Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

Kontrollen an den Schengen-Binnengrenzen hat das praktische Erfordernis eines effektiven Zusammenwirkens der Polizeien in den Staaten Europas verstärkt. Bedeutendes Kernelement der Zusammenarbeit ist der Austausch personenbezogener Daten zur Abwehr von Gefahren, für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Der Bund hat auf völkerrechtlicher Ebene eine Vielzahl von Verträgen zur Polizeikooperation geschlossen, die u.a. den Austausch von Informationen und personenbezogenen Daten vorsehen. Die Vorschriften zur Datenübermittlung des § 41 PAG werden an diese Entwicklung angepasst, um den zunehmenden internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zur grenzüberschreitenden Polizeikooperation nachkommen zu können. Die im Polizeiaufgabengesetz enthaltenen Regelungen zur internationalen Datenübermittlung werden dementsprechend fortentwickelt. Schließlich werden aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur präventiven Rasterfahndung die Tatbestandsvoraussetzungen den Vorgaben des Gerichts angepasst. Nunmehr ist - und das ist wichtig für eine solche Maßnahme - das Vorliegen einer konkreten Gefahr gefordert.

Gestatten Sie mir, nun auf die wichtigsten Änderungen im Verfassungsschutzgesetz einzugehen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus sind wirkungsvolle Befugnisse für die Sicherheitsbehörden erforderlich. Das bedeutet allerdings auch, dass diese Befugnisse in der Praxis umsetzbar sein müssen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Wohnraumüberwachung schließt die Befugnis des Verfassungsschutzes zur akustischen Wohnraumüberwachung nicht aus. Zwar entfalten die aufgestellten Maßnahmen keine unmittelbare Bindungswirkung für die gesetzlichen Ermächtigungen der Verfassungsschutzbehörden, ihre Kriterien sind jedoch für die rechtliche Ausgestaltung der Wohnraumüberwachung durch den Verfassungsschutz zu beachten. Vom Instrument der Wohnraumüberwachung wurde durch die Verfassungsschutzbehörden der Länder praktisch kein Gebrauch gemacht. Die präventive Wohnraumüberwachung nach Artikel 13 Abs. 4 des Grundgesetzes knüpft nämlich an den Gefahrenbegriff an und erfordert die Bedrohung besonders herausragender Rechtsgüter. Praktisch bedeutet dies, dass auch im Rahmen der Vorfeldaufklärung - also in dem Rahmen, in dem der Verfassungsschutz seinen gesetzlichen Auftrag erfüllt - eine solche Gefahr vorliegen muss. Dies ermöglicht und erfordert aber bereits den Einsatz polizeilicher Befugnisse auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr. Für den Verfassungsschutz wäre eine Wohnraumüberwachung in eigener Zuständigkeit daher nur im Wege der Nachrangigkeit zu polizeilichem Handeln zulässig. Damit wären praktische Anwendungsfälle für den Verfassungsschutz allenfalls konstruierbar, jedoch

praktisch nicht durchführbar. Der Gesetzentwurf verzichtet daher auf das Instrument der Wohnraumüberwachung durch den Verfassungsschutz.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, Die Linkspartei.PDS: Wer soll das kont- rollieren?)

Allerdings soll eine Befugnis, die den Einsatz sogenannter Personenschutzsender ermöglicht, erhalten bleiben. Um das deutlich hervorzuheben: Es handelt sich dabei nicht um einen Fall der Wohnraumüberwachung. Vielmehr sollen Bedienstete des Verfassungsschutzes geschützt werden, die im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags unter einer vorgegebenen Identität in einem zumeist konspirativ arbeitenden, extremistischen Milieu eingesetzt werden. Jeder, der sich diese Szene vorstellen kann, weiß um diese besonderen Gefährdungen bei einem solchen Einsatz. Wir haben daher die Verantwortung, dass diese Personen auch angemessen geschützt werden. Die Regelung folgt den Vorgaben des Artikels 13 Abs. 5 und 6 des Grundgesetzes in vollem Umfang.

Eine weitere Änderung im Verfassungsschutzgesetz betrifft die Nutzbarmachung der Befugnisse des Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzes vom 5. Januar 2007. Diese betreffen etwa Auskunftsersuchen an Kreditinstitute, Postdienstleister, Telekommunikationsanbieter und Luftverkehrsunternehmen. Dazu werden in § 5 Thüringer Verfassungsschutzgesetz unter anderem das Antragsverfahren und die parlamentarische Kontrolle entsprechend den Bundesbestimmungen gleichwertig geregelt.

Mit der Ergänzung in § 6 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes wird eine Bestimmung eingefügt, die die Kontrolle der Tätigkeit des Verfassungsschutzes erhöht. Die Regelung, die in Abstimmung mit der Parlamentarischen Kontrollkommission erarbeitet wurde, legt fest, dass der Innenminister die Präsidentin des Thüringer Landtags und den Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission unterrichtet, falls durch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz Abgeordnete des Thüringer Landtags mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden sollen.

Ähnliche gesetzliche Regelungen haben bislang nur Sachsen und Sachsen-Anhalt in ihren Gesetzen. In § 7 Thüringer Verfassungsschutzgesetz wird zudem eine Ermächtigung geschaffen, die den Einsatz des sogenannten IMSI-Catcher zulässt. Dieser ermöglicht es, Geräte- und Kartennummern von Mobiltelefonen zu ermitteln und den Standort des Geräts zu lokalisieren. So können durch den Netzbetreiber Telefonnummer und Person zugeordnet werden, was für einen etwaigen Beschränkungs

antrag nach Artikel-10-Gesetz von Bedeutung ist.

Lassen Sie mich nur noch kurz einige wenige Anmerkungen zu den weiteren Artikeln des Gesetzentwurfs machen. Das Gesetz zur Ausführung des Artikel-10-Gesetzes bedarf aufgrund der Änderung im Artikel-10-Gesetz des Bundes der landesrechtlichen Anpassung. Hier findet, wie bei einem Ausführungsgesetz nicht unüblich, eine enge Anlehnung an das die Befugnisse regelnde Bundesgesetz statt. So werden insbesondere Pflichten im Umgang mit personenbezogenen Daten aus G-10-Maßnahmen verschärft und die Kontrolltätigkeit der G-10Kommission auf die Verarbeitung und Nutzung der aus G-10-Maßnahmen gewonnenen Daten erweitert. Die Änderungen im Thüringer Sicherheitsüberprüfungsgesetz sind redaktioneller Art bzw. gehen von ihrer Bedeutung her nicht signifikant darüber hinaus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf schaffen wir rechtliche Grundlagen für ein modernes Sicherheitsgefüge in Thüringen, das auf der einen Seite dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und auf der anderen Seite auch den geschützten Rechtspositionen der Bürger Rechnung trägt. Die Änderungen sind notwendig und verhältnismäßig. Mit dem Entwurf gelingt es nach meiner Einschätzung überzeugend, verfassungsrechtliche Anforderungen mit den Anforderungen an ein modernes Polizei- und Sicherheitsrecht vor der derzeitigen Entwicklung der Sicherheitslage in Einklang zu bringen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Hahnemann, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eigentlich könnte heute ein guter Tag für die Bürgerrechte sein, aber eben nur eigentlich. Grundrechtswidrige Eingriffsnormen in Thüringer Sicherheitsgesetzen könnten beendet, die entsprechenden Regelungen zurück auf den Boden der Verfassung gestellt werden. Sowohl die Rasterfahndung als auch der „Große Lauschangriff“ bewegten sich nach Ansicht der Verfassungsgerichte außerhalb der Grundrechtsnormen dieser Gesellschaft. Man könnte jetzt etwas dazu sagen, ob es Aufgabe von Gerichten sein sollte, ständig Fehlentwicklungen in der Politik zu korrigieren. Eines Eindrucks kann sich die Öffentlichkeit aber kaum erwehren: Sicherheitspolitik übertritt zunehmend ganz bewusst die Grenzen der

Verfassung und lässt sich dann zähneknirschend und oft auch uneinsichtig durch Verfassungsrichter zurückpfeifen - ein falscher Weg, wie nicht nur wir meinen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Politik sollte sich eigentlich aus eigenem Antrieb innerhalb der Grenzen der Verfassung bewegen und die mit ihr begründeten Grundrechte nicht als zu überwindende Schranken, sondern als Leitideen einer freien und offenen Gesellschaft begreifen - aber weit gefehlt. Es ist also kein guter Tag für die Grundrechte, sondern während an der einen Stelle die Zügel widerwillig gestrafft werden, wird an anderer Stelle dem Pferd „Überwachungsstaat“ zünftig die Sporen gegeben.

Zum Verfassungsschutzgesetz: Die verfassungswidrige Überwachung von Abgeordneten wird ausdrücklich legitimiert. Nachträgliche Unterrichtung des Vorsitzenden der PKK und der Präsidentin ist lächerliche Kosmetik für einen solchen vehementen Eingriff in die Rechte eines Parlamentariers.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Ganze zieht im Übrigen keinerlei Konsequenzen nach sich. Die Bespitzelung von Abgeordneten, meine Damen und Herren, ist aber nicht irgendwie ein Schönheitsfehler der parlamentarischen Demokratie; sie steht dieser diametral entgegen und müsste eigentlich beendet werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wer jetzt die leidige NPD ins Feld führt, dem sage ich, um zu erkennen, dass die sächsische Fraktion der NPD Antisemiten, Holocaustleugner und Kriminelle vereint, dafür brauche ich keinen Verfassungsschutz.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Kritik haben wir auch an den Möglichkeiten zum Abhören durch den Geheimdienst. Die Zugriffsrechte auf Daten bei Anbietern von Telekommunikationsleistungen sind vollkommen unbeschränkt. Weder Voraussetzungen noch Anlass sind gesetzlich fixiert. Der Geheimdienst darf sich nun ohne eigentliche Schranken Verbindungsdaten von Telefon- und Internetnutzern einholen. Und wenn er dies nicht schon tut, wie bei der Onlinedurchsuchung, wird er es in Zukunft in großem Maßstab auch machen.

In § 7 ist der Einsatz der sogenannten IMSI-Catcher zur Erstellung von Bewegungsprofilen erstmalig vorgesehen. Diese Technik, mit der auf der Mobilfunkkarte gespeicherte Daten ausgelesen und der

Standort des Mobiltelefons innerhalb einer Funkzelle ermittelt werden kann, arbeitet gegenüber dem Handy wie eine Basisstation. Alle Handys, also auch Mobiltelefone Dritter, buchen sich bei dieser Funkzelle ein. Das verletzt also nicht nur die Rechte des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung, sondern es bezieht zahllose unbeteiligte Dritte ohne deren Wissen in die Überwachungsmaßnahme mit ein.

Der „Große Lauschangriff“ durch den Geheimdienst wird dann erlaubt, wenn eine Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen erforderlich ist. Wer aber zum Kreis der tätigen Personen gehört, ob es sich um Angestellte der Geheimdienste oder um VLeute handelt, das ist genauso unklar wie die Frage, wann und wie diese Gefahr festgestellt wird und ob dann nicht eigentlich der Abbruch der Maßnahme in der Wohnung eher angezeigt wäre, anstatt zusätzlich auch noch eine Wohnraumüberwachung zu starten.

Meine Damen und Herren, zum Polizeiaufgabengesetz: Dieses sieht jetzt erhebliche Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte der Bürger vor. An erster Stelle ist hier sicherlich die neu geschaffene Befugnis zur Kfz-Kennzeichenerfassung zu nennen. Neben den rechtstheoretischen Fragen nach der Gesetzgebungskompetenz des Landes gibt es erhebliche bürgerrechtliche Bedenken. Diese verdeckte Überwachungsmaßnahme wird ohne Anlass eingesetzt, und zwar gegen Bürger, die sich in der Mehrzahl - das haben Sie selbst gesagt, Herr Minister - nichts vorzuwerfen haben. Zwar wird für die Öffentlichkeit behauptet, es ginge lediglich um den Abgleich erhobener Daten mit Fahndungslisten, aber das ist nicht wahr. Der Gesetzentwurf spricht eindeutig davon, dass der Abgleich der erhobenen Daten auch mit anderen Dateien möglich sein soll. Mit welchen? - fragt man sich. Eine solche Regelung öffnet der Polizei Tür und Tor, um die Kfz-Kennzeichenerfassung zum Beispiel auch zur Einschränkung des Versammlungsrechts, zur Überwachung politisch missliebiger Personen oder Ähnlichem zu nutzen.

Der Datenkrake Staat, meine Damen und Herren, neigt nun einmal zu dieser Hemmungslosigkeit; wer wüsste das besser als wir Ostdeutschen. Wenn Informationen über Bürger erst einmal erhoben sind, dann will dieser Moloch auch mehr damit anfangen, als der ursprünglichen Idee vielleicht innewohnte, aber nur vielleicht. Das kann man an der jüngsten Diskussion zu den in Reisepässen gespeicherten biometrischen Daten oder zu Fingerabdrücken sehen. Die Bürger wurden zuerst mit dem Hinweis auf die enge Verwendung der persönlichen biometrischen Daten im Reisepass lediglich zu Passzwecken beruhigt und nun giert die Polizei nach der Nutzung

dieser Dateien. Ähnliches werden wir auch noch bei den Mautdaten erleben.

Erhebliche datenschutz- und verfassungsrechtliche Bedenken haben wir auch hinsichtlich der Neufassung der Telekommunikationsüberwachung in § 34 a. Die Eingriffsschwelle ist nahezu ebenerdig. Das erfüllt nicht den Bestimmtheitsgrundsatz. Die Möglichkeit zur Unterbrechung bzw. Verhinderung der Telekommunikation als polizeiliches Mittel übrigens lehnen wir ab, insbesondere bei unbeteiligten Dritten.

Meine Damen und Herren, für fast alle Regelungen gilt eine prinzipielle Kritik: Die Aufgabe, die für das Innenministerium nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eigentlich bestand, wird nur unzureichend erfüllt. Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und der Schutz von Berufsgeheimnisträgern vor staatlicher Ausspitzelung bleiben unzureichend. Die im Gesetz vorgesehene Privilegierung der einen Vertrauensberufsgruppe vor der anderen lehnen wir auch ab. Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig, z.B. auch für Journalisten, ein Zeugnisverweigerungsrecht bejaht.

Die Neufassung der Vorschriften zur Benachrichtigung bei Überwachungsmaßnahmen halten wir im Interesse der Rechte der Betroffenen für völlig unzureichend. Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Novellierung der sogenannten Thüringer Sicherheitsarchitektur verfehlt damit das Ziel, das er nach unserer Auffassung hätte haben sollen. Er stärkt weder Grund- noch Bürgerrechte, noch schafft er für die Beamten Rechts- und Vollzugsklarheit. Das muss aber nicht verwundern. Die Landesregierung und die sie stützende Mehrheit haben dieses Ziel, die Sicherung der Grund- und Bürgerrechte, nicht. Ihnen geht es darum, halbherzig, das heißt mit dem Nötigsten, auf Rügen durch Gerichte zu reagieren. Das ist ein Grunddenken, das gesetzliche Regelungen immer wieder vor Verfassungsgerichte bringen wird, und sie schaffen gleichzeitig neue Eingriffsnormen, die womöglich solcher gerichtlichen Überprüfung ebenso nicht standhalten. Zudem werden in dieser Fassung auch Beamten sehr weite Ermessensspielräume zugewiesen, die diese mit unüberschaubaren und weitreichenden Abwägungsproblemen konfrontieren. Was uns vorgelegt wurde, das ist eben nicht das solide Gebäude einer neuen Sicherheitsarchitektur, wie es Herr Gasser unlängst beschrieb. Dieses Gebäude steht eben nicht auf dem Boden der Verfassung und achtet nicht in ausreichendem Maße die Freiheitsrechte. Dieses Regelungsgebäude hat schon jetzt demokratische Risse, diese aber nicht nur im Fundament, sondern durchgehend von unten nach oben.

Es geht nämlich im Kern um die Frage, ob Sicherheitsbehörden alles machen dürfen, was technisch möglich ist. Oder ist es vielleicht gerade ein Zeichen des Rechtsstaats, darüber nachzudenken, was gerade nicht zu den Aufgaben und Mitteln der Polizei und der Geheimdienste gehört, weil die Handhabung dieser Mittel den Rechtsstaat, die Demokratie, die Gesellschaft als Ganzes selbst im Kern gefährdet. Selbst wenn Kriminalität und Terrorismus voranschreiten, wenn der Innenminister meines Erachtens leichtfertig für Sicherheitsbehörden das Ziel ausruft, man müsse sogenannte Waffengleichheit anstreben, dann ist das doch zu hinterfragen. Sollten Polizei und Geheimdienste sich wirklich qualitativ und quantitativ mit denen messen, die bereit sind, Angst zu säen, zu foltern und zu morden? Wie sieht am Ende der Preis aus, den alle zu zahlen haben, nur weil einige wenige kurzsichtige Sicherheitsapologeten den Menschen falsches Sicherheitsempfinden vermitteln und unerreichbare Sicherheit vorgaukeln, nur weil sie nicht willens oder in der Lage sind, sich mit Ursachen von Unsicherheit und Unsicherheitsempfinden zu befassen.

Damit aber die vorgelegten Regelungen von uns nicht nur ausschließlich Kritisches gesagt bekommen, soll auch ein Regelungsvorschlag ausdrücklich positiv genannt sein. Die Vorschriften zum Umgang der Polizei mit häuslicher Gewalt sind jetzt besser gefasst als mit der bisherigen Wegweisungsregelung. Zwar wird auch hier der Rahmen der Möglichkeiten weitestgehend ausgeschöpft, wenn das Recht des Betretens der Wohnung für 14 Tage außer Kraft gesetzt wird, aber die Anwendung der Regelung ruht auf einem mehr oder weniger offen zu Tage liegenden Verdacht, ohne den es zur Anwendung der Regelung gar nicht kommen könnte.

Meine Damen und Herren, vor uns liegen harte Auseinandersetzungen, die wir aber nicht scheuen dürfen. Ich hoffe, dass eine gründliche mündliche und öffentliche Anhörung zu all den aufgeworfenen Fragen auch diejenigen einbeziehen wird, um die es eigentlich geht, um die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat Abgeordneter Gentzel, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor ca. zwei Wochen starb in Heilbronn eine Polizistin. Sie kam aus Oberweißbach, sie hat ihre Ausbildung hier in Thüringen genossen. Wir sind erschüttert über diesen unendlichen Akt der brutalen Gewalt. Wir trauern mit den Betroffenen und wir

wünschen ihrem Kollegen auf diesem Wege, möge sich sein Gesundheitszustand schnell und nachhaltig verbessern.

(Beifall im Hause)

Dieses Beispiel zeigt, Polizist ist für viele nicht nur der schönste Beruf der Welt, er ist auch gefährlich.

Warum sage ich das im Zusammenhang mit der heutigen Debatte zur Novelle des Polizeiaufgabengesetzes und anschließend zum Polizeiorganisationsgesetz?

Meine Damen und Herren, was wir beraten, sind keine abstrakten Gesetze, sind keine abstrakten Verwaltungsakte, wir beraten heute - eventuell dann morgen auch noch - intensiv die innere Sicherheit in Thüringen. Die hat im PAG und im POG auch immer etwas mit dem Selbstschutz, mit dem möglichst hohen Selbstschutz der Polizisten zu tun. Deshalb ist das, was wir heute beraten - ich habe es in einigen Zeitungen anders gelesen -, nicht nur ein Thema für die Innenpolitiker. Sind wir hier oberflächlich, machen wir hier Fehler, kann das sehr schnell in jedem Wahlkreis fatale Folgen haben. Wir müssen in diesem Zusammenhang die Balance hinbekommen - meine Vorredner sind ein Stückchen darauf eingegangen - zwischen den Belangen der Polizei, zwischen den berechtigten Interessen der Polizei, den Fragen der inneren Sicherheit, aber auch den Rechten der Bevölkerung, der Bürger. All das müssen wir in Einklang bringen. Deshalb wünsche ich mir insgesamt zu den nächsten zwei Tagesordnungspunkten durchaus eine strittige, aber eine Diskussion ganz hart an den Themen, an den wirklichen Interessen.

Meine Damen und Herren, nach nun über zwei Jahren Diskussion liegt uns endlich ein entsprechender Entwurf zu den Sicherheitsgesetzen der Landesregierung vor. Herr Innenminister Gasser hat ihn als notwendig bezeichnet, ich hätte es interessant gefunden, wenn der Notwendigkeit auch mit dem entsprechenden Nachdruck auf die Zeitachse nachgeholfen worden wäre. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass es in Ihrem Haus zukünftig zweierlei Arten von Beamten gibt. Das eine sind die, die mitdenken, die bekommen eine Auszeichnung, ich weiß nicht, was die anderen dann sind,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Es gibt Prämierte und Deprimierte.)

aber die anderen scheinen zwei Jahre an dem PAG gearbeitet zu haben. Ich will in der ersten Lesung noch sehr allgemein auf die Ergebnisse dieser Arbeit eingehen.

Meine Damen und Herren, mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung versucht die Landesregierung den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung umfassender zu schützen als bisher. Wir sagen, das ist in Ordnung, wir sagen aber auch an dieser Stelle, die Landesregierung springt an dieser Stelle - und nicht nur an dieser Stelle - ein ganzes Stückchen zu kurz. Unterbrechungspflichten, Löschungspflichten, Verwertungsverbot sind in der Vorlage der SPD viel umfassender, nach unserer Auffassung viel besser geregelt.

(Beifall bei der SPD)

Warum erwähne ich das Beispiel hier gleich am Anfang? Weil dieses Beispiel sehr deutlich klarstellt, woran sich die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe jetzt im Grundsatz unterscheiden. Wir haben versucht, einen Gesetzentwurf aus Sicht der Sicherheitsbehörden und der Betroffenen von solchen Maßnahmen zu formulieren. Der Entwurf der Landesregierung scheint ausschließlich aus der Sicht der Wünsche der Sicherheitsbehörden formuliert zu sein und das ist auch seine große Schwachstelle. So ist es nicht verwunderlich, dass es auch in anderen wesentlichen Punkten einen großen Dissens vonseiten der SPD zum Regierungsentwurf gibt. Wir wollen eine andere Gestaltung der verdachtsunabhängigen Kontrollen. Wir wollen ein Verbot der Übertragung von polizeilichen Befugnissen auf den Verfassungsschutz. Wir haben das Trennungsgebot in unserer Landesverfassung stehen. Wir wollen eine andere, eine bessere Kontrolle des Verfassungsschutzes durch das Parlament. Hierzu bedarf es einer intensiven - und da gebe ich Herrn Dr. Hahnemann durchaus recht -, einer harten Beratung durch den Innenausschuss. Auch wir wollen die öffentliche Anhörung.

Meine Damen und Herren, Anhörung und Beratung im Ausschuss gilt ausdrücklich auch für die neuen Befugnisse der Thüringer Polizei, so wie im Regierungsentwurf geplant. Die Wohnungsverweisung ist in unserer Fraktion im Wesentlichen unstrittig, detaillierte Aussagen zur Sache sind angebracht.