Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

(Beifall DIE LINKE)

Ich würde mich auch freuen, wenn wir es vorher geschafft haben, dass nämlich Hilfe bei Kindern ankommt und Geld bei Kindern ankommt, wenn Sie es geschafft haben, einen kostenfreien Kinderplatz zu schaffen, wenn Sie dafür gesorgt haben, dass es kostenfreies Mittagessen in Kindertagesstätten und Schulen gibt. Wir sagen: Kinder brauchen mehr Hilfe und Leistungen, die bei Kindern ankommen.

Zu einem weiteren Vorschlag, der von uns kommt: Einführung einer Sozialpauschale. Vielleicht sagen Sie wieder, das hatten wir alles schon einmal, aber wir werden dranbleiben, weil wir zwei Ziele damit verfolgen, zwei Effekte damit erreichen wollen:

1. die Schaffung dauerhafter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse und

2. können wir damit den Aufbau der sozialen Infrastruktur unterstützen. Sie bauen ja auch mit diesem Doppelhaushalt soziale Infrastruktur weiter ab bzw. halten sie auf niedrigem Niveau.

Überall spricht es sich herum in diesem Land, wir brauchen mehr soziale Betreuung, Beratungs- und Hilfeangebote, besonders auch in der Familienbetreuung. Das bedeutet aber auch, dass viele Hilfsangebote, viele Beratungsangebote vernetzt und koordiniert werden müssen. Gerade solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bezahlt werden über die Sozialpauschale, könnten diese Tätigkeit nämlich von

Koordination, von sozialen Angeboten leisten und sie könnten auch tätig sein, nämlich im Beratungsbereich, der zunimmt, und sie könnten vor allem auch aufsuchende Hilfe, besonders in jungen Familien, leisten.

Einige Bemerkungen zur Behindertenpolitik, das bietet sich gerade am heutigen Tag an, weil nämlich heute vor einem Jahr die UN-Konvention zum Schutz der Rechte behinderter Menschen in New York verabschiedet wurde, die die Bundesrepublik Deutschland noch nicht ratifiziert hat und wozu auch im letzten Plenum die Landesregierung Initiativen abgelehnt hat. Wirkliche Chancengleichheit haben Menschen mit Behinderungen in Thüringen nicht erleben dürfen. Beispiel dafür sind die heute zur Verabschiedung anstehenden Änderungsgesetze zur weiteren Kommunalisierung der Versorgungsämter - das hatte ich Ihnen schon gesagt. Das Tohuwabohu mit dem Blindengeld, rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, nach dem Motto: Wir streichen erst mal und dann geben wir wieder klein bei, natürlich auf niedrigerem Niveau und stellen die Betroffenen ruhig. Es hat ja geklappt. Oder die Finanzierung, oder sollte ich besser sagen die Nichtfinanzierung, von Beratungsstellen. Das Thema Nachteilsausgleich stieß bei der Landesregierung und der sie tragenden CDU bisher auf taube Ohren. De facto gibt es ihn nur, und das in abgeschwächter Form, für Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen. Hier wären wir auch direkt in der Thematik des Einzelplans 08. Meine Fraktion findet es gelinde gesagt anmaßend, dass die Landesregierung jährlich Gelder in Höhe von 1,5 Mio. € für eine neu zu schaffende Stiftung einstellt - das wird bestimmt auch mit Ihren Stimmen beschlossen werden -, obwohl ein Entwurf der Satzung für diese Stiftung zurzeit noch nicht einmal vorgelegt werden kann. Wir als Abgeordnete sollen also die Katze im Sack mit dem Doppelhaushalt, was diese Stiftung betrifft, verabschieden. Man munkelt ja, dass dies selbst in den Reihen der CDU kritisiert wird. Wir als Fraktion gehen davon aus, dass es besser wäre, diese Stiftung nicht zu installieren, damit dieser Landtag Einfluss hat, wie diese Gelder zukünftig vergeben werden und vor allem wie sie für die Betroffenen sinnvoll eingesetzt werden können.

Wir wollen, dass Menschen mit Behinderungen in Thüringen wirkliche Chancengleichheit und damit Zugang zum gesellschaftlichen Leben erhalten. Dies untersetzen wir mit unseren Änderungsanträgen, die darauf abzielen, dass erstens Mittel für Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen in größerem Maße bereitgestellt werden, und zweitens fordern wir die Wiederauflage eines Arbeitsmarktprogramms für Menschen mit Behinderungen in Höhe von 2 Mio. €. In den letzten Wochen ist dazu deutlich geworden, dass private Arbeitgeber ihre gesetzlich festgeschriebenen Normen zur Bereitstellung von

Pflichtarbeitsplätzen nicht erfüllen. Die Beschäftigungsquote liegt im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2005 bei ihnen bei 3,2 Prozent oder anders gesagt, die unbesetzten Pflichtarbeitsplätze bei privaten Arbeitgebern belaufen sich 2005 auf einer Höhe von 4.628 Plätzen und bei öffentlichen Arbeitgebern immerhin auf über 636 Plätze. Das kann mehrere Ursachen haben, erstens die Arbeitsplätze fehlen, zweitens die finanzielle Unterstützung seitens des Staates für die Einrichtung von Schwerbehindertenarbeitsplätzen reicht nicht aus und drittens, die Integrationspolitik ist praxisfremd in diesem Land. Um wenigstens das Zweite, die Schaffung von Arbeitsplätzen, zu beseitigen, fordern wir als Fraktion DIE LINKE das bereits erwähnte Arbeitsmarktprogramm. An dieser Stelle mache ich deutlich, es fehlt diesem Land nicht an Geld, sondern am politischen Willen dazu.

(Beifall DIE LINKE)

Zur Gesundheitspolitik: Im Bereich Gesundheitsförderung hat das Land in den letzten Jahren stringent gespart. Ich hatte das schon gesagt, im bisherigen Doppelhaushalt war die Streichorgie also auch im Gesundheitsbereich. Mittel für Selbsthilfegruppen zum Beispiel wurden im letzten Doppelhaushalt um 60 Prozent gekürzt. Dafür wurden die Krankenkassen verstärkt zur Finanzierung herangezogen. Deshalb auch unser Änderungsantrag zur Stärkung der Gesundheitsförderung.

Ein paar Bemerkungen zur Versorgung psychisch kranker Menschen: Die Zahl dieser Erkrankungen nimmt ständig zu, was gesellschaftlichen Umständen geschuldet ist. Sind wir als Land Thüringen darauf vorbereitet? Sehen wir uns die Ausstattung der Gesundheitsämter an, so müssen wir sagen: Nein. Von 22 Gesundheitsämtern verfügen ganze acht über einen Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Demnächst soll das Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch Kranker geändert werden. Das soll aber ohne zusätzliche finanzielle Mittel erfolgen. Wir fordern, dass die Mittel für die Gesundheitsämter im KFA aufgestockt werden. Dass Geld offensichtlich genügend auch im Sozialhaushalt vorhanden ist, zeigt die enorme Steigerung im Sozialhaushalt für die Ausgaben des Maßregelvollzugs. Das bestätigt aber auch unsere Auffassung, Privatisierung macht nicht alles besser und vor allem nicht alles billiger.

Mit einem anderen Änderungsantrag wollen wir die Einrichtung von Palliativstationen in Krankenhäusern und Kliniken fördern. Damit folgen wir der Empfehlung der Enquetekommission der letzten Legislaturperiode. Die letzten Stunden seines Lebens soll jeder Mensch schmerzfrei verbringen können. Die technische und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen kann das gewährleisten und sie verwirklichen

das Recht auf ein würdevolles Sterben und verhindern das Geschäftemachen mit der Sterbehilfe.

Zum Frauenhaushalt: Auf den ersten Blick ist dieser Bereich Gleichstellung/Frauenpolitik von dramatischen Kürzungen verschont geblieben, aber ich kann mich nur wiederholen, das erfolgte alles bereits. Das ist jedoch kein Grund zum Jubeln. Der Bereich der Gleichstellungsarbeit, meine Damen und Herren, ist chronisch unterfinanziert. Dies wird an einzelnen Titeln sichtbar. Die Finanzierung des Landesfrauenrates ist so gering, dass kaum eine wirklich effektive Vernetzung möglich ist. Frauenzentren kämpfen jedes Jahr neu um das Überleben. Besonders dramatisch ist trotz allem immer noch und immer wieder die Situation von Frauenhäusern. Nach erheblichen Einbußen in den letzten zwei Jahren zieht sich die Landesregierung nun noch weiter aus ihrer Verantwortung zurück. Aus einer Förderung von mehr als 80 Prozent der Gesamtkosten sind wir jetzt bei einer anderen Finanzierungsart, nämlich der Höchstfinanzierung von 43.400 € pro Haus, egal, wie viel Plätze dieses Haus vorhält. Auch das ist ungerecht und vor allem die großen Häuser haben den Nachteil bei dieser Finanzierungsart. Insgesamt ist festzustellen, dass der Haushalt der Gleichstellungsbeauftragten ein frauenpolitisches Desaster ist, planlos, ziellos, unterfinanziert und wenig schlagkräftig.

Meine Damen und Herren, zur Jugendarbeit: Die Folgen der massiven Haushaltskürzungen, vor allem im Bereich der Jugendpauschale, in den Jahren 2005 und 2006 haben in vielen Landkreisen und kreisfreien Städten zu irreparablen Schäden in der Jugendhilfelandschaft geführt. Der Landesjugendhilfeausschuss bemängelt und hat festgestellt, dass die Zahl der über Landesmittel geförderten Sozialarbeiter von 880 auf 430 zurückgegangen ist. Die Kürzungen der vergangenen Jahre haben zu einem massiven Abbau von Fachkräften geführt, welcher nur selten durch kommunales Gegensteuern ausgeglichen werden konnte. Zum anderen wurden damit flächendeckende Strukturen, beispielsweise im Bereich der Jugendsozialarbeit und Schuljugendarbeit, beschädigt und zerstört.

Mit Einführung der Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“ wurde zudem der kommunale Finanzierungsanteil von 60 Prozent auf 50 Prozent gesenkt, was bedeutet, dass der Jugendhilfe effektiv noch weniger Mittel zur Verfügung stehen. Der Aufstockung der Mittel der Jugendpauschale um 1 Mio. € können wir zustimmen, das begrüßen wir. Wir weisen aber darauf hin, dass erstens diese Aufstockung die Kürzung von 2005 bis 2006 nicht kompensiert und zweitens die Erweiterung der Aufgabenbereiche der Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“ um die Aufgaben des Kinderschutzdienstes erweitert wurden und damit diese Mehraufstockung bei Weitem nicht mehr ausreicht für

die kommunale Kinder- und Jugendhilfe.

Mit der Erhöhung der Mittel ist zwar ein prinzipiell richtiger Schritt unternommen worden, jedoch ist die zusätzliche Erweiterung - ich hatte das gesagt - für den Kinderschutzdienst nicht akzeptabel, zumal dies für Kommunen, die einen eigenen Kinderschutzdienst betreiben, von Nachteil ist, da die bisherigen Mittel des Kinderschutzdienstes - bislang etwa 550.000 € - nun nicht mehr direkt an die Einrichtungen verteilt werden, sondern über die Jugendpauschale an alle 23 Landkreise und kreisfreien Städte ausgereicht werden, unabhängig davon, ob sie einen Kinderschutzdienst vorhalten oder nicht. Am Beispiel der Stadt Suhl soll das mal erläutert werden. Bisher hat Suhl 30.000 € erhalten. Jetzt wird das abgesenkt auf 17.000 €.

Wir fordern die Landesregierung auf, sich besonders auch dem Thema „Kinderarmut“ zu stellen. Dabei stellt die Kinder- und Jugendhilfe mit ihren breiten und niederschwelligen Angeboten ein wichtiges Instrument dar, um gegen Ausgrenzung und Benachteiligung zu wirken.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, noch etwas zum Haushaltstitel „Ring Politische Jugend“, der im letzten Doppelhaushalt im Einzelplan 02 war und mit dem Haushaltsentwurf in den Einzelplan 08 gekommen ist und jetzt wieder mit Änderungsanträgen in den Einzelplan 02 kommen soll. Dort stehen 122.500 € für die politischen Jugendverbände zur Verfügung. Davon bekommen 50 Prozent die Junge Union, ein Drittel die Jusos und der Rest geht an die Julis von der FDP. Die Grüne Jugend und die Linksjugend [’solid] haben bereits vor Jahren Anträge auf eine Aufnahme gestellt. Dies wurde bisher vom Ring Politische Jugend unter fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Während man also denkt, dass die Jugendverbände der politischen Parteien für die Mittel, die man ihnen überlässt, demokratische Verteilungsstrukturen anwenden würden, hat man sich getäuscht. Das ist ein politischer Skandal, meine Damen und Herren, der die Demokratie mit Füßen tritt. Die Mittel des Rings Politische Jugend werden von ihm nach Gutsherrenart verteilt und Neubewerber werden immer schön aus diesem Kreis herausgehalten. Es ist eigentlich ein Unding, dass hier das Land Fördermittel vergibt und diejenigen, die die Fördermittel bekommen - Einrichtungen - selbst entscheiden, wie diese Fördermittel verteilt werden, ohne dass ein Nachweis dafür erbracht werden muss. Wir fordern, dass dafür eine Richtlinie zu erarbeiten ist und dass die Mittel auch durch den Landtag demokratisch kontrolliert werden.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren der CDU, gerade was die repräsentative Demokratie betrifft, sind Sie die Verfechter für diese Form der Demokratie. Deshalb kann ich es nicht verstehen, dass Sie nicht in der Lage sind, Ihrer Jugendorganisation, der Jungen Union, das Prinzip dieser repräsentativen Demokratie zu erläutern und dass es ein Selbstverständnis ist, dass die Jugendorganisationen, die Parteien nahestehen, die hier im Thüringer Landtag vertreten sind, natürlich gleichberechtigt dann auch Zugang zu diesen Mitteln und vor allem zur Aufnahme in den Ring für Politische Jugend zu erhalten haben.

Ich fordere Sie auf, mit dieser Ausgrenzungspolitik Schluss zu machen und auch Einfluss auf Ihre Jugendorganisation zu nehmen.

(Beifall DIE LINKE)

Etwas zur Seniorenpolitik, dabei wende ich mich an Sie, meine Damen und Herren, von der SPD. Unsere Fraktion wird Ihrem Antrag dazu zustimmen. Auch wir sind der Auffassung, dass die Arbeit der Landesseniorenvertretung wesentlich besser als bisher gefördert werden muss. Die stiefmütterliche Behandlung durch die Landesregierung in diesem Bereich muss zukünftig ein Ende haben. Gleichzeitig sind wir der Auffassung, dass es in Thüringen unbedingt der Verabschiedung eines Seniorenmitbestimmungsgesetzes bedarf. Damit wäre endlich eine gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Thüringer Seniorinnen und Senioren auch auf Landesebene geschaffen. Meine Fraktion hat sich bereits dazu mehrfach bekannt. Wir werden im Jahr 2008 einen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen, der die Mitwirkung und Mitbestimmung von Seniorinnen und Senioren gesetzlich fixiert. Wenn dieser Gesetzentwurf angenommen wird, ist natürlich Geld zur Umsetzung notwendig. Dies könnte dann unter anderem - und ich sage das bewusst an dieser Stelle - auch aus diesem jetzt zur Diskussion stehenden Titel Zuschuss an die Landesseniorenvertretung entnommen werden.

Abschließend, meine Damen und Herren, der jetzige Doppelhaushalt 2008/2009 und im Verbund damit eingebunden der Einzelplan 08 ist die Fortsetzung des Haushalts der sozialen Kälte schon der vergangenen Jahre. Er ist keine Gestaltung, er ist Verwaltung.

Trotz mehrfacher und monatelanger Kritik von den kommunalen Spitzenverbänden sowie den Gewerkschaften werden und sollen die Versorgungsämter - das möchte ich an dieser Stelle noch mal unterstreichen - an die Kommunen gehen, obwohl immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass es weder eine Kostenrechnung gab, die erstens festgestellt hat, dass die Übergabe der kommunalen Versorgungs

ämter preiswerter noch effektiver gestaltet werden kann. Soziale Verantwortung wird insgesamt weiter auf die Kommunen verlagert unter dem Deckmantel der Selbstverwaltung. Die Kommunen wissen kaum, ob sie da zwischen Cholera oder Pest entscheiden müssen. Dieser Einzelplan 08 reiht sich ein in die gesamte Politik der Landesregierung, die ich bezeichnen könnte als ein PPP-Modell, aber nicht PPP, was Sie vielleicht darunter verstehen oder was zwangsläufig der Begriff dafür ist, sondern, meine Damen und Herren, hier steht PPP für Pleiten, Pech und Pannen.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ach, das ist aber eine Überraschung.)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Pelke zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Wiederholung ist die Mutter der Weisheit und insofern möchte ich mich hier unter diesem Haushaltskomplex beschränken -

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Was? Nur wenn es wahr ist!)

ach Herr Emde, natürlich ist das so, Sie machen das doch auch immer mal so.

(Unruhe CDU)

Wir werden jetzt an diesem Beispiel der Familienpolitik noch mal auf den Werdegang der CDU-Fraktion eingehen, was Sie unter neuer Familienpolitik verstehen und was letztendlich eine Einschränkung der Unterstützung für Familien ist. Sie müssen das dann schon ertragen, dass das eine oder andere auch noch mal rückwirkend beleuchtet wird, was Sie sich eigentlich hier im sogenannten Interesse von Familien geleistet haben.

Wenn wir uns über Familienpolitik unterhalten, müssen wir sowohl - das muss ich Ihnen eigentlich gar nicht sagen - den Einzelplan 08 betrachten als auch den Einzelplan 17. Beide Pläne gehören zusammen. Schließlich hat ja auch das Sozialministerium den Namen „Familie“ im Titel und der Sozialminister nimmt für sich in Anspruch, die Familienpolitik wesentlich zu gestalten. Deshalb wollen wir uns auch bei der Diskussion um den Einzelplan 08 mit der Familienpolitik und mit dem Ihnen vorliegenden Antrag der beiden Oppositionsfraktionen befassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn Sie - die Kollegen der CDU - am liebsten vergessen wollen, der Blick zurück in das Jahr 2005 zeigt auf, wie die Thüringer Familien von dieser Landesregierung geschröpft wurden. Das muss man sich alles noch einmal auf der Zunge zergehen lassen, am 20. April 2005 wurde in der Thüringer Staatskanzlei vom Ministerpräsidenten die Thüringer Familienoffensive verkündet. Ein Tag, den man nicht vergessen sollte.

(Beifall CDU)

Damals wurde suggeriert - ja, ja, Sie gleich wieder, Herr Emde, falsch geklatscht, zu früh -, dass die Mittel zur Familienförderung nicht erhalten bleiben, nein, der Ministerpräsident hat versprochen, sie werden sogar ansteigen, leicht ansteigen, um hier ganz konkret zu bleiben. Das war ein Märchen, das sich über Monate hinzog. Erst Ende des Jahres 2005 mit der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2006 und 2007 wurde dem erstaunten Publikum mitgeteilt, dass gespart und gestaltet werden sollte - so Ihre Begrifflichkeit. Das Eingeständnis für die Wahrheit übernahm Ihre Fraktionsvorsitzende - mit Brille wäre das nicht passiert, Herr Minister, genau - und ich habe hier schon öfter gesagt, dass ich ihr dankbar bin dafür. Im Gegensatz zur Landesregierung hat sie offenkundig die Wahrheit gesagt. Sie hat nämlich ganz deutlich gemacht, es soll gespart werden. Ich bin mal gespannt, wer innerhalb der Thüringer CDU irgendwann dem Wahlvolk mitteilt, dass zum Beispiel das Bürgergeld des Ministerpräsidenten ein ungedeckter Scheck ist. Vielleicht übernimmt das auch Ihre Fraktionsvorsitzende, einer muss ja die Wahrheit sagen, es wird ja auch schon viel an diesem Punkt diskutiert.

Aber zurück zum damaligen Haushalt, der an diesem Tage - und ich will das einfach einmal so deutlich formulieren - das Leid der Thüringer Familienpolitik widerspiegelt. Bei dessen Verabschiedung ließ sich einfach nicht mehr verheimlichen, dass in den Haushaltsplanungen beträchtliche Kürzungen vorgesehen waren, aber dennoch, das Märchen ging weiter. Noch im Dezember 2005 verkündete der Ministerpräsident und kurz vor Weihnachten, weil das ja auch immer ganz gut passt, dass das neue Gesetz kein Anlass sei zum Einstieg und zum Anstieg der Elternbeiträge. Das hat er ganz deutlich gesagt: Es gäbe keinen Anstieg der Elternbeiträge. Schönreden und Streichen, meine Damen und Herren, das ist der heimliche familienpolitische Lehrplan dieser CDU-Landesregierung

(Beifall SPD)

und leider, die Wahrheit kommt nur scheibchenweise zutage. Wer die einzelnen Puzzleteile zusam

menfügt, wer Kindergärten besucht, dem wird ganz schnell klar, die Bedingungen haben sich verschlechtert. Ich weiß, dass Herr Panse nachher die Gelegenheit wieder nehmen wird und dass dann das Ganze, was Herr Panse sagt, vom Minister noch einmal wiederholt wird, das dem alles nicht so ist, aber es ist so. Wer mit offenen Augen und mit offenen Ohren durch das Land und in die Einrichtungen geht, der wird feststellen, die Gruppengrößen sind gestiegen, die psychische und physische Belastung, die Überbelastung ist geradezu dramatisch. Der Thüringer Landeselternverband Kindertagesstätten, der TLEVK, hat 199 Einrichtungen befragt. Meine Kollegin Jung war mit auf dieser Veranstaltung. Wir haben uns das alles erläutern lassen. 81 Prozent der Fachkräfte fühlen sich überlastet. Ich sage das noch einmal, 81 Prozent der Fachkräfte. Betreuungsmängel natürlich sind die Folge, Erkrankungen sind die Folge. Es wurde in letzter Zeit auch in hiesigen Zeitungen über Burnout geschrieben. Wer bislang noch nicht weiß, was Burnout ist, der kann sich vielleicht einmal mit Erzieherinnen unterhalten. Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten hat zugenommen. Das hört sich relativ modern an, bedeutet aber in der Realität eine Zunahme von Teilzeit. Abrufbereite Mitarbeiter werden zur Normalität. Das Personalmanagement in Kindergärten erinnert mehr und mehr an das in den Supermärkten. Nicht, dass ich den Kollegen dort in irgendeiner Form zu nahe treten will, aber wir müssen schon wissen, über welchen Bereich wir hier reden. Sind genügend Kinder da, wird das Personal gerufen, verringert sich die Anzahl der Kinder, wird das Personal nach Hause geschickt, nicht weil die Träger das wollen, nein, weil die Träger dazu finanziell gezwungen werden. Setzen Sie das einmal um auf das Beispiel Schule, Sie wissen, keine Schule würde unter diesen Bedingungen funktionieren. Kindergärten, das will ich noch einmal deutlich sagen, ich hatte es eben schon erwähnt, ich will keiner Verkäuferin im Supermarkt zu nahe treten, aber Kindergärten sind eben keine Supermärkte, Sie selbst sagen immer, sie sind das zentrale Element der frühkindlichen Förderung. Dann muss man das aber auch wollen, dann muss man es unterstützen und dann kann man an diesem Punkt nicht kürzen - und genau das ist Ihre Richtung.

(Beifall SPD)

Die Befragung des TLEVK hat weiter ergeben, dass die Vor- und Nachbereitungszeit nicht ausreicht, ebenso wenig wie die Fortbildungszeit und die Möglichkeiten, mit Eltern zu arbeiten. Also das, was Sie gewollt haben, die angestrebte Erziehungspartnerschaft, kann einfach unter diesen Bedingungen nach Einschätzungen - nicht von mir oder der anderen Oppositionspartei - der Mitarbeiter nicht realisiert werden. Ich frage mich, wie unter diesen Bedingungen das Netzwerk für Kinderschutz verbessert werden soll, denn auch dort - und da dachte ich eigentlich,

waren wir uns alle einig - kommt den Kindertagesstätten eine zentrale Aufgabe zu. Gleichzeitig soll - das ist auch hier heute schon erwähnt worden - der Thüringer Bildungsplan sehr zu Recht, dafür sind wir ja alle, zukünftig umgesetzt werden. 74 Prozent der vom TLEVK Befragten erklären, dass sich die Rahmenbedingungen durch das neue Kita-Gesetz verschlechtert haben, gleichzeitig aber die Anforderungen an das pädagogische Personal gestiegen sind. Ja, meine Damen und Herren, wie sollen dann die Mitarbeiter das ableisten, was Sie auf der einen Seite einfordern, aber den Menschen dafür die Bedingungen wegnehmen? Das kann doch nicht sein und es kann nicht funktionieren.

(Beifall SPD)

Beklagt wird auch von den Mitarbeitern, dass das Personal nicht ausreicht, zunehmend häufig wechselt, das ist also die sogenannte Flexibilisierung, und es wird ein hoher Altersdurchschnitt beschrieben. Ich gehe jetzt schon Wetten ein, dass sich die ohnehin zu wenig in Thüringen ausgebildeten Erzieherinnen irgendwann in Scharen in Richtung Westen aufmachen werden. Deswegen sage ich auch einfach mal so deutlich, im Aufbau West, wenn man das so nennen darf, werden sich die Länder und Kommunen andere Bedingungen einfallen lassen, um junge Menschen für den anspruchsvollen Beruf in den Kitas in den Westen zu locken. Zeitgleich wird in Thüringen alles unternommen, um die Bedingungen in den Kindergärten zu verschlechtern und all das, was im Moment beschrieben wird, zu ignorieren. Eigentlich waren wir uns an dem Punkt einig, dass wir auf unser System nach wie vor stolz sein können und wir haben das hier mal in diesem Haus auch diskutiert, dass letztendlich gerade in diesem Bereich der Westen vom Osten lernen kann und soll.