren, wir müssen natürlich der Landeszentrale für politische Bildung die notwendigen Mittel geben und mit den dort aufbereiteten Büchern und der Fachliteratur, wo dann auch über solche Dinge wie Lonsdale und andere Sachen, wo die normalen Eltern gar nicht wissen, was das eigentlich bedeutet, was ihr Kind anhat, Aufklärung schaffen und man muss sagen, es gibt mittlerweile Chiffren, mit denen ein nationaler Gedankenkonsens dokumentiert werden soll und anders Denkende - und da sind eben auch Demokraten gemeint - dort rausgemobbt werden sollen aus solchen Gegenden. Das heißt, wir müssen dem Stammtisch und dieser Lufthoheit über den Stammtischen den Boden entziehen. Dafür werbe ich, dass wir an den Stellen eben nicht sagen, da schauen wir weg, sondern - der Kollege Dittes hat es mal hier am Rednerpult gesagt - dass man nicht nur den Aufstand der Anständigen braucht, sondern wir brauchen auch das aktive Handeln der Zuständigen. Ich will es ergänzen und sagen, wir brauchen den Schulterschluss der Zuständigen mit dem Aufstand der Anständigen.
Der Ausgangspunkt, der in Weimar immer wieder von den Bürgerinnen und Bürgern gesetzt worden ist und der in Leinefelde weitergegeben worden ist, der in Schleusingen jetzt zurzeit anfängt Platz zu greifen, den brauchen wir aber auch in Pößneck dann braucht man in Pößneck eben auch Unterstützung, frühzeitige Information - und den brauchen wir an jedem Ort, wo sich so etwas entwickelt oder wo diese möglicherweise als Durchreisende herkommen und anfangen, sich einzunisten. Deswegen lassen Sie uns gemeinsam widerständig sein und dafür sorgen, dass dieses Widerständige tatsächlich auch Platz greift. Das ist für mich jedenfalls die Botschaft von gestern, die uns Ernst Cramer ins Stammbuch geschrieben hat.
Ich will eine weitere Anmerkung machen, wo ich sage, wir können gern über die DDR und die Entwicklung der DDR debattieren, über all das, was
an Opfern geschehen ist, über all das, was an Menschenrechtsverletzung immer weiter Platz gegriffen hat. Aber den Monitor darauf zu reduzieren, dass die Menschen falsche Freiheits- und Gleichheitsbegriffe denken würden, weil sie Diktaturerfahrungen sozialisiert haben, heißt doch, die Menschen in eine Ecke zu stellen, in der sie sich möglicherweise wiederum verletzt fühlen. Von daher sage ich mal, DDRgelebte Erfahrung hat doch auch Elemente, bei denen man sagen muss: Wäre es nicht lohnenswert, über das eine oder andere einfach schlicht in ganz Deutschland positiv zu reden? Nicht, um damit die DDR in ein besseres Licht zu setzen, aber die Frage, Sie haben es gesagt, POS-Abschluss - da muss ich dann als Wessi einen Moment nachdenken und überlegen, was damit gemeint ist.
Aber offenkundig gab es doch einen Schulabschluss in der DDR, bei dem man sagen kann, es scheint ja ein bestimmtes Bildungsniveau gegeben zu haben, das man als positiv bewerten muss. Damit meine ich nicht die Ideologie von Margot Honecker, sondern ich meine das gegliederte Schulsystem der DDR, über das man insoweit reden sollte, dass man sagt, welche Elemente davon wären denn diskussionswürdig, und nicht nur, wenn die Industrie- und Handelskammer von Südthüringen sagt, Polytechnik fehlt heute unseren Schülerinnen und Schülern. Dann lassen Sie uns doch mal in ganz Deutschland über Polytechnik reden und bei der Gesundheitsreform lassen Sie uns doch mal über Polikliniken reden. Das sind doch Lebenserfahrungen aus der DDR. Das ist doch nicht die ostalgische Verklärung einer rückwärts gewandten Blickrichtung. An der Stelle sage ich, ja, die PDS-Wähler haben es entsprechend hoch honoriert, aber an der Stelle steht auch unsere Verantwortung, diese Wählerinnen und Wähler mitzunehmen in die Demokratie und sie nicht links am Wegesrand liegen zu lassen oder möglicherweise rechts am Wegesrand. Denn manches, was die Nazis ausnutzen, ist eben auch eine Begriffsverwirrung zwischen dem, bei dem wir aufpassen müssen, dass nicht die eine Diktatur mit der anderen Diktatur verwechselt, vermengt und damit gleichgemacht wird, weil dazwischen auch die Leichenberge von Auschwitz liegen und die fabrikmäßige Ermordung von anders Denkenden oder einem anderen Leben angehörige Menschen.
Deswegen, meine Damen und Herren, würde ich gern genauer über das reden, was in dem Monitor ist. Ich würde gern genauer darüber reden, was wir mit Freiheit und Gleichheit meinen und wo wir Freiheit, Gleichheit und Sicherheit im positiven Sinne prägen können. Aber die Begriffe sind eben nicht und da widerspreche ich Ihnen, Herr Ministerpräsident - gegeneinander auskürzbar, wegkürzbar, also
mehr Freiheit bei weniger Gleichheit. Das funktioniert nicht, wie auch weniger Freiheit nicht mit mehr Sicherheit einhergeht. Wenn wir Sicherheit definieren als Polizeistaat, als ein Hochrüsten eines Staates gegen die gesamte Bevölkerung, dann geben wir Freiheit auf. Die aktuelle Diskussion um das Hoheitsrecht von DNA lässt mich zumindest alarmiert darüber nachdenken. Wenn dann die Frage beim Vaterschaftstest so herum definiert wird, aber bei Verbrechensbekämpfung auf einmal gesagt wird, das können wir hemmungslos ausweiten, dann habe ich meine Ängste, weil ich sage, da wird dann die Freiheit tatsächlich abgegeben, weil wir nicht mehr über gemeinsame gesellschaftliche Gegenwehr in all diesen Fragen reden.
Deshalb sage ich, für mich sind die Begriffe "Freiheit", "Gleichheit" und "Sicherheit" eng verbunden mit dem Begriff "Gerechtigkeit". Und über den Begriff "Gerechtigkeit" müssen wir, denke ich und finde ich, politisch zusammen reden. An der Stelle sage ich, ich bin geprägt von den Begriffen "Emanzipation" und "Partizipation" und das heißt emanzipierte Menschen, selbstbewusste Menschen, Menschen, die aus sich heraus handeln und ihr Leben planen können und die Rahmenbedingungen dafür hat die Politik zu schaffen. Das heißt aber auch, ihnen Sicherheit zu geben, dass sie ihr Leben wirklich planen können und nicht anschließend, wenn sie ihr Leben geplant haben, ihnen die Grundlagen wieder zu entziehen. Für mich ist es ein eklatanter Fall zurzeit, dass die 58er Leute - Menschen bei Hartz IV jetzt einfach ab 1. Januar ins Abseits gestellt worden sind. Das ist für mich eine Stück weit Verfassungsbruch.
An der Stelle sage ich, das hat mit Planungssicherheit für Menschen nichts zu tun, das ist eine Fehlleistung des Gesetzgebers, über die man reden und worüber man nachdenken muss und den man, wenn man merkt, dass es ein Fehler ist, korrigieren muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es eben erwähnt, es wäre ungeheuer positiv und wichtig, Thüringen nicht nur über das Markenzeichen "Rennsteig" und "Bratwurst" zu definieren, sondern über gelebte direktdemokratische Elemente.
Wenn mehr Demokratie von über 90 Prozent unserer Bevölkerung positiv bewertet wird, dann ist das ein Zustimmungswert, der sich enorm gesteigert hat. Mit diesem Pfund sollten wir gemeinsam wuchern, weil es das erfolgreichste Volksbegehren, das es in
Deutschland gegeben hat, in Thüringen gegeben hat, und das hieß "Mehr direkte Demokratie". Letztendlich haben wir es gemeinsam umgesetzt, alle zusammen. Deswegen lassen Sie uns mit diesem Pfund gemeinsam wuchern. Ich glaube, an dieser Stelle sind wir auch gezwungen, die Vitalisierung der Demokratie in den Vordergrund unserer Betrachtungen zu stellen. Die Vitalisierung der Demokratie heißt für mich "Transparenz". Das heißt für mich, dann wirklich einmal auch eine Debatte zuzulassen, die sonst immer unter dem Begriff "Doppelverdiener" abgetan wird. Das meinte sonst immer gesellschaftlich eine diskriminierende Formulierung gegen Ehegatten. Ich meine die Doppelverdiener mit Abgeordnetenmandaten, bei denen ich sage, das muss in Zukunft mit einem höheren Maß an Transparenz unterbunden werden.
Der Wähler und die Wählerinnen sollten wissen, wer von wem auf welcher Lohnliste steht. Ich meine, Transparenzgestaltung und Transparenzverbesserung sind wichtige Elemente, damit die Verdächtigungen gegen Politiker aufhören. Lassen Sie uns doch gemeinsam aushalten, dass wir unseren Status als Parlamentarier so gestalten, dass wir nicht ständig in irgendwelche Verdächtigungen hineingetrieben werden. Eine zweite Stellschraube zur Vitalisierung der Demokratie ist für mich ein Informationsfreiheitsgesetz, denn wenn wir Emanzipation und Partizipation der Menschen wollen, dann müssen die Menschen auch wissen, was der Staat oder staatliche Institutionen von ihnen hat, über sie hat, mit ihnen veranstaltet und in ihren Büchern ist. In den nordischen Staaten ist das ein ganz normaler Vorgang und bei uns wird es immer noch in die Ecke gestellt. Lassen Sie uns deswegen ein Informationsfreiheitsgesetz auch als Teil einer Demokratieentwicklung akzeptieren und nicht als Misstrauen gegen die Verwaltung, sondern als Vertrauen auf die Bevölkerung. Wir werden als PDS hier einen entsprechenden Antrag auch einbringen, damit direktdemokratische Elemente von der Bevölkerung dann wahrgenommen werden können, wenn sie weiß, um was es geht.
Damit komme ich zum dritten Element, der Vitalisierung: Das ist eine lebendige Demokratie. Eine lebendige Demokratie kann nur dann wehrhaft sein, wenn man die Demokraten in dieser Gesellschaft in die Lage versetzt, eigene Entscheidungen zu treffen, zu beeinflussen und damit auch Gesellschaft im positiven Sinne nach vorn weiterzuentwickeln.
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, fordere ich mehr Mut zur Bevölkerung, mehr Mut in Rich
tung unserer Bevölkerung. Ich denke, zu beklagen, dass dieses die Bundesregierung nicht macht und jenes die Landesregierung nicht macht, das reicht am heutigen Tag nicht aus. Das sollten wir in der Haushaltsdebatte noch einmal ausstreiten, Herr Ministerpräsident, denn die Jugendlichen, die gestern vor dem Landtag gestanden haben, haben große Sorgen, dass ihre Institutionen, bei denen sie sich treffen oder bei denen sie Kultur, Sport oder sonstige Dinge machen, möglicherweise gefährdet sind. Wir sollten ihnen diese Angst nehmen, dass ihre Grundlagen nicht in dieser Gesellschaft weggenommen werden, das wäre Mut auch für junge Menschen und Mut auch für Kinder in der Gesellschaft.
Aber wir sollten die Angst derer, die da draußen stehen, ernst nehmen und nicht sagen, die sind nur von den bösen Funktionären geschürt worden. Damit entäußern wir den jungen Leuten auch das Recht, überhaupt Demonstration als positives Recht zu erleben. Lassen Sie das bitte nicht auf das Niveau kommen. Ich meine, wir sollten die Sorgen und die Ängste aller in dieser Gesellschaft aufnehmen. In Thüringen gibt es große Sorgen, was die aktuelle Haushaltsdebatte angeht. Sie haben in Abweichung zu dem Manuskript, das Sie uns gestern Abend gegeben haben, ja einige tagesaktuelle Aussagen zur Haushaltspolitik getroffen. Das sage ich, Herr Ministerpräsident, in aller Deutlichkeit. Die Art der Haushaltsdebatte finde ich fahrlässig und nicht in Ordnung. Die Art, die Kommunen in vorläufige Haushaltsführung zu zwingen, ohne dass sie derzeit selber eigene Sparentscheidungen aus eigener Kraft treffen können,
heißt, die Kommunen von der eigenen Verantwortung zu entmächtigen und damit die Kommunen von Opfern zu Tätern zu machen, weil die Menschen draußen denken, es ist ihre Kommune, die ihnen ihr Geld wegnimmt. In Wirklichkeit ist es ein Teil der Haushaltsdebatte und der Verantwortungslosigkeit, wie man diese Haushaltsdebatte zurzeit angelegt hat. Ja, das Land muss sich verändern. Da gebe ich Ihnen Recht. Ja, das geht mit den Schulden nicht so weiter. Aber ein Schuldenabbau muss eben auch einhergehen mit Steuereinnahmen und nicht nur mit Steuerfreistellungstatbeständen für die in der Gesellschaft, die genügend Kohle haben. Das hat eben auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun. An der Stelle sage ich, wenn wir Thüringen umsteuern wollen, dann müssen Sie den Mut haben, mit uns gemeinsam hier im hohen Haus auch über die Veränderungen - von Verwaltungsreform, Gebietsreform, Kommunalreform - gemeinsam zu reden und nicht sagen, das eine Thema ist jetzt tabu, darüber reden
wir 2009 und bis dahin können die alle mal vor Ort machen, was sie wollen. Wer Strukturen verändern will - und sie müssen dringend verändert werden -, der muss jetzt den Mut haben, auch mit diesem Parlament über die Veränderungen nachhaltig und wirkungsvoll zu reden. Das Ganze noch begleitet mit mehr kommunaler direkter Demokratie, das wäre ein mutiger Schritt hin zu den Bürgern. Die Bürger sind veränderungsbereit, da gebe ich Ihnen Recht. Aber wir sollten sie nicht benutzen und draußen vor der Tür stehen lassen. Wir sollten sie einladen zu dem Veränderungsprozess. Wir sollten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes einladen zu dem Veränderungsprozess. Wir sollten überall dort deutlich machen, dass Verändungen mit Sorgen einhergehen. Die Sorgen sollten wir ernst nehmen. Aber wir sollten gemeinsam sagen, Rattenfängern und Brandstiftern in der Gesellschaft, denen geben wir gemeinsam keinen Platz. Deswegen lassen Sie uns wie in Leinefelde, wie in Weimar, überall zusammenstehen, wo dieses braune Netzwerk wächst, und lassen Sie uns gemeinsam klare Formulierungen finden, damit die Worte von Herrn Cramer mit Taten untersetzt werden. Ein Niewieder aus Deutschland, ein Niewieder an Genoziden, ein Niewieder von Holocaust heißt, dass wir die Lehren aus der Zeit gemeinsam treffen und ziehen müssen und leben müssen. Leben heißt, Demokratie wahrzunehmen und demokratische Rechte von uns gemeinsam auszuleben, auszugestalten, aber die Bürgerinnen und Bürger auch vor Ort und in der Kommune einzuladen, um dem braunen Netzwerk den Boden zu entziehen. Vielen Dank.
Wie bewertet die Landesregierung die Vorbildfunktion der Landesregierung, ein denkmalgeschütztes Objekt im eigenen Bestand zu haben und die Auflagen der Denkmalbehörde nicht zu erfüllen bzw. anderen privaten Besitzern von Immobilien damit auch ein Negativzeichen zu setzen, dass man so mit Denkmälern in Thüringen nicht umgehen sollte?
Das war jetzt, glaube ich, Herr Kollege Kretschmer, wieder der Beitrag, um die Feindbilder zu prägen und um alles klarzumachen. Ich sage, Sie haben nicht gelesen oder Sie können nicht lesen oder Sie wollen nicht lesen oder Sie wollen bewusst den zweiten Teil unserer Beschlussfassung einfach nicht zur Kenntnis nehmen und damit nicht kommunizieren. Ja, meine Damen und Herren, wir sagen Hartz IV muss weg. Ja, wir haben das immer durchgängig gesagt, weil wir sagen, Hartz IV bekämpft nicht die Massenarbeitslosigkeit. Es suggeriert etwas Falsches und es schafft Armut per Gesetz und bei dieser Formulierung bleiben wir und sie diskriminiert die Menschen: 14 * schied für ALG-II-Bezieher im Osten im Verhältnis zum Westen. Bitte geben Sie eine Begründung an, warum Menschen in den neuen Bundesländern im Monat 14 ' "& " ge, das ist blanker Zynismus. Für jedes Jahr der deutschen Einheit 1 ' %" ( gründung, die ich erkennen kann. Denn mit mehr oder weniger Bedarf kann es ja überhaupt nichts zu tun haben. Und, meine Damen und Herren, Hartz IV bedeutet 30 Prozent Zumutbarkeitsregel unter Tarif in Beschäftigungsverhältnisse. Das heißt, man schafft keine Arbeit mit Hartz IV, man schafft Jobs im EinEuro-Bereich, bei denen wir gar nicht wissen, wohin das noch laufen soll. Man bekennt sich nicht für die Stärkung gemeinwohlorientierter Tätigkeit, die wir dringend bräuchten. Mit der Haushaltsgesetzgebung des Thüringer Landtags werden wir sogar massenhaft Arbeit im gemeinwohlorientierten Bereich verlieren - Jugendarbeit, Sozialarbeit, Kulturarbeit wird sogar zu einem Kahlschlag führen, was zu weiterer Arbeitslosigkeit in Thüringen führt. Und dann sagen wir ganz klar: Hartz IV ist die falsche Antwort. Aber wir haben immer gesagt, jeder Sozialdezernent, der unser Parteibuch hat, jeder Bürgermeister, der unser Parteibuch hat, jeder Minister und Senator, der unser Parteibuch hat, muss trotzdem mit einem bestehenden Bundesgesetz umgehen. Insoweit ist das Zynismus, Herr Kretschmer, wenn Sie sagen, wir würden eine Doppelstrategie mit cyber.de machen. Das finden Sie sogar auf meiner Website. Ganz klar politisches Bekenntnis: Diese Form von Sozialgesetzgebung, die sich nur gegen die kleinen Leute in der Gesellschaft richtet, die nur Armut schafft und Armutsfeindschaft, diese Form der Gesetzgebung lehnen wir ab. Da stehen wir an der Seite der Betroffenen und sagen,
wir sollten doch in der Mitte der Diskussion einmal mehr Energie aufwenden wie 4,5 Mio. Arbeitslose in Lohn und Brot gebracht werden. Das wäre eine Herausforderung an alle Menschen in diesem Land, damit die Gesellschaft nicht auseinanderbricht. Deswegen sagen wir, diese Armutsfalle werden wir bekämpfen und wir werden trotzdem mit bestehenden Bundesgesetzen sagen, wie wir sie optimieren. Aber wir sagen, gemeinwohlorientierte Tätigkeit ist eine Möglichkeit, Verteilung von Arbeit in der Gesellschaft ist eine Möglichkeit. Die einen machen Überstunden ohne Ende und die anderen werden krank, weil sie keine Arbeit haben. Das passt doch alles nicht mehr zusammen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Trotzdem haben wir gesagt, bei der Aktuellen Stunde möchten wir gern auf die ersten Probleme aufmerksam machen und bitten den Minister, in der Monitoringgruppe z.B. auf das Phänomen der befristeten Bescheide einzugehen, dass man den Menschen nicht zumuten kann, diesen mehrseitigen Antrag komplett wieder erneut auszufüllen, sondern dann zu sagen, wenn sich nichts geändert hat, dass er einfach verlängert wird. Dass man pragmatisch an der Seite der Menschen handelt, das ist doch unser aller Aufgabe zusammen, die wir hier sitzen. Herr Pilger, da haben wir keine Kehrtwende gemacht. Sie haben nur nicht hingehört, dass wir immer beides gesagt haben. Ich stehe dazu. Wir haben beides gesagt und wir lassen uns auch von Ihnen den Teil nicht wegnehmen an der Stelle, wo wir Verantwortung tragen und uns Menschen in Verantwortung gewählt haben. Dort haben wir Hartz IV, egal ob wir es ablehnen oder nicht, so umgesetzt, dass es möglichst für die Menschen die geringsten Schäden ausgelöst hat. Nur, aus einem schlechten Gesetz machen wir auch an der Stelle kein besseres. Es bleibt ein Fehler, diese Form der Armutsfalle aufgerichtet zu haben. Vielen Dank.
Ich würde gern noch einmal auf Ihr Beispiel zurückkommen. Wie bewerten Sie den gleichen Vorgang, wenn ein Deutscher Architekt sein Büro in Lissabon eröffnet und dann in Deutschland zu den Konditionen von Lissabon, zum Beispiel auch zu der Frage der rechtlichen Auseinandersetzung, seine Dienstleistung hier im Binnenmarkt anbietet und dann nicht mehr den Strukturen der hiesigen Region entspricht?
Herr Kollege Krapp, ich würde gerne nachfragen, ob Ihnen die Drucksache 3/50, die Ihre heutige Fraktionsvorsitzende damals in den Landtag eingebracht hat, nicht gegenwärtig ist. Da wird eindeutig die Frage aufgeworfen, wie die Kontrolle zwischen