Das bürgerunfreundliche Verhalten ist ein sehr schillernder Begriff. Ich glaube, er ist juristisch nicht trennscharf genug, um ihn in ein Gesetz aufzunehmen, denn was ist denn das? Ein Bürger, der ein Knöllchen erhält, wird darin immer ein bürgerunfreundliches Verhalten sehen. Eine Abrissverfügung eines maroden Gebäudes ist für den, dessen Gebäude abgerissen werden soll, möglicherweise sehr unfreundlich und für den Nachbarn sehr freundlich. Es bleiben so einige Dinge dabei sehr offen, die später in einer juristischen Auseinandersetzung, was ist bürgerfreundliches Verhalten - wir leben ja nicht im rechtsfreien Raum, auch der Bürgerbeauftragte nicht -, glaube ich, zu großen Schwierigkeiten führen, die kaum behebbar sind.
Diese Zweidrittelmehrheit, die ich eben ansprach, ist ja - ich komme jetzt zum Entwurf der Linkspartei.PDS für den Bürgerbeauftragten - auch dort Gegenstand des Vorschlags. Dort wird nun allerdings dann auch noch sehr viel weiter gegriffen: Vereine, Verbände, Einzelpersonen sollen das Recht haben,
dem Landtag entsprechende Personalvorschläge für das Amt des Bürgerbeauftragten zu unterbreiten und im ersten Arbeitsgang soll es dann die Landtagsverwaltung richten und in allen folgenden der dann noch amtierende, hoffentlich amtierende oder nicht mehr amtierende Bürgerbeauftragte. Wenn man sich das jetzt zusammen vorstellt, diese Breite der Vorschläge plus Zweidrittelmehrheit, dann kann man sich sehr schnell überlegen, wie lange Vakanzen denn wohl dauern können und dauern werden und was passiert, wenn die Amtszeit des Bürgerbeauftragten beendet ist, bevor diese gewaltige Prozedur abgearbeitet ist.
Ich weise nur darauf hin, das sind keine schwachen Argumente, wir haben doch jetzt das gleiche Problem, jetzt soll das Gesetz geändert werden, wir warten darauf.
Herr Minister, können Sie mir mal weiterhelfen, in welcher Eigenschaft Sie jetzt zu einer parlamentarischen Angelegenheit reden. Petitionswesen und genau die Gesetzlichkeiten, die Entwürfe hier aus dem Hause, die wir hier diskutieren, sind Sache des Landtags. Haben Sie jetzt eine juristische Bewertung, dann, denke ich, kann man das abarbeiten, aber wenn Sie jetzt aus Sicht der Landesregierung politisch und inhaltlich Gesetzentwürfe aus diesem Hause bewerten, dann kann ich jetzt der Angelegenheit nicht mehr folgen und bitte um Aufklärung.
Frau Abgeordnete Pelke, ich rede hier als Vertreter der Landesregierung, aber ich habe zwei Aufgaben in dieser Landesregierung, die politische Bewertung und auch die juristische Begleitung von Gesetzentwürfen.
Entschuldigung, wenn ich „juristische Begleitung“ sage, das Ding wird im Justizausschuss landen. Die Landesregierung wird ihre Stellungnahme abgeben. Ich halte es - ich sage es mal ganz offen - eher für ein Zeichen der Fairness, wenn ich vorab sage, wo ich Drücke sehe und wie man abarbeiten kann, als wenn ich es verschweige und hinterher sage, na ja, das hätten wir mal alles vorher noch sagen können. Aber ich kann auch durchaus diese Bewertung zurücklassen, dann wird die Sache sehr viel einfacher.
Als Nächstes bringe ich wieder eine juristische Bewertung. Ich muss das mit dieser Deutlichkeit sagen, denn was im Entwurf der Linkspartei.PDS in einem Gesetz zur Stärkung des Thüringer Bürgerbeauftragten steht, ist schon bei überschlägiger Prüfung mit der Verfassung schlicht nicht vereinbar. Die Fülle der Aufgaben ist nicht nur ein Problem, denn hier wird ein einzelner Mensch mit Aufgaben geradezu zugeschüttet, wie soll er das schaffen, was Frau Pelke ansprach, sondern es ist so konstruiert, dass dieser Bürgerbeauftragte nichts anderes wird als ein zusätzliches Verfassungsorgan, und dies aufgrund eines Gesetzes, das die Verfassung selbst zu ändern gar nicht in Augenschein nimmt. Denn wenn der Bürgerbeauftragte all dieses tun können soll, unkontrolliert, nur der Berichtspflicht an den Landtag unterlegen, dann hat er eine größere und stärkere Stellung als etwa der Rechnungshof. Das kommt davon, wenn man denn bitte freundlicherweise die Kompetenz so weit ziehen möchte, dass der Bürgerbeauftragte in der Lage sein soll, den Vollzug von Verwaltungsakten zu unterbinden. Dafür haben wir ganz andere Mittel. Gewaltenteilung ist etwas anderes. Der Bürgerbeauftragte nach dem Entwurf der Linkspartei.PDS nimmt auf die bestehende Gewaltenteilung, die in unserer Verfassung festgeschrieben ist, die nicht änderbar ist, schlicht an dieser Stelle keine Rücksicht. Das, denke ich mal, vorweg zu sagen, ist eher wohl fair, als hinterher zu sagen, hättet ihr mal.
ausschuss. Auch hier ist zu bedenken, dass wir ein Gewaltenteilungsprinzip haben. Dieses Gewaltenteilungsprinzip besagt unter anderem, dass die Legislative die Exekutive zu kontrollieren hat. Das ist völlig unstrittig. Aber es kann nicht der Exekutive vorgeschrieben werden, wie sie auf kontrollierende Fragen und Kontrollen durch die Legislative ihre Antworten selbst organisiert. Das wieder geht nicht. Genau das versucht der Entwurf insoweit, als sich nach dem Entwurf der Petitionsausschuss unmittelbar an jede nachgeordnete Behörde wenden können soll, keine Unterrichtungspflicht der Landesregierung an die Landesregierung vorgesehen ist und genauso soll die Antwort unmittelbar und ohne Einschaltung der Landesregierung erteilt werden können oder müssen. Genau das geht nicht. Es geht aus folgendem Grund nicht: Die Landesregierung kann ihrer Ressortverantwortung, wie sie in unserer Verfassung festgeschrieben ist, dann überhaupt nicht mehr gerecht werden. Sie muss dazu in der Lage sein, zumindest rechtzeitig zu erfahren, welches Begehren vom Petitionsausschuss an welche nachgeordnete Behörde gerichtet wird. Sie ist selber verantwortlich, zu organisieren, auf welchem Weg und wie die Antwort erteilt wird. Dass das Ganze unter der großen Überschrift steht, dass eine angemessene Zeit nicht überschritten werden darf, das ist nicht die Frage dabei, sondern die Frage ist hier die des Informationsweges. Informationsweg ist kein überflüssiger Schnörkel oder keine Unbequemlichkeit, die Landesregierung muss ihrer Aufgabe gerecht werden, zu prüfen, ob im Hinblick auf Artikel 67 Abs. 3 der Thüringer Verfassung eine Antwort a) überhaupt und b) sozusagen mit welcher Detailgenauigkeit gegeben werden kann oder darf. Das sind zwei Dinge, die gern entgegenstehen und als lästig aus der Sicht eines Parlamentariers angesehen werden können, das räume ich ja ein. Nur, nach Artikel 67 Abs. 3 kann die Landesregierung die Beantwortung von Fragen und die Erteilung von Auskünften an den Petitionsausschuss - unter anderem auch an andere Ausschüsse - ablehnen, wenn dem Bekanntwerden beispielsweise schutzwürdige Interessen Einzelner, besonders aus Gründen des Datenschutzes, entgegenstehen oder wenn die Funktionsfähigkeit und die Eigenverantwortung der Landesregierung nicht nur geringfügig beeinträchtigt werden. Dieses Kontrollrecht muss der Landesregierung erhalten bleiben. Ein Gesetz, das dieses Kontrollrecht aushebelt, in dem es heißt, ja dann machen wir das alles unmittelbar und der zuständige Minister muss gar nichts erst erfahren, vielleicht hinterher mal, aber eigentlich gar nichts, ist mit unserer Verfassung an dieser Stelle nicht vereinbar.
Beim Vollzug oder Aussetzen vom Vollzug von Verwaltungsmaßnahmen - ich komme darauf noch einmal zurück - wird wohl gern eines übersehen: Wir haben dafür Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, die sind
erst einmal da. Das Anweisen, vom Vollzug abzusehen, das vorgesehen ist, verletzt wiederum den Grundsatz der Gewaltenteilung. Dass der Petitionsausschuss bei passenden Anlässen durchaus anregen kann auszusetzen, das sei ihm unbenommen, das ist nicht das Thema, denn es geht ja um das Thema „anweisen“.
Anschließend eine kurze Bemerkung noch zum Gesetzentwurf der CDU zur Änderung des Petitionsgesetzes: Auch da ist ein unmittelbarer Rechtsverkehr vorgesehen, aber dort ist der entscheidende Unterschied der, die Landesregierung wird vorher unterrichtet. Man kann zwar unmittelbar quer an die einzelne nachgeordnete Behörde gehen, aber die Landesregierung wird vorher unterrichtet. Genau das, diese vorhergehende Unterrichtung, versetzt die Landesregierung in die Lage, dann ihrerseits das eigene Organisatorische zu treffen, damit die Antwort verfassungsgemäß erteilt wird. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es gibt ein paar Dinge, auf die ich reagieren will, weil ich glaube, dass sie einfach wichtig sind für das Verständnis, nicht unbedingt hier im Hause, aber vor allem in der Öffentlichkeit.
Ich weiß nicht, Frau Pelke, inwieweit Ihr Einwurf eben formal korrekt war. Ich bin immer davon ausgegangen, die Landesregierung darf sich hier zu jeder Zeit und in jeder Angelegenheit äußern.
In dem Falle wäre es wahrscheinlich sogar ehrlicher gewesen, wenn die Landesregierung den Umstand, dass sie die sie tragende Fraktion eigentlich politisch unterstützen will, nicht hinter scheinbar juristischer Argumentation hätte verstecken können. Das kam aus allen Ritzen hervor, dass es im Grunde genommen hier eine hilfsweise beigezogene juristische Argumentation war, die vorgetragen worden ist, um eigentlich zu begründen, dass etwas nicht sein soll, was man politisch nicht will.
Ich will nur drei Dinge hier ganz kurz nennen, auch noch mal bezogen auf Herrn Heym. Herr Heym, ich finde es bei dem Plädoyer für Kollegialität, das Sie gehalten haben, einfach ausgesprochen unehrlich, nicht nur politisch, sondern auch menschlich unehrlich, wenn Sie den Erarbeitern des Gesetzentwurfs vorwerfen, sie hätten sich mit der Verfassungsfrage zum Beispiel nicht befasst. In der Verfassung steht: „in der Regel nicht öffentlich“. Das lässt Ausnahmen zu, so einfach ist die Frage. Das weiß selbst ich als Nichtjurist und wir haben ja auch andere Möglichkeiten, diese Regularität zu durchbrechen. Das heißt, wenn jemand eine andere Meinung vom Gebrauch von Öffentlichkeit von Ausschuss-Sitzungen hat, dann muss das doch nicht sofort auf Dummheit oder Faulheit im Umgang mit der Verfassung zurückzuführen sein, er kann doch einfach eine andere Auffassung dazu haben. Die Bayern machen es nun einfach öffentlich und mir ist aus Bayern aus öffentlichen Petitionsausschuss-Sitzungen noch nicht bekannt geworden, dass es zu datenschutzrechtlichen oder sonstigen Debakeln geführt hätte.
Noch eines, Herr Heym, dieser Gestus der sogenannten Sachlichkeit: Sie haben uns gebeten, zur Sachlichkeit zurückzukehren. Ich werde aber das Gefühl nicht los, als ob für Sie Sachlichkeit ist, wenn wir oder die Ihrer Meinung sind. Gewöhnen Sie sich doch einfach mal daran, dass man auch dort, wo man unterschiedlicher Meinung ist, sachlich miteinander umgehen kann. Entschuldigen Sie bitte, diese Demokratie lebt im Grunde vom Dissens, nicht vom Konsens. Der Dissens ist es, was diese Demokratie vorantreibt und deswegen kann man trotzdem sachlich miteinander umgehen.
Herr Minister, Zweidrittelmehrheit muss nicht immer der kleinste gemeinsame Nenner sein; das wissen Sie ganz genau. Dort, wo Politikerinnen und Politiker nicht bereit sind, sich die notwendige Mühe mit sich selbst, vor allem aber mit den Bürgerinnen und Bürgern zu geben, kommt dann entweder gar nichts oder eben nur der kleinste gemeinsame Nenner heraus. Das ist dem Amt des Bürgerbeauftragten dann tatsächlich nicht zuträglich.
Warum Sie sich nicht vorstellen können, dass der Landtag eine Regelung findet, wie man mit Vorschlägen von Abgeordneten, Fraktionen, vielleicht dem ganzen Hause, Organisationen von draußen oder einzelnen Bürgerinnen und Bürgern umgeht, entzieht sich völlig meinem Verständnis. Da müssen nicht lange Vakanzen rauskommen. Wenn man sich mit den Anliegen, den Sorgen, den Nöten und den Be
dürfnissen von Bürgerinnen und Bürgern die notwendige Mühe geben will, dann ist man auch in der Lage, einen Weg zu finden, der nicht unbedingt im kleinsten gemeinsamen Nenner endet. Wir haben nicht nur die Landtagsverwaltung, wir haben auch einen Ältestenrat, der sich eventuell damit befasst. Es gibt Möglichkeiten, das wissen Sie ganz genau.
Herr Minister, wenn ich schon so weit gehe, zu sagen, die Landesregierung darf sich im Landtag zu jedem Gegenstand äußern, wie sie will, dann verlange ich allerdings, dass der Minister die Vorlagen, zu denen er sich äußert, gründlich gelesen hat. Wenn Sie unserem Bürgerbeauftragtengesetz gegenüber den Vorwurf erheben, wir würden ein zusätzliches Verfassungsorgan schaffen, weil der Bürgerbeauftragte den Vollzug von Verwaltungsakten unterbinden könne, dann bitte ich Sie einfach, Herr Minister, lesen Sie den Gesetzentwurf noch mal. Dort gehen wir davon aus, dass der Bürgerbeauftragte, wenn er einen Übelstand feststellt, der Verwaltung nahelegt, es anders zu tun. Danke.
Ich habe jetzt noch die Redemeldung von Herrn Abgeordneten Gentzel von der SPD-Fraktion gesehen und von Herrn Abgeordneten Wehner von der CDUFraktion, verweise aber noch einmal darauf, weil es jetzt wieder die Aufregung zum Sachverhalt gab, dass die Rechtsauffassung, die der Abgeordnete Hahnemann nach seiner Vermutung als richtig erkannt hat, auch die richtige Rechtsauffassung dazu ist. Ich verweise in dem Zusammenhang auf Artikel 66 der Verfassung, insbesondere Absatz 2 in Verbindung mit der Geschäftsordnung § 26 Abs. 2, so dass wir dieses Problem jetzt erst mal abschließen können. Herr Abgeordneter Gentzel.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, als ehemaliges Mitglied des Petitionsausschusses habe ich die Diskussion gern verfolgt. Ich fand sie gar nicht so unsachlich, will ich an dieser Stelle als Außenstehender von all dem, was gekommen ist, sagen. Dass der eine oder die andere Rednerin auch immer versucht, das eigene Profil etwas zu schärfen bei solchen Sachen, das ist doch vollkommen normal.
Mich hat eine andere Sache nach vorn getrieben. Ich will das in aller Ruhe aber ziemlich deutlich sagen, ich bin ein Verfechter von klaren Spielregeln hier in dem Haus. Ich will deutlich sagen, ich halte die Wortmeldung vom Justizminister Schliemann an dieser Stelle für alles andere als angebracht zu die
Ich weiß, dass die Landesregierung jederzeit das Recht hat, hier das Wort zu nehmen, aber es gibt Spielregeln. Es gibt demokratische Spielregeln, die nicht überall festgeschrieben sind, aber an die man sich hält. Was den Petitionsausschuss und diese Gesetze betrifft, hat man sich meines Wissens bisher 17 Jahre daran gehalten. Deshalb will ich an dieser Stelle mal ein deutliches Stoppzeichen setzen.
Dieses ist zuallererst ein Gesetz des Parlaments. Wenn Sie, Herr Schliemann, ich will das mal so sagen, als Justizminister juristische Bemerkungen dazu gemacht hätten, hätte ich gesagt, okay, wir lassen es laufen. Aber dass Sie sich politisch als Landesregierung zu einem Verfahren äußern, welches auch das Handeln der Landesregierung kontrolliert, das hat für mich schon ein bisschen ein Geschmäckle, und ich will hier mit aller Deutlichkeit mehr Respekt vor diesem Parlament, mehr Respekt vor der Legislative einfordern! Dieses Petitionsgesetz ist zuallererst unsere Sache. Wenn es juristische Einwendungen gibt, bin ich gern bereit - ich will das noch einmal sagen -, da zuzuhören. Aber was Sie gemacht haben, waren keine juristischen Einwendungen. Das waren zum Großteil politische Bewertungen und Ähnliches und - das sage ich ganz deutlich - nach meiner Auffassung, und so ist es bisher auch in diesem Haus gewesen, steht das der Landesregierung in der ersten Lesung bei einem solchen Gesetz nicht zu. Ich bitte ganz einfach an dieser Stelle, wenn man auf Kabinettsebene auch das Parlament und die Parlamentssitzung vorbereitet, zukünftig auf solche Dinge auch ein Stückchen Rücksicht zu nehmen. Es ist einfach eine Frage von klaren demokratischen Spielregeln hier in diesem Haus. Ich danke Ihnen.