Angebracht ist es aber auch an dieser Stelle, einen Blick auf die politische Kriminalität links zu werfen. Diese ist -
ja, Objektivität gehört dazu - in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen und mit 79 Delikten im 1. Halbjahr 2005 bereits um 230 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Auch hier ist ein Anstieg der Zahl der Gewaltdelikte zu verzeichnen, die in diesem Bereich der politisch motivierten Kriminalität prozentual einen höheren Anteil einnehmen. Im 1. Halbjahr 2005 waren es bereits 12, im gesamten vergangenen Jahr 16 Delikte.
Sehr erfreulich ist die Aufklärungsquote im Bereich der gesamten politisch motivierten Kriminalität. Diese konnte erneut erheblich durch die Polizei gesteigert werden, von 53 Prozent im Jahre 2004 auf gegenwärtig 68 Prozent. Abgesehen von der zunehmenden politisch motivierten Gewaltkriminalität ist die Entwicklung von der Anzahl der Straftaten her gesehen insgesamt aber keineswegs beunruhigend. Ein Großteil der erhöhten Fallzahl lässt sich darauf zurückführen, dass wegen des Veranstaltungs- und Versammlungsgeschehens Brennpunkte entstehen, an
denen durch die Präsenz und das konsequente Einschreiten der Polizei besonders viele Straftaten des Propaganda- und Versammlungsstrafrechts erfasst werden. Denn die konsequenten Maßnahmen der Thüringer Polizei zur Bekämpfung rechtsextremistischer Kriminalität bedingen in der Folge natürlich auch höhere Fallzahlen.
Einige dieser Maßnahmen der Verhinderung habe ich bereits genannt. Da die Verhütung und Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten einen Schwerpunkt der Tätigkeit der Thüringer Polizei darstellt, sind die verschiedenen Konzepte und Maßnahmen der Polizei äußerst vielseitig. Beispielsweise wurde die Zusammenarbeit mit den Ordnungsbehörden bei Versammlungen und Veranstaltungen erheblich intensiviert. Der Informationsaustausch und das Lagemanagement zwischen Landesamt für Verfassungsschutz, Landeskriminalamt und den Polizeidienststellen wurde verbessert. Unvermindert nimmt die politisch motivierte Kriminalität in der Aus- und Fortbildung der Polizeibeamten einen sehr hohen Stellenwert ein. Die Thüringer Polizei ist sich der anhaltenden Herausforderung deshalb sehr bewusst und geht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen rechtsextremistische Aktivitäten im Freistaat vor.
Meine Damen und Herren, die verhältnismäßig geringe strafrechtliche Relevanz dieser Art der Kriminalität ist einerseits erfreulich, nichtsdestotrotz haben wir gesehen, dass rechtsextremistische Einstellungen in weitaus größerem Maße vorhanden sind, als sie in der erfassbaren Kriminalität zum Ausdruck kommen. Ein Umschlagen in offenen Rechtsextremismus ist also potenziell jederzeit möglich. Gegen den Rechtsextremismus als Einstellungssyndrom kann der Rechtsstaat nun aber nicht mit seinen hoheitlichen Mitteln vorgehen, solange diese Einstellungen zwar latent vorhanden sind, sich aber nicht in politisch motivierter Kriminalität und verfassungsfeindlicher Aktivität äußern. Weder Polizei noch Verfassungsschutz sind in der Lage, die Ansichten und Einstellungen der Thüringer zu kontrollieren. Dies ist nicht ihre Aufgabe und glücklicherweise entspricht es auch nicht unserer Verfassungsordnung und nicht unserer politischen Kultur. Der Herausbildung extremistischer Einstellungen kann, was wohl klar ist, nicht nur mit hoheitlichen Mitteln begegnet werden, hier ist Präventionsarbeit erforderlich, die nicht nur die Polizei in Thüringen in großem Umfang leistet. So wird beispielsweise an bekannten Treffpunkten der rechtsextremistischen Szene verstärkt Aufklärung betrieben. Die Polizei arbeitet intensiv in den kommunalen Präventionsräten und in sonstigen kommunalen Gremien, wie beispielsweise am runden Tisch für Demokratie der Stadt Jena mit. Weiterhin beteiligt sich die Polizei an Präventionsveranstaltungen in Schulen und Jugendeinrichtungen. Ich möchte hier
nur beispielhaft das landesweite Juregio-Projekt nennen, dessen Ziel die Vermittlung von Handlungssicherheit im Umgang mit Extremismus an Schulen ist. Im Zusammenhang mit dem Projekt Schulhof und den Verteilaktionen der Schulhof-CD erfolgte eine enge Zusammenarbeit zwischen den Präventionsbeamtinnen und den Schulen vor Ort. Ein weiteres Präventionsprojekt ist Polipap. In Kooperation mit dem Kultusministerium sollen Kinder bereits ab der 3. Klassenstufe durch die polizeiliche Arbeit an Grund- und Förderschulen vor Kriminalisierung und Übergriffen bewahrt werden. Auch das Landesamt für Verfassungsschutz leistet durch seine intensive Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit einen großen Beitrag zur Extremismusprävention. Ende November wird sich die jährliche Tagung des Landesamtes mit dem aktuellen Thema rechtsextremistische Musik befassen und Sie sind hierzu alle herzlich eingeladen.
Besonders die Jugendlichen stehen im Fokus der Präventionsarbeit der Landesregierung, gerade im Schulalltag spiegelt sich in aggressivem Verhalten und in der Erscheinung von rechtsextremistischen Symbolen und Parolen das gesellschaftliche Klima wider. Deshalb entstand auf Initiative des Kultusministeriums, des Justizministeriums und des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts Juregio eine Materialsammlung zur Handlungssicherheit im Schulalltag. Sie bietet umfassende Informationen über Ausdrucks- und Erscheinungsformen von Rechtsextremismus. Darüber hinaus erstellt das Institut zahlreiche Broschüren zum Umgang mit Rechtsextremismus, Gewalt und Drogen, um den Lehrern Empfehlungen geben zu können. Schon seit 1995 fördert das Kultusministerium Projekte zur Aufklärung über Ursachen von Gewaltverhalten, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus und zur Herausbildung toleranter Denk- und Verhaltensweisen, zur Stärkung des demokratischen Bewusstseins und der Befähigung zur Konfliktlösung. Jährlich werden hierdurch etwa 150 bis 200 Einzelprojekte von Schulen, Schulfördervereinen oder freien Trägern gefördert. Im Rahmen dieser Zielsetzung gibt es seit 1999 auch das Thüringer Streitschlichterprogramm, in dem an über 80 Thüringer Schulen Schülerinnen und Schüler zu Streitschlichtern ausgebildet wurden, um zu lernen, Konflikte gewaltlos zu lösen. Parallel dazu werden Kurse zur Schulmediation für Lehrerinnen und Lehrer angeboten. Gerade durch die Arbeit der Schüler in Streitschlichterarbeitsgemeinschaften ebenso wie in Sport-, Theater- und Geschichtsarbeitsgemeinschaften lassen sich bei diesen ein positiver Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung und eine aggressionsmindernde Wirkung beobachten.
Im Bereich des Justizministeriums, und zwar bei der Generalstaatsanwaltschaft, gibt es das Internetprojekt „Global Patchwork“, das Jugendlichen ein Forum
bietet, sich mit Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus auseinander zu setzen. Neben der Mitarbeit am „New Regio“-Projekt gibt es an allen Thüringer Gerichten und Staatsanwaltschaften einen Beauftragten, der als Ansprechpartner für Schulen und Bildungseinrichtungen zur Verfügung steht und rechtskundlichen Unterricht erteilt. Insbesondere die Landesstelle Gewaltprävention als Leitstelle betreut ressortübergreifend landesweite Präventionsprojekte. So ist sie Mitinitiator des Bildungs- und Trainingsprogramms für rechtsextreme jugendliche Straftäter des Justizministeriums und des Vereins „Trudel 11“. Das Projekt „Faustlos“ ist ein Angebot für Grundschulen, aggressives Verhalten bereits bei den Jüngsten zu vermindern. Im Body-Projekt werden Schüler trainiert, Konflikte selbständig und in gegenseitiger Unterstützung zu lösen. Auch das Streitschlichterprogramm soll verbreitert werden. Den Schulen werden so genannte pädagogische Tage für das gesamte Lehrerkollegium angeboten. Weiterhin wurde das Pilotprojekt „Von Aggression bis Delinquenz - in der Schule abgestimmt handeln beim Grenzensetzen und Chancengeben“ gestartet, in das Schule, Polizei, Jugendhilfe und Justiz eingebunden sind. Darüber hinaus unterstützt auch die Landesstelle Gewaltprävention die Arbeit und Gründung kommunaler Präventionsräte sowie sämtliche Ressorts der Landesregierung. Noch zahlreiche andere Präventionsprojekte könnten aufgezählt werden, die Genannten zeigen nur einen Ausschnitt der sehr umfassenden Präventionsarbeit der Landesregierung. Anhand dessen sehen Sie aber, meine Damen und Herren, die Landesregierung misst der Prävention gegen Extremismus und Gewalt gerade bei Jugendlichen höchste Bedeutung zu und agiert auf allen Ebenen.
Aber, meine Damen und Herren, auch hinsichtlich der Präventionsarbeit sind die staatlichen Mittel begrenzt. Einstellungen und Ansichten der Menschen können staatlicherseits nicht mehr verordnet werden. Unser Bewusstsein für das vorhandene Einstellungspotenzial, das uns der Thüringen-Monitor aufzeigt, muss aber geschärft bleiben. Man muss das Möglichste tun, Demokratiebewusstsein und Toleranz zu vermitteln. Nur eine gefestigte demokratische Gesellschaft ist eine wirkliche Waffe gegen extremistische Bestrebungen. Toleranz, Weltoffenheit, Bereitschaft zum aktiven Eintreten für die Werte unserer freiheitlichen Grundordnung müssen noch fester im Bewusstsein der Menschen, insbesondere der Jugendlichen, verankert sein. Die Präventionsarbeit der Landesregierung kann nur ein Teilstück auf dem Weg zum Erreichen dieses Zieles sein, denn nicht nur der Staat kann oder muss hier aktiv werden - hier ist die gesamte Gesellschaft gefordert, beginnend in der Familie, im Freundeskreis, in Schulen, Vereinen, am Arbeitsplatz. Die Auseinandersetzung mit Extremisten und Extremismus ist eine Herausforderung für alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte, denn
Kultur, auch politische Kultur, entsteht in der Gesellschaft in den Köpfen der Menschen. Ich möchte an dieser Stelle unbedingt das immer vorhandene enorme bürgerschaftliche Engagement der Thüringerinnen und Thüringer gegen den Rechtsextremismus hervorheben. In jeder Stadt und zu jeder Zeit zeigten die Thüringer, dass Rechtsextremismus bei Politik und Bevölkerung gleichermaßen unerwünscht sind. Ich bin sehr froh über das unermüdliche Engagement unserer Bürger, denn es ist die wichtigste Säule im Kampf gegen politischen Extremismus, und ich möchte allen, die sich hier aktiv beteiligt haben, meinen Dank aussprechen.
Deshalb habe ich auch Vertrauen in die demokratischen Kräfte in der Thüringer Bevölkerung, in die Menschen und in unsere Demokratie, die sich gegen Extremismus zu wehren weiß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der von mir skizzierte Überblick über die soziologisch-empirischen Erhebungen bis hin zu den faktischen Gegebenheiten verdeutlicht, dass zwar kein Anlass zur Dramatisierung besteht, es verdeutlicht aber auch, dass die Landesregierung ebenso wie die bürgerlichen Kräfte in ihren Bemühungen nicht nachlassen dürfen, gegen jegliche Form von Extremismus entschlossen vorzugehen und immer wieder deutlich zu machen, Extremisten sind in Thüringen nicht willkommen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, vorab zwei Bemerkungen, zwei Ankündigungen: Natürlich bin ich nicht in der Lage und ich bin auch nicht so vermessen, den Thüringen-Monitor jetzt hier in einer ausführlichen Rede auszuwerten. Zweieinhalb, drei Stunden liegt er mir jetzt vor. Wie bereits gesagt, ich empfinde das als vermessen und ich will, das kann ich mir jetzt allerdings nicht verkneifen, im Gegensatz zu dem einen oder anderen Vorredner, mir auch verkneifen, aus ihm vorzulesen. Ich traue hier jedem, absolut jedem hier im Haus diesen Intellekt zu, diesen Monitor selbst zu lesen. Über diese Vorlesestunden kann man geteilter Meinung sein.
Ich will mich mit der Problematik „Rechtsradikalismus“ beschäftigen und ich bin auch hier vorgegangen, weil ich ganz einfach nicht nachlassen werde mit meiner Fraktion in dem Bemühen, hier ein Bündnis der Demokraten hinzubekommen in einem einheitlichen, verständlichen und ergebnisorientierten Handeln, was das Vorgehen gegen rechts betrifft. Ich will auch ankündigen - ich hoffe, man kennt meine Einstellung und die Einstellung der SPD-Fraktion mittlerweile zu dem Thema -, ich werde nichts zu dem Thema „Linksextremismus“ sagen, ohne dass mir dann vorgeworfen wird im Nachhinein, ich wäre auf einem Auge blind. Ich will es einfach nur ankündigen, das sind halt so Erfahrungswerte.
Ich will auch nicht schlechtreden, insbesondere, Herr Gasser, was den Politikbereich betrifft, den Sie vertreten. Es hat bei dem Umgang mit rechts in diesem Teil, der Sie betrifft, schwere Pannen gegeben. Ich will da nur die Stichworte „Pößneck“ sagen und ich meine auch die erste Demonstration hier in Erfurt. Aber, auch das gehört dazu, ich bemerke Entwicklungen in Ihrem Haus, bei der Thüringer Polizei, zu denen ich ausdrücklich sage, sie gefallen uns. Da darf es kein Nachlassen geben. Ich wünsche mir da noch ein Stückchen ein härteres Vorgehen und ich will auch Beispiele nennen. Sie haben ausführlich dazu gesprochen, über - und ich behaupte schon - eine neue Umgehensart in Ihrem Haus, was SkinheadKonzerte betrifft. Die Analyse ist nach meiner Meinung richtig; ich will es in einem Satz sagen: Es ist eine ganz wichtige, eine ganz wesentliche Rekrutierungsebene für die Neonazis hier in Thüringen. Und dass verstärkt und massiver als bisher gegen solche Skinhead-Konzerte vorgegangen wird - die Zahlen, die Sie genannt haben, sprechen auch einen Teil dafür -, das halten wir für einen richtigen Weg und der muss weitergegangen werden. Ich glaube, wir sind uns einig, Ziel muss immer sein: Die Zahl muss null sein als Zielstellung.
Wir haben uns im Innenausschuss mit der Skinhead-Richtlinie beschäftigt. Auch das halte ich für ein angemessenes Instrument, mit dieser Szene umzugehen. Ich habe mich erstmalig zum letzten Verfassungsschutzbericht ein Stückchen positiv geäußert, weil dort eben das erste Mal beim Lesen nicht der Zwang zu verspüren war, man muss jetzt gegen die Dinge, die von rechts außen passieren, unbedingt gleich viele Dinge von links außen setzen. Dieser Verfassungsschutzbericht hat eindeutig und klar beschrieben: Wenn der Demokratie hier in Thüringen Gefahr droht, dann von rechts außen. Ich bemerke, und ich bin ja bei der einen oder anderen selbst vor Ort gewesen, auch ein Umdenken, ein Weiterdenken, was die Polizeistrategien dann vor Ort betrifft. Ich bemerke, was die Rechtsextremen betrifft, dass die an
gemessen härter angepackt werden, dass es Alkoholproben gibt, dass man keine selbst gemeldeten Ordnungskräfte bei denen zulässt, die vorbestraft sind und Ähnliches. Das hat es vor zwei Jahren alles noch nicht gegeben. Ich bemerke, dass Polizeipsychologen, wenn dann rechts und links aufeinander treffen, zunehmend eine wichtigere Rolle spielen, und das halte ich für gut so. Ich will dazu aber auch sagen, ich bemerke auch, dass unterschiedliche Führer, Leiter von solchen Lagen teilweise noch recht unterschiedlich handeln und recht unterschiedliche Ansichten haben. Da gibt es den einen, der legt großen Wert auf die Meinung des Polizeipsychologen in solchen Situationen und der legt auch großen Wert darauf, dass zum Beispiel keine schwere Technik der Polizei vorhanden ist, zumindest nicht sichtbar. Dann gibt es andere, deren Lieblingskind scheint eben noch der Wasserwerfer zu sein und da ist überhaupt noch nichts passiert auf dem Platz, aber zwei Stunden vorher steht der schon da. Also, ich erkenne positive Tendenzen an, aber wir brauchen auch, was die Führung in solchen Lagen betrifft, ein Stückchen einheitlicheres Vorgehen.
Neben dem, was ich hier positiv bemerkt habe, muss ich dann aber doch mal ein paar Zahlen nennen. Sie sind zwar noch genannt worden, aber, ich glaube, man kann sie nicht oft genug nennen und ich will sie detaillierter nennen. Ich komme aber, Herr Innenminister, an der Stelle zu einer anderen Wertung als Sie. Vergangene Bundestagswahl: Die NPD konnte ihre Zweitstimmenzahl in Thüringen im Vergleich zur Bundestagswahl 2002 nahezu vervierfachen. Sie stiegen von 0,9 Prozent auf 3,7 Prozent, bei der Landtagswahl hatten sie 1,6 Prozent. Auf der Ebene der Landkreise und der kreisfreien Städte lagen die Ergebnisse bei den Bundestagswahlen zwischen 2,3 Prozent in Erfurt und 5 Prozent im Kreis SaalfeldRudolstadt. Die NPD war dabei in den ländlichen Regionen stärker als in den Städten, nur in vier Städten mit mehr als 5.000 Einwohnern erreichten sie mindestens 5 Prozent. Außerhalb der kreisfreien Städte überholte die NPD landesweit die Grünen. In 34 Orten und Stadtteilen erzielte die NPD zweistellige Erst- oder Zweitstimmenergebnisse, Spitzenreiter hier an dieser Stelle ist mit 2,4 Prozent Lauscha im Kreis Sonneberg. Und weil Ihre Einschätzung nicht ganz richtig war, dass es hier ein Bündnis der Rechtsextremen gegeben hat, dieses Bündnis hat es eben so nicht gegeben. Die Republikaner sind zum Beispiel gegen die NPD oder neben der NPD dort angetreten. Ich bin kein Schwarzmaler, wenn ich behaupte, wenn es dieses Bündnis auf der extrem rechten Seite in aller Konsequenz gegeben hätte und wir hätten Landtagswahlen, säßen sie heute unter uns. Das ist schlicht und einfach eine Tatsache, die sich nicht schönreden lässt.
Jetzt kann ja einer die berechtigte Frage stellen: Herr Gentzel, wie passt denn das zusammen; auf der einen Seite durchaus positive Bemerkungen zur Thüringer Polizei und zum Verhalten und dann aber dieses Wahlergebnis? Und da - der Herr Ministerpräsident ist nicht mehr da - sind wir nach meiner Auffassung beim heutigen Dilemma. Herr Innenminister, wenn wir das mal ganz ehrlich und nicht so hochgestochen formulieren, Sie bekommen doch im Endeffekt den Bettel vor die Füße geknallt, wenn kaum noch was zu tun ist. Wenn diese Rechtsorientierung, wenn diese ideologische Einstellung so gefestigt ist, dass die Menschen dafür bereits auf die Straße gehen, dass sie Gewalttaten ausüben - da liegt unser großes Problem und da haben wir auch untereinander Riesenprobleme. Sie hätten heute hier nicht reden müssen. Hier hätte heute der Sozialminister und der Bildungsminister etwas zum Thüringen-Monitor sagen müssen.
Und da bin ich bei meiner großen Kritik bei Ihrem Ansatz, Rechtsradikalismus zu bekämpfen. Wir müssen viel, viel stärker an die Ursachen herangehen, an die Prävention herangehen und uns nicht erst fragen, wenn die Leute auf der Straße sind, wenn sie Flaschen schmeißen, wenn sie Häuser anzünden, was ist denn da passiert? Denn dann ist es doch in den meisten Fällen viel zu spät. Deshalb, ich bin enttäuscht, dass weder Sozial- noch Bildungsminister sich heute zu dieser Thematik äußern, denn dort müssen wir ansetzen. Ich formuliere noch einmal meinen Wunsch: Wir müssen dort gemeinsam ansetzen. Herr Innenminister, Sie haben richtig von den Partnern gesprochen, die wir brauchen. Da bin ich wieder in dem Bereich Bildung und in dem Bereich Sozialministerium. Die Partner, seien es die Eltern, seien es die Lehrer, ich füge die Vereine, die Verbände, die Institutionen hinzu, die müssen wir für uns gewinnen. Die müssen wir für diese Sache gewinnen. Teilweise haben wir es ja schon. Aber dann müssen wir uns doch einmal ehrlich anschauen, wie gehen wir denn in diesem Zusammenhang mit unseren Partnern, die wir uns so wünschen, um. Ich will mir hier alles zur Familienoffensive, zum Thema, wie gehen wir mit unseren Eltern um, ersparen. Ich merke nur, nicht nur außerhalb des Hauses, auch in meinem Kommunalparlament haben die Abgeordneten von der CDU ein diametrales anderes Verständnis von dieser Familienoffensive als Sie hier in der Mitte. Ob das zu einer Sicherheit bei den Eltern beiträgt, darüber müssen wir nicht lange diskutieren.
Der nächste gewünschte Partner - die Lehrer. Meine Damen und Herren, da geht mir das Herz auf. Aber dann halte ich auch inne, weil ich in der Politik gelernt habe, dass man, wenn man dort all zu starke Kritik wagt, sehr schnell in die Ecke gestellt wird. Aber
da schaue ich hier einmal jeden im Raum an. Die persönlichen Erfahrungen, die jeder selbst schon gemacht hat, nicht nur die guten, ist das nicht auch ein Punkt, dass wir einmal anfangen, darüber zu reden. Ich will das einmal ganz einfach in einen Satz fassen: Ich wünsche mir einen Bildungsminister, der endlich einmal klar und deutlich ausspricht, dass wir Demokraten als Lehrer haben. Davon gehe ich in jedem Fall aus. Das ist in Ordnung. Aber unser Ziel ist es, bekennende Demokraten in Thüringen an den Schulen zu haben. Was sich da teilweise abspielt, wie mit dem Totschlagargument, keine Politik in meiner Schule, Dinge abgewehrt werden, die wirklich wichtig wären, auch bei der Bekämpfung von Rechtsradikalismus,
ist in diesem Hause ein Tabuthema und wird schöngeredet in einer Art und Weise, die vollkommen kontraproduktiv ist.
Frau Lieberknecht, wenn Sie Wünsche äußern, in welche Richtung der nächste Monitor geht, ich habe auch einen; sich einmal mit dem Thema Schule eindeutig zu beschäftigen. Ich habe mir aus dem Thüringen-Monitor nur eine Seite mitgenommen, und zwar die Einstellung der Thüringer ab dem Alter 34, die beide Systeme erlebt haben, sowohl die DDR als auch den Freistaat Thüringen, was sie über das Bildungssystem in der DDR sagen. Zu über 80 Prozent eine absolut positive Einstellung. Ist das nicht eigentlich eine Backpfeife für alle die, die uns in diesem Haus ständig das Gegenteil erzählen? Ist das nicht eigentlich eine Backpfeife, ist das nicht eigentlich ein Anzeichen von einem Realitätsverlust in diesem Bereich, der kaum noch zu beschreiben ist? Ich finde das nicht gut. Aber wenn wir uns hier wirklich darüber unterhalten müssen, ehrlich unterhalten wollen, wie geht es denn weiter in dem Bereich Rechtsextremismus, ist das für mich ein ganz wesentlicher Schlüssel, der endlich ehrlich, auch einmal mit ein bisschen Gegenwind hier in diesem Haus diskutiert werden muss und nicht immer schöngeredet werden muss.
In den Vereinen, Sport und Kultur - schauen Sie sich an, was Sie mit dem Haushalt machen! Schauen Sie sich das Verhältnis von Spitzen- und Breitenkultur in Thüringen an. Dazu brauche ich gar nichts mehr zu sagen. Letztendlich halte ich das schon für unverschämt, Herr Ministerpräsident, was Sie an dieser Stelle gemacht haben. Sie haben, und das kann ich nur unterstreichen, zum Beispiel die Landeszentrale für politische Bildung sehr gelobt. Für mich in Thüringen vom Fachlichen her, vom Engagement der Kolleginnen und Kollegen dort ein Grundpfeiler im Kampf gegen Rechtsextremismus, was da für Kompetenz sitzt, was da für Ideen sitzen. Und jetzt sehen Sie sich im Haushalt an, was Sie mit den Leuten machen. Die
verzweifeln langsam, die wollen nämlich und können nicht mehr. Die haben die Ideen für die Programme, die man vielleicht nicht immer so gut in der Politik verkaufen kann, aber die vor Ort funktionieren. Die haben die Ideen und denen schlagen Sie mit Ihrem Haushalt die Füße weg. Dann kommen wir zu Wahlergebnissen, wo Sie sich plötzlich hinstellen und sagen, wie kommen wir denn dazu. Aber wenn wir über die Bekämpfung von Rechtsradikalismus in Thüringen reden, und zwar mit der Zielstellung, auch einmal zu Ergebnissen zu kommen, auch einmal zu positiven Thüringen-Monitoren zu kommen, auch einmal zu Wahlergebnissen zu kommen, wo man sagen kann, sie haben abgenommen, dann müssen wir diese Dinge angehen.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen einen Vorschlag machen. Lassen Sie uns alles, was in der Diskussion in den letzten Wochen und Monaten zu diesem Thema gelaufen ist, abräumen. Lassen Sie uns jetzt einmal wirklich - und der Thüringen-Monitor muss der letzte Ansatz dazu gewesen sein, sonst sitzen 2009 hier die Neonazis im Landtag und auch in den Kommunalparlamenten - alles abräumen mit unseren gegenseitigen Vorurteilen, da meine ich ausdrücklich auch die SPD, die wir zu den einzelnen Projekten haben und lassen Sie uns doch die endlich einmal zusammen ansehen und schauen, was da wirklich passiert. Ich will Ihnen nur vier Beispiele nennen, wo wirklich unbedingt Diskussions- und Handlungsbedarf besteht. Die KostG - ich war nie ein Freund der KostG -, die da vernetzen soll, aber wenn es schon Ihre Idee war, wenn Sie so darauf setzen, warum behandeln Sie sie so mies, wie Sie das im Augenblick tun. Vom Innenministerium, wo uns immer klar erklärt worden ist, warum sie dort sitzt, rüber zum Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit. Wer sich mal die Personalpolitik dort an der Spitze ansieht, der muss doch zu dem Ergebnis kommen, wer in der Landesregierung auf irgendeiner Verwaltungsebene gerade übrig ist, der wird jetzt einmal Chef von der KostG.
Aber es ist doch kein Ansatz. Selbst wenn ich ein Anhänger dieser KostG wäre, so geht es doch nicht. Da gehört kein im Augenblick verhinderter Jurist an die Spitze, da gehört kein verhinderter Sicherheitspolitiker hin, sondern jemand, der sich mit dieser Materie auskennt. Dort muss Kontinuität dort an der Spitze sitzen, wenn Sie diese KostG so wollen.
Zweites Beispiel, worüber wir unbedingt reden müssen: Ich will als Stichwort „MOBIT“ nennen. Ich kann ja teilweise noch nachvollziehen, als sich dieses gegründet hat, dass es an der einen oder anderen Stelle Vorbehalte gegeben hat, aber insbesondere bei MOBIT muss man doch mittlerweile erkennen,
wenn es irgendwo in Thüringen brennt, zuerst werden die Leute von MOBIT gerufen, weil die gut sind, weil die wissen, wovon sie reden, weil sie den Bürgermeistern, egal welcher Couleur, vernünftige Handlungshinweise geben können. Und wie behandeln Sie MOBIT? Da geht es nicht darum, dass Sie Gelder dort kürzen, Sie müssen denen erst einmal einen Euro in den Haushalt einstellen. Sie lassen die Leute, die vor Ort mit den Kommunalpolitikern hervorragend zusammenarbeiten, dermaßen im Regen stehen, nicht einen Pfennig Landesmittel für diese Truppe. Es gibt viele hier, aller Couleur, die in den letzten Wochen und Monaten nur gute Erfahrungen mit denen gemacht haben. Aber was ist denn jetzt das Ergebnis dieser guten Erfahrungen?
Ich will Ihnen als Drittes sagen, wo ich schlechte Erfahrungen mache. Herr Innenminister, Sie haben an der Stelle sicherlich stellvertretend für den Bildungsminister mal die Maßnahmen gegen Gewalt und Extremismus hier vorgelesen. Wissen Sie, ich habe hier ein Papier. Man hat die Unverschämtheit besessen, den Abgeordneten, die im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit sitzen, mal eine Auswertung dieser Projekte zu geben. Da sage ich Ihnen eins, das ist tiefste DDR. Da wird nur noch abgerechnet, wann man etwas gemacht hat, wer etwas gemacht hat und wie viel gemacht worden ist. Ob es unsere Lehrer befähigt, mit dieser schwierigen Klientel umzugehen - kein Wort. Ob wir ein bisschen Kontinuität in der einen oder anderen Veranstaltung bräuchten - kein Wort. Ein reiner Nachweis, dass ich was bei mir gemacht habe, ob das einen Sinn hat, ob da Dinge zu verstärken sind, ob wir uns Dinge, die übrigens auch Geld kosten, sparen können, weil sie im Endeffekt zu keinem Ergebnis führen - kein Ton. Und das ist die Arbeit, die hier abgeliefert wird. Ich sage, lassen Sie das weg. Ich lasse nicht nach in meiner Forderung nach einem Landesprogramm gegen rechts. Wenn es Scheuklappen gibt, lassen Sie es uns anders nennen, wenn das der große Durchbruch sein kann. Lassen Sie uns ernsthaft darüber reden - ohne Schuldzuweisungen -, was bisher in Thüringen funktioniert, das gibt es, wo wir zugelegt haben und wo wir das eine oder andere vor die Wand gefahren haben. Dann lassen Sie uns das, was wir vor die Wand gefahren haben, insbesondere in der Prävention, endlich ändern und hören Sie auf, darauf zu hoffen, dass irgendwann durch irgendeinen Grund, den keiner beeinflussen kann, die Anzahl der Rechtsradikalen und ihre Aktivitäten zurückgeht. Wir werden sonst ein ähnlich böses Erwachen erleben wie im Sächsischen Landtag und dann werden mit öffentlichen Mitteln die Strukturen der Neonazis in Thüringen gestärkt und dann liegt das Kind endgültig im Brunnen. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.
Verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren Kollegen und Kolleginnen Abgeordnete, werte Damen und Herren von der Landesregierung, ich will es ganz kurz machen und nur zwei Dinge sagen. Als Erstes möchte ich mich bedanken, und zwar bei Herrn Innenminister Dr. Gasser für seinen gerade gebrachten Beitrag. Meines Wissens ist es das erste Mal, dass sich so ausführlich mit einem so wichtigen Teil dieser Studie Thüringen-Monitor hier im Plenum befasst wurde.
Natürlich ist es ganz normal, dass wir als Oppositionspartei nicht mit allen Interpretationen, mit allen Analysen und Schlussfolgerungen des Innenministers übereinstimmen, sondern andere Meinungen haben. Wir denken aber, für eine sachdienliche Debatte wäre es falsch, jetzt hier zu streiten, sondern wir, und das ist das Zweite, was ich sagen möchte und damit bin ich auch schon am Ende meiner Rede, werden die Debatte im Innenausschuss suchen und werden Herrn Dr. Gassers Schlussfolgerungen und Interpretationen im Innenausschuss mit Ihnen, verehrte Damen und Herren, diskutieren wollen. Vielen Dank.
Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Ich schließe damit die Aussprache zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Ich habe es vorhin angedeutet oder angesagt, dass ein Entschließungsantrag in Drucksache 4/1345 vorliegt. Wird hier die Ausschussüberweisung beantragt? Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir direkt ab über diesen Entschließungsantrag. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte.
(Zwischenruf Dr. Fuchs, Die Linkspar- tei.PDS: Nur nicht hinterfragen, wo die Ergebnisse herkommen.)